Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.03.2013, Az.: 6 K 251/12

Prozessführungsbefugnis des Schuldners hinsichtlich Forderungen aus der Insolvenzmasse nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
14.03.2013
Aktenzeichen
6 K 251/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 40066
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2013:0314.6K251.12.0A

Amtlicher Leitsatz

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Insolvenzverwalter die uneingeschränkte Prozessführungsbefugnis unter Ausschluss des Insolvenzschuldners.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich im vorliegenden Verfahren gegen Steuerfestsetzungen gegenüber der xy-GmbH (GmbH). In den Streitjahren war der Kläger Geschäftsführer der GmbH. Nach den Eintragungen im Handelsregister (Register B des Amtsgerichts ...) ist seit 2010 Herr X als Geschäftsführer bestellt.

2

Der Beklagte führte bei der GmbH eine steuerliche Außenprüfung durch.

3

Noch vor Abschluss der Prüfung ist durch Beschluss des Amtsgerichts ... vom 19.10.2010 über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Das Finanzamt setzte daher die aus der Außenprüfung resultierenden Steuernachforderungen nicht durch geänderte Steuerbescheide fest, sondern meldete die Beträge in Höhe von insgesamt ... Euro zur Insolvenztabelle an. Die Forderungen sind zu einem überwiegenden Teil zur Tabelle festgestellt. Das Insolvenzverfahren ist derzeit noch nicht abgeschlossen.

4

Mit Schreiben vom 12.6.2011 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Er führt u.a. aus, er wende sich gegen "Betriebssteuern ... (Umsatz, Gewerbe, Körper)" für 2005 bis 2007. Der Kläger trägt u.a. vor, die Steueränderungen für 2005 bis 2007 seien rechtsfehlerhaft und er habe bis zum heutigen Zeitpunkt noch keine klagfähigen Bescheide erhalten. Er habe keinerlei Kenntnis, ob bzw. in welcher Höhe der Insolvenzverwalter Beträge festgestellt oder bestritten habe. Zudem vertritt der Kläger die Auffassung, er sei für die GmbH prozessführungsbefugt.

5

Der Kläger hat keinen bezifferten Antrag gestellt.

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Der Beklagte hat schriftlich beantragt,

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die Klage abzuweisen.

8

Er hält die Klage für unzulässig. Aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangele es an der Klagebefugnis des Klägers. Ferner sei kein außergerichtliches Vorverfahren durchgeführt worden.

9

Der Senat hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom ... auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen. Der Bundesfinanzhof hat die dagegen erhobene sofortige Beschwerde des Klägers mit Beschluss vom ... als unzulässig verworfen.

Entscheidungsgründe

10

Die Klage ist unzulässig.

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1. Der Kläger ist nicht nach § 40 Abs. 2 FGO klagebefugt.

12

a) An der Klagebefugnis fehlt es bereits deshalb, weil nur demjenigen der Rechtsweg offensteht, der geltend machen kann, durch die öffentliche Gewalt - im Streitfall durch die nachgeforderten Steuerzahlungen - in eigenen Rechten aus Abgabenangelegenheiten verletzt zu sein. Ein rein wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Steuerverfahrens genügt insoweit nicht (vgl. dazu insgesamt von Groll in Gräber, FGO, § 30 Rz. 56 mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Vorliegend wendet sich der Kläger ausweislich der Klageschrift vom 12.06.2011 im eigenen Namen gegen die "Betriebssteuern xy". Er macht mithin nicht eine Verletzung eigener Rechte, sondern die Verletzung der Rechte der GmbH als eigener Rechtspersönlichkeit geltend.

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b) Selbst wenn im Wege der rechtsschutzgewährenden Auslegung davon auszugehen wäre, dass die Klage nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der GmbH erhoben worden ist, fehlt es an der Klagebefugnis, da bereits vor Erhebung der Klage (21.06.2012) am 19.10.2010 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet worden ist.

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Nach § 80 Abs. 1 InsO verliert der Schuldner, mithin im Streitfall die GmbH, mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Befugnis, das zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen zu verwalten und über dasselbe zu verfügen. Gleichzeitig geht das Verwaltungs- und Verfügungsrecht auf den Insolvenzverwalter über. Mit dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht erhält der Insolvenzverwalter die Befugnis, die Insolvenzmasse betreffende Prozesse zu führen. Im Prozess hat der Insolvenzverwalter kraft gesetzlicher Prozessstandschaft die uneingeschränkte Prozessführungsbefugnis unter Ausschluss des Schuldners. Der Schuldner ist nicht prozessführungsbefugt (BFH-Beschluss vom 26.07.2004 X R 30/04, BFH/NV 2004, 1547, m.w.N.; BFH-Urteil vom 06.07.2011 II R 34/10, BFH/NV 2012, 10).

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c) Im Übrigen war der Kläger im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht mehr gesetzlicher Vertreter der GmbH, denn diese wird durch ihren Geschäftsführer vertreten (§ 35 Abs. 1 GmbHG). Daher hätte der Kläger auch ohne Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wirksam für die GmbH Klage erheben können.

16

2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

17

3) Die Entscheidung ergeht nach § 6 Abs. 1 FGO durch die Einzelrichterin.