Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 12.12.2019, Az.: 8 B 180/19

Bulgarien; Dublin; Systemische Mängel

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
12.12.2019
Aktenzeichen
8 B 180/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 69874
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Weder im Zeitpunkt der Rücküberstellung noch im Falle einer Zuerkennung internationalen Schutzes droht gesunden und arbeitsfähigen Personen eine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung

Gründe

I.

Der Antragsteller ist irakischer Staatsangehöriger und reiste nach eigenen Angaben am 11. September 2019 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 19. September 2019 einen Asylantrag stellte.

In seiner Anhörung durch einen Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gab er an, den Irak Ende November, Anfang Dezember 2018 verlassen zu haben. Er sei zu Fuß und per Kraftfahrzeug über die Türkei und weitere, ihm unbekannte Länder in die Bundesrepublik Deutschland eingereist.

Eine EURODAC-Abfrage des Bundesamtes ergab, dass der Antragsteller bereits am 19. August 2019 in Bulgarien einen Asylantrag gestellt hat. Das Bundesamt ersuchte die bulgarischen Behörden am 10. Oktober 2019 um Übernahme. Die bulgarischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 11. Oktober 2019 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags.

Die Antragsgegnerin lehnte daraufhin mit Bescheid vom 14. Oktober 2019 den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2), ordnete seine Abschiebung nach Bulgarien an (Ziffer 3) und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf elf Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4). Zur Begründung wird in dem Bescheid ausgeführt, dass Bulgarien für den Asylantrag des Antragstellers zuständig sei. Auch drohe dem Antragsteller bei einer Abschiebung nach Bulgarien keine Verletzung des Art. 3 EMRK.

Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 21. Oktober 2019 Klage erhoben (Az. 8 A 477/19) und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Bulgarien wiesen für sog. Dublin-Rückkehrer systemische Mängel auf; eine Überstellung des Antragstellers verstoße gegen Art. 3 EMRK.

II.

1. Über den Antrag entscheidet die Kammer anstelle der Einzelrichterin. Diese hat den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom heutigen Tage gemäß § 76 Abs. 4 Satz 2 AsylG auf die Kammer übertragen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und von der Rechtsprechung der Kammer abgewichen wird.

2. Der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. §§ 75 Abs. 1, 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG hinsichtlich der Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides zulässige Antrag ist unbegründet.

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen das Entfallen der grundsätzlich gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO gegebenen aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage – wie hier gem. § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylG – durch Bundesgesetz vorgeschrieben ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO), auf Antrag die aufschiebende Wirkung anordnen, wenn die im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung überwiegt. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass das öffentliche Vollzugsinteresse bereits durch den gesetzlich angeordneten Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erhebliches Gewicht erhält (vgl. BVerwG, Beschl. v. 7.8.2014 - 9 VR 2.14 -, juris Rn. 3, und Beschl. v. 13.6.2007 - 6 VR 5.07 -, NVwZ 2007, 1207 (1209); Bay. VGH, Beschl. v. 9.8.2018 - 15 CS 18.1285 -, juris Rn. 33). Insbesondere wenn die mit dem Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, besteht kein Anlass von der gesetzlich bestimmten Regel der sofortigen Vollziehbarkeit abzugehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.9.2008 - 7 VR 1.08 -, juris Rn. 6). Ist hingegen die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Verfügung offensichtlich, weil sie sich schon bei summarischer Prüfung ergibt, kann das Gericht die aufschiebende Wirkung anordnen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 6.9.2007 - 5 ME 236/07 -, juris Rn. 11; vgl. zu alledem auch Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 80 Rn. 146 ff.).

Bei Anwendung dieser Maßstäbe überwiegt das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung gegenüber dem Interesse des Antragstellers an einem Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland für die Dauer des Hauptsacheverfahrens, da die Klage nach der insoweit maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) bei summarischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg bietet.

Das Bundesamt hat in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides aller Voraussicht nach zu Recht die Abschiebung des Antragstellers nach Bulgarien angeordnet. Rechtsgrundlage für die Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG. Hiernach ordnet das Bundesamt, sofern ein Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Der Asylantrag des Antragstellers ist gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG unzulässig. Eine Unzulässigkeit liegt hiernach vor, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines vom einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Das ist hier der Fall, da Bulgarien nach der Dublin III-VO für die Prüfung des Asylantrages zuständig ist.

Aufgrund eines EURODAC-Treffers der Kategorie 1 hat das Bundesamt am 10. Oktober 2019 fristgerecht (vgl. Art. 23 und 24 Dublin III-VO) ein Wiederaufnahmegesuch nach Art. 18 Abs. 1b) Dublin III-VO an Bulgarien gerichtet. Die bulgarischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 11. Oktober 2019 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1d) Dublin III-VO. In einem solchen Fall ordnet das Bundesamt gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat – hier Bulgarien – an.

Die Antragsgegnerin ist auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin III-VO für die Prüfung des Asylantrages des Antragstellers zuständig. Denn in Bulgarien bestehen für Schutzsuchende in der Situation des Antragstellers keine systemischen Mängel im Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen, welche die Zuständigkeit der Antragsgegnerin begründeten. Es sind keine hinreichenden Gründe für die Annahme der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtecharta (im Folgenden: GRCh; vgl. EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 -, juris Rn. 106) bzw. dem übereinstimmenden Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK; vgl. Nds OVG, Urt. v. 9.4.2018 - 10 LB 92/17 -, juris Rn. 26) bei einer Rückkehr des Antragstellers nach Bulgarien feststellbar.

Bei der Prüfung, ob ein Mitgliedsstaat hinsichtlich der Behandlung von rücküberstellten Schutzsuchenden gegen Art. 3 EMRK verstößt, ist ein strenger Maßstab anzulegen (Nds. OVG, Urt. v. 9.4.2018 - 10 LB 92/17 -, juris Rn. 27). Denn nach dem Konzept, welches Art. 16a Abs. 2 GG und §§ 26a, 29 Abs. 1, 34a AsylG zu Grunde liegt, ist da-von auszugehen, dass unter anderem in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) und der EMRK sichergestellt ist und daher dort einem Schutzsuchenden keine politische Verfolgung droht sowie keine für Schutzsuchende unzumutbare Bedingungen herrschen („Prinzip des gegenseitigen Vertrauens", vgl. auch EuGH, Urt. v. 19.3.2019 - C-173/17 -, juris Rn. 82, und Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 -, juris Rn. 79; BVerwG, Urt. v. 9.1.2019 - 1 C 36.18 -, juris Rn. 19; Nds. OVG, Urt. v. 9.4.2018 - 10 LB 92/17 -, juris Rn. 27). Diese Vermutung ist zwar nicht unwiderleglich. Eine Widerlegung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU (ABl. 2013, L 180/96), die Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU (ABl. 2011, L 337/9) oder die Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU (ABl. 2013, L 180/60) genügen, um die Überstellung eines Schutzsuchenden an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (BVerwG, Beschl. v. 6.6.2014 - 10 B 35.14 -, juris Rn. 5; Nds. OVG, Urt. v. 9.4.2018 - 10 LB 92/17 -, juris Rn. 27). Kann einem Mitgliedstaat hingegen nicht unbekannt sein, dass die systemischen Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Schutzsuchende in dem zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden, hat eine Überstellung zu unterbleiben (vgl. EuGH, Urt. v. 19.3.2019 - C-163/17 -, juris Rn. 85; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 6.6.2014 - 10 B 35.14 -, juris Rn. 5; Nds. OVG, Urt. v. 9.4.2018 - 10 LB 92/17 -, juris Rn. 27). Systemische Schwachstellen erreichen allerdings erst dann die besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, Urt. v. 19.3.2019, C-163/17, juris Rn. 92).

Für das in Deutschland durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Schutzsuchende in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK. Das Gericht muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Schutzsuchenden stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention, die Überzeugungsgewissheit (§§ 108 Abs. 1 Satz 1, 122 Abs. 1 VwGO) verschaffen, dass der Schutzsuchende wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im obigen Sinne ausgesetzt wird (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 9.4.2018 - 10 LB 92/17 -, juris Rn. 28). Das Gericht muss auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte feststellen, dass dieses Risiko für diesen Antragsteller gegeben ist, weil er sich im Fall der Überstellung unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände (EuGH, Urt. v. 19.3.2019 - C-163/17 -, juris Rn 98). Der Nachweis obliegt dem Schutzsuchenden (vgl. EuGH, Urt. v. 19.3.2019 - C-163/17 -, juris Rn. 95). Bei der Beurteilung, ob sich die tatsächliche Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK aus systemischen Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Personen, die internationalen Schutz beantragen, in dem Mitgliedstaat ergibt, ist darüber hinaus aufgrund des allgemeinen und absoluten Charakters des Verbots in Art. 4 GRCh auch die Situation von Schutzsuchenden nach der Beendigung des Asylverfahrens in den Blick zu nehmen (EuGH, Urt. v. 19.3.2019 - C-163/17 -, juris Rn. 87 - 89; anders noch VG Lüneburg, Beschl. v. 25.1.2019 - 8 B 194/18 -, juris Rn. 42). Es wäre widersprüchlich, wenn das Vorliegen eines derartigen Risikos im Stadium des Asylverfahrens eine Überstellung verhindern würde, während dasselbe Risiko dann geduldet würde, wenn dieses Verfahren durch die Zuerkennung von internationalem Schutz zum Abschluss kommt (EuGH, Urt. v. 19.3.2019 - C-163/17 -, juris Rn. 89).

Ausgehend von diesem Maßstab sowie bei einer Gesamtwürdigung der aktuell vorliegenden Berichte und Stellungnahmen (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 21.4.2016 - 2 BvR 273/16 -, juris Rn. 11) sind nach summarischer Prüfung keine hinreichenden Gründe für die Annahme feststellbar, dass dem Antragsteller bei einer Rückkehr nach Bulgarien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund systemischer Mängel die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK nach den Maßstäben der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vom 19. März 2019 (- C-173/17 -) droht.

Entgegen der bisherigen Rechtsprechung der Kammer und derjenigen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. Januar 2018 (- 10 LB 82/17 -, juris) geht die Kammer nunmehr davon aus, dass im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG Anhaltspunkte für das Vorliegen systemischer Mängel – auch für Dublin-Rückkehrer wie den Antragsteller – nicht (mehr) bestehen. Der überwiegende Teil der hierzu ergangenen aktuellen Rechtsprechung nimmt ebenfalls an, dass weder unter Berücksichtigung einzelner Umstände noch in der Gesamtschau der vorliegenden Missstände hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Asylantragsteller oder anerkannt Schutzberechtigte, jedenfalls soweit sie gesund und arbeitsfähig sind, in Bulgarien mit einer unmenschlichen und erniedrigenden, gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung rechnen müssen (vgl. ausführlich OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 25.7.2019 - 4 LB 12/17 -, juris Rn. 126 ff.; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 27.5.2019 - A 4 S 1329/19 -, juris Rn. 28; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 22.8.2018 - 3 L 50/17 -, juris Rn. 14 ff.; VG Hamburg, Gerichtsbescheid v. 9.9.2019 - 16 A 6012/18 -, juris Rn. 36ff.; VG Osnabrück, Urt. v. 2.9.2019 - 5 A 1163/18 -, juris Rn. 32 ff.; VG Düsseldorf, Beschl. v. 24.7.2019 - 22 L 396.19.A -, juris Rn. 29ff.; VG Cottbus, Urt. v. 21.5.2019 - 5 K 1980/15.A -, juris Rn. 31 ff.; Schleswig-Holsteinisches VG, Gerichtsbescheid v. 7.5.2019 - 10 A 628/18 -, juris Rn. 26 ff.; offengelassen: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 15.11.2018 - OVG 3 S 87.18 -, juris Rn. 3; a. A. noch OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 24.5.2018 - 4 LB 17/17 -, juris Rn. 57 ff.; OVG Saarland, Urt. v. 19.4.2018 - 2 A 737/17 -, juris Rn. 18 ff.; Nds. OVG, Urt. v. 29.1.2018 - 10 LB 82/17 -, juris Rn. 34 ff.; vgl. für eine Mutter mit zwei Kleinkindern: Thüringer OVG, Urt. v. 21.12.2018 - 3 KO 337/17 -, juris; Urt. d. Gerichts v. 10.7.2019 - 8 A 10/18 -, juris Rn. 21 ff.; VG Chemnitz, Urt. v. 27.5.2019 - 4 K 3563/16.A -, juris Rn. 11; VG Magdeburg, Urt. v. 6.2.2019 - 8 A 42/19 -, juris Rn. 20 ff.). Wie der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Beschl. v. 27.5.2019 - A 4 S 1329/19 -, juris Rn. 28) zutreffend ausführt, konnte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht im Urteil vom 29. Januar 2018 (- 10 LB 82/17 -, juris) noch nicht die partiell verschärften Maßstäbe der EuGH-Rechtsprechung (Urt. v. 19.3.2019 - C-163/17 und C-297/17 u.a. -, juris) berücksichtigen. Darüber hinaus lässt sich den aktuellen Erkenntnismitteln eine Verbesserung der Situation in Bulgarien entnehmen.

Die Auswertung der herangezogenen Erkenntnismittel ergibt, dass gesunden und arbeitsfähigen Flüchtlingen in Bulgarien heute weder im Zeitpunkt der Rücküberstellung noch während des Asylverfahrens und auch nicht nach unterstellter Zuerkennung internationalen Schutzes unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen durch systemische Schwachstellen gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO oder sonstige Umstände das „real risk“ einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK droht.

Bei einer Rückkehr nach Bulgarien ist der Zugang zum Asylverfahren für den Antragsteller gegeben. Aus den der Kammer vorliegenden Erkenntnismitteln folgt im Rahmen einer summarischen Prüfung, dass das Asylverfahren in Bulgarien für Personen, die auf der Grundlage der Dublin III-VO nach Bulgarien zurückkehren (sog. Dublin-Rückkehrer), grundsätzlich – abhängig vom Verfahrensstand – eingeleitet, wiedereröffnet bzw. wiederaufgenommen wird (Asylum Information Database (AIDA) Country Report Bulgaria, Stand 31.12.2018, S. 28 (im Folgenden: AIDA Country Report Bulgaria, 2018); Auskunft des UNHCR vom 17.12.2018 an das VG Köln, S. 1 f. und v. 26.3.2019, S. 1 f.; vgl. hierzu auch VG Hamburg, Gerichtsbescheid v. 9.9.2019 - 16 A 6012/18 -, juris Rn. 39 f.; VG Osnabrück, Urt. v. 2.9.2019 - 5 A 1163/18 -, juris Rn. 34 f.). Nach Auskunft des bulgarischen Helsinki-Komitees und des UNHCR werden zudem in Abwesenheit des Betroffenen eingestellte Asylverfahren bei einer Rückkehr nach Bulgarien automatisch wiedereröffnet. Das Helsinki-Komitee hat hinzugefügt, dass solche Verfahren in der Vergangenheit (vor der Flüchtlingskrise) problematisch waren, da diese früher be- oder gar verhindert worden seien, was aber nun nicht mehr der Fall sei (Auskunft des Auswärtigen Amtes (im Folgenden: AA) v. 28.1.2019 an das VG Köln, S. 1f.). Ein Folgeantrag liegt nach Auskunft des UNHCR (an das VG Köln v. 17.12.2018, S. 2) lediglich dann vor, wenn das Asylgesuch auf der Grundlage einer inhaltlichen Prüfung abgewiesen wurde. Nach dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Bulgarien, Stand 31.12.2017, S. 8 (im Folgenden: BFA, Länderinformationsblatt 2017)) ist bei Dublin-Rückkehrern ein Verfahren zu suspendieren, wenn sich der Antragsteller diesem für mehr als zehn Arbeitstage entzieht oder seine Adresse ändert, ohne dies zu melden. Nach weiteren drei Monaten des Nichterscheinens ist das Verfahren zu beenden. Wurde der zugrundeliegende Asylantrag bereits inhaltlich behandelt, hat der Antragsteller ab Beendigung sechs Monate Zeit, triftige Gründe für sein Fernbleiben vorzubringen und somit das Verfahren wiederzueröffnen. Kann er keine triftigen Gründe vorbringen oder ist die 6-Monats-Frist verstrichen, kommt nur noch ein neuerlicher Asylantrag infrage, der jedoch neue Elemente enthalten muss, um zulässig zu sein. Wurde der zugrundeliegende Asylantrag vor Beendigung noch nicht inhaltlich behandelt, ist das Verfahren im Falle einer Dublin-Rückkehr jedenfalls wiederzueröffnen und der Antrag inhaltlich zu behandeln. Wenn in einem solchen Fall die 6-Monats-Frist verstrichen ist, kann der Rückkehrer einen erneuten Asylantrag stellen, welcher als Erstantrag gewertet wird (und nicht als Folgeantrag; so auch Auskunft des UNHCR an das VG Köln v. 26.3.2019, S. 1 f.). Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass der Antrag von Dublin-Rückkehrern nach einer Einstellung ihres Verfahrens entgegen den Vorgaben der Asylverfahrensrichtlinie als Folgeantrag geprüft wird (so noch VG Göttingen, Urt. v. 14.3.2017 - 2 A 141/16 -, juris Rn. 22 ff.), besteht somit nach der aktuellen Erkenntnislage nicht (mehr).

Die Aufnahmebedingungen von Personen, die nach der Dublin III-VO zurückkehren, sind ebenfalls abhängig vom Verfahrensstand des Asylverfahrens. Eine Person, die noch kein Asylgesuch in Bulgarien gestellt hat, kann bei der Ankunft in eines der von der Direktion für Einwanderung verwalteten Zentren für die vorübergehende Unterbringung vor der Abschiebung (Special Centre for the Temporary Accommodation of Foreigners, SCTAF) gebracht werden. Nach Einreichen eines Asylgesuches wird sie jedoch in ein Aufnahmezentrum der Flüchtlingsagentur (SAR) überstellt. Auch Personen, deren Verfahren wiedereröffnet wurde, werden in ein Aufnahmezentrum gebracht. UNHCR hat in letzter Zeit keine Fälle beobachtet, in denen einem Dublin-Rückkehrenden, dessen Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, der Zugang zu Aufnahmezentren verweigert wurde. Dies kann jedoch grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, wenn diese ihre volle Kapazität erreichen. Personen, deren Asylantrag bereits inhaltlich geprüft und abgewiesen wurde, werden in einem geschlossenen Zentrum (SCTAF) untergebracht. Während des anschließenden Zulässigkeitsverfahrens kommt es darauf an, ob der asylsuchenden Person die negative Erstentscheidung vor ihrer Ausreise aus Bulgarien zugestellt wurde oder nicht. Ist dies nicht der Fall, wird sie einem Aufnahmezentrum zugewiesen. Wurde die Entscheidung der asylsuchenden Person allerdings vor ihrer Ausreise aus Bulgarien bereits zugestellt und nicht innerhalb der Frist angefochten, wird sie inhaftiert und in ein geschlossenes Zentrum gebracht. Die Haft kann während des Zulässigkeitsverfahrens andauern (Art. 44 Abs. 12 des bulgarischen Ausländergesetzes). Auch wenn dies nicht der Fall ist, werden sie jedoch keinem regulären Aufnahmezentrum zugewiesen und haben auch keinen Anspruch auf Verpflegung, Unterkunft oder Sozialhilfe (zum Vorstehenden Auskunft des UNHCR vom 17.12.2018 an das VG Köln, S. 2; so auch VG Osnabrück, Urt. v. 2.9.2019 - 5 A 1163/18 -, juris Rn. 34). Im Asylverfahren ist ein Widerruf der Aufnahmebedingungen möglich, falls ein Asylantrag wegen Untertauchens der asylsuchenden Person ausgesetzt worden ist, mit der Folge, dass die Unterbringung in den Aufnahmezentren verweigert wird (SFH, Aktuelle Situation, 2019, S. 19; AIDA Country Report Bulgaria 2018, S. 47).

Vorliegend ist überwiegend wahrscheinlich, dass dem Antragsteller eine (unter Umständen ablehnende) Asylentscheidung vor seiner Ausreise aus Bulgarien nicht zugestellt wurde; dies trägt er jedenfalls nicht vor. Zwar haben die bulgarischen Behörden bei der Stattgabe des Wiederaufnahmeersuchens Art. 18 Abs. 1d) Dublin III-VO angeführt, der sich auf Antragsteller bezieht, deren Antrag abgelehnt wurde. Hieraus lässt sich hingegen lediglich die Ablehnung des Asylantrages des Antragstellers in Bulgarien folgern, nicht aber, ob es zu einer inhaltlichen Prüfung gekommen ist und ob dem Antragsteller die Entscheidung zugestellt wurde. Dass es in Bulgarien zu einer Anhörung gekommen sei, trägt der Antragsteller nicht vor. Daher ist wahrscheinlich, dass die bulgarischen Behörden seinen Asylantrag nicht inhaltlich beschieden und ihm diese Entscheidung auch nicht zugestellt haben. Aufgrund seines Verfahrensstandes wird der Antragsteller bei einer Rückkehr nach Bulgarien wahrscheinlich in einem regulären Aufnahmezentrum und untergebracht und sein Asylverfahren wiedereröffnet werden.

Selbst wenn dem Antragsteller die ablehnende Entscheidung in Bulgarien zugestellt worden wäre, hätte er die Möglichkeit, wie dargelegt, einen Folgeantrag zu stellen; er kann jedoch inhaftiert und in ein geschlossenes Zentrum gebracht werden.

Der Antragsteller ist ein alleinstehender, arbeitsfähiger Mann und darauf zu verweisen, dass er sich den (Aufnahme-)Bedingungen in Bulgarien zu stellen hat und durch eine hohe Eigeninitiative bei der Durchführung des Asylverfahrens und - falls erforderlich - bei der Unterbringung und Sicherung seines Lebensunterhaltes mitwirken muss (vgl. VG Osnabrück, Urt. v. 2.9.2019 - 5 A 1163/18 -, juris Rn. 55).

Auch anerkannten Schutzberechtigten droht im Fall der Überstellung keine von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen unabhängige Situation extremer materieller Not in Form der Obdachlosigkeit. Zwar wird der grundsätzlich bestehende Anspruch auf finanzielle Unterstützung für eine Unterkunft für sechs Monate (AIDA Country Report Bulgaria, 2018, S. 76; Auskunft des AA an das OVG Weimar v. 18.7.2018, S. 2) faktisch nicht erfüllt. Jedoch hat sich die Praxis etabliert, auch Schutzberechtigten – gegebenenfalls auf Antrag – die Möglichkeit zu geben, in der Flüchtlingsunterkunft bzw. in dem Aufnahmezentrum zu bleiben, in dem sie bereits während des Asylverfahrens wohnhaft waren (BFA, Länderinformationsblatt 2017, S. 19; AIDA Country Report Bulgaria, 2018, S. 76; Auskunft des AA an das OVG Weimar v. 18.7.2018, S. 2; BAMF, Länderinformation Bulgarien, Mai 2018, S. 8). Die Dauer des Aufenthalts hängt dabei von der Belegungsrate der Zentren und der spezifischen Schutzbedürftigkeit des Betroffenen ab (BAMF, Länderinformation Bulgarien, Mai 2018, S. 8). Da die staatlichen Flüchtlingsunterkünfte momentan nicht ausgelastet sind – Stand Ende 2018: von 4.760 Plätzen waren 444 belegt; zum 30.4.2019 6,8 % Belegungsquote – (BAMF, Aktuelle Entwicklungen zur Rechtslage und Situation von Asylbewerbern und anerkannt Schutzberechtigten in Bulgarien, Mai 2019, S. 3 (im Folgenden: BAMF, Aktuelle Entwicklungen Bulgarien, Mai 2019)), sei eine solche Unterbringung durchaus möglich. Ende 2018 sollen von dieser Möglichkeit 29 Personen Gebrauch gemacht haben (AIDA Country Report Bulgaria, 2018, S. 76; zum Vorstehenden OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 25.7.2019 - 4 LB 12/17 -, juris Rn. 97).

Es ist zu berücksichtigen, dass diese Möglichkeit nicht für Rückkehrer oder sonstige anerkannte Flüchtlinge gilt, die ihre Unterkunft nach Statuszuerkennung verlassen haben (BAMF, Länderinformation Bulgarien, Mai 2018, S. 8; Auskunft des AA an das VG Trier v. 26.4.2018, S. 2 und an das Nds. OVG v. 18.7.2017, S. 8). Manchmal würden jedoch Ausnahmen gemacht (Auskunft des AA an das Nds. OVG v. 18.7.2017, S. 8). Für aus dem Ausland zurückkehrende, anerkannte Schutzberechtigte verbleibt jedenfalls die Inanspruchnahme von einem der landesweit zwölf „Zentren für temporäre Unterbringung“ (Gesamtkapazität: 607 Plätze), die auch soziale Beratung und Unterstützung anbieten. Die Unterbringung ist für maximal drei Monate innerhalb eines Jahres möglich. Daneben gibt es in Sofia zwei kommunale „Krisenzentren“ für die Unterbringung von Bedürftigen während der Wintermonate mit einer Gesamtkapazität von 170 Plätzen (zu alldem: BAMF, Länderinformation Bulgarien, Mai 2018, S. 9; BAMF, Länderinformation Bulgarien, Mai 2017, S. 3 f.; zum Vorstehenden OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 25.7.2019 - 4 LB 12/17 -, juris Rn. 98; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 27.5.2019 - A 4 S 1329/19 -, juris Rn. 21; VG Hamburg, Gerichtsbescheid v. 19.9.2019 - 16 A 6012/18 -, juris Rn. 119; VG Karlsruhe, Urt. v. 25.6.2019 - A 13 K 6939/18 -, juris Rn. 44; Schleswig-Holsteinisches VG, Gerichtsbescheid v. 7.5.2019 - 10 A 628/18 -, juris Rn. 32).

Mit Schwierigkeiten bei der Unterkunftssuche verbunden ist die Registrierung unter einer Meldeadresse. Diese ist Voraussetzung für zahlreiche staatliche Leistungen (Erhalt von Identitätsdokumenten, Abschluss eines Mietvertrages, Abschluss einer Krankenversicherung). Die bulgarische Flüchtlingsagentur lässt nach Auskunft von AIDA seit dem Jahr 2016 nicht mehr zu, dass die Adressen der Aufnahmezentren als Meldeadresse angegeben werden (AIDA Country Report Bulgaria, 2018, S. 77; vgl. ebenso Schweizerische Flüchtlingshilfe, Bulgarien: Aktuelle Situation für Asylsuchende und Personen mit Schutzstatus, 30.8.2019, S. 21 f. (im Folgenden: SFH, Aktuelle Situation, 2019)). Diese genannten Schwierigkeiten können zu einem Teufelskreis bei der Wohnungssuche führen, da gültige ID-Dokumente Voraussetzung für den Erhalt eines Mietvertrages seien, gültige ID-Dokumente aber wiederum nur mit einer Meldeadresse zu erhalten seien. Dies führe zu korrupten Praktiken wie gefälschten Mietverträgen und falscher Adressregistrierung (AIDA Country Report Bulgaria, 2018, S. 70 f.). Nach Informationen des Bundesamtes (Länderinformation Bulgarien, Mai 2017, S. 3) können aber die temporären Unterkünfte als Meldeadressen genutzt werden (zum Vorstehenden OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 25.7.2019 - 4 LB 12/17 -, juris Rn. 99).

Für die Wohnraumbeschaffung selbst sind keine besonderen staatlichen Leistungen vorgesehen. Eine Gewährung von Wohngeld für anerkannt Schutzberechtigte ist an den Erhalt einer Sozialwohnung gebunden. Auch bulgarische Staatsangehörige beziehen in der Regel kein Wohngeld, da die Voraussetzungen für die Gewährung derartiger Leistungen kaum zu erfüllen sind (Auskunft des AA an das VG Trier v. 26.4.2018, S. 2). Sozialwohnungen gibt es nur wenige. Auf diese dürfen sich anerkannte Flüchtlinge ebenso wie bulgarische Staatsangehörige bewerben (Auskunft des AA an das OVG Weimar v. 18.7.2018, S. 2 und an das VG Trier v. 26.4.2018, S. 2).

Allerdings erhalten anerkannt Schutzberechtigte bei der Wohnraumsuche Hilfe von Nichtregierungsorganisationen (Auskunft des AA an das VG Trier v. 26.4.2018, S. 1, und an das BAMF v. 25.3.2019, S. 1, 2; BAMF, Länderinformation, Mai 2018, S. 8). Hinderlich sind oft die mangelnden Sprachkenntnisse (Auskunft des AA an das Nds. OVG v. 18.7.2017, S. 9).

Nach den Auskünften des Auswärtigen Amtes (v. 25.3.2019 an das BAMF, S. 2, und v. 16.1.2019 an das VG Köln, S. 2) gibt es in Bulgarien kaum obdachlose Flüchtlinge. Begründet wird dies durch die Unterstützung der Nichtregierungsorganisationen und staatlichen Stellen, gepaart mit einer niedrigen Anzahl von in Bulgarien verweilenden Flüchtlingen. Gründe, an diesen Angaben zu zweifeln, ergeben sich für die Kammer nicht. Auch ein Unterkommen in Obdachlosenunterkünften ist nicht ausgeschlossen, wobei anerkannt Schutzberechtigte hier mit bulgarischen Staatsangehörigen um die Plätze konkurrieren. Die Unterbringungssituation in Obdachloseunterkünften ist bescheiden, aber in den dem Auswärtigen Amt bekannten Fällen nicht menschenunwürdig (Auskunft an das BAMF v. 25.3.2019, S. 2, und an das VG Potsdam v. 16.1.2019, S. 2).

Am ehesten von Obdachlosigkeit bedroht sind nach einhelliger Auskunftslage Frauen und Familien mit kleinen Kindern (BAMF: Länderinformation Bulgarien, Stand Mai 2018, S. 8; Auskunft Dr. Ilavera an das Nds. OVG v. 7.4.2017, S. 9; vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 25.7.2019 - 4 LB 12/17 -, juris Rn. 105;), obschon sie durch die bulgarischen Behörden zuweilen besonderen Schutz (z. B. hinsichtlich der Unterbringung) bekommen sollen (Auskunft des AA an das Nds. OVG v. 18.7.2017, S. 10; BAMF Länderinformation, 2018, S. 8 f.; dazu auch VG Hamburg, Gerichtsbescheid v. 19.9.2019 - 16 A 6012/18 -, juris Rn. 118).

Der Zugang zu Arbeitsmarkt und Bildung erfolgt für anerkannt Schutzberechtigte wie für Inländer automatisch und bedingungslos (BAMF, Länderinformation Bulgarien, Mai 2018, S. 10; Auskunft des AA an das VG Trier v. 26.4.2018, S. 2, und an das Nds. OVG v. 18.7.2017, S. 6). Die Sprachbarriere und die allgemein schlechte sozioökonomische Lage im Land seien übliche Probleme (BFA, Länderinformationsblatt 2017, S. 20; UNHCR: „Where there is a will, there is a way; private sector engagement in the employment of beneficiaries of international protection“ v. 26.4.2017, S. 11 (im Folgenden: UNHCR, Employment v. 26.4.2017)), ebenso wie der damit einhergehende Mangel an Fortbildungsangeboten und Möglichkeiten der Anerkennung ausländischer Berufserfahrung (AIDA, Country Report Bulgaria, 2018, S. 76; UNHCR, Employment v. 26.4.2017, S. 11; siehe auch: Caritas Bulgaria: The Bulgarian Migration Paradox, Stand Mai 2019, S. 32; vgl. zum Vorstehenden OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 25.7.2019 - 4 LB 12/17 -, juris Rn. 111). Nichtregierungsorganisationen berichten davon, dass nur wenige anerkannte Schutzberechtigte eine Arbeit finden können, die zudem auch entweder schlecht bezahlt sei oder es sich um einen unqualifizierten Job bzw. einen Arbeitgeber aus dem gleichen Herkunftsland handele (BAMF, Länderinformation Bulgarien, Mai 2018, S. 10).

Die Umsetzung der bulgarischen Integrationsverordnung vom 19. Juli 2017 verläuft nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (an das OVG Weimar v. 18.7.2018, S. 1 f.) eher schleppend. Zentrales Element der Verordnung ist ein Vertrag, den ein anerkannter Flüchtling oder eine Person mit subsidiärem Schutz mit einer bulgarischen Gemeinde abschließen soll. In diesem setzen sich beide Seiten zum Ziel, die Integration des Flüchtlings in der Gemeinde zu erreichen. Hierfür sollen sie Unterstützung und Beratung vom Zentralstaat bekommen. Die möglichen Inhalte des Vertrags werden detailliert in der Verordnung beschrieben (Auskunft der Botschaft in Sofia an das AA v. 1.3.2018, S. 1). Ein Jahr nach dem Erlass der Verordnung wurde nur ein Fall bekannt, in dem eine Integrationsvereinbarung zwischen einem einzelnen anerkannten Schutzberechtigten und einer Kommune geschlossen wurde; 38 Profile für Flüchtlinge (sowohl für Einzelpersonen als auch Familien) sind erstellt worden, um die Vermittlung an einen Bürgermeister der möglichen Empfängergemeinden zu ermöglichen (Auskunft des AA an das OVG Weimar v. 18.7.2018, S. 2). Es gäbe zwar nicht viele Gemeinden, die solche Vereinbarungen treffen wollen, aber es gibt sie. Es handelt sich meistens um Kommunen aus der Provinz, wo Bulgarien sehr unter dem Rückgang der Wohnbevölkerung leidet. Noch mehr Interesse ist bei Unternehmen auf dem Land vorhanden, die sich teilweise direkt an die Flüchtlingsagentur wenden, um sich zu erkundigen, wie sie mit ihren Gemeinden aufgrund der Verordnung die Aufnahme von Flüchtlingen realisieren könnten. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache, dass das potenzielle Arbeitsplatzangebot sich nicht unbedingt an Fachkräfte richtet. Mitarbeiter für einfache Tätigkeiten in der Landwirtschaft und der Gastronomie, für die keine besondere Ausbildung oder gute Bulgarischkenntnisse benötigt werden, werden häufig gesucht. Auf der anderen Seite besteht kaum Bereitschaft sich in der bulgarischen Provinz niederzulassen (Auskunft der Botschaft Sofia an das AA v. 1.3.2018, S. 2). Insofern kann dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urt. v. 28.1.2018 - 10 LB 82/17 -, juris Rn. 40), nach dem es an der Bereitschaft der Kommunen zum Abschluss von Integrationsvereinbarungen fehlte, nunmehr entgegengehalten werden, dass es durchaus Kommunen gibt, jedoch die Bereitschaft von anerkannt Schutzberechtigten, sich dort auch niederzulassen, kaum gegeben ist.

Das Auswärtige Amt (Auskunft an das VG Trier v. 26.4.2018, S. 4) nimmt an, es sei sicherlich möglich, dass der Lohn für einige der dargelegten Beschäftigungsmöglichkeiten zur Deckung des Lebensbedarfs und Finanzierung einer Unterkunft ausreicht. Eine feste Meldeadresse spielt nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (an das VG Trier v. 26.4.2018, S. 3) keine entscheidende Rolle, sodass diese nicht als unabdingbare Voraussetzung für den Zugang zum Arbeitsmarkt gewertet werden kann (vgl. dazu Schleswig-Holsteinisches VG, Gerichtsbescheid v. 7.5.2019 - 10 A 628/18 -, juris Rn. 34).

Das Bulgarische Rote Kreuz führt in Zusammenarbeit unter anderem mit dem UNHCR und dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der Europäischen Union Integrationsmaßnahmen durch (Bulgarisch-Sprachkurse, Anmeldung zur Berufsausbildung und Kostenübernahme dieser Ausbildung, Sozialberatung, Aussprechen von Empfehlungen für den Zugang zu einer Arbeitsstelle, Unterkunft, medizinische Versorgung und Bildung, die Weitergabe von Informationen sowie rechtliche, soziale und psychologische Beratungen). Ähnliches bietet die Caritas an, die ihren Schwerpunkt auf die Bildungsarbeit legt (Auskunft des AA an das BAMF v. 25.3.2019, S. 2, und an das OVG Weimar v. 18.7.2018, S. 3). Zusätzlich stellt das Bulgarische Rote Kreuz Fahrkarten für öffentliche Verkehrsmittel, sozial-kulturelle Orientierungskurse, Übersetzungen von Dokumenten und Zeugnissen sowie Übersetzertätigkeiten bei Behördengängen zur Verfügung (Auskunft des AA an das OVG Weimar v. 18.7.2018, S. 3). Caritas geht im Übrigen davon aus, dass jedenfalls Einwanderer in Bulgarien gut integriert seien (Caritas Bulgaria, The Bulgarian Migration Paradox, Mai 2019, S. 7, 23).

Der bulgarische Staat gewährt anerkannten Schutzberechtigten die gleichen Unterstützungsleistungen, wie sie auch bulgarische Staatsangehörige in Anspruch nehmen können. Sozialhilfe (umgerechnet ca. 33 Euro pro Monat) steht demnach faktisch nicht zur Verfügung. Denn die Gewährung von Sozialhilfe ist an nur sehr schwer zu erfüllende Bedingungen geknüpft, so dass in der Praxis nur eine Minderheit der bezugsfähigen bulgarischen Staatsangehörigen und kaum anerkannte Schutzberechtigte diese beziehen (Auskunft des AA an das OVG Weimar v. 18.7.2018, S. 2, und an das VG Trier v. 26.4.2018, S. 3; BAMF, Länderinformation Bulgarien, Mai 2018, S. 9f.; Auskunft Dr. Ilareva an das Nds. OVG v. 7.4.2017, S. 7). Im Jahr 2017 soll in 20 Fällen Sozialhilfe gezahlt worden sein (Auskunft des AA an das OVG Weimar v. 18.7.2018, S. 2, und an das VG Trier v. 26.4.2018, S. 3). Die Lebenshaltungskosten werden in Bulgarien im Landesschnitt mit 305 Euro (für Sofia 397 Euro) beziffert (Auskunft des AA an das VG Potsdam v. 16.1.2019, S. 3).

Vom ersten Tag nach Statuszuerkennung müssen Schutzberechtigte die Krankenversicherungsbeiträge, die bis dahin von der bulgarischen Flüchtlingsagentur entrichtet worden sind, selbst bezahlen. Das sind ca. 9,40 EUR monatlich für arbeitslos gemeldete Personen (BFA, Länderinformationsblatt 2017, S. 20). Medizinische Notfallversorgung ist jedoch für alle auf dem Gebiet Bulgariens befindlichen Personen zugänglich (Auskunft des AA an das OVG Weimar v. 18.7.2018, S. 2, und an das VG Trier v. 26.4.2018, S. 4). Außerdem ist es möglich, dass psychisch erkrankte Rückkehrer eine besondere Betreuung erhalten (Auskunft des AA an das VG Trier v. 26.4.2018, S. 5).

Insbesondere dem Bulgarischen Roten Kreuz kommt im bulgarischen Asyl- und Flüchtlingsrecht (Art. 53 Abs. 4 des bulgarischen Asyl- und Flüchtlingsgesetzes) eine herausgehobene Stellung zu. Denn es nimmt im Auftrag des bulgarischen Staates und in Kooperation mit der staatlichen Flüchtlingsbehörde SAR zentrale Aufgaben im Asyl- und Flüchtlingsrecht wahr. Es ist zum einen im Bereich der Asylantragstellung eingebunden, etwa bei der Unterbringung sowie der Bereitstellung von Hilfen zur Anpassung an die bulgarischen Verhältnisse und der (Mit-)Organisation von Sprachkursen. Das bulgarische Asylrecht sieht zum anderen ausdrücklich vor, dass die Organisation auch bei der Integration der anerkannten Schutzberechtigten mitwirkt und sowohl soziale, medizinische und psychologische Begleitung als auch Hilfe bei der Suche nach einer Beschäftigung anbietet. Dafür, dass das Bulgarische Rote Kreuz seinem gesetzgeberischen Auftrag nicht gerecht würde, besteht vorliegend kein hinreichender Anhalt (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 25.7.2019 - 4 LB 12/17 -, juris Rn. 131; OVG Magdeburg, Beschl. v. 22.8.2018 - 3 L 50/17 - juris, Rn. 20; Schleswig-Holsteinisches VG, Gerichtsbescheid v. 7.5.2019 - 10 A 628/18 -, juris Rn. 39). Somit kann die Arbeit des Bulgarischen Roten Kreuzes nicht lediglich als Unterstützung durch eine Nichtregierungsorganisation gewertet werden, sondern es erfüllt vielmehr staatliche Aufgaben.

Ferner ist zu berücksichtigen, dass das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht die ausdrückliche Klarstellung des Europäischen Gerichtshofs im Hinblick auf die Bedeutung familiären Rückhalts nicht berücksichtigen konnte. Während das Gericht seine Entscheidung (Urt. v. 28.1.2018 - 10 LB 82/17 -, juris Rn. 53) auch darauf stützte, dass Schutzberechtigte in Bulgarien nicht auf familiären Rückhalt, nachbarschaftliche Kontakte und Ähnliches wie die einheimische Bevölkerung zurückgreifen können, und faktisch keinen oder nur einen sehr erschwerten Zugang zu Sozialhilfe haben, um die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu begründen, macht der Europäische Gerichtshof (Urt. v. 19.3.2019 - C-163/17 -, juris Rn. 94) deutlich, dass diese Aspekte gerade keine ausreichende Grundlage für eine derartige Feststellung sind (vgl. auch VG Osnabrück, Urt. 2.9.2019 - 5 A 1163/18 -, juris Rn. 81).

Die Situation für anerkannt Schutzberechtigte stellt sich demnach nach wie vor als schwierig – schwieriger als in Deutschland – dar, da es an staatlichen Integrationsprogrammen fehlt, rechtliche Vorgaben zum Teil nur unzureichend umgesetzt werden oder staatliche Leistungen wegen hoher praktischer Hürden nur sehr schwer zu erhalten sind. Folglich – auch wegen der allgemein schlechten sozioökonomischen Lage in Bulgarien – sehen sich anerkannt Schutzberechtigte hohen Hürden bei Wohnungs- und Arbeitssuche gegenüber. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass sie hierbei grundsätzlich nicht schlechter gestellt sind als bulgarische Staatsangehörige, für die teilweise nach der Auskunftslage Sozialleistungen, Wohnraum, Krankenversicherungsschutz und Arbeit ebenso schwer zu erreichen sind (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 25.7.2019 - 4 LB 12/17 -, juris Rn. 128; zum Ergebnis der unverändert schwierigen Lebensbedingungen für Personen mit internationalem Schutzstatus in Bulgarien auch VG Hamburg, Gerichtsbescheid v. 19.9.2019 - 16 A 6012/17 -, juris Rn. 154; VG Osnabrück, Urt. 2.9.2019 - 5 A 1163/18 -, juris Rn. 67; VG Düsseldorf, Beschl. v. 24.7.2019 - 22 L 396.19.A -, juris Rn. 29; Schleswig-Holsteinisches VG, Gerichtsbescheid v. 7.5.2019 - 10 A 628/18 -, juris Rn. 27). Ein von dem eigenen Willen des arbeitsfähigen und gesunden anerkannt Schutzberechtigten unabhängigen „Automatismus der Verelendung“ bei Rückkehr nach Bulgarien lässt sich nach dem Vorstehenden jedoch nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen. Die nach realistischer Einschätzung zu besorgende Verschlechterung der – auch wirtschaftlichen – Situation des Antragstellers in Bulgarien im Gegensatz zu den Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland ist vor dem dargestellten Hintergrund zumutbar und rechtlich tolerierbar (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 25.7.2019 - 4 LB 12/17 -, juris Rn. 136; so im Ergebnis auch Schleswig-Holsteinisches VG, Gerichtsbescheid v. 7.5.2019 - 10 A 628/18 -, juris Rn. 33).

Auch wenn im Asylverfahren ein Widerruf der Aufnahmebedingungen möglich ist, so ist aufgrund der dargestellten deutlichen Unterbelegung der Aufnahmezentren ein solches Vorgehen nicht sehr wahrscheinlich, da eine Unterbringung problemlos möglich ist. Zudem besteht aber jedenfalls die Möglichkeit, an sogenannten „externen Adressen“ (AIDA Country Report Bulgaria 2018, S. 50) zu wohnen (auf eigene Kosten) und es stehen die genannten Not- und Obdachlosenunterkünfte zur Verfügung. Ferner muss berücksichtigt werden, dass es trotz der Möglichkeit des Widerrufs – wie dargelegt – kaum obdachlose Flüchtlinge gibt.

Soweit der Antragsteller im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt vorträgt, in Bulgarien im Gefängnis gewesen, dort nicht regelmäßig und zudem schlechtes Essen erhalten zu haben und ihm seien „schlimme Dinge“ angetan worden (Bl. 74f. des Verwaltungsvorgangs), handelt es sich um etwaige Fehlleistungen im Einzelfall. Selbst wenn der Antragsteller in Bulgarien lediglich einen Folgeantrag stellen könnte, führen weder die Möglichkeit, dass er bei seiner Rückkehr inhaftiert werden könnte, noch der Umstand, dass er nach einer Entlassung aus dem Zentrum keinen Anspruch auf Verpflegung, Unterkunft oder Sozialhilfe hätte, zur Annahme systemischer Mängel im bulgarischen Asylverfahren oder zu der konkreten Gefahr einer menschenrechtswidrigen, gegen Art. 3 EMRK bzw. 4 GRCh verstoßenden, Behandlung.

Bereits eine längerfristige Inhaftierung ist bei seiner Rückkehr nach Bulgarien nicht beachtlich wahrscheinlich. Auch nach der Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland ist es möglich und zulässig, eine Person, die flüchtig ist bzw. war, in Abschiebehaft zu nehmen. Dafür, dass in Bulgarien diese Haft unangemessen lange dauert oder die Haftbedingungen unzumutbar wären, gibt es keine Anhaltspunkte (vgl. VG Osnabrück, Urt. 2.9.2019 - 5 A 1163/18 -, juris Rn. 41; zur Asyl- und Abschiebehaft ausführlich auch VG Hamburg, Gerichtsbescheid v. 19.9.2019 - 16 A 6012/18 -, juris Rn. 69ff.).

Nach Art. 15 Abs. 1 Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG (ABl. 2008 L 348, S. 98), die nach deren Art. 2 Abs. 1 auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige Anwendung findet, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen. Dies gilt danach insbesondere, wenn Fluchtgefahr besteht oder die betreffenden Drittstaatsangehörigen die Vorbereitung der Rückkehr oder das Abschiebungsverfahren umgehen oder behindern. Die Inhaftnahme wird nach Abs. 3 dieser Vorschrift danach in jedem Fall in gebührenden Zeitabständen überprüft. Bei längerer Haftdauer müssen Überprüfungen der Aufsicht einer Justizbehörde unterliegen. Nach Art. 15 Abs. 5 RückführungsRL wird die Haft so lange aufrechterhalten, wie die in Abs. 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Grundsätzlich beträgt danach die höchste Haftdauer sechs Monate. Nach Abs. 6 dieser Vorschrift darf diese Frist in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahmen trotz angemessener Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, verlängert werden um höchstens zwölf Monate. Faktoren sind dabei entweder die mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens des betroffenen Drittstaatsangehörigen oder Verzögerungen bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten.

Das bulgarische Recht ermöglicht die Inhaftierung von Drittstaatsangehörigen unmittelbar nach ihrer Einreise: Nach Art. 44 Abs. 6 des bulgarischen Ausländergesetzes kann ein Drittstaatsangehöriger in Haft genommen werden, wenn seine Identität ungeklärt ist, er die Durchführung einer Zurückweisung verhindert oder Fluchtgefahr besteht (AIDA Country Report Bulgaria, 2018, S. 58), was auch unionrechtlich in Art. 8 Abs. 3 der Aufnahmerichtlinie vorgesehen ist. In der Praxis wird die Inhaftierung von Drittstaatsangehörigen von der Grenz- oder Einwanderungspolizei wegen unbefugter Einreise, unregelmäßigen Aufenthalts oder fehlender gültiger Ausweispapiere angeordnet. Im Jahr 2018 wurden 2.456 Personen unmittelbar nach der Einreise inhaftiert, wovon 1.876 einen Asylantrag stellten (AIDA Country Report Bulgaria, 2018, S. 58; Rosa Luxemburg Stiftung, Bulgarien: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, Stand Mai 2019; SFH, Aktuelle Situation, 2019, S. 11 spricht von quasi-systematischer Inhaftierung). Die Anordnung der Inhaftierung Drittstaatsangehöriger unmittelbar nach der Einreise erfolgt zunächst für einen Zeitraum von sechs Monaten. Die maximale Haftdauer einschließlich Verlängerungen beträgt in diesen Fällen 18 Monate. Eine sogenannte kurzfristige Inhaftierung kann wiederum für maximal 30 Tage angeordnet werden. Im bulgarischen Flüchtlingsgesetz (Art. 58 Abs. 4) ist seit 2016 geregelt, dass Asylanträge innerhalb von sechs Arbeitstagen registriert werden müssen und dass inhaftierte Antragsteller nach der Registrierung freigelassen werden müssen (AIDA Country Report Bulgaria, 2018, S. 62). Hierdurch hat sich die Dauer der Inhaftierung von Antragstellern nach ihrer Einreise im Jahr 2016 auf durchschnittlich neun Tage verkürzt. Im Jahr 2017 waren es durchschnittlich 19 Tage, im Jahr 2018 waren es wieder durchschnittlich neun Tage (AIDA Country Report Bulgaria, 2018, S. 62). Nach der BAMF Länderinformation 2018 (S. 4) soll die durchschnittliche Haftdauer in allen Einrichtungen wiederum bei 12 bis 14 Tagen liegen. Nach Stellung eines Asylantrags werden die Antragsteller in einem offenen Aufnahmezentrum untergebracht (AIDA Country Report Bulgaria, 2018, S. 49). Dies gilt auch für Personen, deren Verfahren wiedereröffnet wurde (vgl. Auskunft des UNHCR vom 17.12.2018 an das VG Köln, S. 2; AIDA Country Report 2018, S. 28; zum Vorstehenden VG Hamburg, Gerichtsbescheid v. 19.9.2019 - 16 A 6012/18 -, juris Rn. 73). Nach den Angaben der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Aktuelle Situation, 2019, S. 11, 13) sei die Verlegung aus der Haft in eine Aufnahmeeinrichtung nach Asylantragstellung in der Praxis oft nicht der Fall bzw. komme es zu Verzögerungen beim Zugang zum Asylverfahren und zu längeren Haftzeiten.

Hinsichtlich der Unterkunfts- und Lebensbedingungen in der bulgarischen Asyl- und Abschiebehaft kann die Kammer systemische Mängel, die die Annahme der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK begründen könnten, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erkennen (vgl. hierzu auch ausführlich VG Hamburg, Gerichtsbescheid v. 19.9.2019, - 16 A 6012/18 -, juris Rn. 85ff., 99). Die geschlossene Unterbringung von Asylsuchenden erfolgt in den Einrichtungen Busmantsi in Sofia oder in Lyubimets in der Nähe der türkischen Grenze (AIDA Country Report Bulgaria, 2018, S. 29, 57). In den Hafteinrichtungen gibt es jeweils getrennte Räumlichkeiten für Familien und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge; alleinstehende Frauen sind von alleinstehenden Männern getrennt untergebracht. Vulnerable Personen teilen sich Räumlichkeiten mit allen anderen Insassen (BAMF, Länderinformation Bulgarien, 2018, S. 4). Die Versorgung mit Nahrungsmitteln ist einfach; wenn die Räumlichkeiten überfüllt sind, reichen die vorhandenen Duschen und Toiletten nicht aus, was jedoch vor dem Hintergrund der aktuellen Belegungsrate (211 Personen Ende 2018) im Vergleich zu den Kapazitäten (insgesamt 700 Plätze) nicht mehr als beachtlich wahrscheinlich erscheinen kann. Die untergebrachten Personen können die Unterkunftsbereiche selbstständig reinigen, wobei sie die Reinigungsmittel und -utensilien hierfür selbst erwerben müssen. Kleidung für die untergebrachten Personen wird durch Nichtregierungsorganisationen bereitgestellt. Die Bettwäsche wird in der Regel einmal im Monat gewaschen. Ärztliche Versorgung und Notfallversorgung wird gewährleistet, wobei Sprachprobleme aufgrund mangelnder Dolmetscherressourcen auftreten und die Arzneimittelversorgung unzureichend ist. Die Räume in den geschlossenen Einrichtungen sind ausreichend groß. Der Zugang zu einem Außenbereich mit Frischluft wird den untergebrachten Personen zweimal täglich für jeweils eine Stunde ermöglicht. Die untergebrachten Personen, einschließlich der Kinder, können in dem Außenbereich Freizeiteinrichtungen nutzen, wobei es außer den üblichen Ballsportarten allerdings kaum Möglichkeiten für körperliche Betätigung gibt. Lese- und Freizeitmaterialien werden auf der Grundlage von Spendengeldern zur Verfügung gestellt (zum Vorstehenden AIDA Country Report Bulgaria, 2018, S. 63 f.). Bemängelt wird, dass der Zugang zu den Gemeinschaftstoiletten zur Nachtzeit, wenn die Schlafsäle verschlossen seien, erschwert worden oder unmöglich sei (European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT), Report v. 11.7.2019, S. 16). Dieser Bericht des CPT zeigt hingegen auch zahlreiche Verbesserungen im Bereich der Versorgung (vgl. S. 14 in Bezug auf die Mitarbeiter, S. 15 für Hygieneartikel, S. 17 hinsichtlich der Bereitstellung von Gegenständen für Aktivitäten). Das CPT fordert (S. 20 f.) vor allem im Bereich der medizinischen Versorgung Verbesserungen.

Für den Antragsteller besteht demnach keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass er – selbst wenn er inhaftiert werden sollte – eine längere Haft bei seiner Rückkehr nach Bulgarien zu befürchten hätte. Vielmehr ist wahrscheinlich, dass sein Asylverfahren wiedereröffnet wird und er in einem offenen Aufnahmezentrum untergebracht wird. Selbst wenn er lediglich einen Folgeantrag stellen könnte, ist mit einer längeren Inhaftierung nicht zu rechnen und diese ist auf der Grundlage der Erkenntnisse zwar auf einem einfachen Niveau, aber nicht unmenschlich und erniedrigend. Der 21 Jahre alte Antragsteller ist zudem nicht minderjährig und gehört nicht zum besonders schutzbedürftigen Personenkreis. Er befand sich nach eigenen Angaben zehn Tage in einem Gefängnis. In dem Zeitraum von ca. fünf Monaten, die zwischen dem 4-monatigen Aufenthalt in der Türkei nach dem Verlassen des Heimatlandes Ende 2018 und der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland liegen, hat sich der Antragsteller demnach nur für einen kurzen Zeitraum in Haft befunden und wurde danach entlassen. Es ist also davon überwiegend wahrscheinlich, dass er sich noch längere Zeit in Bulgarien aufgehalten hat, ohne inhaftiert gewesen zu sein.

Der Wunsch des Antragstellers, in der Bundesrepublik Deutschland zu leben, weil sich hier Teile seiner Familie aufhalten, mag nachvollziehbar sein, kann jedoch nicht zur Aufhebung des europäischen Asylsystems und zur freien Wahl des aufnehmenden EU-Mitgliedstaates führen.

Die weiteren Voraussetzungen des § 34a AsylG liegen vor. Hiernach wird für den Erlass einer Abschiebungsanordnung zusätzlich zur Unzulässigkeit des Asylantrages aufgrund der Zuständigkeit eines anderen Staates vorausgesetzt, dass „feststeht“, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Eine Abschiebung darf demnach nicht tatsächlich oder rechtlich ausgeschlossen sein. Das Bundesamt hat deshalb in den Fällen, in denen der Asylbewerber in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat abgeschoben werden soll, vor Erlass einer Abschiebungsanordnung auch zu prüfen, ob Abschiebungsverbote oder Duldungsgründe vorliegen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 02.05.2012 - 13 MC 22/12 -, juris). Damit sind sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse (§ 60 Abs. 5 sowie Abs. 7 Satz 1 AufenthG) als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse gemeint.

Für das Vorliegen zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Bulgariens oder inlandsbezogener Vollzugshindernisse sind keine weiteren durchgreifenden Anhaltspunkte ersichtlich und werden zudem von dem Antragsteller auch nicht vorgetragen.

3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gemäß § 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs.1 Satz 1 ZPO abzulehnen.

Nach § 166 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag dann Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Dem Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kommt aus den vorstehenden Gründen auch nach der im Prozesskostenhilfeverfahren nur vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung des Zwecks der Prozesskostenhilfebewilligung die erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht nicht zu (vgl. zu im Hauptsacheverfahren einerseits und im Prozesskostenhilfeverfahren andererseits anzulegenden unterschiedlichen Maßstäben: BVerfG, Beschl. v. 8.7.2016 - 2 BvR 2231/13 -, juris Rn. 10 ff. m.w.N.).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylG, 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.