Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 02.09.2019, Az.: 5 A 1163/18

anerkannte Schutzberechtigte; Bulgarien; Ibrahim; Ibrahim-Entscheidung; Jawo; Jawo-Entscheidung; systemische Mängel

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
02.09.2019
Aktenzeichen
5 A 1163/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69983
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Gesunden und arbeitsfähigen Flüchtlingen droht bei Zugrundelegung der in den Urteilen des EUGH vom 19.03.2019 in den Rechtssachen Jawo (C-163/17) und Ibrahim u.a. (C-297/17 u.a.) aufgestellten Maßstäbe weder im Zeitpunkt der Rücküberstellung noch bei einer unterstellten Zuerkennung internationalen Schutzes eine gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh verstoßende Behandlung (wie VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.05.2019 – A 4 S 1329/19 -, andere Auffassung: OVG Lüneburg, Urteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17).

Tatbestand:

Der Kläger ist ein im Jahre 1997 geborener irakischer Staatsangehöriger und nunmehr nach eigenen Angaben Kurde und Jezide. Er reiste nach eigenen Angaben am 5.10.2018 in die Bundesrepublik Deutschland ein und äußerte ein Asylgesuch, von dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch behördliche Mitteilung am 10.10.2018 schriftlich Kenntnis erlangte. Am 17.10.2018 stellte der Kläger einen förmlichen Asylantrag. Da ein sogenannter Eurodac-Treffer hinsichtlich Bulgarien vorlag, richtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 2.11.2018 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin III-VO an Bulgarien. Die bulgarischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 8.11.2018 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Antrages gemäß Art. 18 Absatz 1d Dublin III-VO. Im Rahmen seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erklärte der Kläger, er habe zunächst legal zu seiner Familie nach Deutschland ziehen wollen. Ein von ihm beantragtes Visum sei abgelehnt worden. Deshalb sei er ohne Visum illegal u.a. über Bulgarien und Rumänien nach Deutschland gereist. Er sei in Bulgarien aufgegriffen worden und zunächst inhaftiert worden. Er habe erklärt, er wolle keinen Asylantrag stellen, sei aber dort angehört worden. Er habe in Bulgarien kein Asylverfahren durchführen wollen, weil er auf dem Weg nach Deutschland zu seinen Eltern und Geschwistern gewesen sei. Deshalb habe er auf Anraten eines Freundes in Bulgarien falsche Personalien angegeben und eine falsche Fluchtgeschichte geschildert. Dort habe er erklärt, dass er aus Bagdad stamme und von dort geflohen sei. Nach seiner kurzzeitigen Festnahme sei er in einem Camp in Bulgarien untergebracht worden. Dort habe er sich etwa einen Monat aufgehalten. Das Essen dort sei schlecht gewesen. Er habe sich Kekse und andere Dinge außerhalb des Camps kaufen müssen. Dies sei teuer gewesen. Er habe Bulgarien verlassen und sei auch über Rumänien nach Deutschland weitergereist. Dort habe er keine Fingerabdrücke abgegeben.

Durch Bescheid vom 9.11.2018 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag des Klägers als unzulässig ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, ordnete die Abschiebung nach Bulgarien an und befristete das gesetzliche Einreise– und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung.

Dagegen hat der Kläger am 10.12.2018 Klage erhoben und gleichzeitig um Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung hat er geltend gemacht, das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht lehne eine Rückführung jedenfalls von anerkannten Schutzberechtigten nach Bulgarien mit der Begründung ab, dass ihnen dort eine Verletzung von Art. 3 EMRK drohe. Die Kammer hat durch unanfechtbaren Beschluss vom 8.1.2019 – 5 B 465/18 - die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage angeordnet. Durch Beschluss vom 22.2.2019 hat die Kammer das Verfahren bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache C-163/17-Jawo-ausgesetzt. Das Verfahren ist durch Beschluss vom 20.3.2019 wiederaufgenommen worden, nachdem der Europäische Gerichtshof in der Sache C-163/17 durch Urteil vom 19.03.2019 entschieden hat.

Der Kläger macht ergänzend geltend, seine Unterbringung in Bulgarien sei schlecht gewesen. Er habe im Winter mit kaltem Wasser duschen müssen, das Essen sei schlecht gewesen und er habe mit 10 Personen in einem Zimmer schlafen müssen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 9. 11. 2018 aufzuheben und diese zu verpflichten, das Asylverfahren in der Bundesrepublik Deutschland durchzuführen,

hilfsweise die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9.11.2018 zu verpflichten, festzustellen, dass in seiner Person Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist auf die Gründe des angefochtenen Bescheides.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Weiter wird verwiesen auf die Erkenntnismittel, die zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig.

Die isolierte Anfechtungsklage ist hinsichtlich der Unzulässigkeitsentscheidung (Ziffer 1 des Bescheides) die statthafte Klageart, weil das Bundesamt eine sachliche Entscheidung über das Schutzbegehren nicht getroffen hat, die diesem aber nach den Regelungen des Asylgesetzes und der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) zunächst vorbehalten ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4.16 - ; - OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 - 13 A 1490/13.A -, juris, Rn. ; OVG Saarland, Beschluss vom 23. März 2016 - 2 A 38/16 -, juris, Rn. 15 ff).

Dementsprechend geht das Begehren, die Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, das Asylbegehren in Deutschland zu prüfen, ins Leere, weil dieses Ziel bereits mit der isolierten Anfechtungsklage erreicht werden kann.

Ein eingeschränkter, auf die Durchführung eines (gegebenenfalls weiteren) Asylverfahrens gerichteter Verpflichtungsantrag kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4.16 -juris), der die Kammer folgt, nicht in Betracht, weil das Bundesamt hierzu nach Aufhebung der Entscheidung über die Unzulässigkeit automatisch verpflichtet ist.

Die Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9.11.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

I. Das Bundesamt hat zu Recht in Ziffer 1 des Bescheids den Asylantrag des Klägers als unzulässig abgelehnt.

Die Kammer ist dabei bei der Auslegung der im vorliegenden Verfahren entscheidungserheblichen europarechtlichen Vorschriften an die Auslegung dieser Vorschriften durch den Europäischen Gerichtshof gebunden (Art. 19 Absatz 3 b AEUV in Verbindung mit Art. 267 Abs. 3 AEUV; vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.1.2017, -2 BvR 2013/16 -, juris, Rn. 14,15.).

Rechtsgrundlage der in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides getroffenen Unzulässigkeitsentscheidung ist § 29 Abs. 1 Nr. 1 a AsylG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31; Dublin III-VO), für die Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Ist ein anderer Mitgliedsstaat für die Bearbeitung eines Antrages auf internationalen Schutz zuständig, ist der Antragsteller in den zuständigen Staat zu überstellen, damit dort sein Schutzgesuch geprüft werden kann.

Maßgeblicher Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage ist nach nationalem Recht (§ 77 AsylG) der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Diese Regelung ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 25.1.2018 - C-360/16 -, juris, Rn. 29, 40) mit den europarechtlichen Regelungen der Dublin III-VO vereinbar. Danach ist Art. 27 Abs. 1 der Dublin III-VO dahingehend auszulegen, dass er der nationalen Rechtsvorschrift des § 77 AsylG nicht entgegensteht, die vorsieht, dass für die gerichtliche Überprüfung der Überstellungsentscheidung die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem angerufenen Gericht oder, wenn keine mündliche Verhandlung stattfindet, der Zeitpunkt maßgeblich ist, in dem das Gericht über die Klage entscheidet.

1. Hier ist aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union Bulgarien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Die Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 13 Abs. 1 der Dublin III-VO, die gemäß Art. 49 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO auf alle in Deutschland ab dem 1.1.2014 gestellten Anträge auf internationalen Schutz Anwendung findet.

Es handelt sich um ein sogenanntes Wiederaufnahmeverfahren gemäß Artikel 23 ff. der Dublin III-Verordnung. Gemäß Art. 23 Abs. 1 ist ein Mitgliedstaat, in dem eine Person im Sinne des Artikels 18 Abs. 1 Buchstaben b, c oder d einen neuen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, berechtigt, sofern er der Auffassung ist, dass nach Art. 20 Abs. 5 und Art. 18 Absatz 1 Buchstabe b, c oder d ein anderer Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags zuständig ist, den anderen Mitgliedstaat zu ersuchen, die Person wiederaufzunehmen.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Bulgarien hat mit Schreiben vom 8.12.2018 seine Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens gem. Art. 18 Abs. 1 d) Dublin III-VO erklärt.

2. Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht wegen Ablaufs der Überstellungsfrist für die Durchführung des Asylverfahrens gem. Art. 29 Abs. 2 Satz 1 der Dublin III-VO, nach dem die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat übergeht, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird, zuständig geworden. Zwar ist die sechsmonatige Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 UAbs. 1 Dublin III-VO zwischenzeitlich abgelaufen. Allerdings hat die Kammer durch unanfechtbaren Beschluss vom 8.1.2019 – 5 B 465/18 – die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet, mit der Folge, dass der Lauf der Überstellungsfrist unterbrochen worden ist (BVerwG, Urteil vom 26.5.2016 – 1 C 15.15 – juris). Den bulgarischen Behörden ist bereits durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Schreiben vom 07.01.2019 aufgrund der erfolgten Klageerhebung und der Beantragung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes mitgeteilt worden, dass ein Rechtsmittel mit aufschiebender Wirkung erhoben wurde (vgl. § 34 a Abs. 2 Satz 2 AsylG).

3. Die Bundesrepublik Deutschland ist auch nicht gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO zuständig geworden. Nach dieser Vorschrift setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh mit sich bringen. Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland im Jahre 2011 in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR, Urt. v. 21.01.2011 – 30696/09 –, juris) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ("systemic failure") abgestellt (EGMR, B. v. vom 02.04.2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; v. 04.04.2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10.09.2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

Das Asylverfahren in Bulgarien weist jedenfalls seit Beginn des Jahres 2016 und erst Recht zum jetzt maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 AsylG) keine systemischen Mängel (mehr) auf (vgl. OVG Münster, Urteil vom 13.10.2017; systemische Mängel im bulgarischen Asylverfahren, wenn der Asylantrag dort vor dem 22.12.2015 gestellt wurde).

Dabei ist ausweislich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Rahmen der Prüfung nicht nur auf die Durchführung des Asylverfahrens im Zielstaat abzustellen und auf die Frage, ob während des laufenden Asylverfahrens systemische Mängel vorliegen würden, sondern auch – unterstellt den Fall, es würde dem Asylbewerber internationaler Schutz im Zielstaat zuerkannt werden – ob dieser dann einem ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu erfahren (EuGH, Urteil vom 19.3.2019 - C-163/17 -, Rn. 88 ff).

Das bulgarische Asylsystem weist danach keine systemischen Mängel i. S. v. Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO auf. Zum Prüfungsmaßstab der Verwaltungsgerichte hat das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 19.03.2014 – 10 B 6.14 -, juris, Rn 9) wie folgt ausgeführt:

„Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus.“

Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an.

Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben kann nicht von systemischen Schwachstellen im Asylverfahren bzw. den Aufnahmebedingungen in Bulgarien ausgegangen werden.

Die Kammer geht nach Auswertung der aktuellen, in das Verfahren eingeführten, Erkenntnismittel davon aus, dass die Aufnahmebedingungen, d. h. vor allem die Unterbringung und die Versorgung von nicht in besonderem Maße schutzbedürftigen Personen, keine systemischen Mängel aufweisen. Das gilt auch für die Einhaltung wesentlicher Verfahrensgarantien im bulgarischen Asylsystem.

Ausweislich der Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Köln vom 17. Dezember 2018 haben alle Personengruppen, die in Bulgarien um Asyl nachsuchen, die Möglichkeit, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Eine Person, die noch kein Asylgesuch in Bulgarien gestellt hat, hat die Möglichkeit ein 1. Asylgesuch zu stellen. Bei Personen, die einen Asylantrag gestellt haben, der ohne inhaltliche Prüfung abgeschlossen wurde, wird das Verfahren automatisch wiedereröffnet. Dies gilt auch, wenn die Person mittels Dublin-Verordnung zurückkehrt (Art. 77 Abs. 4 AUFG/ Bulgar. AufenthG). Nach dieser Auskunft sind die Aufnahmebedingungen von Personen, die unter der Dublin-Verordnung zurückkehren, abhängig vom Verfahrensstand. Eine Person, die noch kein Asylgesuch in Bulgarien gestellt hat, kann bei der Ankunft in eines der von der Direktion für Einwanderung verwalteten Zentren für die vorübergehende Unterbringung vor der Abschiebung gebracht werden. Nach Einreichen eines Asylgesuches wird sie jedoch in ein Aufnahmezentrum der Flüchtlingsagentur SAR überstellt. Auch Personen, deren Verfahren wiedereröffnet wurde, werden in ein solches Aufnahmezentrum gebracht. UNHCR hat danach in letzter Zeit keine Fälle beobachtet, in denen einem Dublin-Rückkehrer, dessen Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, der Zugang zu Aufnahmezentren verweigert wurde. Demgegenüber werden Personen, deren Asylantrag inhaltlich bereits geprüft und abgewiesen wurde, in einem geschlossenen Zentrum untergebracht. Während des anschließenden Zulässigkeitsverfahrens kommt es dann darauf an, ob der asylsuchenden Person die negative Erstentscheidung vor deren Ausreise aus Bulgarien zugestellt wurde oder nicht. Ist letzteres der Fall, wird sie einem Aufnahmezentrum zugewiesen. Wurde die Entscheidung allerdings der asylsuchenden Person bereits vor deren Ausreise aus Bulgarien zugestellt und nicht innerhalb der Frist angefochten, wird die Person inhaftiert und in ein geschlossenes Zentrum gebracht. Die Haft kann während des Zulässigkeitsverfahrens andauern (Art. 44 Abs. 12 Ausländergesetz). Auch wenn dies nicht der Fall ist, werden diese Personen jedoch keinen regulären Aufnahmezentrum zugewiesen und haben auch keinen Anspruch auf Verpflegung, Unterkunft oder Sozialhilfe (Art. 29 Abs. 7 USG).

Auch ausweislich der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 28.1.2019 an das Verwaltungsgericht Köln werden nach Auskunft des bulgarischen Helsinki-Komitees und des UNHCR in Abwesenheit des Betroffenen eingestellte Asylverfahren bei einer Rückkehr nach Bulgarien automatisch wiedereröffnet. Ausweislich dieser Auskunft hat das Helsinki-Komitee noch hinzugefügt, dass solche Verfahren in der Vergangenheit (vor der Flüchtlingskrise) problematisch waren. Dies sei früher be- oder gar verhindert worden. Das sei jetzt aber nicht mehr der Fall.

Der Asylantrag des Klägers ist in Bulgarien geprüft und abgelehnt worden. Dies ergibt sich daraus, dass die bulgarischen Behörden ihre Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers gemäß Art. 18 Absatz 1d der Dublin III-VO mit Schreiben vom 8.11.2018 akzeptiert haben. Es muss auch bereits aufgrund des Vorbringens des Klägers davon ausgegangen werden, dass eine ordnungsgemäße Prüfung des Asylbegehrens des Klägers in Bulgarien erfolgt ist. Denn der Kläger selbst hat in seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angegeben, dass er in Bulgarien überhaupt keinen Asylantrag habe stellen wollen, weil er nach Deutschland zu seiner Familie gelangen wollte. Deshalb habe er bei der Asylantragstellung in Bulgarien, wo er sich einen Monat aufgehalten habe, auch einen falschen Namen, falsche Geburtsdaten und ein falsches Verfolgungsschicksal angegeben. Vor seiner illegalen Einreise hatte der Kläger bereits erfolglos versucht, ein Visum für die Bundesrepublik Deutschland zu erhalten. Dem Kläger ist nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung die ablehende Asylentscheidung vor seiner Ausreise aus Bulgarien nicht zugestellt worden, er ist vielmehr vor Ergehen der Entscheidung weiter nach Deutschland gereist.

Er würde daher – wie sich aus der oben zitierten Auskunft von UNHCR ergibt – bei seiner Rückkehr im Rahmen der Dublin - Überstellung wieder einem Aufnahmezentrum zugewiesen und sein Verfahren neu aufgegriffen werden.

Selbst wenn dem Antragsteller die ablehnende Entscheidung in Bulgarien zugestellt worden wäre, hätte er aber nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen, die Möglichkeit einen weiteren Asylantrag zu stellen. Dieser Antrag würde dann als Folgeantrag betrachtet werden und ist nur zulässig, wenn neue Elemente zu seiner individuellen Situation oder der Situation im Herkunftsstaat vorgetragen werden können (vergleiche UNHCR vom 17. Dezember 2018 an VG Köln). Wenn der Folgeantrag für zulässig gehalten wird, wird danach das Gesuch erneut im regulären Verfahren geprüft. Dies entspricht im Übrigen auch der deutschen Rechtslage in sog. Asylfolgeverfahren (vgl. § 71 AsylG). Eine Prüfung im regulären Verfahren erfolgt auch dann, wenn die Entscheidung über die Zulässigkeit nicht innerhalb von 14 Tagen ergeht.

Selbst wenn das Folgeverfahren nicht durch die bulgarischen Behörden angenommen werden würde, kann zwar der Asylbewerber inhaftiert und in ein geschlossenes Zentrum gebracht werden. Diese Haft kann dann während des Zulässigkeitsverfahrens auch andauern. Wenn dies nicht der Fall ist, werden die Asylbewerber entlassen und haben dann keinen Anspruch auf Verpflegung, Unterkunft oder Sozialhilfe (UNHCR vom 17. Dezember 2018 an Verwaltungsgericht Köln).

Weder die Möglichkeit, dass der Kläger bei seiner Rückkehr inhaftiert werden würde (a) noch der Umstand, dass er nach einer Entlassung aus dem Zentrum keinen Anspruch auf Verpflegung, Unterkunft oder Sozialhilfe hätte (b), führen zur Annahme systemischer Mängel im bulgarischen Asylverfahren oder zu der konkreten Gefahr einer menschenrechtswidrigen, gegen Art. 3 EMRK bzw 4 GRCh verstoßenden, Behandlung.

(a) Es ist schon nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger tatsächlich bei seiner Rückkehr nach Bulgarien längerfristig inhaftiert würde. Im Übrigen ist es auch nach der Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland möglich und zulässig, eine Person, die flüchtig ist bzw. war, in Abschiebehaft zu nehmen. Dafür, dass diese Haft unangemessen lange dauert oder die Haftbedingungen unzumutbar wären, gibt es keine Anhaltspunkte.

Bulgarien hat die Haftgründe des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2008/115/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (RückführungsRL) in die nationale Gesetzgebung übernommen (Art. 44 und 45 b LFRB [Aida, Country Report: Bulgaria Stand 31. Dezember 2018, Seite 59]).

Ausweislich Art. 15 Abs. 1 der RückführungsRL dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen. Dies gilt danach insbesondere, wenn Fluchtgefahr besteht oder die betreffenden Drittstaatsangehörigen die Vorbereitung der Rückkehr oder das Abschiebungsverfahren umgehen oder behindern. Die Inhaftnahme wird nach Abs. 3 dieser Vorschrift danach in jedem Fall in gebührenden Zeitabständen überprüft. Bei längerer Haftdauer müssen Überprüfungen der Aufsicht einer Justizbehörde unterliegen. Nach Abs. 5 dieser Vorschrift wird die Haft so lange aufrechterhalten, wie die in Abs. 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Grundsätzlich beträgt danach die höchste Haftdauer 6 Monate. Nach Abs. 6 dieser Vorschrift darf diese Frist in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahmen trotz angemessener Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, verlängert werden um höchstens 12 Monate. Faktoren sind dabei entweder die mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens des betroffenen Drittstaatsangehörigen oder Verzögerungen bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten.

Ausweislich der Art. 44 Abs. 6 und 8 LFRB wird die Haft bei Inhaftierten in Bulgarien monatlich überprüft. Ausnahmsweise kann dies entsprechend der oben bezeichneten Richtlinie auf bis zu 18 Monate verlängert werden. Nach dem bulgarischen Helsinki Komitee werden manche Nationalitäten länger in Haft gehalten als andere, in 2017 waren Personen aus Afghanistan, der Türkei, Algerien, Indonesien und China durchschnittlich 3,8 Monate in Haft während Angehörige anderer Nationalitäten etwa 19 Tage in Haft waren. In den beiden Abschiebehaftlagern Busmantsi und Lyubimets stiegen die Haftzeiten zwischen 2015 und 2017 von 25 bzw. 24 Tagen auf 59 bzw. 52 Tage an. Im Jahre 2018 wurden diese Zeiten reduziert. Dabei muss berücksichtigt werden, dass in beiden Einrichtungen nicht nur Asylsuchende bis zu ihrer Registrierung inhaftiert werden, sondern – für bis zu 18 Monate - auch abgelehnte Asylbewerber und sonstige Drittstaatsangehörige ohne Aufenthaltsrecht. Die besondere Asylhaft, die durchschnittlich 196 Tage dauerte, wurde im Jahr 2018 in lediglich 10 Fällen verhängt. Diese ist - in Übereinstimmung mit der oben zitierten Richtlinie – möglich bei der erforderlichen Bestimmung der Identität oder Nationalität, Fluchtgefahr, Schutz der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung und die Durchführung eines Dublin-Verfahrens (vgl: aida: Country Report Bulgaria Stand: 31.12.2108, Seiten 60 und 63; Global Detention Project 2019 Country Report vom April 2019, Immigration Dentention in Bulgaria; Rosa Luxemburg Stiftung, Bulgarien: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, Stand Mai 2019).

Es besteht danach bereits keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger – selbst wenn er inhaftiert werden sollte - eine längere Haft bei seiner Rückkehr nach Bulgarien zu befürchten hätte. Es ist dem Kläger, der nach eigenen Angaben in Bulgarien falsche Personalien angegeben hatte, unbenommen, dort seine tatsächliche Identität im Rahmen des von ihm zu stellenden weiteren Asylantrages offenzulegen. Wenn dann in ein neues Verfahren übergegangen wird, hat er nach den oben dargelegten Erwägungen bereits überhaupt keine Inhaftierung zu befürchten. Die längere Haftdauer der speziellen Asylhaft käme nach dem bereits Ausgeführten auch nur bei fehlender Mitwirkung zum Tragen. Jedenfalls im in Deutschland durchgeführten Asylverfahren hat der Kläger seine ID-Card vorgelegt. Es ist ihm unbenommen, diese zur Klärung seiner Identität im Rahmen einer Rückführung in den Irak auch den bulgarischen Behörden vorzulegen. Dies entspräche im Übrigen – wie bereits dargelegt – den europarechtlichen Vorschriften und auch seinen in Deutschland wie in Bulgarien gleichermaßen bestehenden Mitwirkungspflichten.

Unabhängig davon sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 15.2.2016 – C-601/15 -) beispielsweise die Haftgründe des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2013/33/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 verhältnismäßig und berühren nicht die Grundrechte der Art. 6 und 52 Abs. 1 und 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

Der Kläger als junger Mann ist auch nicht besonders schutzbedürftig. Zwar hat der EGMR Bulgarien durch Urteil vom 7.12.2017, Nummer 8138/16, (Asylmagazin 2018, Seite 77) wegen mangelhafter Bedingungen für minderjährige Schutzsuchende in einer Hafteinrichtung verurteilt. Der Kläger ist allerdings nicht minderjährig und nicht besonders schutzbedürftig.

Ausweislich der Auskunft der sachverständigen bulgarischen Rechtsanwältin Dr. Valeria Ilareva werden Dublin-Rückkehrer auch nicht regelmäßig inhaftiert, sondern ihnen wird bei Ankunft eine Polizeianordnung übergeben, aus der sich die örtlich zuständige Untergliederung der staatlichen Fluchtagentur (SAR) und damit auch das Aufnahmezentrum ergibt, zu dem sich die Rückkehrer grundsätzlich selbstständig begeben müssen (Auskunft an VG Aachen vom 30.6.2016, Seite 2-4).

(b) Die in Bulgarien während des laufenden Asylverfahrens gewährten Sozialleistungen entsprechen den Vorgaben der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Aufnahme RL).

Gemäß Art. 17 Abs. 2 der Aufnahme RL sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass die im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen einem angemessenen Lebensstandard entsprechen, der den Lebensunterhalt sowie den Schutz der physischen und psychischen Gesundheit von Antragstellern gewährleistet. Gemäß Art. 18 Abs. 1 b Aufnahme RL sollte bei einer Unterbringung, die als Sachleistung erfolgt, ein Unterbringungszentrum gewählt werden, das einen angemessenen Lebensstandard gewährleistet. Gemäß Art. 19 Abs. 1 Aufnahme RL tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass Antragsteller die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten und schweren psychischen Störungen umfasst.

In Bulgarien haben Asylsuchende in den Aufnahmezentren Anspruch auf Unterkunft, Verpflegung, Sozialhilfe sowie medizinische und psychologische Betreuung. Seit Februar 2015 erhalten Asylsuchende dort zwar keine gesonderte finanzielle Unterstützung mehr, dies wird von den Behörden damit begründet, dass sie gem. Art. 18 Abs. 1 b Aufnahme RL in den Aufnahmezentren mit Lebensmitteln versorgt werden und somit Sachleistungen erhalten. Asylsuchende haben auch Anspruch auf medizinische Versorgung zu den gleichen Bedingungen wie bulgarische Staatsangehörige. Während des Asylverfahrens wird die Krankenversicherung vom Staat übernommen (vergleiche UNHCR vom 17. Dezember 2018 an das Verwaltungsgericht Köln). Systemische Mängel in Bezug auf die materielle Unterstützung von Asylsuchenden im laufenden Asylverfahren sind daher nicht erkennbar.

Auch der Umstand, dass ausreisepflichtige Asylsuchende ausweislich der Auskunft des UNHCR vom 17. Dezember 2018 an das Verwaltungsgericht Köln keinen Anspruch auf Sozialhilfe und medizinische Versorgung haben, begründet keine systemischen Mängel im oben bezeichneten Sinne. Insbesondere kann daraus nicht auf einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. 4 GRCh geschlossen werden.

Die Anforderungen an einen Verstoß gegen diese Vorschriften hat der Europäische Gerichtshof durch Urteile vom 19.3.2019 (C-163/17, Jawo, und C- 197/17 u. a., Ibrahim) konkretisiert. Danach ist Art. 4 der GRCh dahin auszulegen, dass diese Vorschrift einer Überstellung einer Person, die internationalen Schutz beantragt hat, nicht entgegensteht, es sei denn, es wird auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte festgestellt, dass dieses Risiko für diesen konkreten Antragsteller gegeben ist, weil er sich im Fall der Überstellung unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände (Ziffer 3 des Entscheidungstenors in der Rechtssache C-163/17). Dabei hat der Europäische Gerichtshof ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Art. 4 der GRCh und Art. 3 EMRK sich entsprechen und nach Art. 52 Abs. 3 der GRCh die gleiche Bedeutung und Tragweite hat, wie sie ihm in der EMRK verliehen wird (Rn. 91 der Entscheidung). Diese besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit wäre danach nur dann erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und ihre physische und psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Der Umstand, dass die Formen familiärer Solidarität, die Angehörige des normalerweise für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaats (Bulgarien) in Anspruch nehmen, um diesen Mängeln des Sozialsystems des Mitgliedstaats zu begegnen, bei den Personen, denen in diesem Mitgliedstaat internationaler Schutz zuerkannt worden ist, im allgemeinen fehlen, ist keine ausreichende Grundlage für die Feststellung, dass sich eine Person im Fall ihrer Überstellung in diesem Mitgliedstaat in einer Situation extremer materieller Not befände (Rn. 92 und 94 des Urteils). Auch kann der bloße Umstand, dass im ersuchenden Mitgliedstaat die Sozialhilfeleistungen und/oder die Lebensverhältnisse günstiger sind als im normalerweise für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaat, nicht die Schlussfolgerung stützen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Überstellung in den zuletzt genannten Mitgliedstaat tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wäre, eine gegen Art. 4 GRCh verstoßene Behandlung zu erfahren (Rn. 97 des Urteils).

Mit dieser Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof die Maßstäbe für Rückführungen im Dublin-Raum unter Betonung des EU-Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens präzisiert und auch verschärft. Die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 4 GRCh, d. h. ein diesbezüglicher Stopp der Rücküberstellung, ist danach nur zulässig, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles asylrelevante Schwachstellen eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen. Zunächst ist auf den (Arbeits-) Willen und reale Arbeitsmöglichkeiten sowie die persönlichen Entscheidungen des Betroffenen abzustellen. Ein Verstoß gegen Art. 4 GRCh kann erst angenommen werden, wenn unabhängig hiervon eine Situation extremer materieller Not eintrete, die es nicht erlaubte, die elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, insbesondere eine Unterkunft zu finden, sich zu ernähren und zu waschen – „Bett, Brot, Seife“ - (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.5.2019 – A 4 S 1329/19).

Der Kläger, ein alleinstehender, arbeitsfähiger Mann, ist danach darauf zu verweisen, dass er sich den (Aufnahme-) Bedingungen in Bulgarien stellen muss und durch eine hohe Eigeninitiative bei der Durchführung des Asylverfahrens und - falls erforderlich - bei der Unterbringung und Sicherung seines Lebensunterhaltes mitwirken muss.

Dies gilt umso mehr, als der Kläger selbst im Rahmen seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erklärt hat, er habe im Irak (in Bagdad) in einem Getränkeladen gearbeitet und so monatlich umgerechnet 350 Euro verdient und 5000 Euro für die Schleusung nach Deutschland innerhalb von 2 Jahren zusammengespart (vgl. Bl. 99 der Verwaltungsvorgänge). Dies zeigt bereits, dass er in der Lage ist, durch Arbeit seinen Lebensunterhalt selbst sicherzustellen. Der Kläger, dessen Eltern und 9 Geschwister (Bl. 105 der Verwaltungsvorgänge) sich nach seinen eigenen Angaben ebenfalls im Bundesgebiet aufhalten, muss sich auch darauf verweisen lassen, dass er sich in Bulgarien von seinen weiteren Angehörigen, die in Deutschland oder auch im Irak leben, finanziell unterstützen lässt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 1.10.2001 – 1 B 185/01 –, juris Rn. 2) ist die mögliche Unterstützung durch Angehörige im In – und Ausland in die gerichtliche Prognose, ob bei einer Rückkehr eine Gefahr der Verletzung von Grundrechten besteht, mit einzubeziehen.

Der Wunsch des 22 Jahre alten Klägers, in der Bundesrepublik Deutschland zu leben, weil sich hier Teile seiner Großfamilie aufhalten und er die Möglichkeit, Geld für seine Familie zu verdienen, in Deutschland günstiger einschätzt als in Bulgarien, mag nachvollziehbar sein, kann jedoch nicht zur Aufhebung des europäischen Asylsystems und zur freien Wahl des aufnehmenden EU-Mitgliedstaates führen.

Eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh geschützten Menschenwürde vermag die Kammer jedenfalls nicht zu erkennen.

Dies gilt umso mehr, als auch nach dem eigenen Vorbringen des Klägers sein Asylantrag in Bulgarien zu Recht abgelehnt worden ist. Denn er hat selbst erklärt, dass er in Bulgarien falsche Personalien und einen falschen Namen sowie eine falsche Fluchtgeschichte vorgetragen hat, weil er sein Asylverfahren in Deutschland durchführen wollte. Wenn der Kläger aber mit Absicht unglaubwürdiges Vorbringen im Asylverfahren vorgetragen hat, kann er sich auch nicht darauf berufen, dass sein Asylbegehren in Bulgarien keinen Erfolg hatte. Der Kläger ist daher aufgrund des abgeschlossenen Verfahrens in Bulgarien grundsätzlich vollziehbar zur Ausreise aus dem Schengen-Raum und zur Rückkehr in den Irak verpflichtet. Unter diesen Umständen kann er sich auch nicht darauf berufen, dass er im Bulgarien keine weiteren Sozialhilfeleistungen mehr erhalten könnte. Denn den daraus resultierenden Einschränkungen könnte er dadurch begegnen, dass er seiner bestehenden Ausreiseverpflichtung nachkommt und in den Irak zurückkehrt.

4. Systemische Mängel im bulgarischen Asylsystem können auch nicht mit den Aufnahmebedingungen begründet werden, die für den Fall, dass der Kläger im Laufe seines Asylverfahrens in Bulgarien internationalen Schutz zuerkannt bekommen würde, herrschen würden. Dieser Umstand ist zwar ausweislich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteile vom 19.3.2019 C-163/17, Jawo, und C 297/17 u.a., Ibrahim) auch in den Fällen zu prüfen, in denen Asylbewerber zur Durchführung des Asylverfahrens in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union überstellt werden, zu prüfen, obwohl die Frage, ob sie tatsächlich internationalen Schutz zuerkannt bekommen würden, offen ist.

Allerdings sind bei dieser Prüfung nach der oben dargelegten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs allein eine möglicherweise drohende Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GrCH zu prüfen und dabei diese Vorschriften dahingehend auszulegen, dass sie der Überstellung einer Person, die internationalen Schutz beantragt hat, nicht entgegenstehen, es sei denn, das mit einem Rechtsbehelf gegen die Überstellungsentscheidung befasste Gericht stellt auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte fest, dass dieses Risiko für diesen Antragsteller gegeben ist, weil er sich im Fall der Überstellung unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände (Ziffer 3 des Tenors des Urteils des EuGH vom 19.3.2019 C-163/17, Jawo). Die besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit wäre danach auch bei anerkannten Schutzberechtigten nur dann erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und ihre physische und psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Der Umstand, dass die Formen familiärer Solidarität, die Angehörige des normalerweise für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaats (Bulgarien) in Anspruch nehmen, um diesen Mängeln des Sozialsystems des Mitgliedstaats zu begegnen, bei den Personen, denen in diesem Mitgliedstaat internationaler Schutz zuerkannt worden ist, im allgemeinen fehlen, ist keine ausreichende Grundlage für die Feststellung, dass sich eine Person im Fall ihrer Überstellung in diesem Mitgliedstaat in einer Situation extremer materieller Not befände (Rn. 92 und 94 des Urteils). Jedenfalls kann der bloße Umstand, dass im ersuchenden Mitgliedstaat die Sozialhilfeleistungen und/oder die Lebensverhältnisse günstiger sind als im normalerweise für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaat, nicht die Schlussfolgerung stützen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Überstellung in den zuletzt genannten Mitgliedstaat tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wäre, eine gegen Art. 4 GRCh verstoßene Behandlung zu erfahren (Rn. 97 des Urteils).

Auf die konkrete Umsetzung der Art. 20 ff der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (AnerkennungsRL), wie z.B. die Anerkennung von Schul- und Berufsabschlüssen, Integrationsmaßnahmen, Ausstellung von Reiseausweisen etc., kommt es danach nicht an.

Nach diesen Maßgaben steht nach dem im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger im Falle einer Überstellung nach Bulgarien und einer möglicherweise nachfolgenden Zuerkennung internationalen Schutzes durch die bulgarischen Behörden nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr liefe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GrCH ausgesetzt zu werden.

Die Lage von international Schutzberechtigten in Bulgarien stellt sich nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnismitteln wie folgt dar:

International Schutzberechtigte haben in Bulgarien per Gesetz einen Anspruch auf Sozialhilfe. Bulgarien gewährt ihnen Sozialhilfeleistungen unter denselben Bedingungen und nach demselben Verfahren wie bulgarischen Staatsbürgern (Auskunft der Frau PhD Dr. Valeria Ilareva vom 27. August 2015 an den VGH Baden-Württemberg, zu Frage 3; Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 23. Juli 2015 an das VG Stuttgart, zu Frage 2).

International Schutzberechtigte haben auch Zugang zum bulgarischen Gesundheitssystem. Die Versicherung im nationalen Gesundheitssystem ist grundsätzlich auch für international Schutzberechtigte zugänglich. Voraussetzung ist - wie bei bulgarischen Staatsangehörigen - die Zahlung eines monatlichen Beitrags. Im Übrigen ist nach den vorliegenden Erkenntnissen auch beim Fehlen einer Krankenversicherung die gemäß Art. 3 EMRK gebotene medizinische Notfallversorgung gegeben (vgl. Auskunft der Frau PhD Dr. Valeria Ilareva vom 27. August 2015 an den VGH Baden-Württemberg, zu Frage 5).

Die Kammer geht davon aus, dass sich die allgemeinen Lebensbedingungen für international Schutzberechtigte in Bulgarien zwar nach wie vor als schwierig darstellen. Bulgarien verfügt - im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland - über kein ausdifferenziertes Sozialsystem, sondern ist durch eigenverantwortliches Verhalten jedes Einzelnen geprägt. Dementsprechend muss der jeweilige Schutzberechtigte grundsätzlich in der Lage sein, sich den unbestreitbar schwierigen Bedingungen zu stellen und durch eine hohe Eigeninitiative selbst für seine Unterbringung und seinen Lebensunterhalt zu sorgen (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 14. November 2016 - 12 K 5984/16.A, juris; VG Magdeburg, Urteil vom 2. September 2015 - 9 A 399/14 -, juris, Rdn. 46).

Dem steht nicht entgegen, dass international Schutzberechtigte für die Durchsetzung der nach der nationalen Gesetzeslage bestehenden Ansprüche auf Unterstützungsleistungen erhebliche Hürden zu überwinden haben.

So ist Voraussetzung für den Zugang zu staatlicher Unterstützung, dass der Nachweis über eine Unterkunft erbracht wird. Dieser Nachweis ist nur schwer zu erbringen, da es für international Schutzberechtigte schwierig ist, eine Unterkunft zu finden.

International Schutzberechtigte konnten im Jahr 2015 in kommunalen Obdachlosenunterkünften oder Sozialwohnungen kein Obdach finden, weil hierfür mindestens ein Familienmitglied die bulgarische Staatsangehörigkeit besitzen musste. Die einzig verbleibende Möglichkeit war, auf dem freien Wohnungsmarkt eine Wohnung zu finden. Unterstützung bei der Wohnungssuche erhielt nur ein verschwindend geringer Teil (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 23. Juli 2015 an das VG Stuttgart, zu Frage 2).

Aktuell haben allerdings ausweislich der Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Potsdam vom 16.1.2019 anerkannte Schutzberechtigte 6 Monate lang Anspruch auf staatliche finanzielle Unterstützung für eine Unterkunft. Bei nicht sofortigem Erhalt dieser Unterstützung besteht für sie die Möglichkeit, einen Antrag zu stellen, um weiterhin in einer Aufnahmeeinrichtung zu leben. Sozialwohnungen gibt es danach allerdings nur wenige. Auf diese dürfen sich anerkannte Flüchtlinge ebenso wie bulgarische Staatsangehörige bewerben. Wenn sie keine Unterbringungsmöglichkeit in einer staatlichen Unterkunft mehr haben, müssen Sie sich selbständig um Wohnraum bemühen. Dabei erhalten Sie Hilfe von Nichtregierungsorganisationen. Wegen der niedrigen Zahl von in Bulgarien verweilenden Flüchtlingen sorgte die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen und staatlichen Stellen dafür, dass es in Bulgarien kaum obdachlose Flüchtlinge gibt.

Zu den ohnehin bestehenden administrativen Hürden kommen allerdings regelmäßig Schwierigkeiten aufgrund fehlender Kenntnisse der bulgarischen Sprache, wobei lediglich in den Aufnahmezentren für Asylbewerber Sprachkurse angeboten werden (vgl. Auskunft der Frau PhD Dr. Valeria Ilareva vom 27. August 2015 an den VGH Baden-Württemberg, zu Frage 7).

Diese Hürden können in Einzelfällen aber durch Hilfe aus der Zivilgesellschaft oder Unterstützung z.B. durch andere Flüchtlinge überwunden werden. Das bulgarische Recht sieht zudem Rechtsschutzmöglichkeiten vor (vgl. Auskunft der Frau PhD Dr. Valeria Ilareva vom 27. August 2015 an den VGH Baden-Württemberg, zu Frage 6).

Grundsätzlich ist es dem Kläger auch zumutbar, seine Rechte in Bulgarien notfalls mithilfe eines bulgarischen Rechtsbeistands oder der Unterstützung der in Bulgarien tätigen Flüchtlingsorganisationen durchzusetzen - auch vor den dortigen Gerichten.

Grundsätzlich wird auch durch einen unzureichenden Zugang zum Arbeitsmarkt in Bulgarien der Schutzbereich von Art. 3 EMRK nicht berührt (vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 - 13 A 1490/13.A -, juris, Rdn. 133). Diese Schwierigkeiten (fehlende Sprachkurse und daraus resultierende Integrationsprobleme) betreffen allerdings die konkrete Umsetzung der AnerkennungsRL, es ist allerdings, ausweislich der o.a. Entscheidung des EuGH unerheblich, dass Bulgarien diese Richtlinie nur teilweise umgesetzt hat.

Die Kammer geht daher davon aus, dass anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten, die erwerbsfähig sind, in Bulgarien keine Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh durch die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Bulgarien droht. Diese sind vielmehr darauf zu verweisen, dass sie sich trotz der unbestreitbar schwierigen Bedingungen diesen stellen müssen und durch eine hohe eigene Initiative selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen müssen. Dies gilt insbesondere für den Kläger, einen – wie bereits dargelegt – erwerbsfähigen Mann.

Zwar hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (Urteil vom 29.1.2018 – 10 LB 82/17 –) entschieden, dass jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt die Lage von anerkannten Schutzberechtigten in Bulgarien gegen Art. 3 EMRK verstieß. Die Lage hat sich allerdings – wie sich aus der Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Potsdam vom 16.1.2019 ergibt – verbessert. So ist das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass faktisch nicht die Möglichkeit von Zugang zu Wohnraum besteht (Rn. 47 des Urteils). Inzwischen hat sich die Lage im Bulgarien aber offenkundig entspannt, da es dort nach der bereits zitierten Auskunft keinen Wohnungsmangel mehr gibt. Dies führt auch dazu, dass bestehende Sozialhilfeansprüche eher durchgesetzt werden können.

Unabhängig davon geht das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht auch von einem „weicheren“ Maßstab bei der Beurteilung der Frage aus, ob ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GrCh vorliegt, als der Europäische Gerichtshof, der die entsprechenden europarechtlichen Normen verbindlich für die nationalen Gerichte und damit auch für die erkennende Kammer auslegt (Art. 19 Absatz 3 b AEUV in Verbindung mit Art. 267 Abs. 3 AEUV; vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.1.2017, -2 BvR 2013/16 -, juris, Rn. 14, 15).

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht setzt bei der Beurteilung der Schwere des Eingriffs einen Mindestgrad voraus, der eine beachtliche Wahrscheinlichkeit enthält, dass die Bedürfnisse des anerkannten Schutzberechtigten nicht in zumutbarer Weise zu befriedigen sind (Rn. 34 des Urteils vom 29.1.2018 – 10 LB 82/17 –).

Demgegenüber verlangt der EuGH eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit, die von allen Umständen des Einzelfalls abhängt (Rn. 90 des Urteils vom 19.3.2019 C-163/17). Dabei weist der Europäische Gerichtshof ausdrücklich darauf hin, dass große Armut für die Annahme einer Verletzung des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh nicht ausreicht, sondern eine extreme materielle Not erforderlich ist (Rn. 93 des Urteils vom 19.3.2019 C-163/17). Es geht nach Auswertung der Erkenntnismittel davon aus, dass regelmäßig eine Verletzung von Art. 3 EMRK bei einer Rückkehr anerkannter Flüchtlinge nach Bulgarien vorliegt, und Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Ausnahme nicht ersichtlich seien (Rn. 48 des Urteils vom 29. 1. 2018). Der EuGH stellt jedoch darauf ab, dass es sich trotz des europarechtlichen normierten Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens nicht völlig ausschließen lasse, dass eine Person nachweisen kann, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen, die ihr eigen sind und aufgrund ihrer besonderen Verwertbarkeit unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh führen können (siehe oben).

Im Übrigen widerspricht die vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 29.1.2018 (Rn. 53) vorgenommene Bewertung den Entscheidungsgründen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 19.3.2019 (Rn. 94 des Urteils in der Sache C-163/17). Denn das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht begründet seine Entscheidung tragend damit, dass Schutzberechtigte in Bulgarien nicht auf familiären Rückhalt, nachbarschaftliche Kontakte und Ähnliches wie die einheimische Bevölkerung zurückgreifen können, und faktisch keinen oder nur einen sehr erschwerten Zugang zu Sozialhilfe haben, um die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu begründen. Dazu hat der Europäische Gerichtshof (Rn. 94 des Urteils in der Sache C-163/17) ausdrücklich klargestellt, dass dies gerade keine ausreichende Grundlage für eine solche Feststellung ist.

II. Die Voraussetzungen eines (hilfsweise neben dem isolierten Aufhebungsantrag zu begehrenden, vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.04.2019 – 1 C 2.17 -) Abschiebungsverbotes gem. § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in Bezug auf den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat Bulgarien (BVerwG, Beschluss vom 3. April 2017 – 1 C 9. 16 -) liegen ebenfalls nicht vor. Dabei ist auch bei der Bestimmung der wesentlichen Kriterien für das Vorliegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung nach nationalem Recht auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu dem mit Art. 4 EUGrCh übereinstimmenden Art. 3 EMRK zurückzugreifen (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 25.06.2015 – 11 LB 248/14 –, juris Rn. 43; Niedersächsisches OVG, Urteil 29.01.2018 – 10 LB 82/17-, Rn. 31 – juris-; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 – 1 A 21/12.A –, juris Rn. 112).

Dem Kläger droht in Bulgarien deshalb aufgrund der vorgenannten Erwägungen keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK (vgl. I Ziffern 3 (a), (b) und 4 der Entscheidungsgründe). Auch Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht vorgetragen worden oder sonst ersichtlich.

III. Die Abschiebungsanordnung (Ziffer 3 des Bescheides) ist ebenfalls rechtmäßig.

Rechtsgrundlage hierfür ist § 34a AsylG. Danach ordnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in den Fällen, in denen ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden soll, die Abschiebung an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Das bedeutet, dass die Beklagte vor Erlass einer Abschiebungs-anordnung zu prüfen hat, ob zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse oder der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse bestehen, insbesondere ob die Abschiebung in den Dritt- bzw. Mitgliedsstaat aus subjektiven, in der Person des Ausländers liegenden und damit vom System der normativen Vergewisserung nicht erfassten Gründen – wenn auch nur vorübergehend – rechtlich oder tatsächlich unmöglich ist (Nds. OVG, Beschluss vom 2.5.2015 – 13 MC 22/12 –, juris).

Dafür bestehen hier keine Anhaltspunkte.

IV. Auch die von der Beklagten vorgenommene Befristung der Sperrwirkung der Abschiebung (Ziffer 4 des Bescheides) begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Ausweislich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 10.07.2012 – 1 C 19/11 -) ist die Befristung der Wirkung der Abschiebung (§ 11 Abs. 1 AufenthG) gerichtlich voll zu überprüfen. Das Gericht hat dann auch über die konkrete Dauer einer angemessenen Frist selbst zu befinden und die Antragsgegnerin zu einer entsprechenden Befristung der Sperrwirkungen der Abschiebung zu verpflichten.

Allerdings stellt die Neufassung des § 11 AufenthG (zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 28.10.2015, BGBl. I, S. 1802) abweichend von der o.a. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Bemessung der Frist gem. § 11 Abs. 3 AufenthG in das Ermessen der Behörde mit der Folge, dass diese Frist nur noch eingeschränkt zu überprüfen wäre.

Die Frage bedarf allerdings keiner Entscheidung, weil die von der Beklagten festgesetzte Frist nicht zu beanstanden ist.

Die festzusetze Frist darf gemäß § 11 Abs. 3 AufenthG fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bestimmung der Länge der Frist der mit der Verhängung der Sperrfrist verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr mit Blick auf die im vorliegenden Falle bedeutsame Gefahrenschwelle zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Zwecks der Sperrfrist orientierende Höchstfrist muss sich aber an höherrangigem Recht, das heißt verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG und den Vorgaben aus Art. 7 der GRCh und Art. 8 EMRK messen und gegebenenfalls relativieren lassen. Dies bietet der Behörde und dem Verwaltungsgericht ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen (BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 – 1 C 19/11 – juris, Rn. 42).

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hält die Kammer die verhängte Wiedereinreisesperre für ermessensgerecht und auch nach eigener Prüfung für angemessen, um das durch die Beklagte verfolgte Ziel zu erreichen. Die Beklagte hat nur mit der Frist von 6 Monaten eine wesentlich kürzere Frist verhängt, als die, die maximal ohne die vorangegangene Begehung von Straftaten möglich ist. Wenn sich der Ausländer nicht rechtstreu verhält und dies durch Notwendigkeit einer Abschiebung dokumentiert, bietet die Verhängung einer Wiedereinreisesperre von nur 6 Monaten eine angemessene Möglichkeit, um den spezialpräventiven Erwägungen, nämlich den Ausländer an einer erneuten – unerlaubten – Wiedereinreise zu hindern, und den generalpräventiven Erwägungen, nämlich anderen Ausländern vor Augen zu führen, dass bei einer Abschiebung keine erneute Einreise in die Bundesrepublik Deutschland möglich ist, angemessen Rechnung zu tragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.