Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 03.07.1996, Az.: 17 UF 218/95
Verteilung von Rentenanwartschaften bei gesetzlichen Rentenversicherung nach Scheidung der Eheleute; Erwerb einer Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung; Festlegung des Versorgungsaufwandes
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 03.07.1996
- Aktenzeichen
- 17 UF 218/95
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1996, 16918
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1996:0703.17UF218.95.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Celle - 23.10.1995 - AZ: 7 F 7061/95
Rechtsgrundlage
- § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 BGB
Fundstelle
- FamRZ 1996, 1554 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Versorgungsausgleich
In der Familiensache
hat der 17. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
am 3. Juli 1996
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Landesversicherungsanstalt Hannover wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Celle vom 23. Oktober 1995 im Ausspruch zum Versorgungsausgleich (III des Tenors) geändert und wie folgt gefaßt:
Von dem Versicherungskonto Nr. ... des Ehemannes bei der Landesversicherungsanstalt Hannover werden im Wege des Splitting auf das Versicherungskonto Nr. ... der Ehefrau bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 215,61 DM, bezogen auf den 28.02.1995, übertragen.
Zum Ausgleich der Anwartschaft des Ehemannes auf betriebliche Altersversorgung bei der Firma Volkswagen-AG werden von dem Versicherungskonto Nr. ... des Ehemannes bei der Landesversicherungsanstalt Hannover im Wege des erweiterten Splitting auf das Versicherungskonto Nr. ... der Ehefrau bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 22,56 DM, bezogen auf den 28.02.1995, übertragen.
Die Monatsbeträge der zu übertragenden Rentenanwartschaften sind in Entgeltpunkte umzurechnen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zwischen den Parteien gegeneinander aufgehoben.
Beschwerdewert: 1.000 DM.
Gründe
Die Beschwerde der Landesversicherungsanstalt (LVA) Hannover ist begründet. Das Amtsgericht hat in seiner Entscheidung Auskünfte der LVA Hannover und der Volkswagen-AG berücksichtigt, die auf einem unzutreffenden Beginn der Ehezeit, nämlich dem 01.04.1984, beruhten. Da die Eheleute am 23.01.1984 geheiratet haben, beginnt die für den Versorgungsausgleich maßgebende Ehezeit am 01.01.1984 (§ 1587 Abs. 2 BGB). Das Ende der Ehezeit ist der 28.02.1995, da der Scheidungsantrag der Ehefrau am 17.03.1995 zugestellt worden ist (§ 1587 Abs. 2 BGB).
Der Versorgungsausgleich ist richtig wie folgt durchzuführen:
1.
a)
In der gesetzlichen Ehezeit, also vom 01.01.1984 bis zum 28.02.1995, haben beide Parteien Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB) erworben. Der Ehemann hat nach der berichtigten Auskunft der LVA Hannover vom 01.12.1995 Anwartschaften in Höhe von monatlich 716,66 DM erworben, die Ehefrau nach der Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 29.06.1995 Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 285,44 DM.
b)
Der Ehemann hat außerdem gegenüber seinem Arbeitgeber, der Volkswagen-AG, eine Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 BGB erworben. Die Versorgungszusage ist auf eine lebenslange Rente wegen Alters und verminderter Erwerbsfähigkeit gerichtet. Die Anwartschaft ist bereits unverfallbar und deshalb in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einzubeziehen (§ 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 BGB).
Da die Betriebszugehörigkeit des Ehemannes bei Ende der Ehezeit andauerte, ist dem Versorgungsausgleich gemäß § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a BGB der Teil der Versorgung zugrunde zu legen, der dem Verhältnis der in die Ehezeit fallenden Betriebszugehörigkeit zu der Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zu der in der Versorgungsregelung vorgesehenen festen Altersgrenze entspricht; die volle Versorgung berechnet sich nach dem Betrag, der sich bei Erreichen der in der Versorgungsregelung vorgesehenen festen Altersgrenze ergäbe, wenn die Bemessungsgrundlagen im Zeitpunkt des Endes der Ehezeit zugrunde gelegt würden.
Die Volkswagen-AG hat in ihrer Auskunft vom 09./29.05.1996 zutreffend eine bis zur Altersgrenze erreichbare volle Versorgung von jährlich 13.018,10 DM mitgeteilt. Die Berechnung basiert auf der zum 01.01.1996 in Kraft getretenen neuen Versorgungsordnung der Volkswagen-AG (zur Maßgeblichkeit der im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Versorgungsregelung vgl. z.B. BGH FamRZ 1982, 1193; 1986, 976, 978; 1990, 382, 383), [BGH 26.10.1989 - IVb ZB 81/87]berücksichtigt aber auch die zugunsten des Ehemannes wirksame Übergangsregelung des § 29 Abs. 2 i.V.m. Anlage 4 Nr. 3 der neuen Versorgungsordnung. Danach wird als bis Ende 1995 erworbener Besitzstand ein sog. Basisrentenbaustein ermittelt, der beim Ehemann für die Zeit vom Beginn seiner Betriebszugehörigkeit (13.02.1979) bis Ende 1995 eine Rentenanwartschaft von jährlich 4.611 DM ergibt. Hinzu kommt die vom 01.01.1996 bis zur festen Altersgrenze (Vollendung des 65. Lebensjahres, § 4 Abs. 1 der Versorgungsordnung) erreichbare weitere Rentenanwartschaft, die sich ausschließlich nach der neuen Versorgungsordnung aufgrund der weiteren jährlichen Rentenbausteine errechnet. Diese jährlichen Rentenbausteine ergeben sich durch Multiplikation des jeweiligen jährlichen Versorgungsaufwands mit dem in der Anlage 2 zur Versorgungsordnung für das jeweilige Lebensalter ausgewiesenen Verrentungssatz (§ 10 Abs. 3 Versorgungsordnung); der Versorgungsaufwand wiederum ergibt sich aus der Multiplikation der nach § 9 Versorgungsordnung maßgebenden (Einkommens-) Bemessungsgrundlage mit dem nach § 10 Abs. 2 Versorgungsordnung maßgebenden Bemessungssatz (§ 10 Abs. 1 Versorgungsordnung). Auf der Grundlage dieser Regelungen hat die Volkswagen-AG eine für den Ehemann von Januar 1996 bis Februar 2018 (Vollendung des 65. Lebensjahres) erreichbare Versorgungsanwartschaft von jährlich 8.407,10 DM ermittelt, wobei gemäß § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a, 2. Halbs. BGB zutreffend für die nach 1995 liegende Zeit der Betriebszugehörigkeit als Bemessungsgrundlage das versorgungsfähige Bruttoentgelt aus den letzten 12 Monaten vor dem Ende der Ehezeit berücksichtigt worden ist. Basisrentenbaustein und jährliche Rentenbausteine (ab 1996) zusammengerechnet ergeben für den Ehemann eine volle Rentenanwartschaft von jährlich 13.018,10 DM.
Der auf die Ehezeit entfallende Teil dieser Rentenanwartschaft wird ermittelt, indem der Wert der Anwartschaft im Verhältnis der in die Ehezeit fallenden Monate der Betriebszugehörigkeit zur Gesamtzahl der Monate der Betriebszugehörigkeit gekürzt wird. Die gesamte Betriebszugehörigkeit des Ehemannes von seinem Eintritt in die Firma Volkswagen-AG bis zur festen Altersgrenze - analog § 1587 Abs. 2 BGB ausgedrückt in vollen Kalendermonaten (01.02.1979 - 28.02.2018) - umfaßt 469 Monate. Davon entfällt auf die Ehezeit die Zeit vom 01.01.1984 bis zum 28.02.1995, das sind 134 Monate. Die auf die Ehezeit entfallende Teilanwartschaft beläuft sich somit auf jährlich 13.018,10 DM × 134: 469 = 3.719,46 DM.
Die betriebliche Versorgungsanwartschaft ist weder im Anwartschafts- noch im Leistungszeitraum volldynamisch und deshalb gemäß § 1587 a Abs. 4 und Abs. 3 Nr. 2 BGB i.V.m. der BarwertVO in eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung umzurechnen. Weder der Basisrentenbaustein noch die jährlichen Rentenbausteine nehmen an der allgemeinen Einkommensentwicklung teil, und die laufenden Rentenleistungen werden lediglich gemäß § 16 BetrAVG im Dreijahreszeitraum angepaßt (§ 27 Versorgungsordnung).
Zur Umwertung der statischen Versorgungsanwartschaft in eine dynamische Rentenanwartschaft ist zunächst der Barwert des Anrechts zu ermitteln. Dazu ist der Jahresbetrag der Anwartschaft (3.719,46 DM) mit dem Umrechnungsfaktor aus Tabelle 1 der BarwertVO zu multiplizieren. Da der Ehemann bei Ende der Ehezeit 42 Jahre alt war, beträgt der maßgebende Rechenfaktor 2,5. Es errechnet sich somit ein Barwert von 9.298,65 DM. Dieser Betrag wird mit Hilfe der Faktoren aus den Tabellen 5 und 2 der Rechengrößenbekanntmachung (FamRZ 1996, 209), bezogen auf das Ehezeitende (28.02.1995), wie folgt in eine dynamische monatliche Rente umgerechnet: 9.298,65 DM × 0,0001054764 = 0,9807 × 46,00 = 45,11 DM.
2.
Gemäß § 1587 a Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Ehemann ausgleichspflichtig, da er insgesamt die höheren Versorgungsanwartschaften erworben hat. Der Ehefrau steht die Hälfte der Differenz zwischen den beiderseits erworbenen Anwartschaften als Ausgleich zu (§ 1587 a Abs. 1 Satz 2 BGB):
Ehemann:
gesetzliche Rentenversicherung | 716,66 DM |
---|---|
betriebliche Altersversorgung | 45,11 DM |
761,77 DM |
Ehefrau:
gesetzliche Rentenversicherung | 285,44 DM |
---|---|
Differenz | 476,33 DM |
: 2 = 238,17 DM
3.
Die Form des Ausgleichs richtet sich nach der in den §§ 1587 b Abs. 1-3 BGB, 1, 2, 3 b VAHRG geregelten Ausgleichsrangfolge.
a)
Gemäß § 1587 b Abs. 1 BGB findet zunächst ein isolierter Ausgleich der beiderseitigen gesetzlichen Rentenanwartschaften statt, indem die Hälfte der Differenz zwischen diesen Rentenanwartschaften, also monatlich (716,66 DM - 285,44 DM = 431,22 DM : 2 =) 215,61 DM vom Rentenversicherungskonto des Ehemannes auf das Versicherungskonto der Ehefrau übertragen werden.
b)
Der weitere Ausgleich der betrieblichen Versorgungsanwartschaft des Ehemannes in Höhe von monatlich (45,11 DM : 2 =) 22,56 DM kann nicht nach § 1 VAHRG erfolgen, da die Versorgungsordnung der Volkswagen-AG keine Realteilung vorsieht und die Volkswagen-AG auch kein öffentlich-rechtlicher Versorgungsträger ist. Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich nach § 2 VAHRG kann jedoch durch erweitertes Splitting nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG vermieden werden, indem zum Ausgleich der betrieblichen Versorgungsanwartschaft des Ehemannes weitere seiner gesetzlichen Rentenanwartschaften auf das Versicherungskonto der Ehefrau übertragen werden. Der Restausgleich von monatlich 22,56 DM übersteigt nicht den nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 VAHRG maßgebenden Grenzwert von - bezogen auf das Ende der Ehezeit - monatlich 81,20 DM.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Festsetzung des Beschwerdewerts auf § 17 a Nr. 1 GKG.
Streitwertbeschluss:
Beschwerdewert: 1.000 DM.
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