Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 17.07.1996, Az.: 13 U 34/96

Schmerzensgeldansprüche wegen einer schwer wiegenden Persönlichkeitsverletzung ; Persönlichkeitsverletzung wegen unberechtigter Verletzung der Privatsphäre durch Veröffentlichung über das vermeintliche Einkommen von Profifußballern; Abgrenzung von Diffamierung einer Person oder Schmähkritik bei Meinungsäußerungen in der Öffentlichkeit; Anspruch auf Unterlassung unwahrer Tatsachenbehauptungen

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
17.07.1996
Aktenzeichen
13 U 34/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 23057
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1996:0717.13U34.96.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 17.01.1996 - AZ: 6 O 311/95

Fundstellen

  • AfP 1997, 819-82
  • SpuRt 1998, 245-247

Der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat
auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juli 1996
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... sowie
der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. I.

    Auf die Berufung des Klägers wird das am 17. Januar 1996 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover teilweise abgeändert:

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 416,87 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 2. August 1995 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

  2. II.

    Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

  3. III.

    Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu 24/25, die Beklagte zu 1/25 zu tragen, und zwar für die Berufungsinstanz nach einem Wert von 25.416,87 DM.

  4. IV.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  5. V.

    Die Beschwerde für Kläger und Beklagte wird auf jeweils unter 60.000 DM festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache nur wegen der Abmahnkosten Erfolg.

2

Dem Kläger stehen wegen der in den Artikeln der Beklagten vom 14.03.1995, 15.03.1995 und vom 06.04.1995 enthaltenen Außerungen keine Schmerzensgeldansprüche wegen einer schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzung zu. Aber auch soweit der Kläger im Wege jedenfalls zulässiger Klageänderung gemäß § 263 ZPO sein Begehren auf Äußerungen in dem nach Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung erschienenen Artikel stützt, kommt ein Schmerzensgeldanspruch nicht in Betracht.

3

1.

Allein der Umstand, daß die Beklagte in ihren Artikeln über das vermeintliche Einkommen des Klägers als Profifußballer berichtet hat, stellt nicht für sich gesehen, also unabhängig von der Wahrheit dieser Berichterstattung, wegen unberechtigter Verletzung der Privatsphäre des Klägers eine Persönlichkeitsverletzung dar, die Schmerzensgeldansprüche rechtfertigen könnte.

4

Das AG Berlin-Mitte (AfP 1996, 188) hat dies zwar bezüglich eines Oberligaspielers, der nicht wie ein Top-Bundesligaspieler in der Öffentlichkeit stehe, mit der Begründung angenommen, der Betroffene habe ein schützenswertes Interesse daran, daß seine "Daten" nicht allgemein erörtert werden. Nach einer vom Kläger zitierten Entscheidung des OLG Hamburg (AfP 1992, 376 f.) soll es einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Privatsphäre darstellen, wenn zur Befriedigung reiner Unterhaltungsinteressen der Leserschaft die (schlechten) Vermögensverhältnisse eines Prinzen mitgeteilt werden.

5

Beide Entscheidungen sind auf den hier zu entscheidenden Fall nicht übertragbar: Der Kläger ist, wie er selbst vorträgt, als Bundesligaspieler von ... und zuletzt des ... clubs in der interessierten Öffentlichkeit weithin bekannt. Er tritt auch, wie die Beklagte in einem Artikel vom 06.04.1995 unwidersprochen berichtet hat, in Sportsendungen auf, so in "...". Für die hier beanstandete Berichterstattung gab es aufgrund des schlechten Abschneidens des Vereins ... und des drohenden Abstiegs in die Amateurliga hinreichenden Anlaß und ausreichende Rechtfertigung, sich mit den Spielern, deren Leistungen und auch deren Verhältnis zu den Bezügen kritisch auseinanderzusetzen und die an diesen Vorgängen interessierte Öffentlichkeit zu informieren. Anders als etwa im häuslichen Bereich ist die Persönlichkeit eines Betroffenen in seiner berufliche Sphäre auch nicht so geschützt, daß bei schutzwürdigen Belangen freier Kritik sich ohne weiteres ein Interesse des Betroffenen durchsetzen könnte, in seiner beruflichen Arbeit in der Öffentlichkeit nicht vorgestellt zu werden (vgl. BGH NJW 1981, 1366, 1367 [BGH 20.01.1981 - VI ZR 163/79]; siehe auch BGHZ 36, 77, 80 f.) [BGH 24.10.1961 - VI ZR 204/60]. Die danach grundsätzlich gestattete kritische Befassung mit dem Kläger, bei der es auch darum ging, zu bewerten, daß vermeintlich hochbezahlte Profifußballer wegen schlechter Leistungen "ihr Geld nicht wert waren", gestattete der Beklagten jedenfalls, die für diese Kritik maßgeblichen Vorgänge und damit auch das Gehalt des Klägers mitzuteilen.

6

2.

Auch die abträgliche Darstellungsform in dem ersten Artikel, aus dessen Kontext für den Leser eine Charakterisierung auch des Klägers als "Abkassierer" herzuleiten ist, rechtfertigt nicht die Annahme einer schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzung: Ausgehend von dem Grundsatz, daß Meinungsäußerungen in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage von Art. 5 Abs. 1 GG geschützt sind und regelmäßig nur Schmähkritik, die nicht mehr in einer Auseinandersetzung mit der Sache, sondern in einer bloßen Diffamierung der Person besteht, die Annahme einer rechtswidrigen Persönlichkeitsverletzung gestattet (vgl. BVerfG NJW 1991, 95, 96) [BVerfG 26.06.1990 - 1 BvR 1165/89], kann es nicht als Persönlichkeitsverletzung oder gar schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung betrachtet werden, wenn der Kläger im Zusammenhang mit dem Bericht über schlechte Leistungen als "Abkassierer" bezeichnet wird (vgl. auch Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl., Rn. 14.103 und 14.104 unter Hinweis auf "Ganovenmannschaft" und "Hundertzwanzigtausend-DM-Niete").

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3.

Eine schwere Persönlichkeitsverletzung läßt sich auch nicht daraus herleiten, daß die Beklagte möglicherweise unzutreffend über das monatliche Einkommen des Klägers berichtet hat. Dabei kann offenbleiben, ob der Kläger, der dies ohne weiteres könnte, nicht sogar konkret darlegen müßte, um welche monatliche Bezüge es bei ihm tatsächlich ging. Offenbleiben kann auch, welche Bedeutung es hat, daß die ... Zeitung im September 1995 offensichtlich ohne Widerspruch des Klägers berichten konnte, er habe monatlich DM 19.000,00 bezogen. Es ist jedenfalls nicht zu erkennen, daß die Angabe eines angeblich falschen, zu hohen monatlichen Gehalts geeignet sein könnte, den Kläger zu beeinträchtigen, zumal hohe Einnahmen in der Vorstellung der Öffentlichkeit niemandem zur Unehre gereichen.

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4.

Auch die weiteren Äußerungen rechtfertigen den Schmerzensgeldanspruch nicht:

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a)

Dabei handelt es sich um Äußerungen, die als unwahre Tatsachenbehauptungen ohne weiteres geeignet sind, den Kläger in der Öffentlichkeit herabzusetzen. Dies gilt nicht nur für die im Zusammenhang mit der angeblichen Spielerratssitzung stehende Äußerung, sondern auch für die für einen Berufsfußballspieler besonders abträgliche Behauptung, er habe eine Verletzung vorgeschoben.

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b)

Bezüglich der Spielerratssitzung nimmt der Kläger jetzt offenbar nicht mehr in Abrede, daß es aus der Mannschaft "hier und da kritische Stimmen" gegeben habe. Man kann sich deshalb schon fragen, ob eine schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung schon deshalb ausscheidet, weil etwas an dieser Berichterstattung "dran" ist. Aber auch dies braucht nicht entschieden zu werden.

11

Das Landgericht hat nämlich zu Recht darauf abgestellt, daß ein Schmerzensgeld ausscheidet, weil der Kläger von der Möglichkeit hätte Gebrauch machen können, Widerruf und/oder eine Gegendarstellung von der Beklagten zu verlangen, die die Beklagte im übrigen sogar in ihrem Schreiben vom 12.04.1995 ausdrücklich erwähnt hat.

12

Denn Ausgleich in Geld wegen eines immateriellen Schadens kann nur verlangen, wer in seinem Persönlichkeitsrecht in schwerwiegender Weise schuldhaft verletzt worden ist und die erlittenen Beeinträchtigungen auf andere Art und Weise nicht befriedigend ausgleichen lassen kann (vgl. BGH NJW 1977, 1077 [BVerwG 17.12.1976 - VII C 28/74]; siehe auch Wenzel a.a.O., Rn. 14.113). Je nach Sachlage kann hierzu insbesondere dann, wenn es um Falschbehauptungen geht, der Widerruf geeignet sein, im übrigen aber auch die presserechtliche Gegendarstellung. Denn dieses Institut bezweckt vorrangig, das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zu schützen, ihm die Selbstverteidigung gegen Einwirkungen der Medien auf die rechtlich geschützte Individualsphäre durch die Befugnis zu gewähren, an gleicher Stelle und mit entsprechendem Publizitätsgrad die ihn betreffende Darstellung durch seine Wortmeldung, seine Sicht des mitgeteilten Sachverhalts zu vervollständigen (vgl. BGH NJW 1976, 1198, 1201) [BGH 06.04.1976 - VI ZR 246/74]. Der Kläger hat aber weder von der Möglichkeit des Widerrufs noch von der Möglichkeit einer Gegendarstellung Gebrauch gemacht, worum er sich hätte vorrangig bemühen müssen (vgl. BGH NJW 1979, 1041). Daß aber Beeinträchtigungen zurückbleiben könnten, die weder durch Widerruf noch durch eine Gegendarstellung hätten beseitigt werden können, ergibt sich nicht. Eine Rolle spielt dabei auch, daß die Beklagte ohne weiteres bereit gewesen ist, sich aufgrund eines Vertragsstrafeversprechens zu verpflichten, die Äußerungen in Zukunft nicht zu wiederholen (vgl. Wenzel, a.a.O., Rn. 14.118 zur allerdings insoweit beschränkten Bedeutung des Unterlassungstitels).

13

c)

Dies gilt auch, soweit es angeblich vorgeschobene Verletzungen des Klägers angeht. Dabei kann die Beklagte zwar nicht berechtigt geltend machen, sie habe keine eigene Äußerung gemacht, sondern lediglich eine Äußerung verbreitet.

14

Denn eine klare Distanzierung von einer Äußerung, die einem bestimmten Dritten zugeschoben wird, fehlt. Aus Sicht des Lesers wird in dem Artikel vielmehr, so als habe die Beklagte den Verdacht selbst, vermutet, u.a. der Kläger habe Verletzungen vorgeschoben, was auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht zutrifft.

15

Auch diese Verdachtsäußerung hätte aber ohne weiteres durch Widerruf und/oder Gegendarstellung aus der Welt geschafft werden können.

16

d)

Ob im übrigen wegen der hier insgesamt in Frage stehenden Äußerungen aufgrund einer Gesamtbeurteilung davon auszugehen ist, daß für die Zuerkennung ein unabwendbares Bedürfnis besteht, weil mit den Äußerungen entsprechende Folgen verbunden sind, zu denen der Kläger nichts vorträgt, was er wohl müßte (vgl. Wenzel, a.a.O., Rn. 14.120), kann ebenfalls offenbleiben.

17

5.

Aus den unter I. 2. genannten Gründen kommt auch nicht in Betracht, dem Kläger wegen der Bezeichnung in dem neuerlichen Artikel als "Abkassierer" ein Schmerzensgeld zuzusprechen.

18

6.

Der Anspruch auf Zahlung weiterer Kosten wegen der vorgerichtlichen Abmahnung ist demgegenüber gerechtfertigt. Ein Anspruch auf Unterlassung unwahrer Tatsachenbehauptungen bestand aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB jedenfalls wegen der Äußerungen, die die angebliche Spielerratssitzung und das angebliche Vorschieben von Verletzungen betrafen und die auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten so oder überhaupt nicht zutrafen. Allein ein darauf bezogener Unterlassungsanspruch wäre angesichts der Bedeutung für den Kläger jedenfalls mit DM 30.000,00 zu bewerten, so daß sich bei Zugrundelegung dieses Werts eine unbestrittene Kostendifferenz von 416,87 ergibt, die der Kläger auch nur fordert. Diese Abmahnkosten sind aus §§ 683 S. 1, 677 BGB zu ersetzen.

19

Dabei braucht nicht entschieden zu werden, welcher Wert für das insgesamt vom Kläger verfolgte Unterlassungsbegehren gerechtfertigt gewesen wäre.

20

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Die Beschwerde für Kläger und Beklagte wird auf jeweils unter 60.000 DM festgesetzt.

Die Beschwer ist gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festgesetzt. Für den Streitwert ist gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 GKG maßgeblich, daß der Kläger sein Schmerzensgeldbegehren hilfsweise auch mit dem nach Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung veröffentlichten Artikel der Beklagten gerechtfertigt hat.