Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 26.06.1996, Az.: 6 U 173/95

Voraussetzungen für die Zulassung einer Berufung; Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen; Voraussetzungen für einen Anspruch auf Vorschuss bzw. Ersatz von Mängelbeseitigungskosten

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
26.06.1996
Aktenzeichen
6 U 173/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 23849
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1996:0626.6U173.95.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 05.10.1995 - AZ: 19 O 98/95

Fundstelle

  • NJW-RR 1996, 1416-1417 (Volltext mit red. LS)

In dem Rechtsstreitverfahren
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die - mündliche Verhandlung vom 29. Mai 1996
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 5. Oktober 1995 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschwer für den Kläger: 14.996,41 DM.

Entscheidungsgründe

1

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

2

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Vorschuß bzw. Ersatz von Mängelbeseitigungskosten betreffend die Eigentumswohnung in W. 16 in H.-L. aufgrund des notariellen Vertrages vom 8. März 1994.

3

Werkvertragliche Ansprüche aus § 633 Abs. 3 BGB bzw. § 635 BGB bestehen nicht, weil auf den notariellen Vertrag die werkvertraglichen Gewährleistungsrechte keine Anwendung finden. Zwar richten sich nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. dazu BGH NJW 1977, 1336, BGHZ 74, 204 = BGH NJW 1979, 1406 ff., BGH NJW-RR 1986, 1026 ff., BGH NJW 1988, 135 f. [BGH 17.09.1987 - VII ZR 153/86], BGH NJW 1988, 1972 f., BGHZ 100, 391, 396 [BGH 07.05.1987 - VII ZR 366/85], BGH DNotZ 1990, 96, BGH NJW 1981, 2344 f., jeweils mit weiteren Nachweisen) die Ansprüche des Erwerbers aus Sachmängeln an neu errichteten Häusern oder Eigentumswohnungen grundsätzlich nach Werkvertragsrecht, mag auch das Bauwerk bei Vertragsschluß bereits fertiggestellt sein. Dabei ist es ohne Belang, daß die Parteien den Vertrag als Kaufvertrag und sich selbst als Käufer und Verkäufer bezeichnen. Werkvertragsrecht ist auch dann anzuwenden, wenn der Veräußerer das Bauwerk zunächst für sich selbst errichtet und sogar einige Monate bewohnt. Entscheidend ist allein, daß sich aus Inhalt, Zweck und wirtschaftlicher Bedeutung des Vertrages sowie aus der Interessenlage der Parteien die Verpflichtung des Veräußerers zur mangelfreien Erstellung des Bauwerks ergibt. Diese Verpflichtung muß also nicht ausdrücklich übernommen worden sein. Es genügt, daß sie aus dem Zusammenhang der einzelnen Vertragsbestimmungen sowie aus den gesamten Umständen abzuleiten ist, die zum Vertragsschluß geführt haben. Ist sie zu bejahen, so knüpft daran die Sachmängelhaftung nach Werkvertragsrecht an.

4

Eine Herstellungsverpflichtung hatte der Beklagte jedoch nicht übernommen. Weder aus dem notariellen Kaufvertrag vom 8. März 1994 noch aus den sonstigen Unterlagen läßt sich etwas für eine Herstellungsverpflichtung des Beklagten entnehmen. Eine derartige Verpflichtung wird von dem Kläger auch nicht behauptet. Der Beklagte selbst hat vielmehr die Eigentumswohnung von dem Bauherrn W. gekauft. Er war selbst mithin nicht Bauherr der Etagenwohnung und hatte auch mit dem Ausbau der Dachgeschoßwohnung nichts zu tun. Der Umstand, daß sich der Beklagte in § 5 des notariellen Kaufvertrages zur Übermittlung einer Wohnflächenberechnung nach DIN verpflichtet hat, reicht für eine Anwendung der werkvertraglichen Gewährleistungsrechte nicht aus.

5

Anhaltspunkte, dafür, daß sich der Bauherr W. des Beklagten bedient hätte, um die Eigentumswohnung zu verkaufen oder sonstige Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte nur eingeschaltet worden ist, um eine Sachmängelhaftung nach Werkvertragsrecht zu umgehen, ergeben sich weder aus dem Vortrag des Klägers noch aus dem sonstigen Akteninhalt. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 29. Mai 1996 vielmehr ausdrücklich erklärt, daß er keine Anhaltspunkte dafür habe, daß der Beklagte lediglich als Strohmann für den Bauherrn tätig geworden ist. Auch das Motiv, das zum Kauf der Eigentumswohnung durch den Beklagten geführt hat, ist unerheblich. Selbst wenn der Beklagte die Wohnung als Spekulationsobjekt gekauft haben sollte, folgt daraus nicht die Anwendung der werkvertraglichen Gewährleistungsrechte, weil es an der Herstellungsverpflichtung des Beklagten fehlt.

6

Letztlich vermag der Senat auch aus den Umständen der Vertragsanbahnung und Vertragsabwicklung keine Gleichstellung des Beklagten mit dem Hersteller der Eigentumswohnung herzuleiten. Zwar mag der Beklagte mit dem Begriff "Erstbezug" in Anzeigen in der Zeitung und in dem Expose der H. Immobilien vom 8. März 1994 damit geworben haben, daß die Wohnung "1993 komplett neu ausgebaut (Erstbezug)" worden ist. Damit hat der Beklagte aber keine Verpflichtung zur Errichtung eines mangelfreien Bauwerks übernommen noch können diese Anpreisungen dahingehend verstanden werden. Bei diesen Erklärungen handelt es sich lediglich um eine - unstreitig zutreffende - Beschreibung des Kaufobjekts. Wegen der fehlenden Verpflichtung des Beklagten zur Herstellung der Eigentumswohnung ist auch die im Schriftsatz des Klägers vom 10. Juni 1996 in Bezug genommene Entscheidung des BGH vom 7. Mai 1987 (VII ZR 366/85 in NJW 1988, 490 ff.) für den hier zu entscheidenden Fall ohne Bedeutung.

7

Vorliegend ist auch die Interessenlage eine andere, als wenn der Kläger vom Hersteller bzw. Bauherrn selbst gekauft hätte. Grund für die Anwendung der werkvertraglichen Sachmängelvorschriften ist die zum Vertragsinhalt gemachte Verpflichtung des Grundstücksveräußerers zur Erstellung bzw. Fertigstellung des Bauwerks. Mit dieser Erstellungspflicht korrespondiert die Verpflichtung des Erwerbers, nach Fertigstellung das Bauwerk abzunehmen. Etwaige Mängel des Bauwerks sind vom Veräußerer (oder für ihn von Bauhandwerkern) zu beseitigen. Mit der Anwendung des Werkvertragsrechts auf den Veräußerungsvertrag für die Eigentumswohnung hat der Erwerber vorrangig ein Nachbesserungsrecht gegen den Veräußerer, was bei der Neuerrichtung eines Bauwerks durch den Veräußerer den Interessen aller Beteiligten auch eher entspricht als die dieses Recht nicht einräumende Gewährleistungsregel des Kaufrechts. Vorliegend ist der Beklagte aber nicht Hersteller des Werks, sondern er hat es selbst lediglich vom Hersteller übernommen, so daß diese Erwägungen auf ihn nicht zutreffen. Dementsprechend kann auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wirksamkeit von Gewährleistungsausschlüssen in Veräußerungsverträgen über neu errichtete, im Bau befindliche oder noch zu errichtende Häuser oder Eigentumswohnungen (vgl. BGH a.a.O.) auf die Vereinbarung eines Gewährleistungsausschlusses in einem Vertrag über die Veräußerung einer Eigentumswohnung ohne Herstellungsverpflichtung des Veräußerers nicht übertragen werden (vgl. dazu BGHZ 98, 100 ff. [BGH 06.06.1986 - V ZR 67/85]). Die Gewährleistungsansprüche richten sich in diesem Fall vielmehr nach Kaufvertragsrecht.

8

Der Kläger kann seinen Anspruch gegen den Beklagten auch nicht auf die kaufvertraglichen Gewährleistungsrechte stützen. Zwar hat der Verkäufer nach § 459 Abs. 1 BGB dafür einzustehen, daß die verkaufte Sache im Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern, wobei eine unerhebliche Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit nicht in Betracht kommt. Die Parteien haben jedoch in dem Grundstückskaufvertrag die Gewährleistung wirksam ausgeschlossen. Angesichts des im notariellen Vertrag vom 8. März 1994 enthaltenen Gewährleistungsausschlusses, wonach der Kaufgegenstand in seinem augenblicklichen, dem Käufer bekannten und besichtigten Zustande auf diesen übergeht und für bestimmte Größe, Güte und Beschaffenheit vom Verkäufer keine Gewähr geleistet, auch keine Haftung für Fehler oder Mängel übernommen wird, können dem Beklagten Ansprüche wegen Mängeln nur zustehen, wenn die Vereinbarung über den Gewährleistungsausschluß die Mängel an der Abflußleitung des WC und dem Dachaufbau der Terrasse nicht erfaßt oder der Gewährleistungsausschluß nichtig ist. Die Voraussetzungen dieser Ausnahmetatbestände liegen aber nicht vor. Anhaltspunkte dafür, daß die vorgenannten Mängel nicht von der Gewährleistungsregelung erfaßt sein sollten, ergeben sich weder aus dem Vortrag des Klägers noch sonst aus dem Akteninhalt.

9

Bedenken gegen die Wirksamkeit des Gewährleistungsausschlusses bestehen ebenfalls nicht. Selbst wenn der Vertrag des Notars, der Kontrolle des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG) unterliegen würde, wäre der Gewährleistungsausschluß wirksam, da es sich bei der Veräußerung der Eigentumswohnung nicht um die Veräußerung einer neu hergestellten Sache i.S.d. § 11 Nr. 10 AGBG handelt (vgl. dazu Palandt-Heinrichs, BGB, 55. Aufl., § 11 AGBG Rn. 47).

10

Die Freizeichnung des Klägers von seinen Gewährleistungspflichten ist auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) unwirksam. Die Gewährleistungsvorschriften sind dispositiv und lassen deshalb auch einen Ausschluß der Sachmängelhaftung zu. Dieser muß zwar mit den das ganze Rechtsleben beherrschenden Grundsätzen von Treu und Glauben vereinbar sein. Dem Parteivortrag lassen sich indessen keine Tatsachen entnehmen, die gegen die Wirksamkeit des Gewährleistungsausschlusses unter dem Gesichtspunkt des § 242 BGB sprechen könnten. Die im notariellen Vertrag enthaltene Freizeichnung benachteiligt den Kläger weder unangemessen noch führt sie zu einem mit. Treu und Glauben nicht mehr im Einklang stehenden Ergebnis. Vielmehr entspricht die Freizeichnung den üblichen Klauseln, die in notarielle Grundstückskaufverträge aufgenommen zu werden pflegen.

11

Eine Haftung des Beklagten kommt auch nicht wegen Arglist in Betracht, denn die Voraussetzungen des § 476 BGB sind nicht erfüllt. Danach ist eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung des Verkäufers zur Gewährleistung wegen Mängeln der Sache erlassen oder beschränkt wird, nichtig, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschweigt. Für ein arglistiges Verschweigen enthält indessen der Vortrag des Klägers keine Anhaltspunkte. Die Mängel waren dem Beklagten, soweit ersichtlich, nicht bekannt, zumal er in der Wohnung selbst nicht gewohnt hat.

12

Da andere Anspruchsgrundlagen für das Begehren des Klägers nicht ersichtlich sind, kann die Berufung keinen Erfolg haben.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Beschwer für den Kläger: 14.996,41 DM .Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zur Beschwer folgen aus §§ 708 Nr. 10, 713, 546 ZPO.