Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.07.2020, Az.: 2 K 228/19
Abzugsfähigkeit einer Zahlung zur Ablösung eines Wohnungsrechts als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 02.07.2020
- Aktenzeichen
- 2 K 228/19
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2020, 70491
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 20.09.2022 - AZ: IX R 9/21
Rechtsgrundlage
- § 9 Abs. 1 S. 2 EStG
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Zahlung zur Ablösung eines Wohnungsrechts als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzugsfähig ist.
Die Kläger sind verheiratet und werden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger hatte zusammen mit seiner Schwester C 2012 unter anderem das im Erbbaugrundbuch des Amtsgerichts (...) verzeichnete Erbbaurecht für das Grundstück W geerbt. Auf dem Grundstück befindet sich eine Doppelhaushälfte. Das Erbbaurecht war unter anderem mit einem Wohnungsrecht gemäß § 1093 BGB für A belastet. Am 31. März 2017 schlossen die Geschwister einen notariellen "Erbteilsübertragungsvertrag". Danach übertrug C ihren Anteil an dem Erbbaurecht auf den Kläger, Nutzen und Lasten gingen noch am gleichen Tag auf den Kläger über. Dieser verpflichtete sich, seiner Schwester zum Ausgleich 30.000 € zu bezahlen. Mit notariellem Vertrag vom 19. September 2017 verzichtete A auf ihr Wohnungsrecht und verpflichtete sich, das Gebäude bis zum 30. November 2017 besenrein zu räumen. Der Kläger verpflichtete sich im Gegenzug eine Ausgleichsentschädigung in Höhe von 40.000 € an A zu bezahlen. Die Kosten der notariellen Beurkundung in Höhe von insgesamt 3.591,89 € übernahm der Kläger. Nach einer umfassenden Renovierung der Doppelhaushälfte ist diese seit dem 1. Mai 2018 vermietet.
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung machten die Kläger für das Objekt vorweggenommene Werbungskosten in Höhe von insgesamt 46.066 € geltend. Diese setzen sich wie folgt zusammen:
Absetzung für Abnutzung (1.109 € + 511 €) | 1.620,00 € |
---|---|
Grundsteuer | 58,00 € |
Wasserversorgung/Entwässerung | 34,00 € |
Erbbauzinsen | 762,00 € |
Entschädigungszahlung Wohnungsrecht | 40.000,00 € |
Notarkosten | 3.591,89 € |
46.066,89 € |
Der Beklagte berücksichtigte die Entschädigungszahlung für die Aufgabe des Wohnungsrechts als Anschaffungskosten, so dass er lediglich die folgenden Werbungskosten berücksichtigte:
Absetzung für Abnutzung (1.109 € + 511 € + 291 €) | 1.911,00 € |
---|---|
Grundsteuer | 58,00 € |
Wasserversorgung/Entwässerung | 34,00 € |
Erbbauzinsen | 762,00 € |
2.765,00 € |
Die Absetzungen für Abnutzung ermittelte er dabei wie folgt:
- 1/2 Anteil von den Eltern geerbt (RND 18 Jahre) - unstreitig - | 1.109,00 € |
---|---|
- 1/2 Anteil von der Schwester erworben, (AK 30.654 €, zeitanteilig) - unstreitig | - 511,00 € |
- Verzicht Wohnungsrecht (AK 43.591,89 €, 2%, zeitanteilig 4/12) | 291,00 € |
1.911,00 € |
Die Kläger erhoben Einspruch. Die Entschädigungszahlung an die Wohnungsrechtsberechtigte sei nicht im Rahmen der Absetzung für Abnutzung, sondern bei den sofort abzugsfähigen Werbungskosten zu berücksichtigen. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe seine Rechtsprechung hinsichtlich der steuerlichen Behandlung von Abfindungszahlungen für dingliche Rechte mit seinen Urteilen vom 26. Januar 2011, IX R 24/10, BFH/NV 2011, 1480 und vom 11. Dezember 2012, IX R 28/12, BFH/NV 2013, 914 weiterentwickelt. Danach gehörten Abstandszahlungen für dingliche Rechte zwar grundsätzlich zu den Anschaffungskosten des Gebäudes, denn mit einer solchen Zahlung werde eine Beschränkung der Eigentümerbefugnisse beseitigt. Sofern aber eine solche Zahlung geleistet werde, um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen zu können, überlagere der Veranlassungszusammenhang mit der Einkünfteerzielungsabsicht den zeitlich vorher begründeten Zusammenhang mit der (Wieder-)Erlangung des unbelasteten Eigentums. Die Abfindungszahlung führe in diesen Fällen zu sofort abziehbaren Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Im vorliegenden Fall sei die Entschädigungszahlung geleistet worden, um das Objekt vermieten zu können. Eine solche Vermietung wäre bei einem fortbestehenden Wohnungsrecht nicht möglich gewesen.
Der Beklagte wies den Einspruch am 21. Oktober 2019 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass zu den Anschaffungskosten auch die Aufwendungen des Erwerbers zur Beseitigung bestehender Beschränkungen seiner Eigentümerbefugnisse im Sinne des § 903 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zählten, wie z.B. die Ablösung dinglicher Nutzungsrechte wie Erbbaurecht, Vermächtnisnießbrauch oder Wohnungsrecht. Dies entspreche der ständigen Rechtsprechung des BFH. Bei den beiden von den Klägern angeführten neueren Entscheidungen des BFH handele es sich um Entscheidungen, die über den Einzelfall hinaus nicht anzuwenden seien. Zudem handele es sich auch um keine vergleichbaren Sachverhalte.
In der Entscheidung vom 26. Januar 2011, IX R 24/10 sei das Grundstück mit einem Erbbaurecht belastet gewesen. Der Erbbauberechtigte habe an den Eigentümer Erbbauzinsen zu zahlen. Der Eigentümer habe dem Erbbauberechtigten eine Abfindung gezahlt, damit dieser auf sein Erbbaurecht verzichte und der Eigentümer so die Möglichkeit erhalte, einen neuen, für ihn günstigeren Erbbauvertrag mit einem Dritten zu schließen. Die Abfindung sei gezahlt worden, um statt des bisherigen Erbbauzinses nunmehr einen höheren Erbbauzins zu erhalten. Der Streitfall sei damit nicht zu vergleichen. Hier sei die Abfindung gezahlt worden, um erstmals Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen.
In der Entscheidung vom 11. Dezember 2012, IX R 28/12 habe die Mutter gegenüber ihrem Sohn, der Eigentümer des Grundstücks gewesen sei, ein Wohnungsrecht besessen. Die Mutter sei aus der Wohnung ausgezogen, so dass der Sohn die Wohnung nunmehr vermieten konnte. Zum Ausgleich habe er der Mutter die nunmehr zu zahlende Miete für ihre neue (kleinere) Wohnung gezahlt. Diese Mietzahlungen für die Wohnung der Mutter seien als Werbungskosten abzugsfähig. In diesem Fall habe es sich um Ausgleichszahlungen für die Nichtausübung des Wohnungsrechts gehandelt. Das dingliche Wohnungsrecht sei allerdings nicht aufgehoben worden, die Mutter habe lediglich von ihrem Recht keinen Gebrauch mehr gemacht.
Im Streitfall habe der Kläger mit der Löschung des Wohnungsrechts erstmals das vollwertige Eigentum erhalten und sei nun erst berechtigt gewesen, die Doppelhaushälfte zu vermieten.
Mit ihrer Klage wenden die Kläger sich gegen diese Entscheidung. Sie sind auch weiterhin der Auffassung, dass die Ausgleichszahlung zu den sofort abzugsfähigen Werbungskosten zähle, entsprechend die Ausgleichszahlung von 40.000 € zuzüglich der Notarkosten von 3.592 € abzüglich der bereits vom Beklagten berücksichtigten Absetzung für Abnutzung für diese Ausgleichszahlung von 291 €, insgesamt also 43.301 € noch als Werbungskosten zu berücksichtigen seien. Mit den beiden Entscheidungen habe der BFH seine Rechtsprechung weiterentwickelt. Einen Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung betreffend diese beiden BFH - Entscheidungen gäbe es nicht. Die Abfindungszahlungen stellten keine nachträglichen Anschaffungskosten dar. Insoweit verweisen die Kläger auf die Ausführungen von Kulosa in Schmidt Einkommensteuergesetz (EStG) § 6 Rz. 140. Bei den Zahlungen für den Verzicht auf das Wohnungsrecht handele es sich nicht um Betriebsbereitschaftskosten im Sinne des § 255 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB). Das Gebäude sei bereits im Zeitpunkt der Übernahme 2012 in einem betriebsbereiten Zustand gewesen, es sei bereits zu Wohnzwecken genutzt worden. Auch nachträgliche Anschaffungskosten des Erbbaurechts seien auszuschließen. Das Erbbaurecht habe bereits seit 1982 bestanden und damals sei der Erwerb abgeschlossen gewesen. Es verbleibe daher nur eine Einordnung der Zahlung als sofort abzugsfähige Werbungskosten. Dies entspreche auch der Auffassung des BFH in seinem Urteil vom 26. Januar 2011, IX R 24/10, BFH/NV 2011, 1480. In dieser Entscheidung werde aufgezeigt, dass der Veranlassungszusammenhang mit den Vermietungseinkünften den zuvor begründeten Zusammenhang mit der Erlangung des unbelasteten Eigentums überlagere. Darüber hinaus ließe sich der sofortige Werbungskostenabzug der streitigen Aufwendungen auch aus dem BFH-Urteil vom 11. Dezember 2012, IX R 28/12, BFH/NV 2013, 914 ableiten. Vordergründig handele es sich zwar um unterschiedliche Sachverhalte. So sei in der BFH-Entscheidung das dingliche Recht zwar erhalten geblieben, es habe lediglich eine abweichende schuldrechtliche Vereinbarung gegeben. Das Wohnungsrecht sei nicht abgelöst worden, sondern auf dessen Ausübung sei verzichtet worden. Der Eigentümer habe sich verpflichtet, bis zum Tod der Wohnungsrechtsinhaberin Zahlungen an diese zu leisten. Im Ergebnis sei mit dieser schuldrechtlichen Vereinbarung und der Übernahme der Mietkosten das Wohnungsrecht aber "abgelöst". Für die Frage des Werbungskostenabzugs könne es nicht darauf ankommen, ob die "Ablösung" des Wohnungsrechts auf schuldrechtlicher Basis gegen laufendes Entgelt (Übernahme der Mietkosten) oder aber auf dinglicher Basis durch die Löschung des Wohnungsrechts gegen einmaliges Entgelt durchgeführt werde. Eine unterschiedliche steuerliche Behandlung dieser Zahlungen führe zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen. Es liege ein Verstoß gegen Artikel 3 Grundgesetz (GG) vor. Für die steuerliche Einordnung dieser Zahlungen sei alleine der wirtschaftliche Zusammenhang mit der auf die Vermietung und Verpachtung gerichteten Tätigkeit maßgebend.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 2017 vom 17. April 2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Oktober 2019 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung um - 43.301 € gemindert werden und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bleibt bei seiner bereits im Verwaltungsverfahren vertretenen Auffassung. Er hebt hervor, auch wenn die beiden Entscheidungen des 9. Senats in die Literatur eingeflossen seien, bedeute dies nicht, dass sie über den entschiedenen Fall hinaus grundsätzliche Bedeutung hätten und die bisher geltende Rechtsprechung ablösen würden. Vielmehr zeige die Entscheidung des BFH vom 7. Juni 2018, IV R 37/15, BFH/NV 2018, 1082 [BFH 17.04.2018 - IX R 19/17], dass auch weiterhin Entschädigungszahlungen für ein dingliches Recht grundsätzlich als Anschaffungskosten anzusehen seien. Im Streitfall sei die Betriebsbereitschaft für die Vermietung der Doppelhaushälfte erst gegeben gewesen, nachdem das Wohnungsrecht gelöscht gewesen sei.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist teilweise begründet.
Der streitige Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz - EstG -) sind in der im Tenor genannten Höhe zu mindern.
A. Die streitige Ausgleichsentschädigung in Höhe von 40.000 € und die im Zusammenhang mit der Vertragsschließung angefallenen Notarkosten in Höhe von 3.591,89 € sind als nachträgliche Anschaffungskosten nur im Rahmen der Absetzung für Abnutzung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7, § 7 Abs. 4 Nr. 2a EStG zu berücksichtigen.
1. Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen sind als Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) abzuziehen, wenn sie durch diese veranlasst sind. Sie müssen (objektiv) mit der auf Vermietung und Verpachtung gerichteten Tätigkeit zusammenhängen und (subjektiv) zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 3. August 2016, IX R 14/15, BStBl II 2017, 437 und vom 7. Februar 2012, IX R 27/10, BFH/NV 2012, 736, m.w.N.). Unter diesen Voraussetzungen sind Anschaffungskosten des Vermietungsobjekts gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 in Verbindung mit § 7 EStG als Absetzung für Abnutzung abzusetzen (BFH-Urteil vom 26. Januar 2011, IX R 24/10, BFH/NV 2011). Welche Aufwendungen zu den Anschaffungskosten zählen, bestimmt sich für die steuerrechtliche Beurteilung und insbesondere auch für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 255 Abs. 1 HGB (vgl. BFH-Urteile vom 9. Juli 2013, IX R 43/11, BStBl II 2014, 878; vom 20. Juli 2010, IX R 4/10, BStBl II 2011, 35; vom 3. August 2005, I R 36/04, BStBl II 2006, 369).
Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Der höchstrichterlichen Rechtsprechung folgend bedeutet "Erwerben" das Überführen eines Gegenstands von der fremden in die eigene wirtschaftliche Verfügungsmacht. Dies ist der Fall, wenn Eigentum und Besitz auf den Steuerpflichtigen übergegangen sind (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 22. August 1966, GrS 2/66, BStBl III 1966, 67; BFH-Urteil vom 17. April 2007, IX R 56/06, BStBl II 2007, 956).
Nachträgliche Anschaffungskosten nach § 255 Abs. 1 Satz 2, 2. Alternative HGB sind Ausgaben, die nach Abschluss des ursprünglichen Beschaffungsvorgangs anfallen, um die Verwendbarkeit eines Vermögensgegenstands zu ändern oder zu verbessern. Sie müssen in einem ursächlichen Veranlassungszusammenhang mit der Anschaffung stehen, also durch das Anschaffungsgeschäft veranlasst sein. Wenn die Ausgaben durch den Inhaber des Wirtschaftsguts selbst erfolgt sind und daher zu Aufwendungen geführt haben, liegen nachträgliche Anschaffungskosten nur vor, wenn die Art und/oder Qualität des Wirtschaftsguts unverändert geblieben ist (vgl. Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, 38. Aufl., § 255 Rz 3; MünchKommHGB/Ballwieser, 3. Aufl., § 255 Rz 16ff.; Zwirner/Tippelhofer, Beck'sches Steuerberater-Handbuch 2017/2018, 16. Aufl., A. ABC der Buchführung, Bilanzierung und Bewertung, Rz 13; Blümich/Ehmke, § 6 EStG Rz 317).
Steht einem Dritten ein dingliches Recht an einem Grundstück zu und löst der Eigentümer das dingliche Recht ab, sind die Ablösezahlungen nachträgliche Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 HGB, wenn durch das dingliche Recht die Befugnisse des Eigentümers i.S. von § 903 BGB, wozu u.a. auch das Recht auf Nutzung und Veräußerung des Vermögensgegenstandes zählt, beschränkt waren und der Eigentümer durch die Ablösezahlung die Beschränkung seiner Eigentümerbefugnisse beseitigt und sich die vollständige rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht an dem Grundstück verschafft (vgl. BFH-Urteile vom 17. April 2007, IX R 56/06, BStBl II 2007, 956; vom 7. Juni 2018, IV R 37/15, BFH/NV 2018, 1082 [BFH 17.04.2018 - IX R 19/17]; Schindler in Kirchhof, EStG, 18. Aufl., § 6 Rz 41). Denn erwirbt ein Steuerpflichtiger einen mit einem dinglichen Nutzungsrecht belasteten Gegenstand, so erhält er zunächst um das Nutzungsrecht gemindertes Eigentum. Seine Rechte als Eigentümer sind durch das Nutzungsrecht begrenzt. Löst er das Nutzungsrecht ab, so verschafft er sich die vollständige Eigentümerbefugnis an dem Gegenstand. Daher sind Aufwendungen zur Befreiung von einem Nießbrauch als nachträgliche Anschaffungskosten einzustufen (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 21. Dezember 1982, VIII R 215/78, BStBl II 1983, 410; vom 21. Juli 1992, IX R 72/90, BStBl II 1993, 486; vom 15. Dezember 1992, IX R 323/87, BStBl II 1993, 488, betreffend ein dingliches Wohnungsrecht; vom 22. Februar 2007, IX R 29/05, BFH/NV 2007, 1100; vom 3. September 2019, IX R 8/18, BStBl II 2020, 122; vom 10. Dezember 2019, IX R 19/19, veröffentlicht in juris; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 30. September 2013, BStBl I 2013, 1184, Rz 59, "Nießbrauchserlass").
2. Den obigen Ausführungen folgend ist für die Frage, ob es sich um nachträgliche Anschaffungskosten handelt, somit alleine maßgebend, ob Aufwendungen dazu dienen, die vom Steuerpflichtigen bezweckte Betriebsbereitschaft des Grundstücks herzustellen, und eine Werterhöhung für das Grundstück zu bewirken. Dies ist im Streitfall mit der Ablösung des dinglichen Wohnungsrechts durch die Zahlung der 40.000 € der Fall. Der Kläger erhält erstmalig mit dem Wegfall des dinglichen Wohnungsrecht das unbelastete Erbbaurecht, das ihn in die Lage versetzt, die Doppelhaushälfte im Folgejahr zu vermieten.
a. Entgegen der Ansicht der Kläger kann aus dem BFH-Urteil vom 26. Januar 2011, IX R 24/10 keine Abkehr von der oben genannten Rechtsprechung zur Bestimmung der nachträglichen Anschaffungskosten abgeleitet werden. Der BFH hat in jenem Urteil entschieden, dass eine Abfindungszahlung bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sofort als Werbungskosten abzugsfähig und nicht den Anschaffungskosten zuzurechnen sei, wenn die Zahlung dafür geleistet werde, dass ein bestehendes Erbbaurecht vorzeitig beendet und damit der Neuabschluss eines mit einem anderen Nutzer vereinbarten Erbbaurechts unter Ansatz eines höheren Erbbauzinses ermöglicht werde. Die Entscheidung stellt ausdrücklich klar, dass die Nutzungsüberlassung durch die Eigentümer vor und nach Zahlung der Abfindung dieselbe geblieben sei - eine Nutzungsüberlassung durch Einräumung eines Erbbaurechts -, lediglich die wirtschaftlichen Bedingungen der Einkünfteerzielung optimiert worden seien. Die Eigentümerin hatte in jenem Fall die Aufhebung des bisherigen Erbbaurechts gegen Zahlung einer Abfindung erreicht und noch am selben Tag einen neuen, mit höherem Entgelt versehenen Erbbaurechtsvertrag abgeschlossen. Für eine solche nur so kurzfristige Erlangung unbelasteten Eigentums überlagert nach Auffassung des BFH der wirtschaftliche Zusammenhang der Ablösezahlung mit der Überlassung an den neuen Erbbauberechtigten die Ablösung des alten Erbbaurechts, so dass keine nachträglichen Anschaffungskosten vorliegen.
Auf den vorliegenden Streitfall ist diese Entscheidung nicht übertragbar. Das Gericht ist der Überzeugung, dass der verfolgte Zweck, unbelastetes Eigentum zu erlangen, im Streitfall nicht überlagert wurde. Denn der Kläger hat mit den hier streitigen Aufwendungen erreicht, dass die eingeschränkte Nutzbarkeit des Grundstücks durch das Wohnungsrecht dauerhaft entfällt. In Zukunft kann das Grundstück durch den Kläger --und einen etwaigen Rechtsnachfolger-- frei von den bisher bestehenden Belastungen für Zwecke der Vermietung und Verpachtung genutzt werden. Es liegt mithin kein Fall vor, in dem die Belastung des Eigentums unverändert fortbesteht und nur die Bedingungen für die Nutzung des Eigentums geändert werden, vgl. BFH-Urteil vom 7. Juni 2018, IV R 37/15, BFH/NV 2018, 1082 [BFH 17.04.2018 - IX R 19/17].
b. Auch aus dem BFH-Urteil vom 11. Dezember 2012, IX R 28/12, BFH/NV 2013, 914 kann keine Abkehr von der oben genannten Rechtsprechung zur Bestimmung der nachträglichen Anschaffungskosten abgeleitet werden. In dem vom BFH entschiedenen Fall bleibt das Grundstück auch weiterhin mit dem dinglichen Nutzungsrecht belastet. Eigentümer und Nutzungsberechtigte hatten einen schuldrechtlichen Vertrag geschlossen, wonach der Eigentümer sich verpflichtete, für die Nutzungsberechtigte die Mietaufwendungen für die Anmietung einer anderen (kleineren) Wohnung zu übernehmen, damit der Steuerpflichtige die Möglichkeit erhielt, die mit dem Wohnungsrecht belastete Wohnung zu vermieten.
Eine solche schuldrechtliche Vereinbarung betreffend das Nutzungsrecht ist nicht vergleichbar mit der Ablösung eines dinglichen Wohnungsrechts. Denn die dingliche Belastung bleibt bei einer nur schuldrechtlichen Vereinbarung bestehen. Auch wirkt ein schuldrechtlicher Vertrag grundsätzlich nur zwischen den Vertragsparteien, nicht aber gegenüber Dritten. Im Falle einer Veräußerung wäre das Eigentum weiterhin mit dem Wohnungsrecht belastet, der Wert entsprechend gemindert. So ist es auch gerechtfertigt, dass die schuldrechtliche Vereinbarung ggf. steuerlich abweichend zu der Ablösung eines dinglichen Wohnungsrechtes zu behandeln ist.
Eine Ungleichbehandlung im Sinne des Artikel 3 GG ist hierin nicht zu erkennen. Es liegen bereits keine vergleichbaren Sachverhalte vor, die zwingend gleich zu behandeln wären. Denn wie bereits ausgeführt handelt es sich im Streitfall um den endgültigen Wegfall eines dinglichen Rechts und in dem vom BFH entschiedenen Fall lediglich um eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen zwei Vertragsparteien. Der endgültige Wegfall des dinglichen Rechts dürfte in dem vom BFH entschiedenen Fall erst mit dem Tod der Wohnungsberechtigten eintreten. Unterschiedliche Sachverhalte, wie sie in dieser Vergleichsgruppe vorliegen, sind auch steuerlich unterschiedlich zu behandeln.
Im Übrigen hätte den Beteiligten freigestanden, abweichende zivilrechtliche Vereinbarungen zu treffen, die ggf. zu einem abweichenden steuerlichen Ergebnis hätten führen können. Insoweit gilt die allgemeine Vertragsfreiheit verbunden mit der Möglichkeit der steuerlichen Gestaltungsfreiheit.
Aus den genannten Gründen hat der Beklagte die streitigen Aufwendungen in Höhe von 43.592 € zutreffend als nachträgliche Anschaffungskosten des Erbbaurechts behandelt.
B. Allerdings sind diese Aufwendungen im Rahmen der Absetzung für Abnutzung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7, § 7 Abs. 4 Nr. 2a EStG im Streitjahr in Höhe von 800 € statt in Höhe der vom Beklagten angesetzten 291 € zu berücksichtigen.
Gemäß § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a EStG beträgt die Absetzung für Abnutzung bei Gebäuden, die nach dem 31. Dezember 1924 fertiggestellt worden sind, nicht zu einem Betriebsvermögen gehören, jährlich 2%. Im Jahr der Anschaffung ist die Absetzung für Abnutzung jedoch nur zeitanteilig zu berücksichtigen (Kulosa in Schmidt EStG § 7 Rz. 203).
Nachdem der Kläger bereits im Jahr 2012 das hälftige Erbbaurecht mit der aufstehenden Doppelhaushälfte im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge von seinem verstorbenen Vater übernommen hatte und am 31. März des Streitjahres den weiteren hälftigen Anteil von seiner Schwester übernommen hat, entfallen die nachträglichen Anschaffungskosten aus dem Wegfall des dinglichen Nutzungsrechts hälftig auf den 2012 erworbenen Anteil und zur anderen Hälfte auf den im März erworbenen Anteil:
1. 2012 erworbener Anteil
- 2% der hälftigen historischen Anschaffungskosten (unstreitig) | 1.109 € | |
---|---|---|
- 2% der hälftigen nachträglichen Anschaffungskosten (43.592 € ./. 2 =) | 21.796 € | 436 € 436 € |
2. 31. März 2017 erworbener Anteil
- 2% der Anschaffungskosten, zeitanteilig 10/12 (unstreitig) | 511 € | |
---|---|---|
- 2% der hälftigen nachträglichen Anschaffungskosten, (43.592 €: 2 =) 21.796 €, zeitanteilig 10/12 | 364 € | 364 € |
AfA insgesamt | 2.420 € | |
AfA, die auf die nachträglichen Anschaffungskosten entfällt | 800,00 € |
Nachdem der Beklagte bisher lediglich eine zeitanteilige Absetzung für Abnutzung von 291 € für die nachträglichen Anschaffungskosten berücksichtigt hatte, war diese entsprechend zu erhöhen:
AfA laut Gericht | 800 € |
---|---|
AfA bisher | 291 € |
Erhöhung der AfA um | 509 € |
Aus den genannten Gründen hat die Klage insoweit Erfolg.
II. Dem Beklagten wird gemäß § 100 Abs. 2 S. 2 aufgegeben, die Steuer nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 S. 3 FGO.