Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 18.10.2010, Az.: 6 W 117/10
Anspruch eines Insolvenzverwalters auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Insolvenzanfechtung gem. §§ 130 Insolvenzordnung (InsO)
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 18.10.2010
- Aktenzeichen
- 6 W 117/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 33967
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2010:1018.6W117.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg - 29.09.2010 - AZ: 6 O 1763/10
Rechtsgrundlagen
- § 114 ZPO
- § 116 Abs. 1 Nr. 1 ZPO
- §§ 130 ff. InsO
Amtlicher Leitsatz
Anspruch des Insolvenzverwalters auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Falle einer Anfechtung nach §§ 130 ff InsO.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers (Klägers) vom 11.10./12.10. 2010 wird der (die Prozesskostenhilfe zurückweisende) Beschluss des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 29.09.2010 geändert:
Dem Antragsteller wird für die Prozessführung in I. Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt, wobei ihm aus der Staatskasse eine Vergütung zugebilligt wird, als wenn er als Rechtsanwalt im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren beigeordnet worden wäre.
Gründe
Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig, insbesondere wurde das Rechtsmittel form und fristgerecht eingelegt (§§ 127 Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 1 ZPO).
Sie ist auch sachlich gerechtfertigt. Denn die Voraussetzungen für die Bewilligung gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegen vor, die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Erfolgsaussicht und erscheint auch nicht mutwillig.
Die Entscheidung des Landgerichts, die nach dem Inhalt der Begründung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht in Einklang steht, kann - insbesondere mit der gegebenen Begründung - nicht aufrechterhalten werden.
Gemäß § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO enthält der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Rechtsverfolgung, wenn die Kosten des Rechtsstreits aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden kann und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen. Weiter ist erforderlich, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussicht bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 Abs. 1 ZPO).
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, der Insolvenzverwalter sei der zentrale Profiteur des beabsichtigten Klageverfahrens, weshalb ihm zuzumuten sei, die Kosten des Verfahrens vorzustrecken.
Es ist allgemein anerkannt, dass der Insolvenzverwalter eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe, nämlich die Abwicklung eines geordneten Gesamtvollstreckungsverfahrens, wahrnimmt und jede seinen Gebührenanspruch einschränkende Norm an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen ist. Diese öffentliche Aufgabe ist selbst dann anzuerkennen, wenn durch die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Vermögenswerte zur Masse gezogen werden sollen, die unmittelbar den Insolvenzgläubigern zugute kommen, sondern wenn der Insolvenzverwalter dadurch erst in die Lage versetzt werden soll, das Verfahren durchzuführen, was sich mittelbar zugunsten der Insolvenzgläubiger auswirken kann. Zudem handelt es sich um eine Einschränkung in dem beschriebenen Sinne, wenn § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO so zu verstehen wäre, dass der Verwalter die Masse betreffende Prozesse auf eigenes Kostenrisiko zu führen hätte (vgl. BGH NJWRR 2004, 136, Beschluss vom 18.09.2003 - IX ZB 460/02 in juris Rn 3 und 4 mit zahlreichen Nachweisen. OLG Hamm, Beschluss vom 02.12.2005 - 8 W 47/05, in juris Rn 9).
Mit dem Amt des Insolvenzverwalters betraut der Staat freiberuflich tätige Personen, die es nicht kündigen können, die ein erhebliches Haftungsrisiko eingehen und darauf angewiesen sind, die Vergütung für ihre Tätigkeit aus der Insolvenzmasse zu entnehmen. Mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit (Art 12 Abs. 1 GG) ist es nicht vereinbar, einen Staatsbürger beruflich in erheblichem Maße zu öffentlichen Aufgaben zu verpflichten, ohne ihm ein angemessenes Honorar zu gewähren. Ebenso wenig ist es dem Insolvenzverwalter zuzumuten, die Prozesskosten aufzubringen, wenn der Prozesserfolg hauptsächlich ihm selbst für seine Vergütung zugute kommen soll (vgl. Zöller -Philippi, ZPO, 28. Auflage § 116 Rn 10 a m. w. N.).
Mit der Anfechtung von Rechtshandlungen nach Maßgabe der §§ 130 ff InsO nimmt der Insolvenzverwalter eine ihm mit seinem Amt übertragene Aufgabe wahr (vgl. § 129 Abs. 1 InsO). Selbst wenn der aus der Anfechtung zu erzielende Erlös wegen der vorweg zu befriedigenden Verfahrenskosten (§ 53 InsO) und der sonstigen Masseverbindlichkeiten nicht zu einer Verteilung an die Insolvenzgläubiger führt, besteht das Amts des Insolvenzverwalters mit den daraus folgenden Pflichten fort, solange die Kosten des Verfahrens gedeckt sind, § 208 Abs. 3 InsO (vgl. BGH aaO., in juris Rn 4. BGH NJWRR 2009, 1305, Beschluss vom 16.07.2009 - IX ZB 221/08, in juris Rn 5). Der Insolvenzverwalter bleibt vielmehr verpflichtet, das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und zu verwerten (§ 208 Abs. 3 InsO). dazu gehört es, die Anfechtungsansprüche durchzusetzen.
Der Insolvenzverwalter hat die vorhandene Insolvenzmasse mit aktuell 879,27 € beziffert, die Masseverbindlichkeiten - inclusive seiner Vergütung - mit etwa 4.754,62 €, wovon etwa 500, € auf die Gerichtskosten des Insolvenzgerichts entfallen. Der Insolvenzverwalter hat unwidersprochen und nicht widerlegt dargelegt, die Kosten des Insolvenzverfahrens seien gemäß § 4 a InsO gestundet. Die vorhandene Masse sowie die Höhe des geltend zu machenden Anfechtungsanspruchs übersteigt damit nach der Berechnung des Insolvenzverwalters die Masseverbindlichkeiten gemäß § 54 InsO. vielmehr verbleibt ein an die Insolvenzgläubiger zu verteilender Überschuss. Im Falle eines Erfolgs der Klage kann immerhin mit einer Quotenzahlung an Gläubiger gerechnet werden.
Schließlich hat der Antragsteller auch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Aufbringung der Kosten für die wirtschaftlich Beteiligten -also die Insolvenzgläubiger - nicht zumutbar ist. Verwiesen wird auf die Ausführungen in dem Schriftsatz vom 18.08.2010, wonach der größte Gläubiger - bei anzunehmenden Kosten des Rechtsstreits in Höhe von ca. 2.800 € - im Falle des Erfolgs der Klage eine Betrag in Höhe von 600, € erhielte. Dann kommt es nicht darauf an, ob einige Gläubiger in der Lage wären, einen Kostenvorschuss zu leisten. Ist die Kostentragung unzumutbar, so ist der Insolvenzverwalter nicht einmal gehalten, die Gläubiger nach deren Leistungsbereitschaft oder - fähigkeit zu befragen (vgl. OLG Hamm, aaO., in juris Rn 3, 4). Ein verständiger Dritter würde an Stelle des Insolvenzgläubigers bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu einer Kostenaufbringung nicht bereit sein, so dass sie auch für einen Insolvenzgläubiger unzumutbar ist.
Da nach der im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung ausreichenden summarischen Prüfung eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht und Anhaltspunkte für eine Mutwilligkeit nicht ersichtlich sind - darauf hat das Landgericht eine Ablehnung des Antrags nicht gestützt, war die beantragte Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Insbesondere ist die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht als mutwillig anzusehen, weil die Möglichkeit der Niederlage im Prozess besteht bzw. die Vollstreckungsaussichten gegen den Antragsgegner zweifelhaft erscheinen, wen dieser selbst vorträgt, er befinde sich derzeit in einer schlechten finanziellen Lage. Denn zum jetzigen Zeitpunkt steht nicht fest, dass die Vollstreckung aus dem angestrebten Titel endgültig oder jedenfalls in absehbarer Zeit aussichtslos ist (vgl. dazu im einzelnen OLG Hamm, aaO., in Juris Rn 10 + 11).