Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 13.10.2010, Az.: 6 W 114/10
Grundsätze zur Erstattungsfähigkeit von Fahrtkosten für einen auswärtigen Rechtsanwalt und der Kosten für die Erstellung eines Privatgutachtens
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 13.10.2010
- Aktenzeichen
- 6 W 114/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 33966
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2010:1013.6W114.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Osnabrück - 20.08.2010 - AZ: 10 O 2299/09
Rechtsgrundlage
- § 91 Abs. 1 ZPO
Fundstelle
- JurBüro 2011, 140-141
Amtlicher Leitsatz
1. Erstattungsfähigkeit der Fahrtkosten für einen nicht am Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt.
2. Erstattungsfähigkeit eines vorprozessual eingeholten (Partei-) Gutachtens.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 09.09.2010 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Osnabrück vom 20.08.2010 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 1.500,84 € festgesetzt.
Gründe
Die sofortige Beschwerde des Klägers ist gemäß §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 1 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG zulässig, insbesondere wurde sie form und fristgerecht eingereicht.
Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet.
Das Landgericht hat zu Recht die den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2) geltend gemachten Fahrtkosten sowie die Tage und Abwesenheitsgelder und die Kosten eines von der Beklagten zu 2) eingeholten Privatgutachtens festgesetzt. Die Beschwerdebegründung, die sich insbesondere gegen die Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens wendet, rechtfertigt eine abändernde Entscheidung nicht.
In Bezug auf die Fahrtkosten pp kann der Beklagten zu 2) nicht entgegen gehalten werden, sie hätte sogleich einen am Ort des Prozessgerichts in Osnabrück ansässigen Rechtsanwalt mit der Prozessvertretung beauftragen müssen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - ihm folgend der Senat sowie das Oberlandesgericht Düsseldorf (Jur. Büro 2007, 371, Beschluss 15.03.2007, 10 W 145/06 in juris Rn. 4) - handelt es sich regelmäßig um notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder - verteidigung, wenn eine vor einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei an ihrem Wohn - oder Geschäftssitz ansässigen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt (vgl. BGH NJW 2008, 2122 ff [BGH 16.04.2008 - XII ZB 214/04], [BGH 16.04.2008 - XII ZB 214/04] Beschluss vom 16.04.2008, XII ZB 214/08 in juris Rn. 7. BGH Jur. Büro 2010, 369 f, Beschluss vom 28.01.2010, III ZB 64/09 in juris Rn. 5). Ein tragender Grund hierfür ist die Annahme, dass üblicherweise ein persönliches mündliches Gespräch erforderlich und gewünscht ist. Ferner ist von Bedeutung, dass die Partei grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran hat, sich durch einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens auch vor auswärtigen Gerichten vertreten zu lassen.
Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 2) hat vorgetragen, seine Kanzlei werde in ständiger Geschäftsbeziehung für die Beklagte zu 2) in vergleichbaren - nicht, wie der Kläger meint, in allen - Fällen tätig (sog. Hausanwälte) und die Beklagte zu 2) unterhalte keine eigene, die Angelegenheit bearbeitende Rechtsabteilung, weil diese mit anderen Aufgaben betraut ist. Im Rahmen der Kostenerstattung kommt es auf die tatsächliche Organisation des Unternehmens der Partei an und nicht darauf, welche Organisation als zweckmäßiger anzusehen sein könnte. Die interne betriebliche Organisation hat die Gegenpartei hinzunehmen (vgl. OLG Düsseldorf, aaO., Rn. 7).
Soweit die Beklagte zu 2) einen nicht an ihrem Geschäftssitz in Hannover ansässigen Rechtsanwalt, sondern einen Rechtsanwalt in Bremen beauftragt hat, wären dadurch entstandene höhere Kosten nicht generell erstattungsfähig. Dieser Gesichtspunkt bedarf jedoch keiner Vertiefung, da nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten zu 2) durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts am Geschäftssitz der Beklagten zu 2) im Hinblick auf die identische Entfernung gleich hohe Reisekosten entstanden wären. Der Beschwerdebegründung lässt sich nicht im Einzelnen entnehmen, inwiefern sich der Kläger gegen die Begründung des Rechtspflegers wendet.
Auch die Kosten des vorprozessual eingeholten Sachverständigengutachtens durch die Beklagte zu 2) in Höhe von 1.255,92 € sind gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO erstattungsfähig, weil sie zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren, und deshalb vom Landgericht zutreffend festgesetzt wurden.
Diese Kosten waren prozessbezogen. die Tätigkeit des beauftragten Privatsachverständigen stand in unmittelbarer Beziehung zu dem sich konkret abzeichnenden Rechtsstreit. Nach der Rechtsprechung des BGH und der Oberlandesgerichte (VersR 2009, 563 f, [BGH 18.11.2008 - VI ZB 24/08]Beschluss vom 18.11.2008 - VI ZB 24/08 in juris Rn. 11 m. w. N., insbesondere auf Entscheidungen diverser Oberlandesgerichte) wird eine die Erstattungsfähigkeit auslösende Prozessbezogenheit in den Fällen bejaht, in denen sich der Verdacht eines Versicherungsbetrugs aufdrängt, weil sich der Versicherer - der zu Unrecht in Anspruch genommen werden soll - dann von vorneherein auf einen Deckungsprozess einstellen muss (vgl. auch OLG Frankfurt NJWRR 2009, 1076 f, Beschluss vom 16.02.2009 - 12 W 11/09, in juris Rn. 11). Sind ausreichende Anhaltspunkte für den Versuch eines Versicherungsbetruges vorhanden, ist von Anfang an damit zu rechnen, dass es zum Prozess kommt, weil der "Täter" bei Ablehnung der Einstandspflicht versuchen wird, sein Ziel einer nicht gerechtfertigten Schadensregulierung durch einen Rechtsstreit zu erreichen. In einer solchen Konstellation - die vorliegend anzunehmen ist - ist das eingeholte Privatgutachten prozessbezogen und die insoweit angefallenen Kosten erstattungsfähig. Der Versicherer besitzt nämlich in der Regel selbst nicht die erforderliche Sachkenntnis, um eine Verursachung der Schäden durch eine Straftat mit hinreichender Überzeugungskraft und Sicherheit auszuschließen. Es ist als zweckmäßig und prozessökonomisch zu bewerten, wenn sich die Partei sachkundig beraten lässt, bevor sie im Prozess vorträgt. Das von der Beklagten zu 2) eingeholte Gutachten beschäftigte sich mit der Unfallrekonstruktion, insbesondere mit der Frage, ob tatsächlich von einem Unfall auszugehen ist. Da die Beklagte zu 2) infolge von Umständen Zweifel an einem Unfallgeschehen hatte, sollte der Gutachter auch zu der Kompatibilität der Schäden Stellung nehmen. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme - insbesondere der mündlichen Gutachtenerstattung des gerichtlich bestellten Sachverständigen - ist die Annahme eines gestellten bzw. fingierten Unfalls berechtigt. Der Kläger hat nach der vom Sachverständigen vorgenommenen Bewertung seine Klage auch zurückgenommen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.