Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 28.10.2010, Az.: 14 UF 114/10

Bestellung eines Ergänzungspflegers für minderjährige Kinder im Sorgerechtsverfahren

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
28.10.2010
Aktenzeichen
14 UF 114/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 33968
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2010:1028.14UF114.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Leer - 01.06.2010 - AZ: 5c F 4237/10 PF
nachfolgend
BGH - 07.09.2011 - AZ: XII ZB 12/11

Fundstellen

  • FPR 2011, 342-344
  • FamRZ 2011, 740
  • ZKJ 2011, 101-103

Amtlicher Leitsatz

Besteht zwischen Eltern ein erheblicher Interessengegensatz, ist für minderjährige Kinder in familiengerichtlichen Verfahren ein Ergänzungspfleger zu bestellen, da der Verfahrensbeistand als gesetzlicher Vertreter des Kindes ausscheidet. Dies gilt auch in Verfahren zur Personensorge.

Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 3) gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Leer vom 1. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Von der Erhebung der Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 900 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

1

I. Die Beteiligten zu 3) und 4) sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des am 29.05.2006 geborenen Kindes M C und üben die elterliche Sorge aufgrund einer Sorgerechtserklärung gemeinsam aus. Zunächst lebten die Eltern mit dem Kind in einer gemeinsamen Wohnung in S... (Brandenburg). Nach einer Trennung der Eltern Anfang 2007 zog die Beschwerdeführerin mit dem Kind in eine eigene Wohnung. Anfang Mai 2008 wechselte das Kind mit Zustimmung der Mutter in den Haushalt des Vaters. Etwa zeitgleich änderte die Mutter ihren Wohnsitz und wohnt seit dieser Zeit zusammen mit ihrem Lebensgefährten in N... (BadenWürttemberg). Im September 2009 ist dann der Antragsgegner zusammen mit dem Kind nach L... (Niedersachsen) verzogen, wo beide auch heute noch wohnen. Das Kind besucht derzeit in Leer den Halbtagskindergarten.

2

Im Kindschaftsverfahren 5c F 4128/10 SO Amtsgericht - Familiengericht - Leer streiten die Beteiligten zu 3) und 4) um das Aufenthaltsbestimmungsrecht als Teil des Sorgerechts sowie über den zukünftigen Aufenthaltsort des Kindes. Die Beschwerdeführerin macht in diesem Verfahren geltend, das Kind habe nach wie vor eine starke emotionale Bindung zur Mutter. Daran habe auch die zurückliegende Zeit ihrer Trennung vom Kind nichts geändert. Hinzukomme, dass der Vater ihr zunehmend das Umgangsrecht mit dem Kind erschwere und sie überdies aus finanziellen Gründen wegen der weiten Anreise häufige Besuchskontakte nicht finanzieren könne. Im Mai 2008 habe sie das Kind nur vorübergehend dem Vater überlassen, ohne dadurch einen dauerhaften Aufenthalt des Kindes begründen zu wollen.

3

Mit Beschluss vom 7. Juni 2010 hat das Familiengericht im Kindschaftsverfahren für das Kind einen Verfahrensbeistand bestellt. Kurze Zeit zuvor hat die Rechtspflegerin des Familiengerichts im vorliegenden Verfahren mit Beschluss vom 1. Juni 2010 für das Kind Ergänzungspflegschaft angeordnet und den Landkreis Leer - Kreisjugendamt - zum Ergänzungspfleger bestellt. Der Wirkungskreis umfasst die Vertretung des Kindes im Kindschaftsverfahren 5c F 4128/10 und Wahrnehmung dessen Interessen.

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Gegen den Beschluss zur Anordnung einer Ergänzungspflegschaft wendet sich die Beteiligte zu 3) mit ihrer fristgerecht beim Amtsgericht - Familiengericht - Leer eingereichten und sogleich begründeten Beschwerde, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt.

5

Die Akte 5a F 4128/10 SO AG Leer lag vor.

6

II. Die nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 58 Abs. 1 FamFG statthafte sowie form und fristgerecht eingelegte Beschwerde gegen die im ersten Rechtszug ergangene Endentscheidung des Familiengerichts zur Anordnung einer Ergänzungspflegschaft hat in der Sache keinen Erfolg.

7

Der Senat entscheidet gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ohne mündliche Verhandlung. Nach einem entsprechenden Hinweis haben die Beteiligten dieser Verfahrensweise nicht widersprochen.

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1. Beim Verfahren zur Regelung des Sorgerechts (5c F 4128/10 SO Familiengericht Leer) handelt sich nach § 151 Nr. 1 FamFG um eine Kindschaftssache, an der die 4jährige Beteiligte zu 1) formell zu beteiligen und gegebenenfalls persönlich anzuhören ist (§§ 7 Abs. 2 Nr. 1, 159 Abs. 2 FamFG). Ein Kind ist in allen Kindschaftssachen, welche die Entziehung oder auch nur Einschränkung der elterlichen Sorge betreffen, Verfahrensbeteiligter i.S.v. § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Nach dieser Vorschrift sind diejenigen als Beteiligte hinzuzuziehen, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird. Auf die weitergehende Frage, ob das Verfahren tatsächlich zu einer Rechtsbeeinträchtigung führt, kommt es nicht an (BTDrs. 16/6308, S. 178. Prütting in Prütting/Helms, FamFG, § 7 Rn. 27). Mit dem Inkrafttreten des FamFG sind materiell Betroffene im Verfahren nicht mehr nur lediglich durch das Gericht persönlich anzuhören. Vielmehr erweitert § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG die formelle Beteiligung generell auf alle Personen, die von dem Verfahren materiell in ihren Rechten betroffen sind (BTDRs. 16/6903 S. 165). Das Gesetz hat sich bewusst von der früheren Rechtslage gelöst und die Beteiligtenstellung - den Regeln der ZPO entsprechend - an das formelle Recht angelehnt (BTDrs. 16/6309 S. 178. Prütting in Prütting/Helms, FamFG, § 7 Rn. 12). Mit diesem Systemwechsel bezweckt das Gesetz eine effektive Beteiligung der in ihren materiellen Rechten betroffenen Personen am Verfahren. Sie sollen ihre Rechte in einer festen Rechtsposition als Verfahrenssubjekt wahrnehmen können (BTDrs. 16/6308, S. 165. vgl. auch Jacoby, FamRZ 2007, 1703, 1704. vgl. dazu auch Senatbeschluss vom 26. November 2009, 14 UF 149/09 = FamRZ 2010, 660 ff.).

9

Diese Grundsätze gelten für die am Verfahren beteiligten Kinder in gleicher Weise wie für andere Beteiligte. Daran ändert nichts, dass das Gesetz in den Kindschaftssachen zwar explizit die Kindesanhörung regelt, es aber - abweichend von anderen Verfahren - für diese Verfahren keine katalogartige Aufzählung der zu beteiligenden Personen gibt. Denn die Beteiligtenkataloge ergänzen lediglich die Grundregel des § 7 FamFG (BTDrs. 16/6309 S. 166), schließen ihre Anwendung aber nicht aus und können demgemäß den Kreis der hiernach Beteiligten auch nicht einengen. Soweit Kinder in ihren Rechten materiell betroffen sind, sind sie in allen familiengerichtlichen Verfahren formell als Beteiligte hinzuzuziehen (Schael, FamRZ 2009, 265. Keidel/Zimmermann FamFG § 7 Rn. 11, 36. Schöpflin in SchulteBrunert/Weinreich, FamFG, § 7 Rn. 17). In der neuen Regelung des Beteiligtenbegriffs, eines Schwerpunktes der Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, sollten die nach bisheriger Rechtslage lediglich materiell Beteiligten auch formell beteiligt werden. Die Begründung zum Gesetzesentwurf betont, dass nach dem Beteiligtenbegriff des FamFG im Gegensatz zur früheren Rechtslage die in ihren materiellen Rechten betroffene Personen am Verfahren beteiligt werden sollen, so rechtliches Gehör erhalten und ihre Beteiligtenrechte effektiv in einer der Bedeutung der betroffenen Rechte entsprechenden Weise wahren können (BTDrs. 16/6308, S. 165). Für jeden Beteiligten sollte eine feste Rechtsposition als Verfahrensrechtssubjekt geschaffen werden (BTDrs. 16/6308, S. 165).

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Voraussetzung für eine aktive Teilnahme am Verfahren ist zunächst, dass das Kind in geeigneter Form informiert und durch das Gericht angehört wird. Die Anhörung dient sowohl der Wahrung des rechtlichen Gehörs, als auch der Klärung des Sachverhalts. Nicht selbst verfahrensfähige Kinder müssen im Verfahren durch einen gesetzlichen Vertreter vertreten werden (§ 9 Abs. 2 FamFG). Damit sind zunächst die Eltern bzw. ein allein sorgeberechtigter Elternteil zur gesetzlichen Vertretung des Kindes in Kindschaftsverfahren berufen.

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2. Besteht indes zwischen den Eltern oder im ElternKindVerhältnis ein erheblicher Interessengegensatz, kann die Vertretungsbefugnis nach §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB zu entziehen sein. Von einem derartigen Interessengegensatz ist bereits dann auszugehen, wenn die konkrete Gefahr besteht, der gesetzliche Vertreter werde im Konfliktfall das Kindeswohl nicht mit der gebotenen Zielstrebigkeit verfolgen. Das Familiengericht hat festzustellen, welche Maßnahmen der Vertretungsbefugte in der betreffenden Angelegenheit plant. Kann nach dem Resultat der Ermittlungen erwartet werden, dass dieser unbeeinflusst vom Gemenge der Interessen auch das ihm zur Vertretung anvertraute Kindeswohl angemessen wahren wird, so ist eine Maßnahme nach § 1796 nicht gerechtfertigt. Der Interessengegensatz muss sich im jeweiligen Einzelfall hinreichend konkret abzeichnen (siehe DIJuFRechtsgutachten vom 28. Oktober 2009, www.dijuf.de unter Hinweis auf Münchener Kommentar/Wagenitz, § 1796 Rn. 5).

12

Streiten Eltern im Kindschaftsverfahren um das Sorgerecht, offenbart dieser Streit zwar nicht immer und ausnahmslos einen erheblichen Interessengegensatz. Im vorliegenden Fall leben die Eltern jedoch getrennt und haben eine erhebliche räumliche Distanz zwischen sich hergestellt. Weil sie sich auch über das Aufenthaltsbestimmungsrecht als Teil des Sorgerechts streiten, ist mithin entscheidungserheblich, ob die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Übertragung auf ein Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Die Interessen der Eltern an einer Übertragung von Teilen des Sorgerechts müssen nicht stets mit dem im Sinne des Kindeswohls festzustellenden wohlverstandenen Interessen des Kindes einhergehen und in jeder Hinsicht deckungsgleich sein. Gerade bei einer erheblichen Entfernung zwischen den Wohnorten der Eltern entsteht mit einem Aufenthaltswechsel für das Kind auch ein völlig neues soziales Umfeld. Die für das Wohl des Kindes bedeutsamen Umstände können sich mithin erheblich unterscheiden vom Interesse eines Elternteils, zukünftig (gemeinsam mit dem Kind) in einem völlig neuen Umfeld einen eigenständigen Lebensmittelpunkt zu begründen oder - wie vorliegend - zu verfestigen. Soweit vorliegend gleichwohl die Eltern im Streit um das Sorgerecht das Kind im Kindschaftsverfahren gesetzlich vertreten, besteht jedenfalls insoweit die konkrete Gefahr eines erheblichen Interessengegensatzes.

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Dies gilt vorliegend sowohl für den Vater als auch für die Mutter. Auch der bisherige Verlauf des Kindschaftsverfahrens verdeutlicht, dass die Eltern auf ihre jeweiligen gegensätzlichen Positionen beharren und die konkrete Gefahr besteht, dass dadurch das Kindeswohlinteresse in den Hintergrund geraten kann. In der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht am 24. Juni 2010 beharrten beide Eltern auf ihren gegensätzlichen Standpunkten. Eine Einigung zwischen ihnen war nicht einmal über die Modalitäten eines zwischenzeitlichen Umgangs zu erreichen. Das Familiengericht hat im Kindschaftsverfahren 5c F 4128/10 SO die Einholung eines schriftlichen Gutachtens zur Erziehungsfähigkeit der Eltern sowie ihrer Kooperationsfähigkeit und bereitschaft im Hinblick auf das Kind betreffende Entscheidungen angeordnet. Damit gibt es ganz konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Konflikt über das Sorgerecht von erheblichen Eigeninteressen überlagert ist.

14

Der mithin konkret zu erkennende erhebliche Interessengegensatz zwischen den Zielen der Eltern und dem maßgeblichen Kindeswohl kann nur dadurch vermieden werden, dass den Eltern nach §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB die gesetzliche Vertretungsbefugnis teilweise entzogen und insoweit ein Ergänzungspfleger für die Vertretung des Kindes im Kindschaftsverfahren bestellt wird (vgl. dazu auch Senatbeschluss vom 26. November 2009, 14 UF 149/09, = FamRZ 2010, 660 ff.). Zuständig ist nach dem auch durch das FGGRG insofern nicht geänderten § 3 Nr. 2 a) RPflG der Rechtspfleger.

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3. Diese Rechtsprechung des Senats hat einerseits in Teilbereichen Zustimmung erfahren (KG, Beschluss vom 4. März 2010, 17 UF 5/10, FamRZ 2010, 1171 ff. [Genehmigung einer Erbausschlagung]. OLG Dresden, Beschluss vom 12. März 2010, 24 UF 157/10, ZKJ 2010, 285 [Geltendmachung von Kindesunterhalt]. OLG Köln Beschluss vom 16. August 2010, 4 UF 127/10 = BeckRS 2010, 23548), ist aber auch auf Kritik gestoßen (OLG Koblenz, Beschluss vom 3. August 2010, 7 UF 513/10, zitiert nach juris im Anschluss an OLG Stuttgart, Beschluss vom 26. Oktober 2009, 18 WF 229/09, = FamRZ 2010, 1166, 1167. Keuter in NJW 2010, 1851 ff.) Der Senat sieht keinen Anlass, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzurücken.

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a) Soweit teilweise die Auffassung vertreten wird, dass in Kindschaftsverfahren zur Wahrnehmung der Kindesinteressen generell die Bestellung eines Verfahrensbeistandes ausreicht, bleibt unberücksichtigt, dass der Verfahrenspfleger nach gegenwärtigem Recht als gesetzlicher Vertreter des Kindes gerade ausdrücklich ausgeschlossen ist (§ 158 Abs. 4 S. 6 FamFG). Wenn auch der Gesetzgeber in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 20. August 2003, 1 BvR 1354/03, FamRZ 2004, 8687) nach dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs die Bestellung eines Verfahrensbeistandes für den Regelfall als ausreichend angesehen hat, vermag dieses Konstrukt die Notwendigkeit der gesetzlichen Vertretung des mit Inkrafttreten des FamFG formell am Verfahren beteiligten Kindes - mit allen daraus folgenden Verfahrensrechten - nicht zu ersetzen (Stößer in Prütting/Helms FamFG § 158 Rn. 25. Zorn in Bork/Jacoby/Schwab FamFG § 158 Rn. 21. so schon Senatsbeschluss vom 26. November 2009, 14 UF 149/09, = FamRZ 2010, 660 ff.). Der Verfahrensbeistand hat als Beteiligter eine eigene Rechtsstellung im Verfahren, durch die er durchaus Teile der Funktionen wahrzunehmen hat, die sonst den Eltern oblägen. Da er aber stets als gesetzlicher Vertreter ausgeschlossen ist (§ 158 Abs. 4 FamFG), ist er u.a. nicht befugt für das Kind verbindliche Erklärungen abzugeben oder Zustellungen entgegen zu nehmen (so auch OLG Köln Beschluss vom 16. August 2010, 4 UF 127/10 = BeckRS 2010, 23548). Einer gleichwohl weitergehenden Auslegung der Befugnisse des Verfahrensbeistandes steht der eindeutige Wortlaut des Gesetzes (§ 158 Abs. 4 S. 6 FamFG) entgegen. Nach der Überzeugung des Senats übersteigt sie als eine korrigierenden Auslegung die Befugnisse der Rechtsprechung und verlässt damit den zulässigen Bereich der richterlichen Rechtsfortbildung.

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b) Richtig ist zwar, dass schon durch die Bestellung eines Ergänzungspflegers mit dem Wirkungskreis einer Vertretungsbefugnis des Kindes im Kindschaftsverfahren ein Eingriff in die grundgesetzlich geschützte elterliche Sorge verbunden ist. Dieser vorübergehende und nur auf die Dauer des Kindschaftsverfahrens angelegte Eingriff in die elterliche Sorge ist aber gerechtfertigt und hinzunehmen, weil nur dadurch ein anderes verfassungsrechtlich geschütztes Rechtsgut, nämlich die Gewährung von formellen Beteiligungsrechten des minderjährigen Kindes in der Ausformung des rechtlichen Gehörs effektiv Geltung verschafft werden kann. Die Abwägung zwischen einem zeitlich befristeten Eingriff in die elterliche Sorge (Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz) und der Gewährung effektiven rechtlichen Gehörs für einen Verfahrensbeteiligten (Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz) muss sich zu Gunsten des minderjährigen Kindes und für seine Berücksichtigung als Rechtssubjekt auswirken, zumal es sich nur um einen sachlich und zeitlich beschränkten Eingriff handelt und der Kernbereich des grundgesetzlich geschützten Sorgerechts der Eltern im Übrigen unangetastet bleibt. Dem verfassungsrechtlich gebotenem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist durch eine pflichtgemäße Prüfung des erheblichen Interessengegensatz zwischen Eltern und Kind Rechnung zu tragen (vgl. dazu Ziffer 2).

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4. Da dem beteiligten Kind im Kindschaftsverfahren 5c 4128/10 SO Familiengericht Leer ohne Bestellung eines Ergänzungspflegers keine Mitwirkung entsprechend seiner gesetzlich normierten Verfahrensrechte ermöglicht werden kann, war die Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss als unbegründet zurückzuweisen.

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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG, die Wertfestsetzung folgt aus § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG. Die Rechtsbeschwerde war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 70 Abs. 2 Nr. 1, 2 FamFG).