Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 28.10.2010, Az.: 14 UF 141/10
Anforderungen an die Zustimmung des geschiedenen Ehegatten zur Durchführung des begrenzten Realsplittings
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 28.10.2010
- Aktenzeichen
- 14 UF 141/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 43704
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2010:1028.14UF141.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Varel - 04.08.2010 - AZ: 2 F 115/10
Rechtsgrundlage
- § 10 EStG
Fundstellen
- FF 2011, 123-126
- FamRZ 2011, 1226
- FuR 2011, 418-420
Amtlicher Leitsatz
Auch wenn der geschiedene Ehegatte nicht verpflichtet ist, die Anlage U zur Einkommensteuererklärung zu unterzeichnen, muss seine Zustimmung zur Durchführung des begrenzten Realsplittings in der Weise erfolgen, dass der mit ihr verfolgte Zweck, nämlich die Anerkennung des geleisteten Unterhalts als Sonderausgabe, ohne Weiteres zu erreichen ist. Der unterhaltspflichtige Ehegatte braucht sich zur Klärung der Frage, ob eine wirksame Zustimmung vorliegt, nicht auf ein finanzgerichtliches Verfahren verweisen zu lassen.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der am 04. August 2010 verkündete Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Varel geändert:
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Durchführung des begrenzten Realsplittings für den Veranlagungszeitraum 2008 zuzustimmen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Gründe
I. Die Ehe der Beteiligten ist geschieden.
Der Antragsteller zahlte der Antragsgegnerin im Jahre 2008 nachehelichen Unterhalt in Höhe von über 18.000,00 Euro und begehrt von ihr die Zustimmung zum begrenzten Realsplitting.
Zunächst hatte der Steuerberater des Antragstellers die "Anlage U" zur Einkommensteuererklärung mit der Bitte übersandt, diese zu unterzeichnen. Die Antragsgegnerin ließ durch ihren Verfahrensbevollmächtigten mitteilen, dass sie bereit sei, die Zustimmung zur Durchführung des Realsplittings zu erteilen, wenn der Antragsteller zuvor erkläre, die ihr entstehenden Nachteile zu erstatten. Zu einer Unterzeichnung der Anlage U sei sie hingegen nicht verpflichtet. Nachdem der Antragsteller die gewünschte Erklärung abgegeben hatte, teilte ihr Anwalt mit, dass "unsere Mandantin ausdrücklich ihre Zustimmung zur Durchführung des begrenzten Realsplittings" erkläre.
Nach weiterem anwaltlichem Schriftwechsel zur Unterzeichnung der Anlage U hat der Antragsteller die Antragsgegnerin gerichtlich auf Zustimmung zum begrenzten Realsplitting in Anspruch genommen. Ergänzend hat er ausgeführt, das Finanzamt verlange die Vorlage einer vom Empfänger der Unterhaltsleistungen persönlich unterzeichneten Erklärung.
Durch Beschluss vom 04. August 2010 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Varel den Antrag abgewiesen, da die Antragsgegnerin ihre Verpflichtung erfüllt habe und der Antragsteller die Unterzeichnung der Anlage U nicht verlangen könne.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner fristgerecht eingereichten und rechtzeitig begründeten Beschwerde.
Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und führt ergänzend aus, dass das Finanzamt inzwischen die vom Bevollmächtigten der Antragsgegnerin abgegebene Erklärung nicht akzeptiert habe.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Varel vom 04. August 2010 zu ändern und die Antragstellerin zu verurteilen, die Zustimmung zur Durchführung des begrenzten Realsplittings für das Veranlagungsjahr 2008 zu erteilen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss nach Maßgabe ihrer Beschwerdeerwiderung.
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Die Antragsgegnerin war zu verpflichten, dem Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG zuzustimmen. Zwar besteht entgegen der vom Antragsteller vertretenen Ansicht keine Pflicht zur Unterzeichnung der Anlage U. Jedoch hat die Antragsgegnerin ihre aus § 1353 BGB folgende Zustimmungspflicht durch die bisher von ihrem Bevollmächtigten abgegebenen Erklärungen nicht erfüllt.
Im Einzelnen gilt folgendes:
Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 1 EStG kann der unterhaltsverpflichtete Ehegatte auf seinen Antrag Unterhaltsleistungen an den geschiedenen Ehegatten in begrenzter Höhe als steuermindernde Sonderausgaben geltend machen (sog. begrenztes Realsplitting). Dies führt im Falle der steuerrechtlichen Anerkennung der als Unterhaltsleistungen gelten gemachten Sonderausgaben zu einer Verringerung des zu versteuernden Einkommens und damit zu einer Verminderung seiner Steuerbelastung. Der Unterhaltsbetrag muss in diesem Falle von dem unterhaltsberechtigten Ehegatten als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1a EStG versteuert werden. Deshalb knüpft § 10 Absatz 1 Ziffer 1 EStG die steuerrechtlich gestaltende Wirkung des Antrags auf Durchführung des begrenzten Realsplittings an die Zustimmung des anderen Ehegattens. Diese Zustimmung ist eine öffentlichrechtliche Willenserklärung des Empfängers der Unterhaltsleistung, deren Voraussetzungen im Zivilrecht und deren Rechtsfolgen im Steuerrecht liegen (BFH, Urteil vom 14. April 2005 - IX R 33/03. NJW 2005, 3599 [BFH 14.04.2005 - XI R 33/03]). Sie kann sowohl gegenüber dem Leistenden als auch gegenüber dem Finanzamt abgegeben werden. Das Gesetz sieht für die Erklärung keine besondere Form vor.
Der unterhaltsberechtigte Ehegatte ist im Rahmen des zwischen den Beteiligten bestehenden Unterhaltsrechtsverhältnisses verpflichtet, an der Durchführung des begrenzten Realsplittings mitzuwirken, auch wenn ihm dadurch kein eigener Vorteil erwächst. Dies folgt aus der umfassenden und auch über die Ehescheidung hinauswirkenden Pflicht jedes Ehegatten, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu vermindern. Dies gilt aber nur, soweit dies ohne Verletzung der eigenen Interessen möglich ist (ständige Rechtsprechung: BGH, Urteil vom 29. April 1998 - XII ZR 266/96, FamRZ 1998, 953, 954). Deshalb muss die Zustimmung nur erklärt werden, wenn sich der unterhaltverpflichtete Ehegatte zuvor verpflichtet hat, den anderen Ehegatten von allen aus der Durchführung des begrenzten Realsplitting entstehenden Steuerlasten und sonstigen wirtschaftlichen Nachteile freizustellen (vgl. BGH aaO.).
Diese Voraussetzungen sind zwischen den Beteiligten nicht streitig. Auch hat sich der Antragsteller bereits zum Ausgleich möglicher Nachteile verpflichtet.
In welcher Form der unterhaltsberechtigte Ehegatte die Zustimmung zur Durchführung des begrenzen Realsplittings erteilen muss, hängt davon ab, welche Art von Erklärung der unterhaltspflichtige Ehegatte benötigt, damit sein Antrag nach § 10 Absatz 1 Ziffer 1 EStG die gewünschte steuerrechtliche Gestaltungswirkung entfalten kann. Der unterhaltsberechtigte Ehegatte muss gemäß § 242 BGB im Rahmen des Zumutbaren alles tun, damit der andere Ehegatte das begehrte Ziel erreichen kann. Was dafür erforderlich ist, ist von der Warte des unterhaltspflichtigen Ehegatten aus zu betrachten. Differenzen mit den Finanzbehörden wegen der Wirksamkeit einer Zustimmungserklärung des anderen Ehegattens muss er in erster Linie selbst ausräumen. Nach Treu und Glauben ist der andere Ehegatte aber gehalten, ihn bei der Ausräumung von Bedenken des Finanzamts zu unterstützen, soweit ihm dies ohne Beeinträchtigung seiner eigenen Interessen möglich und zumutbar ist.
Vor diesem Hintergrund steht außer Streit, dass die an sich formfreie Zustimmungserklärung in einer für das Finanzamt nachprüfbaren Weise erklärt werden muss. Dies kann insbesondere schriftlich oder zur Niederschrift beim Finanzamt geschehen (BGH, Urteil vom 29. April 1998 - VII 266/96, FamRZ 1998, 953, 954. Schmidt/Heinicke Einkommensteuergesetz, 27. Aufl. § 10 Rn. 54).
Die Unterzeichnung der "Anlage U" kann - entgegen der Ansicht des Antragstellers hingegen nicht verlangt werden. Bei dieser Anlage handelt es sich um ein von der Finanzverwaltung erstelltes Formular, das dem vereinfachten Verwaltungsablauf dient. Es enthält zudem über die bloße Zustimmungserklärung hinaus weitere Angaben zum eigenen Steuerverhältnis des Unterhaltsempfängers. Deshalb kann dessen Verwendung nicht verlangt werden (BGH, Urteil vom 29. April 1998 - XII ZR 266/96, FamRZ 1998, 953, 954. OLG Koblenz, Urteil vom 29.10.2001 - 13 UF 240/01, FamRZ 2002, 1129. Kamm in Luthin/Koch Handbuch des Unterhaltsrechts 11. Aufl. Rn. 9027. Märkle in Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht 9. Aufl. Rn. 4062).
Ob der unterhaltsberechtigte Ehegatte seine Mitwirkungspflicht auch dann erfüllt, wenn er - wie hier - eine schriftliche Zustimmungserklärung nicht eigenhändig unterschreibt, sondernüber einen anwaltlichen Bevollmächtigten abgibt, muss angesichts der konkreten Umstände des vorliegenden Falls nicht abschließend entschieden werden. Die von der Antragsgegnerin über ihren anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten abgegebenen Erklärungen sind jedenfalls nicht ausreichend, um dem Antragsteller die Durchführung des begrenzten Realsplittings zu ermöglichen.
Allerdings ist gesetzlich nicht geregelt, ob die Zustimmungserklärung nach § 10 Absatz 1 Ziffer 1 EStG in jedem Fall persönlich abzugeben ist oder sich der Steuerpflichtige dabei vertreten lassen kann. Weder das Einkommensteuergesetz noch die Abgabenordnung verlangen die höchstpersönliche Abgabe der Erklärung. § 25 Absatz 3 Satz 4 EStG schreibt zwar die eigenhändige Unterschrift für die Einkommensteuerklärung vor. Die Zustimmung zum Sonderausgabenabzug betrifft jedoch gerade nicht die eigene Steuerklärung des Unterhaltsberechtigten. Am Steuerverfahren des Unterhaltspflichtigen ist der Empfänger der Leistung nicht beteiligt. Daher ist auch § 80 AO, der die Vertretung von Beteiligten in einem Steuerverfahren zulässt, nicht unmittelbar einschlägig. Anhaltspunkte für eine einheitliche Verwaltungspraxis lassen sich in den einschlägigen Richtlinien und Hinweisen ebenfalls nicht finden (vgl. H 10.2 EStR 2008). Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ist daher eine Vertretung des Zustimmungspflichtigen nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
Ob letztlich eine Erklärung vom Finanzamt zu akzeptieren wäre, die ein von einem der beteiligten Ehegatten beauftragter Rechtsanwalt abgegeben hat, kann jedoch im vorliegenden Fall auf sich beruhen. Die Antragsgegnerin schuldet die Abgabe der Zustimmungserklärung gegenüber dem Antragsteller in einer Weise, dass hiermit der verfolgte Zweck, nämlich die Anerkennung des geleisteten Unterhalts als Sonderausgabe, zu erreichen ist. Zu einem von dem Grundsatz gegenseitiger fortwirkender Verantwortung geprägten Unterhaltsverhältnis gehört es auch, dieses Ergebnis ohne Umwege und zusätzlichen Aufwand zu verwirklichen. Nach Treu und Glauben ist es dem unterhaltsberechtigten Ehegatten daher zuzumuten, eine geforderte persönliche Erklärung auch dann abzugeben, wenn er dies nicht als erforderlich ansieht. Dies gilt zumindest dann, wenn die sachbearbeitende Behörde aus erwägenswerten Gründen hiervon den Erfolg des Antrags abhängig macht und sich eine zweifelhafte Rechtslage auf diesem einfachen Weg bereinigen lässt. In einer solchen Situation wäre es unverhältnismäßig, von dem Antragsteller zunächst die Durchführung eines zeitaufwändigen finanzgerichtlichen Verfahrens mit ungewissem Ausgang zu erwarten. Vielmehr gebietet die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, dieses Risiko dann zu verringern, wenn die verlangte Handlung nur einen minimalen Aufwand erfordert und ohne jede weitere persönliche Beeinträchtigung erbracht werden kann.
So verhält es sich hier.
Es steht fest, dass das Finanzamt die bislang abgegebenen Erklärungen nach wie vor nicht als ausreichend ansieht und weiterhin auf einer Zustimmung durch die Antragsgegnerin besteht. Dieses Verlangen ist angesichts der Bedeutung der Erklärung nicht offensichtlich unberechtigt. Denn zusammen mit dem Antrag gestaltet diese Erklärung das Steuerrechtsverhältnis um. der bisher steuerfreie Unterhalt wird zur steuerpflichtigen Einnahme. Daher ist die Erklärung bedingungsfeindlich und kann auch später nicht zurückgenommen werden. Die Zustimmung kann nur dem Grunde nach, unbegrenzt oder beschränkt auf einen Teilbetrag erfolgen. Ohne Einschränkung gilt sie bis auf Widerruf, bindet den Steuerpflichtigen also auch für die Folgejahre, wenn sie nicht vor Beginn des Jahres widerrufen wird (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG).
Aus der Sicht des Finanzamtes, dem der Gegenstand der Auseinandersetzung sowie Umfang der Vollmacht nicht bekannt sind, ist es auch keineswegs offenkundig, ob der in dem anwaltlichen Schriftwechsel für die Antragsgegnerin erklärten Zustimmung bereits eine Außenwirkung zukommen soll. Einerseits hat die Antragsgegnerin die Unterzeichnung der Anlage U nachdrücklich abgelehnt, im Schriftsatz vom 03. März 2010 die Unterzeichnung des Formulars hingegen als vernünftig bezeichnet, dessen Verwendung aber wiederum von dem Einverständnis des Antragstellers mit einer Verrechnungsregelung abhängig gemacht. Wenn das Finanzamt unter diesen Umständen die vorliegenden Erklärungen nicht als ausreichend angesehen hat, braucht sich der Antragsteller nicht auf eine weitere Auseinandersetzung mit dem Finanzamt einzulassen.
Der Antragsgegnerin war auch spätestens seit dem Schriftsatz des Antragstellers vom 04. Juni 2010 bekannt, dass die Steuerbehörde eine persönlich unterzeichnete Erklärung der Antragsgegnerin erwartet. In dem inzwischen ergangenen Steuerbescheid ist aus diesem Grund der Sonderausgabenabzug nicht zugelassen worden. Nachdem die Finanzverwaltung ungeachtet der unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Beteiligten an dem einmal eingenommenen Standpunkt festhält, hätte es für die Antragsgegnerin nahegelegen, die gewünschte Zustimmung in einem von ihr selbst unterschriebenen Schriftstück zu erklären und dem Antragsteller zur Verfügung zu stellen. Der Aufwand für die Anfertigung eines nur wenige Worte umfassenden Schreibens ist denkbar gering und mit keinem weiteren Nachteil verbunden.
Da die Antragsgegnerin jedoch unverändert an ihrem Standpunkt festhält, ist die notwendige Zustimmung durch gerichtliche Entscheidung zu ersetzen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 FamFG, 91 ZPO.
Es bestehen keine Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Die Entscheidung folgt der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der auch nach der Scheidung fortbestehenden Pflicht gegenseitiger Rücksichtnahme und beruht auf den besonderen Umständen des konkreten Falles.