Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.04.2013, Az.: 11 K 239/12
Zulässigkeit einer allgemeinen Leistungsklage bzgl. Zahlung eines Erstattungsbetrages bei Tragen des Klagebegehrens durch die Anfechtungsklage gegen den Abrechnungsbescheid
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 18.04.2013
- Aktenzeichen
- 11 K 239/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 40071
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2013:0418.11K239.12.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - AZ.: 921/13
Rechtsgrundlagen
- § 40 Abs. 1 FGO
- § 218 Abs. 2 AO
Fundstelle
- DB 2013, 14
Amtlicher Leitsatz
Allgemeine Leistungsklage gerichtet auf Zahlung eines Erstattungsbetrages ist unzulässig, wenn eine Anfechtungsklage gegen den Abrechnungsbescheid das Klagebegehren trägt
Tatbestand
Streitig ist die erneute Auszahlung eines Einkommensteuererstattungsbetrages.
Die Kläger sind seit dem 12. Dezember 2008 verheiratet und reichten im März 2012 die Einkommensteuererklärung 2010 beim Beklagten ein, in der sie eine Zusammenveranlagung beantragten. In dieser Einkommensteuererklärung gaben sie keine Bankverbindung an. Dem Finanzamt lag aber seit dem 20. April 2006 eine "Teilnahmeerklärung zum Lastschrifteinzugsverfahren" vor, die sich auf alle unter der Steuernummer der Kläger zu entrichtenden Beträge bezog. Entsprechendes hatte der Kläger angekreuzt. Auf dem Teilnahmeerklärungsvordruck war weiterhin u.a. folgender Satz vermerkt: "Das Konto gilt auch für Erstattungen der oben angekreuzten Steuerarten." Die Erklärung war von dem Kläger unterschrieben. In der Folgezeit war diese Kontoverbindung Gegenstand des Zahlungsverkehrs zwischen den Klägern und dem Finanzamt. Am 9. Oktober 2006 teilte das Finanzamt wegen der Entrichtung der Einkommensteuervorauszahlung 3. Vj. 2006 mit, dass es sich leider gezwungen sehe, den Kläger von der Teilnahme am Lastschrifteinzugsverfahren auszuschließen, weil erneut eine Lastschrift mangels eines ausreichenden Guthabens nicht eingelöst worden sei. Seit 2010 ist für die Einkommensteuerveranlagung nicht mehr das Finanzamt Osnabrück-Stadt, sondern Osnabrück-Land zuständig.
Der Einkommensteuerbescheid 2010 vom 23. April 2012 wies einen Steuererstattungsanspruch i. H. v. insgesamt 4.668,87 EUR aus. Die Zahlungsanweisung an die N-Bank und die Abbuchung vom Konto des Beklagten erfolgten am 24. April 2012. Das Zielkonto war das in der o. g. Teilnahmeerklärung angegebene Konto ... bei der B-Bank (BLZ ...). Am Tag vorher ging bei dem Beklagten um 9.49 Uhr ein Telefax in der Poststelle ein, in dem der Kläger mitteilte, dass die Eheleute seit dem 1. März 2012 eine neue Bankverbindung hätten: Konto ... bei der C-Bank (BLZ ...). Mit Schreiben vom 10. Mai 2012 teilten die Kläger dem Beklagten mit, dass das Konto ... bei der B-Bank an einen neuen Kontoinhaber vergeben worden sei und dieser nicht erreicht werden könne. Die Kläger forderten daher das beklagte Finanzamt auf, die Steuererstattung bei dem neuen Kontoinhaber zurückzufordern. Der Beklagte ermittelte mit einem Nachforschungsantrag R. in Osnabrück, als neuen Kontoinhaber. Zu einer Rückzahlung der Fehlüberweisung kam es jedoch nicht.
Mit Schreiben an den Beklagten vom 5. Juni 2012 verneinten die Kläger die schuldbefreiende Wirkung der Zahlung vom 23. April 2012 und forderten den Beklagten zu einer nochmaligen Zahlung auf. Am 7. Juni 2012 erklärte der Beklagte gegenüber den Klägern mit der Zahlung am 23. April 2012 mit schuldbefreiender Wirkung gezahlt zu haben.
Daraufhin beantragten die Kläger mit Schreiben vom 8. Juni 2012 die Erteilung eines Abrechnungsbescheides. Der Beklagte erließ am 21. Juni 2012 einen Abrechnungsbescheid in dieser Angelegenheit. Darin wurde festgestellt, dass ein Steuererstattungsanspruch aus dem Einkommensteuerbescheid 2010 aufgrund der Erstattung vom 23. April 2012 nicht mehr bestehe. Dagegen legten die Kläger Einspruch ein, der mit Einspruchsbescheid vom 19. Juli 2012 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Dagegen erhoben die Kläger Klage.
Die Kläger tragen vor, im Hinblick auf das Telefaxschreiben vom 23. April 2012 sei es dem Beklagten möglich gewesen, die Erstattung am 23. April 2012 entweder nicht auszuführen oder die veranlasste Erstattung zurückzurufen. Durch die Zahlung auf das falsche Konto sei eine Erfüllungswirkung nicht eingetreten.
Die Kläger beantragen schriftsätzlich durch ihren Prozessbevollmächtigten,
an die Kläger 4.668,87 EUR nebst gesetzlicher Zinsen seit dem 23. April 2012 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung des Kondiktionsanspruchs gegen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, dass er mit Überweisung auf das B-Bank mit befreiender Wirkung geleistet habe. Damit sei der Einkommensteuererstattungsanspruch der Kläger durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -). Der Gläubiger einer Erstattungszahlung hafte für die Verlustgefahr bei einer Geldübermittlung, wenn er es unterlasse, dem Finanzamt die geänderte Kontoverbindung mitzuteilen. Hier habe es der Kläger versäumt, die geänderte Bankverbindung rechtzeitig mitzuteilen. Daher bestünden keine Ansprüche mehr aus § 37 Abgabenordnung (AO). Zwar sei die der Erstattung zugrunde liegende Erklärung mit "Teilnahmeerklärung zum Lastschrifteneinzugsverfahren", überschrieben. Direkt neben dem Unterschriftsfeld befinde sich aber auch eine Zustimmungserklärung für vorzunehmende Erstattungen. Damit sei dem Unterzeichner eines solchen Formulars nach verständigem Lesen klar, dass die Erklärung sowohl für Lastschriften als auch für Erstattungen gelte.
Dass der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung 2010 keine Angaben zu seiner geänderten Bankverbindung gemacht habe, müsse daher zu seinen Lasten gehen. Wegen der oben genannten Teilnahmeerklärung am Lastschriftenverfahren sei der Beklagte nicht gehalten gewesen, die fehlenden Angaben zur Kontoverbindung im Mantelbogen der Steuererklärung nachzufragen. Wie in den Vorjahren sei das Guthaben auf die gespeicherte Bankverbindung ausgezahlt worden.
Um die befreiende Wirkung der Zahlungen zu verhindern, hätte er zeitnah nach Wechsel der Bankverbindung den Beklagten informieren müssen. Den Klägern würden hier erhöhte Sorgfaltsmaßstäbe treffen, da sie die Einkommensteuererklärung 2010 über ihren Steuerberater eingereicht hätten und der Kläger außerdem Bankkaufmann von Beruf sei. Der Beklagte habe zum Auszahlungszeitpunkt am 23. April 2011 keine Kenntnisse von einer Änderung gehabt.
Das Telefax des Klägers vom gleichen Tag, in dem er seine geänderte Bankverbindung mitteilte, könne zu keiner anderen Beurteilung in der Sache führen. Die Erstattung sei im vollmaschinellen Verfahren durchgeführt worden, d.h. dass die Veranlagung von der zuständigen Bearbeiterin sieben Arbeitstage vorher durchgeführt worden sei. Der Bescheid erging am 23. April 2012 vollautomatisch und ohne weiteres menschliches Zutun. Die Bearbeitung sei daher mit Eingabe der Daten am 13. April 2012 beendet gewesen.
Ebenso verhalte es sich mit der Auszahlung. Mit Bescheiderstellung am 13. April 2012 sei das maschinelle Verfahren angelaufen und die Erstattung sei automatisch also ohne weitere Auszahlungsanordnungen oder ähnliches erfolgt. Ggf. hätte der Beklagte in den sieben Arbeitstagen nach Durchführung der Veranlagung das vollmaschinelle Verfahren noch in irgendeiner Form beeinflussen können. Dafür hätte aber positive Kenntnis des Handlungsbedarfs vorliegen müssen. Würde man hier die Begrifflichkeiten des § 173 Abs. 1 AO zu Grunde legen, so sei gemäß Anwendungserlass AO zu § 173 AO eine neue Tatsache nicht schon dann bekannt, wenn irgendeine Stelle im Finanzamt von ihr Kenntnis habe. Hier ging das Telefax am 23. April 2012 in der Poststelle ein.
Es habe sich kein Hinweis auf die besondere Dringlichkeit bzw. den sofortigen Handlungsbedarf ergeben. Vorherige telefonische Kontakte habe es nicht gegeben, so dass das Schreiben mit der neuen Bankverbindung im normalen Geschäftsgang zwei Tage später, also am 25. April 2013, der Bearbeiterin des Grundinformationsdienstes vorgelegen hätte. Anlass in den normalen Geschäftsgang einzugreifen, habe sich aus dem Inhalt des Schreibens nicht ergeben. Die Mitteilung einer geänderten Bankverbindung sei kein außergewöhnlicher Vorgang im Finanzamt. Eine solche Mitteilung ohne besonderen Hinweis werde Standartmäßig abgearbeitet. Da die Finanzverwaltung eine Massenverwaltung sei, wo durchschnittlich ein Bearbeiter 25 - 30 Steuererklärungen am Tag veranlage, hätte es eines ausdrücklichen Hinweises des Klägers bedurft, der in irgendeiner Form auf sein Versäumnis der fehlenden Mitteilung der neuen Bankverbindung aufmerksam hätte machen müssen. Da dieser Hinweis unterblieben sei, habe aus der Sicht des Beklagten überhaupt kein Anlass bestanden, in das vollautomatische Verfahren einzugreifen bzw. nach Auszahlung am 23. April 2011 die Überweisung zurückzurufen.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Zahlungsklage der Kläger ist eine allgemeine Leistungsklage im Sinne des § 40 Abs. 1 letzte Variante Finanzgerichtsordnung (FGO). Einer Leistungsklage fehlt im Streitfall jedoch das Rechtsschutzinteresse, da die Kläger das Ziel der Klage auch durch eine Anfechtungsklage gegen einen Abrechnungsbescheid erreichen könnten und deshalb die Leistungsklage subsidiär ist. Nach Erlass eines Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 AO, in dem das Finanzamt das Erlöschen des Erstattungsanspruchs feststellt, ist ein Einspruch und anschließend eine Anfechtungsklage erforderlich (s. BFH-Urt. v. 12. Juni 1986 VII R 103/83 BStBl. II 1986, 702, 703; BFH-Beschl. v. 7. Juli 1998, VII B 312/97, BFH/NV 1999, 150; BFH-Urt. v. 30. November 1999, VII R 97/98, BFH/NV 2000, 412; Niedersächsisches FG Urt. v. 13. März 2002 2 K 89/97 KI, EFG 2002, 1570; FG Rheinland-Pfalz Urt. v. 2. Juli 2009 4 K 2514/06, EFG 2009, 1719; Gräber/von Groll, FGO 7. Aufl. 2010, § 40 Rz. 28). Die Klage ist daher unzulässig.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.