Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 17.08.2005, Az.: 6 B 4459/05
Beratungsgutachten; Förderbedarf; Förderschulüberweisung; Mitwirkung; sonderpädagogischer Förderbedarf
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 17.08.2005
- Aktenzeichen
- 6 B 4459/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 51071
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 242 BGB
- § 14 Abs 1 SchulG ND
- § 56 Abs 2 SchulG ND
- § 56 Abs 3 S 1 SchulG ND
- § 68 Abs 1 SchulG ND
- § 68 Abs 2 SchulG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Unterlassen es ein Schüler und seine Eltern, entgegen § 56 Abs. 2 und 3 NSchG im Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs mitzuwirken, können sie sich nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) im gerichtlichen Verfahren nicht auf die durch ihr rechtswidriges Verhalten verursachten Verfahrensfehler berufen.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege eines Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die sofortige Vollziehung seiner Überweisung in eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen.
Der Antragsteller wurde am F. 1993 in G. geboren und im Schuljahr 2000/2001 in die H.-Schule, eine Grund- und Hauptschule in X., eingeschult. Im Schuljahr 2004/2005 wiederholte er die 4. Klasse, nachdem seine Leistungen in der 4. Klasse zuvor in Deutsch sowie in Schrift- und Form mit der Note mangelhaft und im Sachunterricht mit der Note ungenügend bewertet worden waren; seine Leistungen im Rechtschreiben waren nicht bewertet worden.
Die Klassenkonferenz der Klasse 4c der H.-Schule beschloss am 18. Januar 2005 die Einleitung des Verfahrens auf Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs. In dem dazu erstellten Bericht der Schule werden die Lernvoraussetzungen und Lernstände des Antragstellers im Wesentlichen wie folgt beschrieben:
Im Fach Deutsch habe die Lesefähigkeit des Schülers höchstens den Stand der 2. Klasse erreicht. Er sei noch nicht in der Lage, einen Text sinnvoll und zusammenhängend vorzulesen, so dass auch sein Textverständnis nicht sichergestellt sei. Bei schriftlichen Arbeiten könne er einfache Arbeitsaufträge nicht selbständig erarbeiten, weil er teilweise verstandesmäßig und teilweise wegen seines Arbeitsverhaltens nicht dazu in der Lage sei. In den Sachunterricht könne er sein Wissen nicht sachbezogen und gedanklich geordnet einbringen. Hinzu kämen Mängel im schriftlichen Ausdruck, die ihn hinderten, Sachverhalte klar darzustellen oder andere eigene Texte zusammenhängend zu schreiben. Im Fach Mathematik seien seine Leistungen sehr schwach. Im musisch-kulturellen Bereich falle R. durch große Ungeschicklichkeit und Langsamkeit sowie dadurch auf, dass er selten das nötige Material dabei habe.
Die H.-Schule beauftragte sodann die P.-Schule X., eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen, mit der Erstellung des Beratungsgutachtens. Die Begutachtung des Antragstellers in der P.-Schule scheiterte jedoch daran, dass die Eltern des Schülers mit der Durchführung des Verfahrens auf Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs nicht einverstanden waren. Telefonisch angesprochen vereinbarten sie keine Besprechungstermine mit der Förderschule, und den schriftlichen Einladungen der P.-Schule zur Vorbesprechung der Begutachtung ihres Kindes leisteten sie nicht Folge. Zu der für die Zeit vom 2. bis 8. März 2005 in der P.-Schule angesetzten Überprüfung schickten sie ihren Sohn nicht. Nachdem am 2. und 8. März 2005 eine Unterrichtsbesichtigung durch die Förderschullehrkraft der P.-Schule in der H.-Schule stattgefunden hatte, weigerte sich der Antragsteller am 9. März 2005, der Aufforderung seiner Klassenlehrerin und des Schulleiters der H.-Schule, in den Überprüfungsraum zu gehen, Folge zu leisten mit der Begründung, seine Eltern hätten ihm verboten, sich weiter testen zu lassen. Am 15. März 2005 teilte die Mutter des Antragstellers dem Schulleiter der P.-Schule mit, dass sie und ihr Ehemann nicht zu einem Elterngespräch erscheinen würden. Auch ein weiteres Gespräch im April 2005 wurde von ihnen abgelehnt.
Mit Bescheid vom 7. Juli 2005 stellte die Antragsgegnerin bei dem Antragsteller auf der Grundlage des Berichts der H.-Schule und der Beobachtungen der Förderschullehrkraft einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Bereich des Lernens fest. Zugleich überwies sie den Antragsteller zum Schuljahresbeginn 2005/2006 an die P.-Schule als zuständige Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen. Ergänzend ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Überweisung des Antragstellers an die Förderschule an.
Der Antragsteller hat am 26. Juli 2005 im Hauptsacheverfahren 6 A 4458/05 Klage erhoben haben und um vorläufigen Rechtsschutz gegen den Sofortvollzug der Förderschulüberweisung nachgesucht.
Er trägt vor, er sei bei der Wiederholung des 4. Schuljahres zunehmend einer Drucksituation und Isolation ausgesetzt worden, bis hin zur Aufhetzung seiner Mitschüler gegen ihn. Seine Eltern hätten sich um Kooperation mit der Schule bemüht, seien aber regelmäßig aufgelaufen. Er, der Antragsteller, sei ausweislich einer Vielzahl vorgelegter Dokumente in seiner Freizeit nicht nur sportlich sehr aktiv, sondern auch im Umgang mit dem Computer, auf dem Gebiet der darstellenden Kunst, des Schachspiels und des Theaterspielens. Die vorgelegten vier Fachberichte aus der Zeit vom 9. Februar bis 4. März 2005 seien so zu interpretieren, dass noch weitere Testverfahren nicht förderlich seien, sondern dass im Gegenteil vermutet werden müsse, dass sich bei weiteren Tests seine Situation verschlimmern könne. Abschließend verweist der Antragsteller auf eine Veröffentlichung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) über den Anteil von Ausländerkindern an Sonderschulen für Lernbehinderte.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen seine mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. Juli 2005 verfügte Überweisung an die P.-Schule in X. wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen.
Sie trägt vor, die Eltern des Antragstellers hätten die Anfertigung eines Beratungsgutachtens systematisch verweigert und verhindert. Selbst der in der Grundschule begonnene Test des Antragstellers habe nicht zu Ende geführt werden könne, weil die Eltern des Antragstellers ihren Sohn zur Verweigerung des Tests angehalten hätten. Wegen der Fehlzeiten des Schülers habe die Untersuchung auch nicht durch Hospitation im Unterricht vorgenommen werden können. Die Einschaltung eines Schulpsychologen sei abgelehnt worden. Der Antragsteller beherrsche noch nicht den Lernstoff der 4. Klasse. Er arbeite nicht mehr mit, er könne oder wolle dem Unterricht nicht mehr folgen, sei häufig abgelenkt und lenke auch die Mitschüler ab. Der Antragsteller benötige eine kleine Lerngruppe, die auf sein Lerntempo und seine eingeschränkten Fähigkeiten bei der Konzentration und Aufmerksamkeit eingehen könne. Insoweit seien ein überschaubares Lernfeld, intensive Hilfestellung und mehr Zeit zum Erlernen von Inhalten erforderlich. Besonders die Lernrückstände in Deutsch, Mathematik und im Sachunterricht könnten nur durch eine intensive sonderpädagogische Förderung aufgearbeitet werden. Mangels Mitwirkung an den vorgesehenen Testverfahren könne nicht aufgeklärt werden, warum es nach der vom Antragsteller vorgelegten Bescheinigung des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin als Ergebnis des Intelligenztests zu der bescheinigten Differenz in den Ergebnissen des sprachorientierten und des handlungsorientierten Testteiles gekommen ist. Die weitergehenden Verdächtigungen des Antragstellers gegen seine Klassenlehrerin und die Grundschule seien haltlos.
II.
Der in die Gestalt eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gekleidete Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wird im Rechtsschutzinteresse des Antragstellers abweichend von seinem Wortlaut, der unzulässig wäre (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO), als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO ausgelegt. So ausgelegt ist der Antrag zwar zulässig, aber nicht begründet.
Die Abwägung des Interesses des Antragstellers, vor dem Ergehen einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren vom Vollzug der angefochtenen Überweisung an die Förderschule verschont zu bleiben, mit dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Durchsetzung dieser schulbehördlichen Verfügung geht zu Ungunsten des Antragstellers aus. Entscheidend für den Ausgang der Interessenabwägung ist, dass sich der Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. Juli 2005 nach rechtlicher Überprüfung mit Verbindlichkeit für das Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz als rechtmäßig erweist und die Klage des Antragstellers daher voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
Die Entscheidung der Schulbehörde, den Antragsteller mit sofortiger Wirkung an die für ihn zuständige Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen zu überweisen, findet ihre Ermächtigungsgrundlage in § 68 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nds. Schulgesetz (NSchG). Danach werden Schülerinnen und Schüler, die einer sonderpädagogischen Förderung bedürfen (§ 14 Abs. 2 Satz 1 NSchG), zum Besuch der für sie geeigneten Förderschule verpflichtet, wenn die notwendige Förderung in einer Schule einer anderen Schulform nicht gewährleistet ist.
Der einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Bereich des Lernens feststellende und den Antragsteller an eine Förderschule mit diesem Förderschwerpunkt überweisende Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. Juli 2005 ist zwar verfahrensfehlerhaft ergangen. Denn wesentlicher Gegenstand des Verfahrens auf Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs ist die in § 2 Abs. 2 der Verordnung zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs (VO-SF) vorgeschriebene Einholung eines Beratungsgutachtens einer Förderschule mit der Fachrichtung des Förderschwerpunktes, der den von der Regelschule vermuteten besonderen Förderbedarf kennzeichnet. Dieses Beratungsgutachten ist neben anderen Erkenntnissen nach § 3 VO-SF eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung der Schulbehörde darüber, ob eine Schülerin oder ein Schüler der sonderpädagogischen Förderung bedarf, welcher Art dieser Förderbedarf ist und an welcher Schule die geeignete Förderung zu leisten ist. Fehlt das Beratungsgutachten oder wird ein rechtlich zu beanstandendes Beratungsgutachten als Grundlage für eine Entscheidung der Schulbehörde herangezogen, führt dieses regelmäßig zur Rechtswidrigkeit der auf § 68 Abs. 2 NSchG gestützten Förderschulüberweisung.
Im vorliegenden Fall liegen aber besondere Umstände vor, die es rechtfertigen, die unterbliebene Einholung des Beratungsgutachtens der Förderschule nicht im vorstehenden Sinne als einen wesentlichen Verfahrensfehler anzusehen. Denn aus dem von dem Antragsteller nicht widersprochenen Vortrag der Antragsgegnerin und dem diesbezüglichen Inhalt der Verfahrensakte folgt, dass das Beratungsgutachten der P.-Schule nur deshalb nicht angefertigt werden konnte, weil die hierfür notwendige Begutachtung der Persönlichkeit und der schulischen Leistungen des Antragstellers zunächst in der P.-Schule und sodann in der H.-Schule von Seiten der Eltern des Antragstellers verhindert worden ist. Nach dem bisher bekannten Sachverhalt haben sie ihren Sohn nicht zu dem dafür vorgesehen Termin in die P.-Schule geschickt, haben insoweit nicht auf die schriftliche Einladungen der Förderschule zum Gespräch reagiert, und auch die weiteren Versuche des Leiters der P.-Schule, telefonisch mit ihnen Gespräche zu vereinbaren, waren erfolglos. Schließlich haben sie die anschließenden Versuche der Klassenlehrerin und des Schulleiters der H.-Schule, eine Untersuchung des sonderpädagogischen Förderbedarfs in den Räumen der H.-Schule durchführen zu lassen dadurch verhindert, dass sie ihrem Sohn die Anweisung erteilt hatten, seine Teilnahme an den Tests zu verweigern.
Damit haben die Eltern des Antragstellers als dessen gesetzliche Vertreter es verhindert, dass ihr Sohn seiner gesetzlichen Pflicht aus § 56 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 NSchG zur Mitwirkung an der Durchführung der Tests und der eventuellen Einholung von Sachverständigengutachten im Rahmen des Verfahrens zur Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs nachkommt. Zugleich haben sie ihre eigene gesetzliche Pflicht, nach § 56 Abs. 3 Satz 1 NSchG der mit der Erstellung des Beratungsgutachtens beauftragten P.-Schule die für die Auswertung der Testverfahren und die Einholung eventueller Sachverständigengutachten erforderlichen Auskünfte über ihren Sohn zu erteilen, verletzt, indem sie es unterlassen haben, an dem Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs im Gespräch mit der P.-Schule mitzuwirken. Dieses rechtswidrige Verhalten des Antragstellers und seiner Eltern hat nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), der auch in öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen Anwendung findet, zur Folge, dass sich der im gerichtlichen Verfahren ebenfalls durch seine Eltern gesetzlich vertretene Antragsteller nicht auf den durch sein rechtswidriges Verhalten verursachten Verfahrensfehler berufen kann. Denn das für die Abklärung der Vermutung des Vorliegens eines sonderpädagogischen Förderbedarfs und die Entscheidung über die bestmögliche Förderung vorgesehene Verfahren nach der VO-SF dient nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern stellt zugleich eine verfahrensrechtlichen Absicherung der Grundrechte des betroffenen Schulkindes aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und seiner Erziehungsberechtigten aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG dar. Es trägt damit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 8.10.1997, BVerfGE 96, 288 ff. = NJW 1998 S. 131, 133 f. [BVerfG 08.10.1997 - 1 BvR 9/97]) dem möglichen Konflikt zwischen Eltern und Kindern sowie der Schulverwaltung sachgerecht Rechnung. Wirken ein Schüler und seine Eltern nicht in dem gesetzlich vorgeschriebenen Umfang bei der Schaffung der Entscheidungsgrundlage an dem nach § 60 Abs. 1 N. 4 NSchG gesetzlich vorgesehenen Verfahren mit, können sie sich nicht anschließend auf die dadurch bedingten Mängel des Verfahrens berufen.
Angesichts der Tatsache, dass eine eingehende Begutachtung des individuellen Förderbedarfs des Antragstellers wegen der verweigerten Mitwirkung zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs nicht stattfinden konnte, ist der Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. Juli 2005 nach dem bisher bekannten Sachverhalt rechtlich nicht zu beanstanden. Der vorliegende Sachverhalt lässt nur den Schluss zu, dass der Antragsteller im Bereich des Lernens einer sonderpädagogischen Förderung bedarf, die nur an einer Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen (§ 14 Abs. 2 Satz 2 NSchG) gewährleistet ist. Für die Beurteilung der Frage, ob dieses der Fall ist, ist nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (vgl. Beschluss vom 10.9.2003 - 6 B 3431/03 -) auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier also im Zeitpunkt der Zustellung des im Hauptsacheverfahren angefochtenen Bescheides, abzustellen.
Im Einklang mit der Definition in Nr. 1 der Ergänzenden Bestimmungen zur VO-SF (Erlass des MK vom 6.11.1997, SVBl. S. 385, - Erg. Best. VO-SF -) besteht ein sonderpädagogischer Förderbedarf im Bereich des Lernens dann, wenn die individuellen Lernmöglichkeiten einer Schülerin bzw. eines Schülers über einen längeren Zeitraum besondere Hilfen erfordern, welche mit den Mitteln des Klassen- und Förderunterrichts der Regelschule nicht bedarfsentsprechend geleistet werden können (Nr. 2. der Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zum Förderschwerpunkt Lernen, - KMK-Beschluss vom 1.10.1999 -; Nr. I.2 des Erlasses des MK „Sonderpädagogische Förderung“ vom 1.2.2005, SVBl. S. 49). Besondere Hilfen sind danach erforderlich, wenn ohne sie die Ziele und Inhalt der Lehrpläne der Regelschulen nicht oder nur ansatzweise erreicht werden.
Im Fall des Antragstellers muss angesichts des Berichts der H.-Schule und der Schulzeugnisse der letzten drei Schuljahre davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller den Anforderungen des Bildungsgangs der Grundschule und der (weiterführenden) Hauptschule nicht gerecht werden kann, wenn er nicht besondere Hilfen erhält. Danach fehlen dem Antragsteller Grundlagen, die für eine erfolgreiche Fortsetzung des Schulbesuchs in einer Regelschule unverzichtbar sind. Ausweislich des Berichts seiner Klassenlehrerin vom 27. Januar 2005 hatte er bei Einleitung des Verfahrens zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs trotz Wiederholung des 4. Schuljahres die oben wiedergegebenen Defizite in den Lernständen insbesondere in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht sowie in der Rechtschreibung. Dass diese Lernrückstände gravierender Art sind, folgt daraus, dass der Schüler unter anderem einen Stand der Lesefähigkeit erreicht hatte, der höchstens dem der 2. Klasse entsprach und dass er grammatische Aufgaben, die Regelverständnis verlangen, nicht selbstständig erarbeiten konnte. Hieran hat sich bis zum Erlass des angefochtenen Bescheides offensichtlich nichts geändert, denn ausweislich des Zeugnisses der H.-schule vom 28. Juni 2005 sind seine Leistungen in den Kernfächern Deutsch, Sachunterricht und Mathematik trotz der Wiederholung des 4. Schuljahrgangs wiederum mit „mangelhaft“ bewertet worden.
Die Bewertung des durch dieses Zeugnis ausgewiesenen Lern- und Leistungsstandes hat der Antragsteller nicht substantiiert angegriffen. Sein Vortrag zu seien vielfältigen Interessen und Fähigkeiten im Freizeitbereich stehen im Widerspruch zu der Beschreibung seines mangelhaften Arbeitsverhaltens in der Schule im Bericht der Klassenlehrerin vom 27. Januar 2005. Soweit der Antragsteller mit der Behauptung in der Antragsbegründung, er sei bei der Wiederholung des 4. Schuljahres zunehmend einer Drucksituation und Isolation bis hin zur Aufhetzung seiner Mitschüler gegen ihn ausgesetzt worden, indirekt den Lehrkräften der H.-Schule ein sach- und pflichtwidriges Verhalten vorwirft, hat der Antragsteller diesen Vorwurf nicht substantiiert. Dieser Vortrag lässt insbesondere außer Acht, dass die oben genannten Defizite in den Kernfächern und im Arbeitsverhalten des Antragstellers nicht erst im vergangenen Schuljahr bei Wiederholung der 4. Klasse und dem dadurch bedingten Lehrerwechsel eingetreten sind, sondern sich ausweislich der vorgelegten Zeugnisse bereits über mehrere Schuljahre entwickelt haben. Die Defizite im Arbeitsverhalten sind bereits im Zeugnis der 1. Klasse im Schuljahr 2001/2002 wie in allen nachfolgenden Zeugnissen dokumentiert worden. Bereits in der 3. Klasse waren die Leistungen des Antragstellers in insgesamt 5 Fächern mit „mangelhaft“ benotet worden. Die Rechtschreibleistungen konnten in allen insgesamt sechs Notenzeugnissen der 3. und 4. Klasse nicht bewertet werden, weil sie nicht ausreichend waren.
Danach ist es offensichtlich, dass zwischen den mit mangelhaft gekennzeichneten Lernständen des Antragstellers, der über eine durchschnittliche Intelligenz verfügt, und seinem seit mehreren Schuljahren nicht ausreichenden Arbeitsverhalten ein Ursachenzusammenhang besteht, der allerdings insbesondere hinsichtlich der Hintergründe des Arbeitsverhaltens wegen der fehlenden sonderpädagogischen Begutachtung des Kindes bis zum Erlass des angefochtenen Bescheides nicht näher untersucht werden konnte. Zwar haben die Eltern des Antragstellers für ihren Sohn am 4. März 2005 ein Attest des Facharztes Dr. H. ausstellen lassen. Darin bescheinigt der Facharzt, dass er bei dem Jungen ein Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) diagnostiziert hat, was eine Erklärung sowohl für das beschriebene Arbeitsverhalten als auch das Sozialverhalten (Pausen, Mannschaftsspiele) des Antragstellers liefern kann. Dieses Attest ist der H.-Schule jedoch offenbar erst mit dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 27. Juni 2005 vorgelegt worden. Im Übrigen hat der Antragsteller jedoch nicht vorgetragen, ob und gegebenenfalls welche therapeutischen Maßnahmen zur Behandlung des ADHS in die Wege geleitet worden sind, seit wann das ADHS behandelt wird und welche Perspektive auch in zeitlicher Hinsicht sich insoweit für eine Besserung der Situation des Jungen ergeben könnte. Dieses hätte bei einer entsprechenden Mitwirkung der Erziehungsberechtigten notwendiger Gegenstand des Verfahrens auf Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs, der sonderpädagogisch-fachlichen Begutachtung des Schülers und - ggfs. nach Einholung weiterer fachärztlicher Erkenntnisse und Einschätzungen - des daraus resultierenden Fördervorschlags sein müssen.
Da dieses jedoch aus den genannten Gründen nicht geschehen ist, verbleibt nur der Befund, dass der Antragsteller trotz der Wiederholung des 4. Schuljahrgangs bisher in der Grundschule nicht in einem ausreichenden Maße gefördert werden konnte, um seine Schullaufbahn in einer weiterführenden Schule mit Aussicht auf Erfolg fortsetzen zu können. Er benötigt danach seinen eingeschränkten individuellen Lernmöglichkeiten entsprechend offensichtlich über einen längeren Zeitraum besondere Hilfen im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 2 NSchG, um an den für die einen erfolgreichen Bildungsweg im Sekundarbereich I notwendigen Stand der Lernentwicklung anschließen zu können.
Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, dass in dem jetzt begonnenen Schuljahr eine integrative Beschulung des Antragstellers im Sinne von § 4 NSchG an einer Hauptschule in Betracht käme. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass es einen Rechtsanspruch auf Durchführung einer integrativen Beschulung nicht gibt. Vielmehr steht die in § 4 NSchG vorgesehene integrative Beschulung unter dem Vorbehalt, dass durch diese zum einen dem individuellen Förderbedarf des Kindes entsprochen werden kann und zum anderen die organisatorischen, personellen und sächlichen Gegebenheiten ihre Durchführung erlauben. Nur dann, wenn die Erziehungsberechtigten sich die integrative Beschulung ihres Kindes zum Erziehungsziel gesetzt haben, trifft die Schulbehörde eine gesteigerte Begründungspflicht, wenn sie eine integrative Beschulung ablehnen will (BVerfG, Beschluss vom 08.10.1997, DVBl. 1997 S. 1432 ff.). Dass die Antragsgegnerin hier von einer integrativen Beschulung des Antragstellers absehen will, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Denn zum einen ist nicht ersichtlich, dass sich die Erziehungsberechtigten des Antragstellers eine integrative Beschulung des Kindes zum Erziehungsziel gemacht haben. Vielmehr bestreiten sie gänzlich das Bestehen eines sonderpädagogischen Förderbedarfs bei ihrem Kind, der jedoch Voraussetzung für eine integrative Beschulung nach § 4 NSchG ist. Bei dieser Sachlage kann regelmäßig nicht vom Vorliegen eines entsprechenden, eine gesteigerte Begründungspflicht der Schulbehörde auslösenden Erziehungsziels ausgegangen werden. Zum anderen hat der Antragssteller nicht nachvollziehbar dargelegt, dass in zumutbarer Entfernung eine Integrationsklasse an einer Hauptschule nach Maßgabe des § 23 Abs. 3 und 4 NSchG vorhanden wäre oder nach dem Willen des Schulträgers oder der Schule bzw. des Schulelternrats eingerichtet werden soll.
Angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller inzwischen ein Alter von nahezu 12 Jahren, dabei aber trotz Wiederholung nicht die Lernziele der 4. Klasse erreicht hat, ist nicht erkennbar, wie der Schüler seinen Bildungsweg an der Regelschule erfolgreich fortsetzen sollte. Unter diesen Umständen lässt sich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der offensichtlich rechtmäßigen Förderschulüberweisung feststellen. Das durch den staatlichen Bildungsauftrag (Art. 7 Abs. 1 GG, 4 Abs. 2 NV) vorgegebene öffentliche Interesse, dem Antragsteller so schnell wie möglich die erforderliche pädagogische Förderung zukommen zu lassen, geht angesichts der dem Jungen an einer Regelschule zur Zeit fehlenden Bildungsperspektive seinem privaten Interesse an einer Außervollzugsetzung der Förderschulüberweisung vor.