Landgericht Stade
Urt. v. 26.02.2014, Az.: 2 O 262/13

Bibliographie

Gericht
LG Stade
Datum
26.02.2014
Aktenzeichen
2 O 262/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42442
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1) Die Beklagte wird verurteilt,

a) an die klagende Partei 2.258,00 € nebst Zinsen in Höhe von 10 Prozent p.a. seit dem 27.01.2004 Zug-um-Zug gegen Rückgabe der Bücher „BERTELSMANN LEXIKOTHEK bestehend aus dem LEXIKODISC-SYSTEM 10 CDs, Wissens-Center für 3 Jahre und LEXIKOTHEKplus für 3 Jahre“ zu zahlen,

b) an die klagende Partei 2.308,00 € nebst Zinsen in Höhe von 10 Prozent p.a. seit dem 21.11.2006 Zug-um-Zug gegen Rückgabe der Bücher „Unser Jahrhundert in Wort Bild Film u. Ton + Index, Wissens-Center für 3 Jahre + Berechtigungs-CD 8.0, WISSENplus-Magazin für 3 Jahre“ zu zahlen,

c) an die klagende Partei 1.720,00 € nebst Zinsen in Höhe von 10 Prozent p.a. seit dem 23.10.2008 Zug-um-Zug gegen Rückgabe der Bücher „Lex update 4 DVDs, Brockhaus 4 DVDs, Wissens-Center für 3 Jahre, WISSENplus-Magazin für 3 Jahre“ zu zahlen.

2) Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme der unter 1) a) bis c) genannten Werke im Annahmeverzug befindet.

3) Die Beklagte wird verurteilt, weitere 916,30 € an außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten an die klagende Partei zu zahlen.

4) Die Widerklage der Beklagten wird abgewiesen.

5) Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

6) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger macht Ansprüche auf Rückabwicklung von drei Kaufverträgen über Büchersammlungen gegenüber der Beklagten geltend.

Der Kläger unterzeichnete drei Bestellurkunden für eine Bertelsmann-Lexikothek, mit denen er bei der Beklagten die nachfolgenden Bücher und elektronischen Medien käuflich erwarb:

Bestellung vom 27.01.2004:

BERTELSMANN LEXIKOTHEK bestehend aus dem LEXIKODISC-SYSTEM 10 CDs, Wissens-Center für 3 Jahre und LEXIKOTHEKplus für 3 Jahre zum Gesamtbarpreis von 1.798,00 €, Teilzahlungspreis 2.258,00 €.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage 1 zum Protokoll vom 12.02.2014 Bezug genommen (Bl. 302 d. A.).

Bestellung vom 21.11.2006:

Unser Jahrhundert in Wort Bild Film u. Ton + Index, Wissens-Center für 3 Jahre + Berechtigungs-CD 8.0, WISSENplus-Magazin für 3 Jahre, Gesamtbarpreis 1.898,00 €, Teilzahlungspreis 2.985,00 €.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage 2 zum Protokoll vom 12.02.2014 Bezug genommen (Bl. 303 d. A.).

Bestellung vom 23.10.2008:

Lex update 4 DVDs (150,00 €), Brockhaus 4 DVDs (1.898,00 €), Wissens-Center für 3 Jahre, WISSENplus-Magazin für 3 Jahre, Gesamtbarpreis 2.048,00 €, Teilzahlungspreis 2.694,00 €.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage 3 zum Protokoll vom 12.02.2014 Bezug genommen (Bl. 304 d. A.).

Die Bestellungen erfolgten jeweils gegenüber Vermittlern der Beklagten, die den Kläger unaufgefordert an seiner Wohnanschrift aufgesucht hatten. Die Bestellung vom 27.01.2004 hat der Kläger in Höhe des Teilzahlungspreises von 2.258,00 € voll bezahlt. Auf den mit der Bestellung vom 21.11.2006 vereinbarten Teilzahlungspreis von 2.985,00  € hat der Kläger an die Beklagte 2.308,00 € gezahlt. Auf die Bestellung vom 23.10.2008 hat der Kläger auf den vereinbarten Teilzahlungspreis von 2.694,00 € einen Betrag von 1.720,00 € gezahlt.

Mit Anwaltsschreiben vom 23.11.2012 gemäß der Anlage K 6 a (Bl. 42 ff. d.A.) sowie vom 01.01.2013 gemäß der Anlage K 6 b (Bl. 47 f. d.A.) widerrief der Kläger die streitbefangenen Kaufverträge und verlangte von der Beklagten die Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises. Er bot der Beklagten gegenüber die Rücksendung der Kaufgegenstände an, die Beklagte lehnte die Rückabwicklung ab.

Der Kläger behauptet, als Besteller aktivlegitimiert zu sein. Des Weiteren stehe ihm ein Widerruf der geschlossenen Verträge zu, weil die Widerrufsbelehrungen auf den Bestellurkunden fehlerhaft seien. Zudem seien die einzelnen Kaufverträge als wucherähnliches Geschäft nichtig. Darüber hinaus würden dem Kläger auch Ansprüche aus §§ 826, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB infolge der vorsätzlichen Schädigung durch die Beklagte zustehen.

Der Kläger beantragt,

wie entschieden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass in einer Vielzahl der Fälle das Kostenrisiko von einem Prozessfinanzierer, der G, den Klägern abgenommen werde, gegen eine Beteiligung von 60 % des Erlöses sowie gegen Abtretung der angeblichen Rückforderungsansprüche der Kunden der Beklagten an den Prozessfinanzierer, sodass der Kläger nicht mehr Anspruchsinhaber und daher nicht aktivlegitimiert sei. Im Übrigen seien die Verträge zwischen den Parteien wirksam zustande gekommen. Ein Widerrufsrecht bestehe nicht. Die Widerrufsbelehrungen genügen den gesetzlichen Anforderungen. Selbst wenn die Widerrufsfristen noch laufen sollten, hätte der Kläger seine Widerrufsrechte verwirkt. Infolge des Zeitablaufes könne sich der Kläger nicht mehr auf ein angeblich fortbestehendes Widerrufsrecht berufen. Zudem hätte der Kläger im Falle eines Widerrufs Wertersatz zu leisten. Delikts- und strafrechtliche Ansprüche würden nicht in Betracht kommen. Ein Annahmeverzug würde daran scheitern, dass der Beklagten die Rücksendungen der erworbenen Bücher in Annahmeverzug begründender Weise nicht angeboten worden seien. Da die klagende Partei mit der Klagerhebung zugleich konkludent ihre Leistung ernsthaft und endgültig verweigert habe, kündigt die Beklagte die mit dem Kläger getroffenen Teilzahlungsabreden für alle streitgegenständlichen Verträge, sodass sich noch ausstehende Forderungen errechnen, und zwar in Höhe von 205,00 € für den Vertrag vom 21.11.2006 und in Höhe von 1.118,00 € für den Vertrag vom 23.10.2008, mithin insgesamt in Höhe von 1.323,00 €.

Die Beklagte beantragt im Wege der Widerklage,

den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 1.323,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Wegen des weiteren Sachvortrages wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet, die Widerklage ist dagegen unbegründet.

A. Zur Klage:

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung des von ihm geleisteten Kaufpreises in Höhe von 2.258,00 €, 2.308,00 € und 1.720,00 € aus §§ 357, 346 BGB Zug-um-Zug gegen Rückgabe der streitgegenständlichen Bücher und Medien.

Der Kläger ist als Besteller aktivlegitimiert. Soweit die Beklagte im Hinblick auf anderweitige ihr bekannte Rechtstreitigkeiten auf einen Prozessfinanzierer hinweist und eine solche Prozessfinanzierung mit behaupteter Abtretung der streitbefangenen Forderungen an einen Prozessfinanzierer allgemein behauptet, reicht diese pauschal gehaltene Vermutung allein nicht aus, die Aktivlegitimation des Klägers in Frage zu stellen.

Der Kläger hat die streitbefangenen Verträge mit Anwaltsschreiben vom 23.11.2012 sowie 01.01.2013 gemäß den Anlagen K 6 a und K 6 b wirksam widerrufen. Dem Kläger stand ein Widerrufsrecht nach § 312 BGB zu, weil es sich bei den streitbefangenen drei Bestellungen um sog. Haustürgeschäfte i. S. d. Ziffer 1 des § 312 Abs. 1 BGB handelt. Alle drei Verträge wurden im Rahmen von Verkaufsgesprächen in der Wohnung des Klägers abgeschlossen, der Kläger war Verbraucher i. S. v. § 13 BGB und die beklagte Unternehmerin i. S. v. § 14 Abs. 1 BGB.

Zum Zeitpunkt des Widerrufs war die zweiwöchige Widerrufsfrist des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB noch nicht abgelaufen, weil die Widerrufsfrist gemäß Abs. 3 dieser Vorschrift mangels unzureichender Belehrung gemäß § 360 BGB nicht in Gang gesetzt worden war. Die Widerrufsbelehrungen genügen bereits nicht der Musterbelehrung der Anlage 2 zur BGB-InfoV. In allen drei Bestellungen fehlt eine eindeutige und widerspruchsfreie Anschrift der Beklagten, an die der Widerruf gerichtet werden kann. Die erste Bestellung vermengt die Anschrift mit einem Postfach mit einer Postleitzahl, wobei letztere nur auf die Anschrift zutrifft, nicht jedoch auf das unmittelbar davorstehende Postfach. Gleiches gilt für die zweite Bestellung, bei der zudem noch bei der Anschrift eine Hausnummer fehlt. Letzteres gilt ebenso für die dritte Bestellung, bei der zwar das Postfach weggelassen wurde, jedoch die Hausnummer der Anschrift fehlt und sich zudem aus dem Rubrum der Beklagten ergibt, dass diese unter der Anschrift A in G, ihren Sitz hat und damit auch die angegebene Postleitzahl fehlerhaft ist. Mit diesen fehlerhaften und irreführenden Angaben genügt die Beklagte den Anforderungen an die Widerrufsbelehrung nicht, weil dem Verbraucher nicht hinreichend klar ist, wohin er seinen Widerruf richten soll bzw. der Verbraucher durch die fehlerhaften Angaben der Beklagten bewusst in die Irre geführt wird.

Darüber hinaus fehlt in den ersten beiden Bestellungen die vorgegebene Überschrift „Widerrufsbelehrung/Widerrufsrecht“, die den Verbraucher eindeutig auf seine Rechte hinweisen soll, ohne dass er sich zunächst mit dem gesamten Text auseinandersetzen muss.

In allen drei Widerrufsbelehrungen der streitbefangenen Bestellungen fehlt zudem ein Hinweis auf die Widerrufsfolgen wie auch die Unterschrift des Verbrauchers. Da es dem Kläger unbenommen war, seine Zahlungen auch bereits vorher zu erbringen, war er auf die Folgen seines Widerrufes umfassend zu unterrichten. Die Unterschrift des Verbrauchers unter die Widerrufsbelehrung dient seinem besonderen Schutz und der ausdrücklichen Kenntnisnahme und Hervorhebung der Widerrufsbelehrung, die vorliegend ebenfalls fehlt.

Die Beklagte kann sich gegenüber der Geltendmachung des Widerrufsrechts des Klägers nicht auf Verwirkung gemäß § 242 BGB berufen. Dem gesetzlich geregelten Widerrufsrecht kann bereits denklogisch der Vorwurf einer Verwirkung im Sinne einer unzulässigen Rechtsausübung nicht entgegengehalten werden. Dies könnte allenfalls dann der Fall sein, wenn mit dem bewussten Zuwarten ein Schaden gerade erst herbeigeführt wird. Derartige Umstände sind weder ersichtlich noch dargetan, sodass der Kläger von seinem Widerrufsrecht auch Gebrauch machen kann.

Damit sind die empfangenen Leistungen einander zurückzugewähren. Ein Wertersatzanspruch steht der Beklagten gegenüber dem Kläger hierbei nicht zu. Der Gebrauchsvorteil durch die streitgegenständlichen Medien lässt einen besonderen Wert nicht erkennen. Sie sind allein immaterieller Natur und in Geld nicht bewertbar.

Die Beklagte befindet sich mit der Rücknahme der streitbefangenen Werke auch im Annahmeverzug, nachdem der Kläger die Rücksendung der Waren ausdrücklich angeboten hat, die Beklagte die Entgegennahme jedoch verweigerte, § 295 BGB.

Der Anspruch auf Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten folgt aus § 286 BGB.

B. Zur Widerklage:

Die Beklagte hat gegen den Kläger keinen Anspruch auf Zahlung noch ausstehender Raten aus den zugrundeliegenden Kaufverträgen, weil diese infolge der Widerrufserklärungen des Klägers rückabzuwickeln sind, § 357 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging gemäß § 709 ZPO.

Neues Vorbringen der Parteien aus den Schriftsätzen vom 18.02. und 24.02.2014 konnte gemäß § 296 a ZPO nicht mehr berücksichtigt werden. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung kam nicht in Betracht.