Landgericht Stade
Beschl. v. 31.01.2014, Az.: 9 T 2/14

Bibliographie

Gericht
LG Stade
Datum
31.01.2014
Aktenzeichen
9 T 2/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 42712
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG - 26.09.2013 - AZ: 12c XIV 79/12 L

Tenor:

Die Beschwerde des Verfahrenspflegers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Langen vom 26. September 2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Langen vom 26. September 2013, mit dem dieses seinen Antrag auf Festsetzung einer Vergütung nach dem Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) für seine Tätigkeit als Verfahrenspfleger im Unterbringungsverfahren zurückgewiesen hat.

Das Amtsgericht Langen ordnete auf Antrag des Landkreises mit Beschluss vom 20. September 2012 im Wege der einstweiligen Anordnung an, dass die Betroffene bis zum 31. Oktober 2012 in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses unterzubringen ist. Zugleich genehmigte es die weitergehende Freiheitsbeschränkung durch Anbringung von Bettgittern und Fixierung mittels Bauchgurtes sowie an den Händen oder den Beinen (Diagonalfixierung). In demselben Beschluss bestellte es den Beschwerdeführer, der niedergelassener Rechtsanwalt in L ist, zum Verfahrenspfleger der Betroffenen. Dabei stellte das Amtsgericht fest, dass der Beschwerdeführer die Verfahrenspflegschaft berufsmäßig ausübt.

Der Beschwerdeführer reichte unter dem 27. September 2012 eine Stellungnahme zu der Unterbringungsentscheidung zur Akte. In dieser bezieht er sich auf ein Gespräch am 27. September 2012, welches er im Klinikum mit der Betroffenen und ihrem behandelnden Arzt geführt hat. Mit Beschluss vom 4. Oktober 2012 hob das Amtsgericht Langen die Anordnung der Unterbringung auf.

Mit seinem Schreiben vom 7. Februar 2013 hat der Beschwerdeführer beantragt, ihm für seine Tätigkeit als Verfahrenspfleger eine Vergütung von insgesamt 456,96 € zu bewilligen. Seinem Antrag hat er den Gebührentatbestand nach Nr. 6300 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG zugrunde gelegt und diesen sowohl für die Befassung mit der Unterbringungsentscheidung als auch für seine Tätigkeit bezüglich der weiteren freiheitsentziehenden Maßnahmen in Ansatz gebracht. Das Amtsgericht hat eine Stellungnahme des Bezirksrevisors beim Landgericht Stade eingeholt. Dieser hat die Ansicht vertreten, dass der Beschwerdeführer eine Vergütung ausschließlich nach dem Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (VBVG) und nicht nach dem RVG verlangen könne. Ein anwaltlicher Verfahrenspfleger könne nur dann nach dem RVG abrechnen, wenn er solche Tätigkeiten erbringe, für die ein als Verfahrenspfleger tätiger Laie einen Rechtsanwalt hinzuziehen würde. Hier seien diese Voraussetzungen nicht ersichtlich. Der Ausspruch, dass die Verfahrenspflegschaft berufsmäßig geführt werde, sei allein der Bestimmung des § 1836 Abs. 1 S. 2 BGB geschuldet, und habe nicht zugleich auch die Bedeutung, dass die Verfahrenspflegschaft in Ausübung des Berufs geführt werde.

Mit Beschluss vom 26. September 2013 hat das Amtsgericht Langen den Antrag des Beschwerdeführers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem Verfahrenspfleger kein Wahlrecht zustehe, ob er nach RVG oder VBVG abrechne. Eine Vergütung nach dem RVG könne er nur dann verlangen, wenn das die Verfahrenspflegschaft anordnende Gericht zugleich festgestellt habe, dass die Verfahrenspflegschaft eine anwaltsspezifische Tätigkeit erfordere. Dies sei hier nicht der Fall. Die Feststellung, dass die Verfahrenspflegschaft berufsmäßig geführt wird, genüge hierfür nicht. Damit sei lediglich sichergestellt, dass der Verfahrenspfleger überhaupt eine Vergütung verlangen könne, und zwar nach dem VBVG. Das Amtsgericht hat in seinem Beschluss die Beschwerde gesondert zugelassen. Der Beschluss ist dem Verfahrenspfleger am 2. Oktober 2013 zugestellt worden.

Gegen den Beschluss hat der Verfahrenspfleger unter dem 28. Oktober 2013 Beschwerde erhoben. Mit seiner Beschwerde verfolgt er sein Ziel weiter, eine Vergütung nach dem RVG zu erhalten. Mit der Formulierung, dass die Verfahrenspflegschaft berufsmäßig ausgeübt werde, sei eine für das Kostenfestsetzungsverfahren bindende Feststellung getroffen worden. Der Bundesgerichtshof habe in dem Beschluss vom 12. September 2012 (Aktenzeichen XII ZB 543/11) entschieden, dass mit der Formulierung, die Verfahrenspflegschaft werde in Ausübung des Berufes geführt, eine für das Kostenfestsetzungsverfahren bindende Feststellung verbunden sei. Die in dem Beschluss vom 20. September 2012 gewählte Formulierung weiche hiervon sprachlich nur geringfügig ab. Im Übrigen dürfe die begehrte Vergütung aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht versagt werden. Für einen Rechtsanwalt müsse, um entsprechend disponieren zu können, aus dem Bestellungsbeschluss klar zu erkennen sein, ob dieser die Feststellung treffe, dass die Verfahrenspflegschaft eine anwaltsspezifische Tätigkeit erfordere.

Das Amtsgericht hat, nachdem es zuvor erneut eine Stellungnahme des Bezirksrevisors eingeholt hat, der Beschwerde nicht abgeholfen und diese der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Zwar wäre der Beschwerdewert von 600,00 €, welcher nach § 61 Abs. 1 FamFG in vermögensrechtlichen Angelegenheiten überschritten sein muss, nicht erreicht. Das Amtsgericht hat aber die Beschwerde nach § 61 Abs. 2 FamFG wirksam gesondert zugelassen, woraus sich ihre Zulässigkeit ergibt. Die Beschwerde ist auch im Übrigen in zulässiger Weise, insbesondere fristgerecht (§ 63 Abs. 1 FamFG), erhoben worden.

In der Sache erweist sich die Beschwerde als unbegründet, da die Voraussetzungen für eine Vergütung der anwaltlichen Tätigkeit als Verfahrenspfleger nach dem RVG nicht gegeben sind.

Nach § 318 FamFG gilt für die Vergütung und den Aufwendungsersatz des Verfahrenspflegers § 277 FamFG entsprechend. § 277 Abs. 1 S. 1 FamFG bestimmt, dass der Verfahrenspfleger Ersatz seiner Aufwendungen nach § 1835 BGB verlangen kann. Daneben kann er, wenn die Verfahrenspflegschaft (ausnahmsweise) berufsmäßig geführt wird, nach § 277 Abs. 2 S. 2 FamFG eine Vergütung in entsprechender Anwendung von §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 und 2 VBVG beanspruchen. Auf § 1835 Abs. 3 BGB, wonach als Aufwendung auch solche Dienste des Vormunds oder Gegenvormunds gelten, die zu seinem Gewerbe oder seinem Beruf gehören, verweist § 277 FamFG hingegen nicht. Es ist aber allgemein anerkannt, dass § 1835 Abs. 3 BGB trotz des fehlenden Verweises auf den anwaltlichen Verfahrenspfleger anzuwenden ist. Dieser kann daher, soweit er im Rahmen seiner Bestellung Tätigkeiten erbringt, für die ein Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt hinzuziehen würde, für solche Tätigkeiten eine Vergütung nach dem RVG beanspruchen. Hat das Gericht, welches den Verfahrenspfleger bestellt hat, zugleich festgestellt, dass die Verfahrenspflegschaft in Ausübung des Berufs geführt wird, ist diese Feststellung für das Vergütungsfestsetzungsverfahren bindend (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 2010 - XII ZB 244/10 = FamRZ 2011, 203).

Eine Feststellung in diesem Sinne hat das Amtsgericht Langen hier nicht getroffen. Der Formulierung in dem Beschluss vom 20. September 2013, dass die Verfahrenspflegschaft berufsmäßig geführt wird, kommt entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers eine solche Wirkung nicht zu. Diese Feststellung hat einen anderen Bedeutungsgehalt. Sie bewirkt, dass der anwaltliche Verfahrenspfleger überhaupt eine Vergütung beanspruchen kann, nämlich nach §§ 318, 277 FamFG in Verbindung mit den Bestimmungen des VBVG. Die Formulierung, dass die Verfahrenspflegschaft „berufsmäßig geführt wird“, trägt dem Gesetzeswortlaut des § 277 Abs. 2 S. 2 FamFG Rechnung, welcher bestimmt, dass eine Vergütung - abweichend vom gesetzlichen Leitbild, dass Verfahrenspflegschaften ehrenamtlich übernommen werden - unter dieser Voraussetzung verlangt werden kann (vgl. LG Saarbrücken, Beschluss vom 15. Juli 2013 - 5 T 231/13 - juris). Davon streng zu unterscheiden ist die Feststellung, dass eine von einem Rechtsanwalt übernommenen Verfahrenspflegschaft anwaltsspezifische Tätigkeiten erfordert. Sie geht über die Feststellung, dass die Verfahrenspflegschaft berufsmäßig geführt wird, hinaus und bewirkt, dass der anwaltliche Verfahrenspfleger unabhängig von den Umständen des Einzelfalls eine Vergütung nach dem RVG beanspruchen kann. Eine Umdeutung der in dem Beschluss vom 20. September 2013 getroffenen Feststellung dahingehend, dass damit die Notwendigkeit anwaltsspezifischer Tätigkeiten festgestellt werden sollte, ist angesichts des eindeutigen Wortlauts der Formulierung nicht möglich. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Amtsgericht Langen eine solche Feststellung hätte treffen wollen. Daher läge ein schützenswertes Vertrauen des Beschwerdeführers darauf, dass ihm ungeachtet der Umstände des Einzelfalls eine Vergütung nach dem RVG gezahlt werden wird, nicht vor.

Eine für das Vergütungsfestsetzungsverfahren bindende Vorgabe, dass der Beschwerdeführer für seine Tätigkeit als Verfahrenspfleger eine Vergütung nach dem RVG verlangen kann, gibt es damit nicht. Mithin könnte er seinem Vergütungsantrag die Gebührensätze des RVG nur dann zugrunde legen, wenn seine Tätigkeit als Verfahrenspfleger nach den Umständen des Einzelfalls von solchen Verrichtungen geprägt war, die als klassische anwaltliche Tätigkeit anzusehen sind. Dergleichen ist nicht bereits durch die Übernahme einer Verfahrenspflegschaft durch einen Rechtsanwalt indiziert. Mit der Verfahrenspflegschaft wird im Grundsatz nicht der anwaltliche Beruf, sondern ein Zweitberuf ausgeübt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Juni 2000 - 1 BvR 23/00, 1 BvR 111/00 = FamRZ 2000, 1280). Deutlich wird dies auch darin, dass das Gericht, welches den Verfahrenspfleger bestellt, bei der Auswahl einer zum Verfahrenspfleger geeigneten Person nicht auf Rechtsanwälte oder Angehörige anderer juristischer Berufe beschränkt ist. Verfahrenspfleger kann grundsätzlich jedermann werden, wobei das Gericht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen darüber zu entscheiden hat, wen es im konkreten Fall als Verfahrenspfleger auswählt. Zwar wird in Rechtsprechung und Literatur vertreten, dass wegen der im Unterbringungsverfahren erforderlichen Fachkenntnisse im Regelfall ein Rechtsanwalt als Verfahrenspfleger bestellt werden müsse (vgl. Budde in Keidel, FamFG, 17. Aufl. (2011), § 317 RdNr. 6). Über solche Fachkenntnisse verfügen aber nicht ausschließlich Rechtsanwälte. Auch Angehörige anderer Berufsgruppen, beispielsweise Berufsbetreuer oder auch Mediziner, können sich solche Kenntnisse aneignen, insbesondere dann, wenn sie durch ihre eigene berufliche Tätigkeit mit Unterbringungsverfahren sind. Auch ist denkbar, dass das Gericht im Einzelfall bei der Bestellung eines Verfahrenspflegers einem Angehörigen des Betroffenen aufgrund seiner Kenntnisse über dessen Krankengeschichte den Vorzug gibt gegenüber einem Dritten, der möglicherweise über höheres Fachwissen verfügt. Folglich müsste hier festzustellen sein, dass der Schwerpunkt der Tätigkeit des Beschwerdeführers in der Rechtswendung gelegen hat, also der juristischen Bewertung des von dem Gericht bei seiner Unterbringungsentscheidung zugrunde gelegten Lebenssachverhalts bzw. solcher Umstände, die sich erst nach Erlass der Entscheidung ergeben haben und den Fortbestand der Unterbringung in Frage stellen können. Im Unterbringungsverfahren nach dem NPsychKG kann dies beispielsweise in der Prüfung liegen, ob das Gericht zu Recht eine konkrete aus der Erkrankung des Betroffenen resultierende Gefahr angenommen hat, bei der Unterbringung nach dem BGB unter anderem darin, ob sich die Unterbringungsentscheidung nach den Umständen des Einzelfalls als verhältnismäßig darstellt. Nur soweit solche juristischen Bewertungen für den Verfahrenspfleger im Vordergrund stehen wäre davon auszugehen, dass ein Laie seinerseits einen Rechtsanwalt zur rechtlichen Prüfung hinzugezogen hätte.

Der Beschwerdeführer hat nach seiner schriftlichen Stellungnahme vom 27. September 2012 am selben Tag ein Gespräch mit der Betroffenen geführt, deren gesundheitliche Verfassung sich seinerzeit wieder deutlich gebessert hatte. Die Betroffene erklärte hierbei, dass eine Beschwerde gegen den Beschluss nicht erhoben werden solle. Es zeichnete sich damals ab, dass die Betroffene schon früher als ursprünglich angenommen aus dem Krankenhaus entlassen werden kann, was dann am 4. Oktober 2012 auch der Fall war. Eine rechtliche Bewertung der Unterbringungsentscheidung hat die Betroffene von dem Beschwerdeführer nicht verlangt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Verfahrenspfleger konkreten Anlass hatte, die rechtliche Bewertung des Amtsgerichts zu überprüfen. Die Erörterung mit dem Betroffenen, ob Beschwerde erhoben werden soll, reicht hierfür noch nicht, wenn nicht zugleich auch eine Bewertung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels von dem Verfahrenspfleger erwartet wird. Dies war hier aber nicht der Fall.

Eine Vergütung nach dem RVG kann der Beschwerdeführer nach alledem nicht verlangen, da mit der Verfahrenspflegschaft keine anwaltstypischen Tätigkeiten verbunden waren. Einen Antrag nach dem VBVG hat er bislang nicht gestellt, sodass das Amtsgericht seinen Antrag zu Recht zurückgewiesen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.

Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde gesondert zugelassen. Soweit ersichtlich, ist eine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage, ob ein zum Verfahrenspfleger bestellter Rechtsanwalt unabhängig von den Umständen des Einzelfalls stets eine Vergütung nach dem RVG beanspruchen kann, bis dato nicht ergangen (vgl. auch LG Saarbrücken, a.a.O.,, welches aus diesen Gründen ebenfalls die Rechtsbeschwerde zugelassen hat).