Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 25.04.2012, Az.: L 2 EG 2/12
Anspruch auf Elterngeld; Kürzung in Umsetzung des zum 1.1.2011 in Kraft getretenen Haushaltsbegleitgesetz 2011
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 25.04.2012
- Aktenzeichen
- L 2 EG 2/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 16122
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2012:0425.L2EG2.12.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BSG - 04.09.2013 - AZ: B 10 EG 11/12 R
Rechtsgrundlagen
- § 1 BEEG
- § 2 BEEG
- Art. 6 GG
- Art. 14 Nr. 2b HBeglG (2011)
- § 48 SGB X
Fundstelle
- FuR 2012, 644
Redaktioneller Leitsatz
Die durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 vorgesehene Reduzierung von Elterngeldansprüchen erfasste auch Berechtigte, deren Kind bereits vor dem 31. Dezember 2010 geboren worden war. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 10. Januar 2012 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen die vom Sozialgericht ausgesprochene Aufhebung seines Änderungsbescheides, mit dem er eine Kürzung des der Klägerin gewährten Elterngeldes in Umsetzung des zum 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Haushaltsbegleitgesetz 2011 (HBeglG 2011 vom 9. Dezember 2010, BGBl. I 1885) vorgenommen hatte.
Die als Finanzbeamtin tätige Klägerin gebar am 24. September 2010 die Tochter I ... In dem folgenden Jahr hat die Klägerin Elternzeit in Anspruch genommen und ihre berufliche Tätigkeit ausgesetzt.
Antragsgemäß bewilligte ihr der Beklagte mit Bescheid vom 8. Dezember 2010 Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihres Kindes, und zwar in Höhe von monatlich 1.312,48 EUR für den 3. und 4. Bezugsmonat. Der Anspruch für die folgenden acht Bezugsmonate sollte antragsgemäß in jeweils zwei Monatsraten, d.h. in Höhe von monatlich 656,24 EUR über einen Zeitraum von insgesamt 16 Monaten, zur Auszahlung gelangen. Seinerzeit galten nach § 2 Abs. 1 und 2 BEEG insbesondere folgende Regelungen für die Bemessung des Elterngeldes:
(1) Elterngeld wird in Höhe von 67 Prozent des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1 800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt
(2) In den Fällen, in denen das durchschnittlich erzielte monatliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt geringer als 1 000 Euro war, erhöht sich der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die das maßgebliche Einkommen den Betrag von 1 000 Euro unterschreitet, auf bis zu 100 Prozent.
Ausgehend von einem durchschnittlichen Erwerbseinkommen der Klägerin vor der Geburt ihres Kindes in Höhe von monatlich 1.958,93 EUR und unter Heranziehung des seinerzeit nach § 2 Abs. 1 BEEG maßgeblichen Bemessungssatzes von 67 % hatte der Beklagte den genannten Betrag von 1.312,48 EUR ermittelt.
Am 14. Dezember 2010 wurde im Bundesgesetzblatt (I 1885) das Haushaltsbegleitgesetz 2011 bekannt gemacht. Dessen Art. 14 Ziff. 2b sah eine Ergänzung des § 2 Abs. 2 BEEG um folgende Vorschrift vor: "In den Fällen, in denen das durchschnittlich erzielte monatliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt höher als 1 200 Euro war, sinkt der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die das maßgebliche Einkommen den Betrag von 1 200 Euro überschreitet, auf bis zu 65 Prozent."
Diese Neuregelung sollte nach Art. 24 Abs. 2 HBeglG 2011 zum 1. Januar 2011 in Kraft treten.
Der Beklagte hatte die Klägerin und die weiteren Elterngeldberechtigten in seinem Zuständigkeitsbereich bereits mit einem Rundschreiben vom 2. Dezember 2010 auf diese (seinerzeit bevorstehende) Neuregelung unterrichtet.
Mit Bescheid vom 24. Januar 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2011 nahm der Beklagte gestützt auf die Neufassung des § 2 Abs. 2 BEEG unter Heranziehung von § 48 SGB X eine Neuberechnung des der Klägerin ab dem 24. Januar 2011, d.h. ab Beginn des fünften Lebensmonates ihres Kindes, zu gewährenden Elterngeldes vor. Ausgehend von dem gesetzlich neu vorgegebenen Bemessungssatz von 65 % setzte er die Höhe des - für die noch ausstehenden acht Bezugsmonate antragsgemäß weiterhin in jeweils zwei Monatsraten auszuzahlenden - Elterngeldes nunmehr auf 636,65 EUR (entsprechend der Hälfte von 65 % des von der Klägerin vor der Geburt ihres Kindes in Höhe von monatlich 1.958,93 EUR erzielten Erwerbseinkommens) fest.
Mit ihrer am 11. Juli 2011 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass die nur relativ geringfügige Absenkung des Elterngeldes keine "wesentliche" Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X beinhalte. Zudem missachte das HBeglG 2011 ihr schutzwürdiges Vertrauen und beinhalte eine unzulässige Rückwirkung. Die Neuregelung missachte den verfassungsrechtlich verbürgten Schutz der Familie. Der Gesetzgeber habe den berechtigten Interessen der betroffenen Familien und Eltern nur unzureichend Rechnung getragen.
Mit Urteil vom 10. Januar 2012, dem Beklagten zugestellt am 20. Januar 2012, hat das Sozialgericht Oldenburg gestützt insbesondere auf ein Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 26. September 2011 (S 2 EG 17/11 - nachgewiesen u.a. bei Juris) die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Mangels einer Übergangs- oder Stichtagsregelung betreffe die Neufassung des § 2 Abs. 2 Satz 2 BEEG nur die Ansprüche solcher Eltern, deren Kinder erst nach dem 31. Dezember 2010 geboren seien. Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen.
Mit seiner am 25. Januar 2012 eingelegten Berufung macht der Beklagte demgegenüber geltend, dass das HBeglG 2011 ab seinem Inkrafttreten auch auf solche Berechtigte anzuwenden sei, deren Kinder bereits vor dem Jahreswechsel 2010/2011 geboren worden seien. Der Gesetzgeber habe die Neuregelung auch so ausgestaltet, dass unzumutbare Belastungen vermieden worden seien.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 10. Januar 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin schließt sich der Argumentation der Sozialgerichte Oldenburg und Wiesbaden an. Eine Berücksichtigung der gesetzlichen Neuregelung vermindere ihre Elterngeldansprüche insgesamt um einen Betrag von 313,44 EUR. Dies beinhalte eine spürbare Einbuße für die Familie, zumal ihr Mann als Bundesbeamter nur über ein Gehalt der Besoldungsgruppe A7 verfüge und aufgrund der ganz erheblichen Wege zur Arbeit erhebliche Werbungskosten sowie die Kosten für den - anteiligen - privaten Krankenversicherungsschutz der dreiköpfigen Familie zu tragen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die vom Sozialgericht zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen, da der Neuberechnungsbescheid vom 24. Januar 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2011 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
Der angefochtene Bescheid findet seine erforderliche Rechtsgrundlage in § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist nach dieser Vorschrift der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
Die Beurteilung der Frage, ob eine "wesentliche Änderung" in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist, richtet sich nach dem materiellen Recht. Wesentlich sind alle Änderungen, die dazu führen, dass die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt (d.h. dem Grunde oder der Höhe nach) nicht hätte erlassen dürfen (vgl. BSG, U.v. 6. November 1985 - 10 RKg 3/84 - BSGE 59, 111 [BSG 06.11.1985 - 10 RKg 3/84]).
"Soweit" eine auch nur geringfügige Änderung der rechtlichen Vorgaben für einen Verwaltungsakt rechtserheblich ist, ist er (teilweise) aufzuheben (vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, 71. Ergänzungslieferung 2011, § 48 SGB X, Rn. 13).
Einen solchen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (für die Dauer des Bezugszeitraumes) beinhaltete der Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 8. Dezember 2010. In den ihm zugrunde liegenden rechtlichen Verhältnissen ist nachfolgend mit der Neufassung des § 2 Abs. 2 BEEG durch das HBeglG 2011 eine Änderung in der Form eingetreten, dass der Bemessungssatz des Elterngeldes bei Berechtigten mit einem Erwerbseinkommen vor der Geburt von mehr als 1240 EUR, wie es auch die Klägerin erzielt hatte, von 67 % auf 65 % herabgesetzt worden ist. Dies hat für die Betroffenen eine Kürzung der Elterngeldansprüche um 2/67, d.h. um 2,99 %, bewirkt. Dementsprechend hat sich der Elterngeldanspruch der Klägerin bedingt durch diese gesetzliche Neuregelung für die nach der Änderung beginnenden acht Bezugsmonate in diesem Umfang reduziert. Da die Elterngeldzahlungen für diese acht Bezugsmonate auf Antrag der Klägerin nach § 6 Satz 2 BEEG in jeweils zwei halben Monatsbeträgen gewährt worden sind, hat sich der ihr für diese 16 Auszahlungsmonate zustehende Betrag, wie der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zutreffend dargelegt hat, von dem sich nach Maßgabe der früheren bis zum 31. Dezember 2010 geltenden gesetzlichen Vorgaben ergebenden Betrag von jeweils 656,24 EUR auf 636,65 EUR unter Berücksichtigung der zum 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Neufassung des § 2 Abs. 2 BEEG reduziert.
Der Senat vermag dem Sozialgericht nicht dahingehend zu folgen, dass sich die durch das HBeglG 2011 bewirkte Neufassung des § 2 Abs. 2 BEEG nur auf Berechtigte bezieht, deren Kinder erst nach dem 31. Dezember 2010 geboren worden sind.
Nach der klaren Bestimmung des Art. 24 Abs. 2 des HBeglG 2011 sollte u.a. Art. 14 dieses Gesetz und damit auch die Neufassung des § 2 Abs. 2 BEEG zum 1. Januar 2011 in Kraft treten. Da der Gesetzgeber keine anderslautenden Übergangsregelungen vorgesehen hat, betraf die Neuregelung damit alle ab Januar 2011 zu erbringenden Elterngeldansprüche, und zwar unabhängig davon, ob die zu betreuenden Kinder vor oder erst nach der Gesetzesänderung geboren worden waren (vgl. in diesem Sinne auch Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. November 2011 - L 13 EG 41/11 - Juris).
Eine von diesem klaren Wortlaut abweichende Norminterpretation kommt um so weniger in Betracht, als die Gesetzesmaterialien ausdrücklich den Willen des Gesetzgebers belegen, auch die Ansprüche solcher Eltern zu erfassen, deren Kinder bereits vor der Gesetzesänderung geboren waren. Von Seiten der Länder war im Rahmen der Anhörung zum Haushaltsbegleitgesetz 2011 ausdrücklich die Anregung vorgebracht worden, eine Übergangsregelung für die Änderungen im Elterngeldbereich zu schaffen. Dieser Vorschlag ist im weiteren Gesetzgebungsverfahren jedoch ausdrücklich abgelehnt worden, da der Vorschlag einer Stichtagsregelung nicht im Einklang mit den Haushaltserfordernissen stünde, die sich insbesondere aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Neuverschuldung ergäben (vgl. BT-Drs. 17/3361, S. 4).
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Neuregelung sind nicht ersichtlich. Insbesondere missachten diese kein schutzwürdiges Vertrauen auf Seiten der Eltern. Der Anspruch auf Elterngeld wird ohnehin nicht bereits mit der Geburt des Kindes begründet, sondern erst dadurch, dass der berechtigte das Elterngeld beantragende Elternteil im jeweiligen Bezugsmonat alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Zu diesen Anspruchsvoraussetzungen gehören neben den Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 BEEG insbesondere auch die Nichtausübung einer mehr als 30 Wochenstunden beanspruchenden Erwerbstätigkeit (§ 1 Abs. 6 BEEG).
Hiervon ausgehend beinhaltete die durch das HBeglG 2011 bewirkte Neufassung des § 2 Abs. 2 BEEG ohnehin keine Rückwirkung, da von dieser nur künftige Elterngeldansprüche, d.h. Ansprüche auf Elterngeld für die ab dem 1. Januar 2011 beginnenden Bezugsmonate, betroffen waren. Aber auch wenn - entgegen der Auffassung des Senates - von einem Gesetz mit unechter Rückwirkung auszugehen sein sollte, würde die Neuregelung jedenfalls demjenigen Vertrauensschutz hinreichend Rechnung tragen, der den betroffenen Eltern gegenüber Gesetzen mit unechter Rückwirkung zuzubilligen ist.
Eine unechte Rückwirkung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Sie liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet. Grenzen der Zulässigkeit können sich lediglich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergeben. Die sich aus diesen Verfassungsprinzipien ergebenden Anforderungen sind erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (BVerfG, U.v. 23. November 1999 - 1 BvF 1/94 - E 101, 239, Juris-Rz 96).
Der Gesetzgeber ist grundsätzlich befugt, in das Leistungsgefüge des Sozialrechts ordnend einzugreifen (BVerfG, B.v. 14. März 2001 - 1 BvR 2402/97 - SozR 3-4100 § 242q Nr 2). Er ist mithin im Grundsatz von Verfassungs wegen nicht daran gehindert, Leistungsansprüche auch zu reduzieren. Das Ziel der Sanierung der Staatsfinanzen durch Einsparungen auf der Ausgabenseite ist eine übergreifende und legitime Aufgabe des Gesetzgebers zu Gunsten des Staatsganzen (BVerfG, aaO., mwN).
Die Neufassung des § 2 Abs. 2 BEEG durch das HBeglG 2011 erfolgte im Rahmen der Bemühungen der Haushaltskonsolidierung. Nach Einschätzung des Gesetzgebers konnte dabei der Bereich der Familienleistungen nicht ausgespart werden. Bei der Auswahl der Bereiche, in denen die erforderlichen Beiträge zur Einsparung vorgenommen wurden, ist aus Sicht des Gesetzgebers sichergestellt worden, dass Einsparungen nur dort erfolgten, wo die notwendigen Beschränkungen des Leistungsumfangs familienpolitisch vertretbar waren (BT-Drs. 17/3030, S. 47).
Damit konnte sich der Gesetzgeber auf öffentliche Interessen von besonderer Bedeutung berufen. Die langfristige Stabilität der Staatsfinanzen ist für alle Bürger und natürlich auch für Familien von herausragender Bedeutung.
Schon angesichts der geringen Höhe der zur Überprüfung gestellten Leistungsreduzierung um ca. 3 % lässt sich nichts dafür objektivieren, dass diese die betroffenen Eltern bei Abwägung ihres Interesses mit den verfolgten Gemeinwohlbelangen unverhältnismäßig belasten könnte. Dies gilt auch unter der eventuellen Annahme, dass diese bei der Entscheidung für oder gegen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit während der ersten Lebensmonate des Kindes die Höhe des (nach der im Zeitpunkt der Geburt maßgeblichen Rechtslage) zu erwartenden Elterngeldes konkret ermittelt und in ihre Entscheidungen mit einbezogen haben sollten. Der Gesetzgeber durfte jedenfalls im Rahmen der ihm zukommenden typisierenden Betrachtung davon ausgehen, dass die mit dem HBeglG 2011 vorgesehene Kürzung (für Eltern mit einem Erwerbseinkommen vor der Geburt von mehr als 1.200 EUR) um bis zu ca. 3 % angesichts ihres begrenzten Ausmaßes kein ausschlaggebendes Gewicht im Rahmen solcher Abwägungen gewinnen würde. Davon durfte er sich auch vor dem Hintergrund leiten lassen, dass sich ohnehin bei solchen Entscheidungen vielfach nicht alle finanziellen Auswirkungen der in Betracht kommenden Varianten - wie etwa die genaue Höhe von Fremdbetreuungskosten bei einer Fortsetzung der Erwerbstätigkeit beider Eltern - im Voraus im Detail berechnen lassen.
Nur ergänzend sei angemerkt, dass mögliche Kürzungen der Elterngeldansprüche auch bereits im Zeitpunkt der Geburt der Tochter der Klägerin Gegenstand der politischen Erörterungen waren. Bereits im Rahmen der Kabinettklausur am 6. und 7. Juni 2010 hatte die Regierung ein Konsolidierungspaket im Umfang von rund 80 Mrd. Euro für die Jahre 2011 bis 2014 beschlossen, um die finanzielle Handlungsfähigkeit des Bundes im Rahmen dieser Vorgaben sicherzustellen (BT-Drs. 17/3030, S. 1). Im Rahmen dieser Klausur hatte sich die Regierung bereits für eine Absenkung der Elterngeldansprüche im Sinne der nachfolgend zum 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Neufassung des § 2 Abs. 2 BEEG ausgesprochen, worüber sich die Betroffenen bereits am 7. Juni 2010 in den Medien informieren konnte (vgl. nur beispielsweise den Bericht vom 7. Juni 2010 unter http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,699255-2,00.html).
Auch im Übrigen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Neufassung des § 2 Abs. 2 BEEG. Das Elterngeld dient der Familienförderung. Der Gesetzgeber trägt damit zu dem ihm verfassungsrechtlich durch Art. 6 GG aufgetragenen Schutz der Familie bei.
Hinsichtlich der Ausgestaltung und Konkretisierung dieses Schutzauftrages ist ihm jedoch ein weitreichendes Ermessen zuzubilligen. Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit kommt ihm grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu; weit ist dieser Regelungs- und Bewertungsfreiraum namentlich auch hinsichtlich der Ausgestaltung der Familienförderung (BVerfG, B.v. 9. November 2011 - 1 BvR 1853/11 - mwN). Die Grenzen dieses weiten Gestaltungsspielraums werden durch die vorliegend zu beurteilende geringfügige Modifizierung der Höhe des Elterngeldes nicht tangiert.
Im Übrigen verweist der Senat auf die zutreffende Begründung des Bescheides vom 24. Januar 2011 und des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2011.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision wird nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zugelassen.