Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 05.04.2012, Az.: L 11 AS 60/12 NZB
Nichtzulassungsbeschwerde; Grundsätzliche Bedeutung; Divergenz; Verschuldenskosten
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 05.04.2012
- Aktenzeichen
- L 11 AS 60/12 NZB
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 23432
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2012:0405.L11AS60.12NZB.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Braunschweig - 07.12.2011 - AZ: S 50 AS 3048/09
Rechtsgrundlagen
- § 144 Abs. 2 Nr.1 SGG
- § 144 Abs. Nr. 2 SGG
- § 192 SGG
Redaktioneller Leitsatz
1. Grundsätzliche Bedeutung liegt vor, wenn eine Rechtsfarge bisher nicht geklärt ist und ihre Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Wurde die Frage hingegen schon höchstrichterlich entschieden worden, fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit.
2. Divergenz ist gegeben, wenn ein abstrakter Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung mit dem Rechtssatz einer Entscheidung der in § 144 Abs 2 Nr 2 SGG genannten Gerichte - mit dem in dem Bereich zuständigen LSG - nicht übereinstimmt und der Entscheidung des Sozialgerichts tragend zugrunde liegt.
3. Soweit keine zulässige Berufung vorliegt, kann auch keine Prüfung der Verschuldenkostenentscheidung nach § 192 SGG vom LSG erfolgen.
Tenor:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 7. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.
Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts (SG) Braunschweig vom 7. Dezember 2011.
In dieser Entscheidung hat das SG die zuvor mit Beschluss vom 27. Oktober 2011 verbundenen Klagen auf höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) abgewiesen, die durch Schriftsatz des Klägers vom 5. Juli 2010 auf unter 750,- EUR beschränkt worden waren. Einen vom Prozessbevollmächtigten des Klägers am 7. Dezember 2011 gestellten Befangenheitsantrag hat das SG als rechtsmissbräuchlich angesehen und in der Entscheidung abgelehnt. Das SG hat dem Prozessbevollmächtigten des Klägers Verschuldenskosten in Höhe von 150,- EUR auferlegt, weil dieser die Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung verschuldet habe.
Gegen die am 9. Januar 2012 zugestellte Entscheidung ist am 19. Januar 2012 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden, die trotz Aufforderung mit Fristsetzung durch den Senat nicht begründet worden ist.
Daneben sind Beschwerden des Klägers und des Prozessbevollmächtigten in eigenem Namen gegen die Auferlegung von Verschuldenskosten eingelegt worden (L 11 AS 147/12 B und L 11 AS 148/12 B). II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
Die Berufung war zunächst nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 144 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zuzulassen. Eine Rechtsfrage hat nur grundsätzliche Bedeutung, wenn sie bisher nicht geklärt ist und ihre Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Ist die Rechtsfrage dagegen bereits höchstrichterlich entschieden worden, ist sie nicht mehr klärungsbedürftig (vgl. BSG, Beschluss vom 25. August 2011 - B 8 SO 1/11 B; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 160 Rn 8 mit umfangreichen weiteren Nachweisen). Eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt ebenfalls nicht in Betracht, wenn sich die Entscheidung unabhängig von der Beantwortung der vermeintlich grundsätzlichen Rechtsfrage schon aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend darstellt (vgl. BSG, Beschluss vom 30. August 2004 - B 2 U 401/03 B, NZS 2005, 222). Der Kläger hat in seiner nicht begründeten Beschwerde keine Rechtsfrage aufgezeigt, die in diesem Sinne grundsätzliche Bedeutung hat. Auch für den Senat ergibt sich bei Durchsicht der angefochtenen Entscheidung nicht, dass das SG Fragen von allgemeiner Bedeutung im o.g. Sinne zu behandeln hatte. Eine grundsätzliche Bedeutung im soeben näher dargelegten Sinne kommt deswegen nicht in Betracht.
Die Berufung war auch nicht wegen Divergenz im Sinne von § 144 Abs 2 Nr 2 SGG zuzulassen. Eine Divergenz i.S.d. § 144 Abs 2 Nr 2 SGG liegt nur vor, wenn ein abstrakter Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung mit dem Rechtssatz einer Entscheidung der in § 144 Abs 2 Nr 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmt und der Entscheidung des SG tragend zugrunde liegt (vgl. BSG, Beschluss vom 19. November 2009 - B 13 RS 61/09 B, Rn 14; Leitherer, aaO., § 160 Rn 13). Eine Abweichung liegt somit nicht vor, wenn das SG einen Rechtssatz nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn diesem Rechtssatz tatsächlich widersprochen, das bedeutet ein anderer Rechtssatz aufgestellt und angewandt wurde. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet eine Zulassung der Berufung wegen Divergenz (BSG, Beschluss vom 19. November 2009, aaO., Rn 14; Udsching in: BeckOK Sozialrecht, Stand: 2012, § 160 SGG Rn 19; Leitherer, aaO., § 160 Rn 14 - jeweils zur Divergenz i.S.d. § 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Das angefochtene Urteil des SG enthielt keinen tragenden abstrakten Rechtssatz, der von einem Rechtssatz abweicht, der von einem der in § 144 Abs 2 Nr 2 SGG genannten Gerichte aufgestellten Rechtssatz abweicht. Sowohl hinsichtlich der Ablehnung des von ihm als rechtsmissbräuchlich angesehenen Befangenheitsantrags als auch hinsichtlich der von ihm behandelten materiellrechtlichen Fragen hat das SG jeweils die höchstrichterliche Rechtsprechung beziehungsweise die Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen zitiert und sich ersichtlich an ihr orientiert. Der Senat vermag daher auch keine Divergenz im Sinne von § 144 Abs 2 Nr 2 SGG zu erkennen.
Da der Kläger keine Verfahrensmängel geltend gemacht hat, auf denen die erstinstanzliche Entscheidung beruhen könnte (vgl. zum Erfordernis der ausdrücklichen Geltendmachung und Darlegung eines konkreten Verfahrensmangels im Rahmen des § 144 Abs 2 Nr 3 SGG: BSG, Urteil vom 21. März 1978 - 7/12/7 RAr 41/76, SozR 1500 § 150 Nr 11; Urteil vom 15. Mai 1985 - 7 RAr 40/84, SozSich 1985, 346; Leitherer, aaO., § 144 Rn 36), ist die Berufung auch nicht nach § 144 Abs 2 Nr 3 SGG zuzulassen.
Die Frage, ob das SG dem Prozessbevollmächtigten des Klägers in Anwendung von § 192 SGG in rechtmäßiger Weise Verschuldenskosten auferlegt hat (diese Möglichkeit grundsätzlich bejahend LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. August 2010 - L 8 SO 159/10; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl., XII Rn 29,38; ablehnend Leitherer, aaO., § 192 Rn 2 unter falscher Bezugnahme auf Krasney/Udsching; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, § 192 Rn 4, der davon spricht, der Normtext "suggeriere" das Gegenteil lediglich), ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht zu prüfen. Das ergibt sich zunächst aus § 192 Abs 3 Satz 2 SGG. Danach kann die diesbezügliche Entscheidung des SG nämlich nur in einer zu begründenden Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren aufgehoben werden. Das LSG kann die Entscheidung des SG also nur prüfen, wenn es im Rahmen einer statthaften und zulässigen Berufung neben der Hauptsache auch die Kostenentscheidung des LSG zu prüfen hat (vgl. BSG, Beschluss vom 28. Oktober 2010, B 13 R 229/10 B - SozR 4-1500 § 192 Nr 1). Da aber - wie ausgeführt - keine Gründe für die Zulassung der Berufung vorliegen, liegt auch kein statthaftes und zulässiges Rechtsmittel im Sinne von § 192 Abs 3 Satz 2 SGG vor. Die Kostenentscheidung des SG im Rahmen der Anwendung von §§ 193,192 SGG kann daher vom Senat nicht überprüft werden.
Das ergibt sich auch aus allgemeinen, kostenrechtlichen Überlegungen. Es gilt nämlich der allgemeine prozessrechtliche Grundsatz, dass die Anfechtung der Entscheidung über den Kostenpunkt unzulässig ist, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache Rechtsmittel eingelegt wird. Liegen die Voraussetzungen des § 144 Abs 2 SGG nicht vor, kann die Berufung wegen der Kostenentscheidung im Urteil des SG auch von diesem schon nicht zugelassen werden (BSG, Beschluss vom 8. Januar 1985 - 7 BAr 109/84, SozR 1500 § 160 Nr 54, Rn 3 für das Revisionsrecht unter Hinweis auf parallele Regelungen in anderen Prozessordnungen).
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von § 193 SGG. Auch im Rahmen der Kostenentscheidung des Beschwerdeverfahrens kann der Senat die Kostenentscheidung des SG nicht ändern (Leitherer, aaO., § 145 Rn 10).
Der Beschluss ist in Anwendung von § 177 SGG unanfechtbar.