Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 25.02.2000, Az.: 6 B 125/00
Integrationsunterricht; Sonderschule; Sonderschule für Erziehungshilfe; Überweisung
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 25.02.2000
- Aktenzeichen
- 6 B 125/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 41230
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 14 SchulG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Keine sofortige Überweisung zu einer weit entfernten Sonderschule für Erziehungshilfe, wenn die Integrationsmöglichkeiten in eine vorhandene (öffentliche) Sonderschule noch nicht ausgeschöpft wurden.
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 09.09.1999 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 06.12.1999 wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4000 DM festgesetzt.
Gründe
Der nach § 80 Abs. 5 VwGO statthafte Antrag ist begründet.
Das private Interesse der Antragsteller, von der sofortigen Vollziehung der Anordnung der Antragsgegnerin verschont zu bleiben, wonach der Antragsteller zu 2. die Sonderschule für Erziehungshilfe in Hannover zu besuchen hat, überwiegt das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Maßnahme.
Die Kammer hat sich bei der in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht die Überzeugung verschaffen können, dass die angefochtene Überweisungsverfügung auf die Schule für Erziehungshilfe in Hannover sich im Hauptsacheverfahren wahrscheinlich als rechtmäßig erweist. Nach Auffassung der Kammer überwiegt deshalb das private Interesse der Antragsteller, von den erheblichen Folgen des Sofortvollzugs der angefochtenen Maßnahmen vorläufig verschont zu bleiben, zumal die Berichte der derzeitigen Lehrer des Antragstellers zu 2. an der Grund- und Hauptschule aktuell durchgreifende Bedenken gegen eine Fortsetzung seines Schulbesuchs nicht haben aufkommen lassen.
Die angegriffene Überweisungsverfügung unterliegt rechtlichen Zweifel allerdings nicht bereits deshalb, weil die Antragsgegnerin es unterlassen hat zu erwägen, ob eine der in Braunschweig befindlichen Schulen für Erziehungshilfe, die sich - soweit ersichtlich - alle in freier Trägerschaft befinden, zu einer Aufnahme des Antragstellers gezwungen werden kann. Eine solche Verpflichtung besteht mit Blick auf die Privatschulfreiheit dieser Schulen in freier Trägerschaft auch nach Auffassung der Kammer nicht.
Die rechtlichen Bedenken der Kammer gegen die Rechtmäßigkeit der Überweisungsverfügung gründen sich insbesondere auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dem Antragsteller zu 2. wird ein Schulweg zugemutet, der bei der hier zunächst nur in Rede stehenden Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nach überschlägiger Schätzung der Kammer allein für eine Fahrstrecke einen Zeitaufwand von ungefähr zwei Stunden erfordern wird. Dem werden die nach Aktenlage erkennbaren Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin nicht gerecht. Gerade angesichts der Tatsache, dass es in Braunschweig eine Sonderschule für Erziehungshilfe nicht gibt, wären weitergehende Überlegungen - und deren nachprüfbare Darlegung in den angegriffenen Bescheiden - erforderlich gewesen, warum der Antragsteller zu 2. nicht im Zuge einer kurzfristig einzurichtenden integrativen Maßnahme im Sinne der §§ 4, 14 NSchG an seinem Wohnort oder in nicht zu weiter Entfernung dazu beschult werden kann.
Dem Antrag ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG und berücksichtigt die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzusetzenden Wertes.