Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 14.02.2000, Az.: 4 A 4209/98

Al Turk, Rial; Flugblätter; Kommunistische Partei/Political Bureau; Nationale Front; Syrien

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
14.02.2000
Aktenzeichen
4 A 4209/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 41891
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Mitgliedschaft und politischen Aktivität (Flugblattverteilen) für die Kommunistische Partei/Political Bureau (CPPB) in Syrien.

Gründe

1

Aus den Gründen:

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Der Kläger zu 1) hat hiernach asylbegründenden Tatsachen nicht glaubhaft machen können.

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Der Kläger zu 1) hat nicht glaubhaft machen können, dass er tatsächlich Mitglied der Kommunistischen Partei/Political Bureau (CPPB) ist. So hat er auch durch seine Ausführungen in der mündlichen Verhandlung nicht glaubhaft machen können, dass er diese Bezeichnung seiner Partei bei der Anhörung beim Bundesamt auch genannt hat. Dieses beruht zum einen auf seiner Erklärung, er habe alles verstanden und habe nichts mehr hinzuzufügen (Seite 16 des Anhörungsprotokolls), zum anderen darauf, dass er im Zusammenhang mit der Rückübersetzung zwar ergänzende Angaben gemacht hat, jedoch nicht den bisher genannten Namen seiner Partei ("Kommunistische Demokratische Syrische Partei") korrigiert hat. Daraus ergibt sich weiter, dass dem Kläger zu 1) die Unterschiede zwischen der Syrischen Kommunistischen Partei und der Kommunistischen Partei/Political Bureau offensichtlich nicht hinreichend bekannt sind. Während die erstere Partei im Rahmen der "Nationalen Progressiven Front" staatstragend ist (vgl. Lagebericht vom 13. Januar 1999, Seite 3), ist die Zweite verboten und den Mitgliedern droht Verfolgung. So gibt der Kläger zu 1) das Gründungsdatum seiner Partei mit 1924 an. Damit vermengt er unterschiedslos die Al-Turk-Gruppe mit der Syrischen Kommunistischen Partei. 1924 ist nämlich das Gründungsdatum der Syrischen Kommunistischen Partei und nicht das Gründungsdatum der Al-Turk-Gruppe, das im Jahre 1972 (teilweise wird auch von 1974 ausgegangen) liegt (vgl. Auskunft DOI vom 7.8.1995 an VG Ansbach). Die fehlende Identifizierung mit der Kommunistischen Partei/Political Bureau ergibt sich aus den Angaben des Klägers zu 1) über die Zielsetzungen der Partei. Nachdem er anfangs bei der Anhörung befragt zu den Parteizielen befragt allgemein vortrug, es seien organisatorische Angelegenheiten gewesen, um die Opportunisten und die Radikalen zur Rechenschaft zu ziehen, konnte er im Rahmen seiner Ergänzung nach der Rückübersetzung auch nur sehr allgemein angeben, es ginge der Partei um Befreiung, Sozialismus, Arabische Einheit und Demokratie. Dabei handelt es sich jedoch nicht um typische Zielsetzungen der stramm zentralistisch verfassten Kommunistischen Partei/Political Bureau (vgl. Auskunft DOI aaO.). Auch aufgrund der Dauer der behaupteten Mitgliedschaft des Klägers zu 1) in dieser Partei seit 1992 wäre eine genauere Kenntnis der Zielsetzungen dieser Partei zu erwarten gewesen, zumal die Mitgliedschaft in dieser Partei mit Verfolgungsgefahren verbunden ist. Vor diesem Hintergrund ist nicht glaubhaft, dass der Kläger zu 1) am 9. Februar 1998 (einem Montag, und nicht wie von Kläger zu 1) gesagt ein Sonntag) Flugblätter verteilt hat und deshalb am folgenden Tag sein Haus durchsucht wurde. Dabei ist im Übrigen auffällig, dass die syrischen Sicherheitskräfte mehrmals bei ihm zu Hause nach ihm gesucht haben sollen, der Kläger zu 1) jedoch nicht angegeben hat, dass auch auf seiner Arbeitsstelle nach ihm gesucht wurde. Hinzu kommt, dass es auch durch Bestechungsgelder kaum möglich sein dürfte, über den streng kontrollierten Flughafen Damaskus auszureisen, wenn der Kläger zu 1) als Mitglied der Kommunistischen Partei/Political Bureau gesucht worden wäre.

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Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen kann das erkennende Gericht nicht die Überzeugung gewinnen, dass der vom Kläger zu 1) geschilderte Vorgang sich so ereignet hat.

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Soweit der Prozessbevollmächtigte durch Schriftsatz vom 25.01.2000 die Vernehmung eines Zeugen begehrt hat, war diese nicht angezeigt, da dieser nur bezeugen sollte, wie das syrische Regime mit Anhängern der politischen Partei des Klägers umgeht. Damit kann dieser Zeuge jedoch keine Angaben zur behaupteten Mitgliedschaft des Klägers zu 1) in dieser Partei und zu seinen Aktivitäten machen.

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2. Die Voraussetzungen für einen vom Bundesamt nach § 51 Abs. 2 Satz 2 AuslG festzustellenden Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG liegen ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung gegenwärtig oder in absehbarer Zukunft bedroht ist. Der Anwendungsbereich des § 51 Abs. 1 AuslG betrifft neben den in § 51 Abs. 2 Satz 1 AuslG genannten Fällen (politische Verfolgung i.S.d. Art. 16 a Abs. 1 GG sowie anerkannte Flüchtlingseigenschaft) insbesondere die Fälle, in denen eine Anerkennung als Asylberechtigter aus den in §§ 26 a und 27 AsylVfG (bei Einreise aus Drittstaaten) genannten Gründen ausgeschlossen ist oder wegen selbst geschaffener (subjektiver) Nachfluchtgründe im Sinne des § 28 AsylVfG scheitert. Er knüpft am gleichen Begriff der politische Verfolgung an, den auch das Grundrecht auf Asyl zugrunde legt (BVerwG, Urt.v. 18.1.1994 - 9 C 48.92 -, NVwZ 1994, 497; Urt.v. 22.3.1994 - 9 C 443.93 -, NVwZ 1994, 1112). Die auch insoweit vorausgesetzte beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine derartige politische Verfolgung läßt sich im Falle der Kläger aus den bereits erwähnten Gründen nicht bejahen; sonstige, nicht bereits im Rahmen des grundrechtlichen Asylanspruchs berücksichtigte Umstände sind nicht ersichtlich.

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Auch im Übrigen ist nicht erkennbar, dass die Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit politischer Verfolgung zu rechnen hätten. Es entspricht ständiger Rechtsprechung der Kammer, dass weder allein der Auslandsaufenthalt noch die Asylantragstellung zu einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit für eine politische Verfolgung bei einer Rückkehr nach Syrien führen, sofern die Betroffenen - wie hier - sich nicht politisch betätigt haben. Aus den Lageberichten des Auswärtigen Amtes, z. B. vom 24.10.1996, ergibt sich nämlich, dass die Einreise abgeschobener Antragsteller ohne Anhaltspunkte für eine politische Betätigung weitgehend unbehelligt verläuft und die Asylantragstellung als solche oder längerer Auslandsaufenthalt für sich in der Regel keine Anknüpfungspunkte für ein erhöhtes Interesse der Geheimdienste sind. Aus den der Kammer vorliegenden Auskünften von amnesty international, zuletzt vom 20.6.1996 an das VG Koblenz, ergibt sich im Ergebnis nichts anderes. Darin wird nämlich insoweit übereinstimmend mit den Angaben des Auswärtigen Amtes ausgeführt, dass mit zielgerichteter politischer Verfolgung in der Regel dann gerechnet werden muss, wenn sich jemand aktiv politisch oppositionell oder anderweitig regimekritisch verhält. Darüber hinaus wird zwar auch angeführt, dass syrische Asylantragsteller bei der Abschiebung gefährdet seien, von staatlichen Stellen verfolgt zu werden, da sie einem eingehenden Verhör durch die Einwanderungs- und Sicherheitsbehörden unterzogen werden. Weitergehend wird dann aber angeführt, dass die abgeschobenen Asylantragsteller dann in ein Haft- und Verhörzentrum in Damaskus gebracht werden, wo sie spätestens gefährdet sind, gefoltert zu werden, wenn sich bei der Überprüfung der Verdacht auf eine regimekritische Haltung oder frühere oppositionelle Betätigung ergibt. Bei der Befragung am Flughafen sei es hingegen nur nicht ausgeschlossen, dass es zu Misshandlungen durch Schläge oder zu anderen Maßnahmen komme. Auch aus dieser Stellungnahme kann daher nicht die erforderliche beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine politisch motivierte Verfolgung bei einer Rückkehr nach Syrien für diejenigen entnommen werden, die nicht in den Verdacht einer regimekritischen Haltung kommen könne. Übereinstimmend hiermit gibt das Deutsche Orient Institut, z. B. in der Auskunft an das VG Ansbach vom 8.5.1995, an, dass auch staatenlose Kurden aus Syrien allein wegen ihrer Asylantragstellung keine Bestrafung zu erwarten haben, da die staatlichen Organe Syriens die Bedeutung eines Asylverfahrens durchaus realistisch einschätzen können und das Asylverfahren in den Augen der syrischen Staatsorgane für nicht bereits in ihrem Heimatland politisch Verfolgte eben dieselbe Bedeutung hat wie in den Augen der Asylbewerber, nämlich die einer Formalie.

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Es besteht bei den Klägern keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen bei einer Rückkehr nach Syrien aus Sicht des syrischen Staates in den Verdacht einer regimekritischen Haltung geraten könnten.

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3. Ferner liegen auch Abschiebungshindernisse im Sinne des § 53 AuslG nicht vor. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, den Klägern drohten die in § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 (BGBl. II, S. 68 - EMRK -) genannten Gefahren. Nach diesen Vorschriften darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter (§ 53 Abs. 1 AuslG) bzw. der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (§ 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK) unterworfen zu werden. Voraussetzung für die Annahme eines Abschiebungshindernisses ist, dass konkrete und ernsthafte Gründe bzw. begründete Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, der konkret Betroffene werde mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im Zielstaat der Abschiebung unmenschlich behandelt werden; die bloße theoretische Möglichkeit genügt nicht (vgl. dazu EGMR, Urt.v. 30.10.1991 - 45/1990/236/302-306 -, NVwZ 1992, 869; BVerwG, Urt. v. 5.7.1994 - 9 C 1.94 -, S. 11 f., unter Hinweis auf sein Urteil vom 5.11.1991 - 9 C 118.90 -, BVerwGE 89, 162; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 8.4.1992 - A 16 S 1765/91 -, S. 2 f. des Abdrucks m.w.N.)

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Hinreichende Anhaltspunkte für eine beachtliche Gefährdung ihrer durch § 53 AuslG geschützten Rechtsgüter haben die Kläger indessen weder vorgetragen, noch sind sie sonst ersichtlich.

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Im Übrigen stellt das Gericht fest, dass es der Begründung des angefochtenen Bescheides vom 17. Februar 1997 folgt, so dass eine weitere Darstellung entbehrlich erscheint (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).

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4. Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung in dem angegriffenen Bescheid entsprechen den Maßgaben der §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylVfG.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83 b Abs. 1 AsylVfG.

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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.