Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.02.2001, Az.: L 8 AL 257/00

Höhere Arbeitslosenhilfe nach einem Steuerklassenwechsel innerhalb des Kalenderjahres; Bestimmung der richtigen Leistungsgruppe; Korrektur eines unbilligen Ergebnisses bei Anwendung des § 137 Abs.4 S.1 Nr.1 SGB III; Fehlen eines missbräuchlichen Verhaltens im Sinne der gesetzlichen Zielrichtung; Berücksichtigung eines Steuerklassenwechsels bei Wahl einer ungünstigeren Steuerklasse

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen
Datum
20.02.2001
Aktenzeichen
L 8 AL 257/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 15908
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2001:0220.L8AL257.00.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Lüneburg - 17.05.2000 - AZ: 18 AL 206/99

Prozessführer

XXX

Prozessgegner

Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg,

den Präsidenten des Landesarbeitsamtes Niedersachsen-Bremen, Altenbekener Damm 82, 30173 Hannover,

hat der 8. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle

auf die mündliche Verhandlung vom 20. Februar 2001

durch

die Richter D. - Vorsitzender -, E. und F. sowie

die ehrenamtlichen Richter G. und H.

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 17. Mai 2000 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat auch die zweitinstanzlich angefallenen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten ab dem 1. Juli 1999 höhere Arbeitslosenhilfe (Alhi) nach einem Steuerklassenwechsel. Statt der Bewilligung nach der Leistungsgruppe D, welche der Steuerklasse V entspricht, wünscht der Kläger Bewilligung nach der Steuerklasse IV, welche der höheren Leistungsgruppe A entspricht.

2

Der im März 1945 geborene Kläger steht seit längerem im Leistungsbezug der Beklagten. Im Jahre 1993 erwarb er einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg); auf seiner Lohnsteuerkarte war zu Beginn dieses Jahres die Lohnsteuerklasse I eingetragen. Nach Erschöpfung des Alg-Anspruchs erhielt der Kläger ab 27. Januar 1994 Alhi. Der Bewilligung lag regelmäßig die Leistungsgruppe A zugrunde, dem die Lohnsteuerklasse I entspricht. Aufgrund seiner Eheschließung im Jahr 1998 ließ der Kläger auf seiner Lohnsteuerkarte 1999 mit Wirkung ab 1. Januar 1999 die Lohnsteuerklasse V eintragen, ursprünglich enthielt die Lohnsteuerkarte die Steuerklasse I. Mit Wirkung ab 1. Juli 1999 ließ der Kläger die Eintragung in Lohnsteuerklasse IV ändern. Das Arbeitsverhältnis der Ehefrau des Klägers endete am 1. Juni 1999. Sie hatte zuletzt ein monatlich gleichbleibendes Bruttoarbeitsentgelt von 1.441,24 DM erzielt. Das monatliche Bruttoarbeitsentgelt des Klägers, welches er zuletzt vor seiner Arbeitslosigkeit erzielt hatte, betrug im Juli 1994 3.961,00 DM, im August 1994 4.678,00 DM. Das entsprach seinem im Jahre 1993 erzielten Entgelt (Juni 1993 = 3.835,69 DM).

3

Wegen der Änderung der Lohnsteuerklasse forderte die Beklagte für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. April 1999 Alhi in Höhe von 1.206,00 DM zurück, weil dem Kläger aufgrund des Steuerklassenwechsels die Leistung nur nach der Leistungsgruppe D zugestanden hätte, statt nach Leistungsgruppe A. Diesen Bescheid vom 7. Juni 1999 ließ der Kläger bestandskräftig werden. Für den neuen Bewilligungszeitraum ab 1. Juli 1999 überprüfte die Beklagte die Zweckmäßigkeit des Lohnsteuerklassenwechsels und gelangte zu der Ansicht, dass angesichts der Verdienste der Eheleute die Steuerklasse IV unzweckmäßig sei. Mit Bescheid vom 24. Juni 1999 teilte die Beklagte dem Kläger dieses Ergebnis mit und bewilligte ab 1. Juli 1999 Zahlungen nach der Leistungsgruppe D. Dies war bereits im Bewilligungsbescheid vom 25. Mai 1999 umgesetzt worden. Der Widerspruch des Klägers wegen der Zuordnung zur Leistungsgruppe D wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 1999 als unbegründet zurückgewiesen. Der Lohnsteuerklassenwechsel sei nicht zweckmäßig gewesen. Nur die Steuerklassenkombination III für den Höherverdienenden und V für den Geringerverdienenden führe zum geringsten Lohnsteuerabzug, nicht die vom Kläger und seiner Ehefrau gewählte Steuerklassenkombination IV/IV. Deshalb sei der Steuerklassenwechsel nicht zu berücksichtigen gewesen. Daher müsse die Alhi unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse V gewährt werden, die vorher auf der Lohnsteuerkarte des Klägers eingetragen gewesen sei.

4

Der Kläger hat am 2. August 1999 Klage beim Sozialgericht (SG) Lüneburg erhoben. Das SG hat der Klage mit Urteil vom 17. Mai 2000 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Alhi ab 1. Juli 1999 unter Berücksichtigung der Leistungsgruppe A zu gewähren. Der Wechsel von der Lohnsteuerklasse V in die Lohnsteuerklasse IV sei trotz der Bestimmung des § 137 Abs 4 Nr 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) beachtlich, auch wenn der Kläger aufgrund der Höhe seines früheren Einkommens im Vergleich zu der Höhe des Einkommens der Ehefrau nicht nur die Lohnsteuerklasse IV, sondern die Lohnsteuerklasse III und damit Alhi in Leistungsgruppe C hätte erlangen können. Die genannte Vorschrift wolle verhindern, dass Arbeitslose ihre Steuerklasse wechseln, um, unabhängig von einem früheren Verdienst, durch Wechsel der Lohnsteuerklasse höhere Sozialleistungen zu erhalten. Dieser Vorwurf könne dem Kläger nicht gemacht werden. Er habe die Lohnsteuerklasse IV gewählt, um den Anspruch wie vor der Eheschließung beizubehalten. Im Übrigen hätte der Kläger leistungsrechtlich unbeanstandet die Lohnsteuerklasse III eintragen lassen können und damit Anspruch auf höhere Alhi nach Leistungsgruppe C gehabt. Eine entsprechende Beratung hätte durch die Beklagte stattfinden müssen. Das Urteil wurde der Beklagten am 2. Juni 2000 zugestellt.

5

Die Beklagte hat am 30. Juni 2000 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, dass aufgrund der Regelung des § 137 Abs 4 Satz 1 SGB III der hier zum 1. Juli 1999 vorgenommene Lohnsteuerklassenwechsel unbeachtlich sei, weil die ab diesem Zeitpunkt eingetragenen Lohnsteuerklassen nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprochen hätten und sich durch den Wechsel keine geringere Alhi ergeben habe.

6

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 17. Mai 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

8

Er verteidigt das sozialgerichtliche Urteil.

9

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung waren.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist zulässig.

11

Der Berufungsbeschwerdewert des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von 1.000,00 DM ist überschritten. Der Differenzbetrag zwischen der begehrten Leistungsgruppe A für das Jahr 1999 und der Leistungsgruppe D beträgt 70,35 DM in der Woche. Bei einer Anspruchsdauer von 12 Monaten, § 197 SGB III, also 52 Wochen, wird der Wert von 1.000,00 DM ohne Weiteres überschritten. In Streit stehen bei überschlägiger Berechnung ca 3.660,00 DM. Die Berufung ist weiterhin in der Frist und Form des § 151 Abs 1 SGG eingelegt worden.

12

Die Berufung ist nicht begründet.

13

Das SG hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger für den Bewilligungszeitraum ab 1. Juli 1999 bis 30. Juni 2000 Alhi unter Berücksichtigung der Leistungsgruppe A (Steuerklasse I) zusteht. Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

14

Der Bewilligungsbescheid vom 25. Mai 1999, mit dem die Alhi ab dem 1. Juli 1999 bewilligt wurde, ist nicht gemäß § 86 Abs 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Denn er erging vor Erlass des Bescheides vom 24. Juni 1999, gegen den der Kläger Widerspruch eingelegt hat. Die Bestandskraft jenes Bescheides steht einer Sachentscheidung nicht entgegen, da die Beklagte durch den Bescheid vom 24. Juni 1999, im Hinblick auf die Höhe der Alhi, eine (neue) Sachentscheidung getroffen hat, die inhaltlich zu überprüfen ist. Gegenstand des Verfahrens gemäß § 96 Abs 1 SGG ist allerdings der Änderungsbescheid vom 4. Januar 2000 geworden. Damit wurde die Alhi an die Leistungsentgeltverordnung 2000 angepasst. Zwar hat sich das SG zu diesem Bescheid nicht geäußert. Doch wird durch die jetzige Einbeziehung dieses Bescheides der Zustand hergestellt, so wie er von Beginn hätte sein müssen.

15

Da lediglich die Beklagte Berufung eingelegt hat und wegen des durch den Bescheid vom 24. Juni 1999 eingeschränkten Streitgegenstandes ist nur noch die Frage zu erörtern, ob dem Kläger die ab dem 1. Juli 1999 bis 30. Juni 2000 bewilligte Alhi nach der Leistungsgruppe A zusteht, wie dies der Kläger wünscht. Die Beklagte hat entschieden, dass dem Kläger ab dieser Zeit die Alhi nach der Leistungsgruppe D, welche der Steuerklasse V entspricht, zu bewilligen ist. Die Bewilligung habe nach der Leistungsgruppe zu erfolgen, die der Steuerklasse entspreche, die zu Beginn des Jahres 1999 auf der Lohnsteuerkarte des Klägers eingetragen gewesen sei. Da dies die Lohnsteuerklasse V gewesen sei, entspreche dem eine Bewilligung unter Berücksichtigung der Leistungsgruppe D. Der zum 1. Juli 1999 durchgeführte Lohnsteuerklas-senwechsel in die Steuerklasse IV, woraus die Leistungsgruppe A folgen würde, ist nach Ansicht der Beklagten leistungsrechtlich unbeachtlich. Dem ist nicht zu folgen, weil der vom Kläger zum 1. Juli 1999 durchgeführte Steuerklassenwechsel von der Beklagten zu beachten ist.

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Die allgemeinen Voraussetzungen für die Alhi-Gewährung gemäß § 190 Abs 1 SGB III haben unzweifelhaft und unbestritten vorgelegen, weshalb die Beklagte Alhi bewilligt hat. Aus dem maßgeblichen Fortzahlungsantrag auf Alhi vom 7. Mai 1999 ergibt sich das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen. Weiterhin ist der Kläger bedürftig, da er weder über andere Einnahmen noch Vermögen verfügte und das Arbeitsverhältnis seiner Ehefrau im Juni 1999 endete. Danach hatte der Kläger ab 1. Juli 1999 einen Anspruch auf Alhi nach einem Vomhundertsatz von 53, § 195 Satz 1 Nr 2 SGB III.

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Streitbefangen ist allein die Bestimmung der richtigen Leistungsgruppe, von der ua die Höhe der Alhi abhängt. Die Leistungsgruppe richtet sich in der Regel nach der Steuerklasse, die am 1. Januar des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, in der Steuerkarte eingetragen ist, § 137 Abs 3 SGB III. Da Alg und Alhi gemäß § 198 Satz 1 SGB III als einheitlicher Anspruch gelten, bleibt auch für die Anschluss-Alhi grundsätzlich die Steuerklasse maßgebend, die zu Beginn des Kalenderjahres eingetragen war, in dem der Alg-Anspruch entstanden ist. Das wäre hier die Steuerklasse I, die im Jahr 1993 auf der Steuerkarte eingetragen war, als der Alg-Anspruch entstanden war. Allerdings ist nach § 137 Abs 3 Satz 3 SGB III zu beachten, dass Änderungen auf der für spätere Kalenderjahre ausgestellten Lohnsteuerkarte zu berücksichtigen sind. Da zum 1. Januar 1999 die Lohnsteuerklasse V auf der Lohnsteuerkarte des Klägers eingetragen war, müsste sich die Zuordnung der Leistungsgruppe nach dieser Steuerklasse richten.

18

Ein Lohnsteuerklassenwechsel zwischen Ehegatten, der hier zum 1. Juli 1999 vorgenommen wurde, beurteilt sich nach § 137 Abs 4 SGB III; diese Vorschrift lautet folgendermaßen:

"Haben Ehegatten die Lohnsteuerklassen gewechselt, so werden die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen von dem Tage an berücksichtigt, an dem sie wirksam werden, wenn

1.
die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprechen oder

2.
sich aufgrund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein Arbeitslosengeld ergibt, das geringer ist als das Arbeitslosengeld, das sich ohne den Wechsel der Lohnsteuerklassen ergäbe. Ein Ausfall des Arbeitsentgelts, der den Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Entgeltersatzleistung begründet, bleibt bei der Beurteilung des Verhältnisses der monatlichen Arbeitsentgelte außer Betracht. Abs 3 Satz 3 gilt entsprechend (Das Gleiche gilt, wenn auf der für spätere Kalenderjahre ausgestellten Lohnsteuerkarte eine andere Lohnsteuerklasse eingetragen wird)."

19

Diese Vorschrift gilt auch für die Alhi, § 198 Satz 2 Nr 4 SGB III.

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Der Lohnsteuerklassenwechsel wurde zum 1. Juli 1999 wirksam. Die Beklagte musste daher prüfen, ob die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen an diesem Tage dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte der Ehegatten entsprachen. Da der Kläger an diesem Tage keinen Arbeitslohn, sondern Alhi bezog, ist § 137 Abs 4 Satz 2 SGB III einschlägig. Denn die Alhi ist eine lohnsteuerfreie Lohnersatzleistung. Es ist gemäß § 3 Nr 2 Einkommenssteuergesetz steuerfrei und soll ausfallendes Arbeitsentgelt ersetzen.

21

Somit ist bei der Zweckmäßigkeit des Lohnsteuerklassenwechsels abzustellen auf den Arbeitslohn, der tatsächlich ausfällt und durch die lohnsteuerfreie Lohnersatzleistung – hier die Alhi – ersetzt wird. Die Beklagte hat hierbei auf das Bemessungsentgelt des Klägers abgestellt (Seite 3 des Widerspruchsbescheides) und daraus ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt von 3.423,33 DM errechnet. Dies korrespondiert mit dem Arbeitsentgelt, welches der Kläger zuletzt aus einer Arbeitstätigkeit vor seiner Arbeitslosigkeit in den Monaten Juli und August 1994 und Juni 1993 erzielt hat. Für die weitere Betrachtung kann offen bleiben, dass die Ehefrau des Klägers zum maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Steuerklassenwechsels am 1. Juli 1999 kein Arbeitsentgelt mehr erzielt hat, so dass eigentlich ein Betrag von 0 anzusetzen wäre. Die Beklagte hat dagegen zugunsten des Klägers das zuletzt erzielte Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1.435,56 DM berücksichtigt. Hierbei ergibt sich aus der Tabelle zur Steuerklassenwahl (beide Partner rentenversicherungspflichtig) ohne Weiteres, dass für den Kläger die Steuerklasse III und für seine Ehefrau die Steuerklasse V zweckmäßig gewesen wäre (vgl Gagel, Kommentar zum SGB III, Loseblattsammlung, Stand: Juli 1999, § 137 Rdnr 60 mit Abdruck der maßgeblichen Tabelle zur Steuerklassenwahl).

22

Da die neu eingetragenen Steuerklassen (beide Eheleute Steuerklasse IV) offensichtlich nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne der Ehegatten entsprechen, ist nach § 137 Abs 4 Satz 1 SGB III der Steuerklassenwechsel eigentlich nicht berücksichtigungsfähig; es müsste daher weiter die bisher maßgebliche Steuerklasse zugrunde gelegt werden (vgl Gagel, aaO, Rdnr 6). Ein anderes Verfahren galt zu § 113 Abs 2 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), welcher bis zum Inkrafttreten des SGB III zum 1. Januar 1998 Anwendung fand. Danach wurden die dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne der Ehegatten entsprechenden Lohnsteuerklassen zugrunde gelegt.

23

Die jetzige Regelung führt zu Unbilligkeiten – wie der Fall des Klägers zeigt ?, die durch eine Auslegung nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung aufzufangen sind. Mit der Vorschrift des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB III wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass die Steuerklassenwechsel berücksichtigt werden, die unabhängig vom Leistungsbezug sachgerecht erscheinen. Damit soll vermieden werden, dass der Wechsel nur zum Zwecke höherer Leistungen vorgenommen wird (vgl Gagel, aaO, Rdnr 29). Ein derartiger zu verhindernder Missbrauch kann in Fallgestaltungen, wie der vorliegenden, allerdings nicht eintreten.

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Der Kläger hat hier statt der günstigeren und für ihn auch zweckmäßigen Steuerklasse III nur die Steuerklasse IV gewählt. Er verzichtet mit anderen Worten auf die Gewährung einer rechtmäßig höheren Alhi. Denn die Leistungsgruppe C nach der Steuerklasse III führt zu einem höheren Leistungsbezug als nach der Leistungsgruppe A, die der Steuerklasse IV entspricht. Ein im Sinne der gesetzlichen Zielrichtung missbräuchliches Verhalten kann daher nicht festgestellt werden.

25

Mithin ist ein Steuerklassenwechsel bereits dann zu berücksichtigen, wenn die neue Steuerklassenkombination zwar nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten entspricht, aber der Antragsteller rechtmäßig eine günstigere Steuerklasse wählen könnte, die zu einem höheren Leistungsbezug führen würde (ebenso: LSG Niedersachsen, Urteil vom 26. September 2000 – L 7 AL 32/00– anhängig BSG B 7 AL 84/00 R; SG Duisburg info also 2000, 145; SG Duisburg, Breithaupt 2000, 878). Bei der Betrachtungsweise der Beklagten würde ein Ergebnis erzielt, das mit dem Gerechtigkeitsgedanken nicht in Einklang zu bringen ist. Es verbleibt daher bei dem sozialgerichtlichen Urteil, wonach dem Kläger ab 1. Juli 1999 bis 30. Juni 2000 Alhi unter Berücksichtigung der Leistungsgruppe A zu bewilligen ist.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Beklagte unterliegt, trägt sie die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.