Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.02.2001, Az.: L 4 KR 116/99
Verjährung des Vergütungsanspruches eines Krnakenhauses; Kostenübernahmeerklärung einer gesetzlichen Krankenkasse als abstraktes Schuldanerkenntnis
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen
- Datum
- 21.02.2001
- Aktenzeichen
- L 4 KR 116/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 15914
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2001:0221.L4KR116.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 13.04.1999 - AZ: S 2 KR 87/97
Rechtsgrundlagen
- § 45 Abs.1 SGB I
- § 781 BGB
- § 201 S.1 BGB
- § 209 BGB
Fundstelle
- NZS 2002, 152-153
Prozessführer
XXX
Prozessgegner
AOK-Die Gesundheitskasse für Niedersachsen - Regionaldirektion Celle -, Schlossplatz 11/12, 29221 Celle,
hat der 4. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2001
durch
die Richterin Schimmelpfeng-Schütte - Vorsitzende -,
die Richter Wolff und Schreck sowie
die ehrenamtliche Richterin Sand und
der ehrenamtliche Richter Dr Schein
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Verjährung des Vergütungsanspruches der Klägerin (Rechtsnachfolgerin der früheren D. Kliniken GmbH & Co KG) gegen die Beklagte (Rechtsnachfolgerin der früheren AOK Celle) wegen stationärer Behandlung mehrerer in dem Schreiben der AOK Celle vom 8. Januar/28. März 1991 aufgeführter Versicherter E..
Die Patientin F. befand sich ua vom 28. Dezember 1986 bis 26. Juli 1997 und der Versicherte G. ua vom 19. Dezember 1985 bis 31. Januar 1988 in den früheren D. Kliniken GmbH & Co KG ( H. Kliniken). Die Rechtsvorgängerin der Beklagten zahlte für diese Zeiträume die Kosten der stationären Aufenthalte in Höhe von 35.366,58 DM (Patientin F.) und 120.472,59 DM (Versicherter G.) an die I. Kliniken. Mit Schreiben vom 8. Januar/21. März 1991 teilte die AOK Celle den D. Kliniken mit, dass sie die Kosten der stationären Behandlung in den Fällen F. und G. getragen habe, obwohl diese Patienten sich tatsächlich nicht in stationärer Behandlung befunden hätten. Sie erkläre daher die Aufrechnung mit den Gegenforderungen der I. Kliniken für die stationäre Behandlung der im Schreiben vom 8. Januar/21. März 1991 im Einzelnen aufgeführten Versicherten: J..
Nachdem sich die Beteiligten nicht einigen konnten, erhob das Klinikum K. Klage gegen die AOK - Die Gesundheitskasse für Niedersachsen - Regionaldirektion Celle auf Vergütung der Behandlung der Patienten F. und G.. Im Verfahren betreffend die Patientin F. entschied der erkennende Senat mit Urteil vom 20. November 1996 (Az.: L 4 Kr 132/93) für die Zeit vom 28. Dezember 1986 bis 26. Juli 1987, dass den I. Kliniken ein Vergütungsanspruch zumindest nicht mehr zustehe, weil der Anspruch nach § 362 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) durch Erfüllung erloschen sei. Der Anspruch auf Vergütung sei auch nicht durch die Aufrechnung der AOK Celle mit dem von ihr geltend gemachten Erstattungsanspruch gegen Forderungen der D. Kliniken aus anderen Behandlungsfällen wieder aufgelebt. Sollte die Aufrechnung ganz oder teilweise zu Unrecht erfolgt sein, dann wären die Forderungen der D. Kliniken aus den Behandlungsfällen, gegen die aufgerechnet worden sei, ganz oder teilweise nicht erloschen. Die Klägerin könne dann eine Begleichung dieser Forderungen geltend machen. Im Verfahren betreffend den Versicherten G. lehnte der erkennende Senat mit Urteil vom selben Tag (Az.: L 4 Kr 2/94) für die Zeit vom 19. Dezember 1985 bis 31. Januar 1988 einen Vergütungsanspruch mit der selben Begründung ab.
Mit ihrer am 7. April 1997 erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Vergütung der Krankenbehandlung für die Patienten und für die Behandlungszeiten, die in dem Aufrechnungsschreiben der AOK Celle vom 8. Januar/28. März 1991 aufgeführt sind. Insoweit hatte die AOK Celle zum Teil Kostenübernahmeerklärungen abgegeben. Das Sozialgericht (SG) Hannover hat die Klage mit Urteil vom 13. April 1999 abgewiesen: Die geltend gemachten Forderungen unterlägen der im Sozialrecht geltenden Verjährungsfrist von vier Jahren. Sie seien damit verjährt, so dass offen bleiben könne, ob die AOK Celle zulässigerweise die Aufrechnung habe erklären dürfen.
Gegen das ihr am 14. Juni 1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13. Juli 1999 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen: Das Schreiben der AOK Celle vom 8. Januar/28. März 1991 sowie die Kostenübernahmeerklärungen der AOK Celle seien Anerkenntnisse im Sinne des § 781 BGB. Jedenfalls müssten sie in entsprechender Anwendung des § 781 BGB als Anerkenntnisse gewertet werden. Auf Grund dieser Anerkenntnisse bestehe ein Erfüllungsanspruch der Klägerin, der der 30-jährigen Verjährung des § 195 BGB unterliege. Selbst wenn von einer vierjährigen Verjährungsfrist ausgegangen würde, stelle die Berufung auf die Verjährungseinrede eine unzulässige Rechtsausübung gem § 242 BGB dar. Denn von Anfang an habe die Beklagte nie bestritten, zur Zahlung verpflichtet zu sein. Sie habe nach ihrem Verständnis sogar gezahlt. Wenn sie in Ansehung dessen dann im Nachhinein die Einrede der Verjährung erhebe, so stelle dies einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar. Darüber hinaus wäre die Forderung der Klägerin aber auch wegen Unterbrechung nicht verjährt. Das Anerkenntnis der AOK Celle sei im Jahre 1991 erfolgt. Die Forderung der Klägerin wäre danach zwar am 31. Dezember 1995 verjährt. Ihre Klage auf Zahlung der gesamten Behandlungskosten sei in diesem Zeitraum jedoch klageerweiternd am 16. März 1995 erhoben worden. Nach Abschluss des vorangegangenen Verfahrens und Zustellung des Urteils vom 17. Januar 1997 wäre das Verjährungsende damit frühestens im August 1997 eingetreten. Bereits im April 1997 sei aber Klage auf Zahlung erhoben worden. Schließlich sei es auch gerechtfertigt, nach dem Grundsatz von Treu und Glauben eine Hemmung der Verjährung nach § 202 BGB anzunehmen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 13. April 1999 aufzuheben und
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 155.839,17 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29. März 1991 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist darauf hin, dass es sich weder bei den Kostenübernahmeerklärungen noch bei der Aufrechnungserklärung um ein Anerkenntnis im Sinne von § 781 BGB handele, so dass die 30-jährige Verjährungsfrist nicht in Betracht komme. Die Verjährung habe durch die Klage vom April 1997 auch nicht mehr wirksam unterbrochen werden können, weil zu diesem Zeitpunkt die Verjährung bereits eingetreten gewesen sei. Die Beklagte habe auch schließlich keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, der eine Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben rechtfertige.
Die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akten des SG Hannover: S 2 Kr 203/90 - L 4 Kr 132/93 und S 2 Kr 143/90 - L 4 Kr 2/94 haben vorgelegen und waren mit den Prozessakten des ersten und zweiten Rechtszuges Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf sie wird wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vortrages der Beteiligten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Der von der Klägerin geltend gemachte Vergütungsanspruch für die Behandlung der in der Aufrechnungserklärung der AOK Celle vom 8. Januar/28. März 1991 genannten Versicherten ist verjährt.
Der Kostenanspruch der Klägerin unterliegt der vierjährigen Verjährung und nicht, wie die Klägerin meint, einer dreißigjährigen Verjährung.
Eine Verjährung von dreißig Jahren käme im vorliegenden Fall nur in Betracht, wenn die AOK Celle mit dem Schreiben vom 8. Januar/28. März 1991 ein abstraktes Schuldanerkenntnis im Sinne des § 781 BGB abgegeben hätte. Das ist gegen der Ansicht der Klägerin nicht der Fall. Weder das Aufrechnungsschreiben vom 8. Januar/28. März 1991 noch die Kostenübernahmeerklärungen der AOK Celle stellen Schuldanerkenntnisse nach § 781 BGB dar.
Die Aufrechung ist ein Erfüllungssurrogat. Die Erfüllung einer Forderung ohne Einwendungen kann daher zwar als bestätigendes, dh deklaratorisches Schuldanerkenntnis der beglichenen Forderung zu werten sein (so BGH, Urteil vom 11. Juli 1995, X ZR 42/93 in ZAP EN-Nr 876/95). Ein abstraktes Schuldanerkenntnis im Sinne von § 781 BGB liegt hierin jedoch grundsätzlich nicht. Anhaltspunkte, die eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertigen würden, sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
Nach herrschender Auffassung ist auch die Kostenübernahmeerklärung einer gesetzlichen Krankenkasse gegenüber einem Krankenhaus kein abstraktes Schuldanerkenntnis. Sie ist vielmehr eine Willenserklärung mit den Wirkungen eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses (vgl hierzu BSG, Urteil vom 17. Mai 2000 - B 3 KR 33/99 R - in SGb 2000, 361). Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 20. November 1996 (L 4 Kr 132/93 - betreffend die Patientin F.) entschieden hat, gilt für Kostenübernahmeerklärungen eine vierjährige Verjährungsfrist.
Soweit die AOK Celle bezüglich der Versicherten L. keine Kostenübernahmeerklärung abgegeben hat, ist den D. Kliniken mit der Inanspruchnahme der stationären Behandlung durch die Versicherten unmittelbar gegen die AOK Celle ein Vergütungsanspruch entstanden. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung gilt für einen so entstandenen Vergütungsanspruch eines Krankenhauses gegen eine gesetzliche Krankenkasse wegen stationärer Behandlung eines Versicherten die vierjährige Verjährungsfrist nach § 45 Erstes Sozialgesetzbuch - SGB I - (so BSG, Urteil vom 17. Juni 1999 - B 3 KR 6/99 R -, in SozR 3-1200 § 45 Nr 8).
Nach § 201 Satz 1 BGB beginnt die Verjährung mit dem Schluss des Jahres, in welchem der Anspruch entsteht. Der Vergütungsanspruch der M. Kliniken sowohl aus den Kostenübernahmeerklärungen als auch unmittelbar aus der Inanspruchnahme der stationären Leistungen ist in den Jahren 1990/1991 entstanden. Verjährungsbeginn ist daher spätestens der 31. Dezember 1991. Die Forderung der Klägerin ist damit mit dem 31. Dezember 1995 verjährt.
Der Klägerin ist zwar darin zuzustimmen, dass die Kostenübernahmeerklärungen der AOK Celle und deren Aufrechnung vom 8. Januar/28. März 1991 die Verjährung unterbrochen haben. Denn nach § 208 BGB wird die Verjährung unterbrochen, wenn der Verpflichtete dem Berechtigten gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt. Diese Verjährungsunterbrechung wirkt sich jedoch nicht zugunsten der Klägerin aus. Denn die Kostenübernahmeerklärungen der AOK Celle datieren aus den Jahren 1990 und 1991. Auch die neue Verjährung hat daher spätestens mit dem 31. Dezember 1991 begonnen. Anhaltspunkte dafür, das die AOK Celle noch nach 1991 Kostenübernahmeerklärungen für diese Versicherten und die streitigen Streiträume abgegeben hat, liegen nicht vor. Die Klägerin selbst hat das auch nicht behauptet.
Entgegen ihrer Ansicht ist die Verjährung nicht durch gerichtliche Geltendmachung der Forderung gem § 209 BGB unterbrochen worden. Die Klägerin hat die Behandlungskosten für die Versicherten E. erstmals mit Klage vom 7. April 1997 geltend gemacht. Sie trägt vor, der Anspruch auf Behandlungskosten sei bereits am 16. März 1995 rechtshängig geworden. Richtig ist zwar, dass das Klinikum N. GmbH im Verfahren vor dem erkennenden Senat - Az: L 4 Kr 2/94 - den klageerweiternden Antrag gestellt hat, die AOK zu verurteilen, weitere 175.179,84 DM nebst Zinsen zu zahlen. Diese Forderung betrifft jedoch nicht die Behandlungskosten für die Versicherten J.. Das Klinikum N. GmbH hat damit vielmehr die Bezahlung der Behandlungskosten des Versicherten G. für den Zeitraum vom 19. Dezember 1985 bis 31. Januar 1988 und für die Zeiträume vom 1. Februar 1988 bis 30. November 1988 und vom 30. Juni 1989 bis 31. März 1990 begehrt. Hierüber - und nicht über Ansprüche betreffend die Versicherten E. hat der erkennende Senat mit Urteil vom 20. November 1996 dann auch entschieden.
Schließlich liegt auch weder eine Verjährungshemmung nach § 202 BGB noch eine Verwirkung der Verjährungseinrede nach § 242 BGB vor. Der gegenteiligen Auffassung der Klägerin vermag der Senat nicht zuzustimmen. Die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin haben keinen diesbezüglichen Vertrauenstatbestand für die Klägerin bzw ihre Rechtsvorgängerin geschaffen. Die AOK Celle hat nach ihrer Auffassung den Vergütungsanspruch der I. Kliniken durch Aufrechnung erfüllt, weil sie davon ausgegangen ist, dass ein Vergütungsanspruch in den Fällen F. und G. nicht besteht. Sie hat im Anschluss daran stets klar und eindeutig zu erkennen gegeben, dass sie zu weiteren Zahlungen auf diese Forderung nicht bereit ist. Damit hat sie gerade keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, der für die Klägerin die Annahme gerechtfertigt hätte, dass weitere Forderungen von der Kasse bezahlt würden.
Nach alledem kann die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 4 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).