Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 02.09.2019, Az.: 5 A 326/18

anerkannt Schutzberechtigte; anerkannte Schutzberechtigte; Griechenland; Jawo; Jawo-Entscheidung

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
02.09.2019
Aktenzeichen
5 A 326/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69984
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Gesunden und arbeitsfähigen anerkannt Schutzberechtigten droht bei Zugrundelegung der in dem Urteil des EUGH vom 19.03.2019 in der Rechtssache Ibrahim u.a. (C-297/17 u.a.) aufgestellten Maßstäbe im Falle einer Überstellung nach Griechenland keine gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh verstoßende Behandlung.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Bescheides der Beklagten vom 13.3.2018.

Der Kläger ist syrischer Staatsbürger und arabischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 14.1.2018 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 31.1.2018 förmlich einen Asylantrag.

Im Rahmen seiner Anhörung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates gab der Kläger an, in Griechenland bereits im Oktober 2017 einen Aufenthaltstitel erhalten zu haben. Ein Abgleich der EURODAC-Datenbank ergab Anhaltspunkte für eine vorherige Asylantragstellung in Griechenland.

Der Kläger wurde informatorisch zu seinen Fluchtgründen aus Syrien angehört, wobei er lediglich angab, seine Fluchtgründe bereits in Griechenland vollständig vorgetragen zu haben.

Am 5.2.2018 richtete die Beklagte ein Wiederaufnahmegesuch an die griechischen Behörden, woraufhin diese am 16.2.2018 mitteilten, der Kläger habe in Griechenland bereits den Flüchtlingsstatus zuerkannt bekommen und besitze eine bis zum 11.9.2020 gültige Aufenthaltserlaubnis.

Durch Bescheid vom 13.3.2018 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab und stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen. Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe, bzw. im Falle einer Klageerhebung binnen 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Gleichzeitig wurde die Abschiebung nach Griechenland angedroht und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 AufenthG wurde auf 30 Monate befristet. Zur Begründung gab das Bundesamt im Wesentlichen an, aufgrund der bereits erfolgten Schutzzuerkennung in Griechenland sei der Asylantrag unzulässig. Die Lebensbedingungen für anerkannt Schutzberechtigte in Griechenland seien auch nicht derart defizitär, dass ein Abschiebungsverbot festzustellen wäre.

Gegen die Ablehnung hat der Kläger am 27.3.2018 Klage erhoben. Im Rahmen seiner informatorischen Anhörung gab er an, er habe zehn Monate in Griechenland gelebt, vier Monate davon sei er als international Schutzberechtigter anerkannt gewesen. Er habe einen Teil der Zeit in einer großen Flüchtlingsunterkunft gelebt. Es habe sich um eine große Halle gehandelt, in der fünfzig Flüchtlinge untergebracht worden seien. Privatsphäre habe es nicht und Essen nur unregelmäßig gegeben. Sie seien dort von Hilfsorganisationen und von Privaten unterstützt worden. Um eine Arbeitsstelle habe er sich in Griechenland nicht bemüht, er sei nach seiner Anerkennung gleich nach Deutschland gekommen. Seine Verwandten in Deutschland hätten ihn finanziell unterstützt. Etwa 200-300 Euro habe er von ihnen bekommen, dies habe gerade für seinen Lebensunterhalt ausgereicht.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 13.3.2018 aufzuheben und diese zu verpflichten, das Asylverfahren in der Bundesrepublik Deutschland durchzuführen,

hilfsweise, die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13.3.2018 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist auf die Gründe des angefochtenen Bescheides.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Weiter wird verwiesen auf die Erkenntnismittel, die zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig.

Die isolierte Anfechtungsklage ist hinsichtlich der Unzulässigkeitsentscheidung (Ziffer 1 des Bescheides) die statthafte Klageart, weil das Bundesamt eine sachliche Entscheidung über das Schutzbegehren nicht getroffen hat, die diesem aber nach den Regelungen des Asylgesetzes und der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) zunächst vorbehalten ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4.16 -; OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 - 13 A 1490/13.A -, beide juris).

Dementsprechend geht das Begehren, die Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, das Asylbegehren in Deutschland zu prüfen, ins Leere, weil dieses Ziel bereits mit der isolierten Anfechtungsklage erreicht werden kann.

Ein eingeschränkter, auf die Durchführung eines (gegebenenfalls weiteren) Asylverfahrens gerichteter Verpflichtungsantrag kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4.16 -, juris), der die Kammer folgt, nicht in Betracht, weil das Bundesamt hierzu nach Aufhebung der Entscheidung über die Unzulässigkeit automatisch verpflichtet ist.

Die Klage ist nicht begründet.

Die Beklagte ist für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers nicht zuständig, Ziffer 1 des Bescheides vom 13.3.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Maßgeblicher Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, § 77 AsylG.

Die Ablehnung des Asylantrages als unzulässig (Ziff. 1 d. Bescheides) beruht auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz gewährt hat.

Der Antragsteller hat in Griechenland bereits die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt bekommen. Dies haben die griechischen Behörden mit Schreiben vom 16.2.2018 mitgeteilt (Bl. 120 d. Beiakte), folglich war sein Asylantrag abzulehnen. Unerheblich ist, ob das griechische Asylsystem zum Zeitpunkt der Entscheidung unter Umständen systemische Mängel aufwies (EuGH, Urt. v. 19.3.2019 - C-297/17, C-318/17, C-319/17 -, Ibrahim u.a., juris).

Die bislang gemeinschaftsrechtlich ungeklärte Frage, ob es einem Mitgliedstaat untersagt ist, einen Antrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG - gleichlautend mit Art. 33 Abs. 2 lit. a der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes - als unzulässig abzulehnen, wenn der Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat, der bereits internationalen Schutz zuerkannt hat, der Gefahr ausgesetzt wäre, aufgrund der Lebensumstände, die ihn in diesem Mitgliedstaat als international Schutzberechtigten erwarten würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu erfahren (vgl. BVerwG, Aufrechterhaltung der Vorlagefrage, Beschluss vom 24.4.2019 – 1 C 37/16 –, juris), kann dahinstehen, da eine Verletzung von Art. 4 GrCh, bzw. Art. 3 EMRK im Falle einer Überstellung nach Griechenland für den Kläger nach Auffassung der Kammer nicht zu befürchten ist.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind Art. 4 GrCH bzw. Art. 3 EMRK dahingehend auszulegen, dass diese Vorschriften der Überstellung einer Person, die internationalen Schutz beantragt hat, nicht entgegenstehen, es sei denn, das mit einem Rechtsbehelf gegen die Überstellungsentscheidung befasste Gericht stellt auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte fest, dass für diesen Antragsteller aufgrund der Lebensumstände, die ihn in dem Zielstart erwarten, das ernsthafte Risiko besteht, eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GrCH zu erfahren, weil er sich im Fall der Überstellung unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände (EuGH, Urt. v. 19.3.2019 - C-297/17, C-318/17, C-319/17 -, Ibrahim u.a., juris, Rn. 101)

Die zu der Annahme eines solchen Risikos führenden Schwachstellen in dem betreffenden Mitgliedstaat erfordern eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit, die auch bei anerkannten Schutzberechtigten nur dann erreicht wäre, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und ihre physische und psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, Urt. v. 19.3.2019 - C-297/17, C-318/17, C-319/17 -, Ibrahim u.a., juris, Rn. 89f.). Der Umstand, dass die Formen familiärer Solidarität, die Angehörige des normalerweise für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaats in Anspruch nehmen, um diesen Mängeln des Sozialsystems des Mitgliedstaats zu begegnen, bei den Personen, denen in diesem Mitgliedstaat internationaler Schutz zuerkannt worden ist, im allgemeinen fehlen, ist keine ausreichende Grundlage für die Feststellung, dass sich eine Person im Fall ihrer Überstellung in diesem Mitgliedstaat in einer Situation extremer materieller Not befände (EuGH, Urt. v. 19.3.2019 - C-163/17 -, juris, Rn. 94). Jedenfalls kann der bloße Umstand, dass im ersuchenden Mitgliedstaat die Sozialhilfeleistungen und/oder die Lebensverhältnisse günstiger sind als in dem bereits subsidiären Schutz gewährenden Mitgliedstaat, nicht die Schlussfolgerung stützen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Überstellung in den zuletzt genannten Mitgliedstaat tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wäre, eine gegen Art. 4 GRCh verstoßene Behandlung zu erfahren (EuGH, Urt. v. 19.3.2019 - C-297/17, C-318/17, C-319/17 -, Ibrahim u.a., juris, Rn. 93).

Auf die konkrete Umsetzung Art. 20 ff der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (AnerkennungsRL), wie z.B. die Anerkennung von Schul- und Berufsabschlüssen, Integrationsmaßnahmen, Ausstellung von Reiseausweisen etc., kommt es nach dieser Rechtsprechung nicht an.

Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger eine Verletzung von Art. 4 GrCH bzw. Art. 3 EMRK nicht zu befürchten.

Die Lage anerkannt Schutzberechtigter stellt sich nach Auswertung der zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel wie folgt dar:

Anerkannt Schutzberechtigte erhalten - wie auch Einheimische - derzeit durch den griechischen Staat keine wohnungsbezogenen Sozialleistungen. Eine geplante wohnungsbezogene Sozialleistung sieht ein Wohngeld in Höhe von 70,00 Euro, maximal 210,00 Euro pro Wohnung, vor. Voraussetzung hierfür ist ein mindestens fünfjähriger legaler Aufenthalt in Griechenland. Personen, die während des Asylverfahrens eine Wohnung durch das ESTIA-Programm zugewiesen bekommen haben oder in einer offiziellen Flüchtlingseinrichtung untergebracht waren, können diese auch nach der Anerkennung für einen Übergangszeitraum von 6 bzw. 12 Monaten nutzen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, bei denen es nach dieser Übergangszeit zu einer Aufforderung gekommen wäre, die Wohnung zu räumen. Eine gesicherte Verwaltungspraxis zum Verbleib von anerkannt Schutzberechtigten existiert nicht. Personen, die nach Zuerkennung ihres Schutzstatus in Griechenland diese Wohnungen verlassen und einen Zweitantrag in einem anderen Mitgliedstaat stellen, verzichten in eigener Verantwortung auf diesen Sozialvorteil (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018; an das VG Greifswald vom 26.9.2018 sowie an das VG Schwerin vom selben Tag). Die Wohnungen des UNHCR-Programms „ESTIA“ stehen nur besonders schutzbedürftigen Personengruppen zur Verfügung (Information des UNHCR, „Accomodation Update“, Juli 2019). Einer Stellungnahme der Stiftung PRO ASYL zu den Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland vom 30.08.2018 (Update) ist zu entnehmen, dass den Verfassern kein Fall einer nach Griechenland abgeschobenen international schutzberechtigten Person bekannt sei, die nach der Rückkehr von den zuständigen Behörden eine Wohnung des UNHCR-Unterbringungsprogramms erhalten habe oder offiziell an ein Flüchtlingslager in der Region Attika (oder anderswo auf dem Festland) verwiesen worden sei. Eine Anmietung von Wohnraum auf dem privatwirtschaftlichen Wohnungsmarkt ist grundsätzlich möglich, ist in der Praxis aber häufig erschwert, da freier Wohnraum in Griechenland traditionell an Familienmitglieder und Bekannte abgegeben wird oder die Wohnungssuchenden gelegentlich auch mit Vorurteilen konfrontiert sind (Auskunft des Auswärtigen Amtes an VG Schwerin vom 26.9.2018).

Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (NRO) unterstützen bei der Wohnungsfindung, der Überwindung von Sprachbarrieren und der Orientierung im griechischen System. Sie helfen bei der Beantragung von Steuer- und Sozialversicherungsnummer sowie bei der Suche nach einem Arbeitsplatz. Teilweise bieten diese auch selbst Wohnraum an. Bedürftige können sich nach Ankunft direkt an diese Organisationen wenden (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018 und vom 26.9.2018 an das VG Schwerin).

Grundsätzlich stehen anerkannt Schutzberechtigten staatliche Obdachlosenunterkünfte offen, wobei sie hier mit Einheimischen um die begrenzten Plätze konkurrieren. Es bestehen nur sehr begrenzte Kapazitäten und die Unterkünfte verfügen über Wartelisten (Stiftung PRO ASYL, Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland vom 30.08.2018 (Update)). Die Zahl der in Athen zur Verfügung stehenden Unterkünfte ist nicht ausreichend. Dass trotz dieses Umstands Obdachlosigkeit unter Flüchtlingen in Athen kein augenscheinliches Massenphänomen darstellt, ist auf die Bildung von eigenen Strukturen und Vernetzung innerhalb der jeweiligen Landsmannschaften zurückzuführen, über welche auf informelle Wege zurückgegriffen werden kann (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018).

Neben diesen Möglichkeiten bestehen weitere inoffizielle Wohnprojekte, die von den offiziellen Stellen nicht erfasst werden.

Anerkannt Schutzberechtigte haben in gleicher Weise wie Einheimische Zugang zu allgemeinen Sozialhilfeleistungen. Das System der sozialen Grundsicherung befindet sich noch im Aufbau und soll aus drei Säulen bestehen, die sowohl Geld- und Sachleistungen (erste und zweite Säule) als auch Arbeitsvermittlung (dritte Säule) vorsehen. Eine gesicherte Verwaltungspraxis hierzu existiert noch nicht. Personen, die in EU-finanzierten Aufnahmezentren und Wohnungen untergebracht sind, sind von der Grundsicherung ausgeschlossen.

Die Höhe der Geldleistungen liegt bei 200 Euro pro Einzelperson. Dieser Betrag erhöht sich um 100 Euro je weitere erwachsene Person und um 50 Euro je weitere minderjährige Person im Haushalt. Bei Alleinerziehenden erhöht sich der Geldbetrag für das erste Kind um weitere 50 auf 100 Euro. Alle Haushaltsmitglieder werden stets zusammengenommen betrachtet und die maximale Leistung beträgt 900 Euro pro Haushalt. Einkommen jedweder Herkunft wird vollständig angerechnet, für Vermögen bestehen Freibeträge bei Grundeigentum.

Die zweite Säule besteht aus sozialen Hilfsprogrammen, die durch die Kommunen und den Zentralstaat bereitgestellt werden. Dazu gehören eine prioritäre Unterbringung in Kindertagesstätten und freie Schulmahlzeiten oder ein Einbezug in Programme des Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen (FEAD). Sachleistungen umfassen z. B. trockene Grundnahrungsmittel (z. B. Mehl, Reis, Öl), Kleidung und Hygieneartikel, die bei Bedarf und im Rahmen der vorhandenen Haushaltsmittel durch eine zentralstaatliche Behörde (Nationales Institut für Arbeit und die Nutzungsverbesserung von Humanressourcen - Ethniko Instituto Ergasias kai Anaptixis Anthropinou Dynamikou) zur Verfügung gestellt werden, die seit 2017 neu die Aufgabe der Verteilung an 57 Logistikstellen landesweit übernommen hat. In gut 100 der insgesamt 305 griechischen Gemeinden besteht bereits ein gemäß Gesetz vom 20. Februar 2016 vorgesehenes Sozialzentrum. Die griechische Arbeitsagentur ODEA stellt nunmehr seit Juni 2018 für alle anerkannten Schutzberechtigten eine Arbeitslosenkarte aus. Eine Registrierung bei der Arbeitsagentur, die Voraussetzung für weitere Sozialleistungen ist, war zuvor in der Praxis für anerkannte Schutzberechtigte kaum möglich, da als Voraussetzung ein Wohnungsnachweis auf den Namen der Person vorgelegt werden musste. Nachdem diese Hürde weggefallen ist, wurden innerhalb weniger Monate über 4.000 Personen aus dem EU-finanzierten Unterkunftsprogramm ESTIA registriert (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018).

Voraussetzung für den Erhalt von Sozialleistungen ist das Einreichen verschiedener Dokumente (Aufenthaltserlaubnis, Sozialversicherungsnummer, Bankverbindung, Steuererklärung). Es ist ein mindestens einjähriger legaler Aufenthalt in Griechenland nachzuweisen, was im Regelfall durch Vorlage der Steuererklärung des Vorjahres erfolgt. Die Unterlagen sind online und in griechischer Sprache einzureichen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Köln vom 7.2.2018). Staatlicherseits stehen keine Dolmetscher zur Verfügung, NROs können hierbei aber unterstützen. Für die Registrierung der Steuernummer und der Sozialversicherungsnummer sind Nachweise über den Wohnsitz und ein gültiges Ausweisdokument erforderlich (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018).

Die Stiftung ProAsyl stellt fest, dass es für anerkannt Schutzberechtigte extrem schwierig sei, diese Dokumente zu bekommen. Insbesondere scheitere es sowohl bei der Eröffnung eines Bankkontos als auch einer Registrierung bei den Steuerbehörden an dem Vorliegen eines Wohnungsnachweises. Sofern die Schutzberechtigten keinen festen Wohnsitz haben, sei eine Bescheinigung über die Obdachlosigkeit vorzulegen. Ein Verfahren zur Identifizierung von Obdachlosen und zur Ausstellung von Bescheinigungen sei aber nicht geregelt (Stiftung PRO ASYL, Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland vom 30.08.2018 (Update)). Ungeachtet dessen dürften nach Griechenland zurückkehrende Schutzberechtigte bereits besondere Schwierigkeiten haben, einen dauerhaften und legalen Aufenthalt im Inland nachzuweisen.

Neben der staatlichen sozialen Grundsicherung besteht das sog. CashCard-Programm des UNHCR. Der in Form von Prepaid-Kreditkarten gewährte Auszahlungsbetrag beträgt 150,00 Euro pro Monat für alleinreisende Männer. Der Bezug endet nach einer Übergangsfrist von sechs bis zwölf Monaten nach Zuerkennung internationalen Schutzes. In der Praxis wurden jedoch noch keine Asylbewerber nach dem Statuswechsel von dem Bezug ausgeschlossen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an VG Stade vom 6.12.2018). Voraussetzung für den Bezug ist der Nachweis einer Unterkunft in ausgewiesenen oder gemieteten Unterkünften. Inoffizielle Wohnungen sind von der Gewährung ausgeschlossen (Information des UNHCR „Greece Cash Alliance“, November 2017). Für bereits anerkannte Schutzberechtigte ist ein Neueintritt in das CashCard-Programm nicht möglich (Auskunft des Auswärtigen Amtes an VG Stade vom 6.12.2018).

Die Sicherung des Lebensunterhaltes durch Erwerbstätigkeit ist schwierig. Aufgrund der hohen allgemeinen Arbeitslosigkeit (Mai 2019: 18,1%, Eurostat) haben alleinreisende männliche Schutzberechtigte nur geringe Chancen, Zugang zu qualifizierter Arbeit zu finden (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Greifswald vom 26.9.2018). Die Aussicht von staatlicher Seite einen Arbeitsplatz vermittelt zu bekommen, ist gering. Die staatliche Arbeitsagentur hat bereits für griechische Staatsangehörige kaum Ressourcen für die aktive Arbeitsvermittlung und noch kein Programm zur Arbeitsintegration von Flüchtlingen eingeführt (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 26.9.2018 an das VG Schwerin und vom 26.9.2018 an das VG Greifswald).

Verschiedene NROs unterhalten Suppenküchen, in denen Bedürftige (Einheimische und Ausländer) warme Mahlzeiten erhalten können (Stiftung PRO ASYL, Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland vom 30.08.2018 (Update)). Diese Maßnahmen bilden ein „elementares Auffangnetz gegen Hunger und Entbehrungen“ (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018).

Bezüglich der medizinischen Versorgung besteht in Griechenland ein Anspruch auf weitgehend kostenlose Krankenbehandlung in Krankenhäusern. Der effektive Zugang, insbesondere zu einer Notfallversorgung ist gewährleistet. Fälle von Behandlungsverweigerung sind seltene Ausnahmefälle (vgl. Auskünfte des Auswärtigen Amtes an die Verwaltungsgerichte Schwerin und Greifswald vom 26.09.2018). Es besteht somit Inländergleichbehandlung.

Ausgehend von diesen Erkenntnissen ist die Kammer der Überzeugung, dass dem Kläger als zurückkehrenden anerkannt Schutzberechtigten keine Verletzung seiner Rechte aus Art. 4 GrCH, Art. 3 EMRK droht.

Zwar ist nach Auswertung der zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel nicht anzunehmen, dass der Kläger nach seiner Rückkehr in einer griechischen Flüchtlingsunterkunft oder in einer durch den UNHCR geförderten Unterkunft unterkommen kann. Sofern es dem Kläger nicht gelingt, jedenfalls vorübergehend einen Platz in einer Obdachlosenunterkunft zu erhalten, ist er auf informelle Unterkünfte angewiesen, da nur in Einzelfällen die Möglichkeit besteht, eine Unterkunft auf dem Wohnungsmarkt zu erhalten. Auch ein Zugang zur sozialen Grundsicherung besteht wegen des nicht erfüllten Mindestaufenthaltes nicht. Eine Unterstützung durch das UNHCR-CashCard-Programm wird voraussichtlich auch nicht zu erreichen sein. Zu berücksichtigen ist aber insgesamt, dass der Kläger nach Zuerkennung eines Schutzstatus keinen Anspruch auf Zuweisung einer Wohnung oder unbedingte Gewährung von Sozialleistungen hat, da insofern nur ein Anspruch auf Inländergleichbehandlung besteht, der erfüllt wird. Nicht ausgeblendet werden darf auch, dass sich der Kläger aus freiem Willen um seine Unterkunft gebracht hat, indem er Griechenland verlassen hat. Dass er nunmehr keinen Zugang zu einer Flüchtlingsunterkunft hat, liegt maßgeblich hierin begründet. Gleichwohl steht der Kläger nach Auffassung der Kammer nicht der sicheren Obdachlosigkeit gegenüber. Hierfür spricht, dass nach der oben dargestellten Erkenntnislage Obdachlosigkeit unter Flüchtlingen nicht vermehrt auftritt. Der Kläger wird nach Auffassung der Kammer zunächst bei Hilfsorganisationen oder über informelle Netzwerke eine Unterkunft finden müssen, aber auch finden können.

Eine Versorgung mit Lebensmitteln und den nötigsten Dingen des täglichen Bedarfs wird der Kläger zunächst über NRO oder informelle Netzwerke sicherstellen müssen, aber auch können. Bei der oben skizzierten Sachlage ist der Zugang zu Wohnungs- und Arbeitsmarkt durch eigenverantwortliches Handeln geprägt und der Kläger wird eine große Eigeninitiative entfalten müssen, um sein Leben in Griechenland zu organisieren und aufzubauen.

Nach einer Übergangszeit wird der junge arbeitsfähige Kläger nach Auffassung der Kammer in der Lage sein, durch Hilfs- und Gelegenheitstätigkeit jedenfalls einen Teil seines Lebensunterhaltes selbstständig zu sichern.

Eine darüberhinausgehende Versorgung oder Unterstützung verlangen Art. 4 GrCH bzw. Art. 3 EMRK nach der oben skizzierten Rechtsprechung des EuGHs nicht.

Hinzu tritt, dass der Kläger bereits in der Vergangenheit finanzielle Unterstützung seiner in Deutschland und im Ausland lebenden Familie erhalten hat und im Falle einer materiellen Notlage erneut mit einer Unterstützung rechnen kann. Zwar erfolgte die Unterstützung nur in einem sehr geringen Umfang, nach der oben dargestellten Erkenntnislage ist eine vollständige und dauerhafte Sicherung des Lebensunterhaltes durch familiäre Zuwendungen aber auch nicht erforderlich. Nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung war die geleistete Unterstützung aber auch ausreichend. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 1.10.2001 - 1 B 185/01 -, juris) in die gerichtliche Gefahrenprognose mit einzubeziehen.

Mit dem Hilfsantrag, die Beklagte zu verpflichten, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festzustellen, hat der Kläger ebenfalls keinen Erfolg. Die Ablehnung der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Im Falle einer Überstellung nach Griechenland droht dem Kläger keine Verletzung seiner durch die Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (sog. Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK) gewährleisteten Rechte. In Betracht kommt allenfalls eine Verletzung des Art. 3 EMRK. Eine Verletzung dieser Rechte ist nach Auffassung der Kammer, wie oben dargelegt, nicht zu befürchten.

Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG ist ebenfalls nicht festzustellen. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Hierfür bestehen keine Anhaltspunkte.

Die Abschiebungsandrohung (Ziff. 3 des Bescheides) entspricht zwar nicht den gesetzlichen Anforderungen und ist rechtswidrig, weil die Beklagte anstelle der in § 36 Abs. 1 AsylG gesetzlich vorgesehenen Wochenfrist eine 30-tägige Ausreisefrist gesetzt hat. Gleichwohl führt diese Rechtswidrigkeit nicht zur Aufhebung der Abschiebungsandrohung, da die zu Gunsten des Klägers verlängerte und bei Klageerhebung erst 30 Tage nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens endende Klagefrist ihn nicht in seinen Rechten verletzt (BVerwG, Urt. v. 25.4.2019 - 1 C 51/18 -, juris).

Die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Nach § 11 Abs. 3 S. 1 AufenthG hat die Behörde über die Frist nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden. Die Entscheidung ist gemäß § 114 VwGO vom Gericht nur insoweit zu überprüfen, als zu fragen ist, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Diese Fragen sind zu verneinen. Ermessensfehler sind weder ersichtlich noch vom Kläger im Verfahren vorgetragen worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.