Landgericht Aurich
Beschl. v. 15.04.2011, Az.: 12 Qs 43/11

Jugendamt muss Sozialdaten eines unbekannten Informanten bei bestehendem Verdacht der falschen Verdächtigung zum Kindesmissbrauch herausgeben; Herausgabe der Sozialdaten eines unbekannten Informanten durch das Jugendamt bei bestehendem Verdacht der falschen Verdächtigung zum Kindesmissbrauch

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
15.04.2011
Aktenzeichen
12 Qs 43/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 18380
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGAURIC:2011:0415.12QS43.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Aurich - 24.02.2011 - AZ: 6 Gs 207/11

Fundstelle

  • StRR 2011, 311

Verfahrensgegenstand

Falsche Verdächtigung
hier: Anordnung auf Auskünfte der Sozialbehörden

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Gibt ein Ermittlungsrichter eines Amtsgerichts einer Stadt durch Beschluss nach § 73 II, III SGB X iVm § 72 I S. 2 SGB X auf, dem Jugendamt dieser Stadt bekannte Personalien eines Anzeigeerstatters mitzuteilen, der den Verdacht einen sexuellen Mißbrauchs in einer bestimmten Familie geäußert hatte, dann ist dagegen die Beschwerde nach § 304 StPO zulässig.

  2. 2.

    Die Berechtigung der Strafverfolgungsbehörden zu Ermittlungsmaßnahmen steht grundsätzlich unter dem Vorbehalt datenschutzrechtlicher Sonderbestimmungen. Nach § 35 I S. 1 SGB I hat jeder einen Anspruch darauf, dass ihn betreffende Sozialdaten nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Nach § 35 III SGB I besteht für Sozialbehörden keine Auskunftspflicht, keine Zeugnispflicht und keine Pflicht zur Vorlegung oder Auslieferung von Schriftstücken, nicht automatisierten Dateien und automatisiert erhobenen, verarbeiteten oder genutzten Sozialdaten. Dieser Schutz des Sozialgeheimnisses bezieht sich auch auf die Verwendung von Sozialdaten im Strafverfahren. Die angeforderten Angaben über die Personalien eines unbekannten Informanten stellen Sozialdaten nach § 35 I SGB I iVm § 67 I SGB X dar. Bei Sozialdaten handelt es sich um Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Der Begriff ist umfassend zu verstehen, so dass hierunter sowohl der Name eines Behördeninformanten als auch dessen inhaltliche Angaben fallen können. Angesichts dessen unterliegen die geforderten Informationen grundsätzlich dem Schutz vor unbefugter Offenbarung.

  3. 3.

    Eine Durchbrechung des Sozialgeheimnisses ist aber gerechtfertigt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen des § 73 II, III SGB X iVm § 72 I S. 2 SGB X gegeben sind. Hat eine Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des begründeten Verdachts der falschen Verdächtigung und Verleumdung eingeleitet, bezieht sich der beim zuständigen Amtsgericht - Ermittlungsrichter - gestellte Antrag lediglich auf die Offenbarung der Personalien des unbekannten Informanten, so dass die gerichtliche Anordnung ohne Rücksicht auf die Bedeutung der zugrundeliegenden Straftat zulässig und begründet ist.

  4. 4.

    Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des in § 65 SGB VIII normierten besonderen Vertrauensschutzes, wonach Sozialdaten, die einem Mitarbeiter der öffentlichen Jugendhilfe zum Zweck persönlicher und erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind, von diesem nur unter den dort enumerativ aufgeführten, engeren Voraussetzungen weitergegeben werden dürfen. Denn die Weitergabe der Information erfolgt nach § 65 I S. 1 Nr. 5 SGB VIII unter Bedingungen, unter denen eine der in § 203 I oder III StGB genannten Personen ebenfalls befugt wäre. Die Befugnis wiederum, Privatgeheimnisse in den in § 203 I und III StGB genannten Fällen preiszugeben, ergibt sich mangels Einwilligung namentlich aus den dem rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB) angelehnten Grundsätzen über die Güterabwägung widerstreitender Interessen und Pflichten. Eine derartige Abwägung lässt insoweit die Durchbrechung des Sozialgeheimnisses selbst in Ansehung des § 65 I SGB VIII gerechtfertigt erscheinen.

  5. 5.

    Die Kammer verkennt hierbei nicht, dass der Gesetzgeber in § 35 SGB I iVm §§ 67 ff. SGB X die hervorgehobene Stellung des Sozialdatenschutzes zum Ausdruck gebracht hat. Nach § 65 I SGB VIII gilt dies insbesondere für die Belange der öffentlichen Jugendhilfe, weil anderenfalls kaum jemand bereit wäre, sich zum Schutz gefährdeter Kinder an das Jugendamt zu wenden. Könnten die Jugendämter diese Vertraulichkeit nicht garantieren, wären sie eines wichtigen Mittels beraubt, um eventuelle familiäre Probleme rechtzeitig zu entdecken und zu lösen. Dagegen streitet jedoch die Tatsache, dass ein Denunzierter unterschwellig dem besonders kreditgefährdenden, nicht unerheblichen Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Kindern ausgesetzt ist. Angesichts dessen ist ihm aus Gründen des Ehrschutzes Gelegenheit zu geben, sich zur Wehr zu setzen und den Namen des Hinweisgebers zu erfahren. Für eine Offenbarung der Sozialdaten spricht überdies, wenn es nicht nur um das Anliegen des Betroffenen selbst geht, sondern wenn die Staatsanwaltschaft ein legitimes und sogar richterlich überprüftes Auskunftsverlangen gestellt hat.

In der Strafsache
...
hat die II. große Strafkammer des Landgerichts Aurich
auf die Beschwerde der Stadt E. - Jugendamt - vom 03.03.2011
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Aurich vom 24.02.2011 (Az: 6 Gs 207/11)
durch
die unterzeichneten Richter
am 15.04.2011
beschlossen:

Tenor:

  1. I.

    Die Beschwerde der Stadt E. - Jugendamt - vom 03.03.2011 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Aurich vom 24.02.2011 (Az: 6 Gs 207/11) wird als unbegründet verworfen.

  2. II.

    Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wird damit gegenstandslos.

  3. III.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen im Beschwerdeverfahren hat die Beschwerdeführerin selbst zu tragen.

Gründe

1

I.

Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen hat am 11.01.2011 eine unbekannte Person gegenüber dem Jugendamt der Stadt E. - der Beschwerdeführerin - telefonisch Mutmaßungen bezüglich einer Kindeswohlgefährdung angestellt. Aufgrund dessen ist die Beschwerdeführerin tätig geworden und hat die Lebensgefährtin des Anzeigeerstatters und zugleich Kindesmutter diesbezüglich zu einem Gespräch geladen. In diesem Gespräch soll - so die Bekundung des Anzeigeerstatters gegenüber der Polizei - ihm von Seiten eines Mitarbeiters des Jugendamtes mitgeteilt worden sein, dass er die Tochter seiner Lebensgefährtin sexuell missbraucht habe. Es wurde ferner eine ärztliche Untersuchung durchgeführt, in der allerdings keine Anzeichen für einen sexuellen Missbrauch festgestellt wurden. Angesichts dessen hat die Staatsanwaltschaft Aurich ein Verfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der falschen Verdächtigung und der Verleumdung eingeleitet und beim Amtsgericht Aurich - Ermittlungsrichter - einen Antrag gestellt, die Beschwerdeführerin dazu zu verpflichten, die Personalien des unbekannten Informanten mitzuteilen. Gegen eine entsprechende, auf § 73 Abs. 2, 3 SGB X i.V.m. § 72 Abs. 1 S. 2 SGB X gestützte Anordnung wendet sich nunmehr die Beschwerdeführerin, wiederum vertreten durch den Fachbereichsleiter des Jugendamtes, mit der vorliegenden Beschwerde.

2

II.

1.

Die Beschwerde ist gem. § 304 StPO zulässig. Insbesondere ist hier die Beschwerdebefugnis der Stadt E. - Jugendamt -, wiederum vertreten durch dessen Fachbereichsleiter, im Hinblick auf die sich aus der Regelung des § 67d Abs. 2 S. 1 SGB X ergebenden Verantwortlichkeit der übermittelnden Stelle für die Rechtmäßigkeit der Übermittlung gegeben (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss v. 11. 10. 2006 - 3 Ws 374/06, NJW 2006, S. 3656), zumal die Beschwerdeführerin über die geforderte Information verfügt und als solche auch Adressatin des Beschlusses ist.

3

2.

Die Beschwerde bleibt in der Sache indes ohne Erfolg.

4

a)

Die Berechtigung der Strafverfolgungsbehörden zu Ermittlungsmaßnahmen der vorliegenden Art steht grundsätzlich unter dem Vorbehalt datenschutzrechtlicher Sonderbestimmungen. Diesbezüglich bestimmt § 35 Abs. 1 S. 1 SGB I, dass jeder einen Anspruch darauf hat, dass ihn betreffende Sozialdaten i.S.v. § 67 Abs. 1 SGB X nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Gemäß § 35 Abs. 3 SGB I besteht für Sozialbehörden keine Auskunftspflicht, keine Zeugnispflicht und keine Pflicht zur Vorlegung oder Auslieferung von Schriftstücken, nicht automatisierten Dateien und automatisiert erhobenen, verarbeiteten oder genutzten Sozialdaten. Dieser Schutz des Sozialgeheimnisses bezieht sich auch auf die Verwendung von Sozialdaten im Strafverfahren.

5

Die mit dem angefochtenen Beschluss angeforderten Angaben über die Personalien des unbekannten Informanten stellen Sozialdaten i.S.d. § 35 Abs. 1 SGB I i.V.m. § 67 Abs. 1 SGB X dar. Bei Sozialdaten handelt es sich um Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Der Begriff ist umfassend zu verstehen, so dass hierunter sowohl der Name eines Behördeninformanten (vgl. BVerwG, Urteil v. 04.09.2003 - 5 C 48/02, NJW 2004, S. 1543 ff.) als auch dessen inhaltliche Angaben ( VG Oldenburg, Urteil v. 14.12.2009 - 13 A 1158/08, NVwZ-RR 2010, S. 439) fallen können. Angesichts dessen unterliegen die geforderten Informationen grundsätzlich dem Schutz vor unbefugter Offenbarung.

6

b)

Gleichwohl ist die Durchbrechung des Sozialgeheimnisses gerechtfertigt und damit im Ergebnis die gerichtliche Anordnung auf Auskünfte dieser Sozialdaten zutreffend, da die gesetzlichen Voraussetzungen gem. § 73 Abs. 2, 3 SGB X i.V.m. § 72 Abs. 1 S. 2 SGB X hierfür gegeben sind. Im vorliegenden Fall führt nämlich die Staatsanwaltschaft Aurich ein Strafverfahren wegen des begründeten Verdachts der falschen Verdächtigung und Verleumdung. Der beim zuständigen Amtsgericht - Ermittlungsrichter - gestellte Antrag bezieht sich dabei lediglich auf die Offenbarung der Personalien des unbekannten Informanten, so dass die gerichtliche Anordnung ohne Rücksicht auf die Bedeutung der zugrundeliegenden Straftat i.S.d. § 73 Abs. 1 SGB X zulässig und begründet ist.

7

c)

Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des in § 65 SGB VIII normierten besonderen Vertrauensschutzes, wonach Sozialdaten, die einem Mitarbeiter der öffentlichen Jugendhilfe zum Zweck persönlicher und erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind, von diesem nur unter den dort enumerativ aufgeführten, engeren Voraussetzungen weitergegeben werden dürfen.

8

aa)

Zwar geht die Beschwerdeführerin im Ansatz zutreffend davon aus, dass die Offenbarungsbefugnisse des Jugendamtes aufgrund § 65 SGB VIII eine wesentliche Einschränkung erfahren. Denn nach der Verfahrensvorschrift des § 37 S. 1 SGB I gehen die speziellen Datenschutzregelungen in den übrigen Büchern des Sozialgesetzbuches den allgemeinen sozialverfahrensrechtlichen Regelungen des SGB X vor, so dass auch die Anordnung zur Datenübertragung nach § 73 Abs. 1, 3 SGB X nur zulässig ist, soweit die Regelungen zum besonderen Vertrauensschutz nach § 65 SGB VIII nicht entgegenstehen (ebenso LG Saarbrücken, Beschluss v. 19.03.2007 - 4 Qs 12/07 I, zit. n. [...] ; Bieresborn, in: von Wulffen, SGB X7, § 73 Rz. 12; Kunkel, StV 2000, S. 531 (535)).

9

bb)

Insoweit liegen hier auch Sozialdaten i.S.d. § 65 SGB VIII vor. Denn hierzu zählen alle Informationen, die etwas über eine individualisierbare natürliche Person aussagen und damit zur Identifikation dienen. Dementsprechend fallen alle Kenntnisse aus der privaten Sphäre, die ein Mitarbeiter des Jugendamtes bei Erfüllung seiner Aufgaben von Außenstehenden erlangt hat, unter diese Geheimhaltungspflicht. Dies gilt in erster Linie für den Namen von Betroffenen also auch Informanten sowie für deren inhaltlichen Angaben ( VG Göttingen, Urteil v. 09.02.2006 - 2 A 199/05, zit. n. BeckRS 2006, 24213; VG Oldenburg, a.a.O., S. 439). Während nach den allgemeinen Regeln des Sozialdatenschutzes von Behördeninformanten eine Preisgabe der Personalien nur nach einer Güterabwägung erfolgen darf, nämlich dann, wenn ausreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Behördeninformation wider besseres Wissen und in Schädigungsabsicht erfolgte (vgl. BVerwGE 119, 11 = NJW 2004, S. 1543 [BVerwG 04.09.2003 - 5 C 48.02]), sind anvertraute Daten i.S.d. § 65 Abs. 1 S. 1 SGB VIII, zu denen auch Hinweise von Informanten zählen, im Jugendhilferecht aus Gründen des Kindeswohls unabhängig davon geheim zu halten, ob ein Geheimhaltungsgrund im berechtigten Interesse des Informanten liegt oder ob ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, der Informant habe wider besseren Wissens in der vorgefassten Absicht, den Ruf eines anderen zu schädigen, gehandelt oder auch leichtfertig falsche Informationen gegeben ( VG Oldenburg, a.a.O., S. 439).

10

cc)

Gleichwohl ist der angefochtene Beschluss auch unter den die Befugnis des § 73 SGB X einschränkenden Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 SGB VIII rechtmäßig. Denn die Weitergabe der Information erfolgt hier - entgegen dem Beschwerdevorbringen - gem. § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB VIII unter Bedingungen, unter denen einer der in § 203 Abs. 1 oder 3 StGB genannten Personen ebenfalls befugt wäre. Die Befugnis wiederum, Privatgeheimnisse in den in § 203 Abs. 1 und 3 StGB genannten Fällen preiszugeben, ergibt sich hier mangels Einwilligung namentlich aus den dem rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB) angelehnten Grundsätzen über die Güterabwägung widerstreitender Interessen und Pflichten ( BGHSt 1, 366 (368); Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB27, § 201a Rz. 9; Rogall, NStZ 1983, S. 1 (6)). Eine derartige Abwägung lässt im vorliegenden Fall die Durchbrechung des Sozialgeheimnisses selbst in Ansehung des § 65 Abs. 1 SGB VIII gerechtfertigt erscheinen:

11

(1)

Die Kammer verkennt hierbei nicht, dass der Gesetzgeber in § 35 SGB I i.V.m. §§ 67 ff. SGB X die hervorgehobene Stellung des Sozialdatenschutzes zum Ausdruck gebracht hat. Gemäß § 65 Abs. 1 SGB VIII gilt dies insbesondere für die Belange der öffentlichen Jugendhilfe, weil anderenfalls kaum jemand bereit wäre, sich zum Schutz gefährdeter Kinder an das Jugendamt zu wenden (vgl. Kaufmann, ZfJ 2005, S. 433 (435)). Zudem ist das nachvollziehbare Interesse des Betroffenen - hier des Anzeigeerstatters-, sich über Behördeninformanten zu informieren, für sich genommen noch nicht geeignet, eine Offenbarung von Sozialdaten zu rechtfertigen ( VG Oldenburg, a.a.O., S. 439). Denn die Jugendämter sind auf die Anzeige von Verdachtsfällen durch Personen, die sich um das Wohlergehen von Kindern oder Jugendlichen sorgen, angewiesen, um zum Schutz der jungen Menschen eingreifen zu können. Die Tatsache, dass gerade nahestehende Personen, wie Verwandte, Nachbarn, Freunde oder auch Familienangehörige über den dafür notwendigen Einblick in familieninterne Konfliktlagen verfügen, macht es nachvollziehbar, dass eine solche Anzeige entweder gänzlich anonym oder aber unter Angabe von Personendaten unter der Zusicherung erfolgt, dass diese vom Jugendamt nicht weitergegeben werden (so ausdrücklich VG Oldenburg, a.a.O., S. 439; vgl. auch Kunkel, StV 2000, S. 531 (535)). Könnten die Jugendämter diese Vertraulichkeit nicht garantieren, wären sie eines wichtigen Mittels beraubt, um eventuelle familiäre Probleme rechtzeitig zu entdecken und zu lösen (vgl. VG Schleswig, Urteil v. 11.05.2009 - 15 A 160/08, zit. n. BeckRS 2009, 35031).

12

(2)

Dagegen streitet jedoch die Tatsache, dass der Anzeigeerstatter unterschwellig dem besonders kreditgefährdenden, nicht unerheblichen Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Kindern ausgesetzt ist. Angesichts dessen ist ihm aus Gründen des Ehrschutzes Gelegenheit zu geben, sich zur Wehr zu setzen und den Namen des Hinweisgebers zu erfahren. Für eine Offenbarung der Sozialdaten spricht überdies der Umstand, dass es - anders als im Verfahren vor dem VG Oldenburg, a.a.O., S. 439 f. - nicht nur um das Anliegen des Betroffenen selbst geht, sondern dass hier ebenfalls die Staatsanwaltschaft ein legitimes und sogar richterlich überprüftes Auskunftsverlangen gestellt hat. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass im vorliegenden Fall - anders als in dem von der Beschwerdeführerin zitierten Verfahren vor dem LG Oldenburg, Beschluss v. 30.11.2010 - 1 Qs 437/10, zit. n. [...] - nicht die Beschlagnahme einer gesamten Email, sondern lediglich die Preisgabe der Personalien des anonymen Hinweisgebers in Rede steht.

13

(3)

Da sowohl das Persönlichkeitsrecht des Anzeigeerstatters als auch das Strafverfolgungsinteresse der Staatsanwaltschaft dem allein betroffenen Schutz der anvertrauten Sozialdaten vor unbefugter Offenbarung gegenüberstehen, überwiegt hier das Interesse an der Preisgabe der streitbefangenen Sozialdaten, zumal sich letztere hier nur auf die "weniger empfindlichen" Daten i.S.d. § 72 Abs. 1 S. 2 SGB X beziehen. Dieser Abwägungsvorgang stellt sich insoweit als verhältnismäßig dar und führt darüber hinaus auch zu sachgerechten Ergebnissen: Denn andernfalls entstünde ein strafrechtsfreier Raum, wodurch Denunziantentum unbeschränkt Vorschub geleistet würde. Zugleich würde man bei einer Verneinung der Offenbarungspflicht zu hohe Anforderungen an die Offenbarungsbefugnis stellen, was sich im Hinblick auf die Wahrnehmung berechtigter Informationsinteressen (vgl. § 193 StGB) des betroffenen Anzeigeerstatters als unvertretbar hemmend erwiesen hätte (in diesem Sinn Rogall, NStZ 1983, S. 1 (6)).

14

d)

Soweit die Beschwerdeführerin daneben gem. § 307 Abs. 2 StPO die Aussetzung der Vollziehung einer Anordnung zur Datenübermittlung nach § 73 Abs. 1 und 3 SGB X beantragt, ist dieser Antrag mit dem vorliegenden Beschluss gegenstandslos geworden.

15

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.