Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 16.06.2022, Az.: 6 B 164/22

ausländische Fahrerlaubnis; Beweislast; eidesstattliche Versicherung; Fahrerlaubnis; Fahrerlaubnis auf Probe; Syrien; Urkunde, öffentliche

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
16.06.2022
Aktenzeichen
6 B 164/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59692
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Der Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe ist hinsichtlich der ihm günstigen Tatsache, die Zeit seit dem Erwerb einer ausländischen Fahrerlaubnis sei auf die Probezeit gemäß § 2a Abs. 1 Satz 2 StVG anzurechnen, darlegungs- und materiell beweisbelastet.

2. Einzelfall, in dem das beschließende Gericht trotz Vorlage einer vermeintlich von einer syrischen Behörde stammenden Bestätigung über das frühere Innehaben einer syrischen Fahrerlaubnis und einer dahingehenden Versicherung des Antragstellers nach summarischer Bewertung von der Richtigkeit dieser Einlassung nicht hinreichend überzeugt ist.

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes gegen die sofortige Vollziehung eines Bescheids, mit dem der Antragsgegner ihm die Fahrerlaubnis entzogen und ihn zur unverzüglichen Abgabe des Führerscheins aufgefordert hat.

Der Antragsteller ist syrischer Staatsangehöriger und hat eigenen Angaben zufolge seit dem 15. August 2015 seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland. Im Zeitraum vom 5. September 2018 bis zum 31. August 2021 hatte er seinen Wohnsitz im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners, seit dem 1. September 2021 wohnt er im Zuständigkeitsbereich der Stadt A-Stadt.

Am 24. August 2017 erteilte das Landratsamt Miltenberg dem Antragsteller eine Fahrerlaubnis der Klassen B, AM und L. In der Führerscheindatei vermerkte das Landratsamt Miltenberg, dass ein vom Antragsteller im Rahmen des Erteilungsverfahrens vorgelegter syrischer Führerschein als Fälschung und die Erteilung der Fahrerlaubnis deswegen als Ersterteilung bewertet würden. Dem lag eine gutachterliche Bewertung des Bayerischen Landeskriminalamts vom 25. November 2016 zugrunde, in der ausgeführt wurde, dass eine urkundentechnische Untersuchung anhand optischer Verfahren in Remission, Lumineszenz und Transmission im sichtbaren ultravioletten und infraroten Spektralbereich unter Heranziehung von Vergleichsmaterial stattgefunden habe, und sich das vom Antragsteller vorgelegte Führerschein-Dokument hiernach in seiner herstellungstechnischen Ausführung von authentischem Vergleichsmaterial unterscheide, sodass die Bewertung erfolge, dass das vom Antragsteller vorgelegte Dokument eine Nachahmung darstelle und nicht von autorisierter Stelle ausgestellt sei. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten (Bl. 54 der Gerichtsakte) verwiesen. Im Zentralen Fahrerlaubnisregister wurde eine am 24. August 2019 endende Probezeit vermerkt.

Mit seit dem 4. Dezember 2018 rechtskräftigem Strafbefehl vom 14. November 2018 verhängte das Amtsgericht E. (dortiges Aktenzeichen: F.) wegen einer fahrlässig begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit und einer vorsätzlichen Verkehrsunfallflucht eine Geldstrafe in Höhe von 35 Tagessätzen gegenüber dem Antragsteller und sprach ein Fahrverbot für die Dauer von zwei Monaten aus. Wegen der Einzelheiten wird auf den Strafbefehl (Bl. 10 ff. der Beiakte 1) verwiesen.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 18. Februar 2019 ordnete der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller die Teilnahme an einem Aufbauseminar für Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe an und wies darauf hin, dass sich die Probezeit bis zum 24. August 2021 verlängere. Mit Bescheid vom 11. Juli 2019, dem Antragsteller am 13. Juli 2019 zugestellt, entzog der Antragsgegner dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis mit der Begründung, der Antragsteller habe die Teilnahme an einem Aufbauseminar innerhalb der hierfür mit Bescheid vom 18. Februar 2019 gesetzten Frist nicht nachgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 11. Juli 2019 (Bl. 33 ff. der Beiakte 1) verwiesen. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 8. August 2019, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 38 f. der Gerichtsakte), widerrief der Antragsgegner die Anordnung vom 11. Juli 2019 mit Ausnahme der darin enthaltenen Kostenfestsetzung, nachdem der Antragsteller am 15. Juli 2019 den Nachweis über eine fristgerechte Teilnahme am Aufbauseminar erbracht hatte, und führte aus, der Antragsteller dürfe somit seit dem 16. Juli 2019 wieder Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr führen.

Mit Bußgeldbescheid vom 11. September 2019, rechtskräftig seit dem 1. Oktober 2019, verhängte die Stadt G. gegenüber dem Antragsteller wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit vom 18. August 2019 (Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h außerorts um 24 km/h) eine Geldbuße in Höhe von 70,- Euro und ordnete ein Fahrverbot von einem Monat Dauer an. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bußgeldbescheid (Bl. 41 der Beiakte 1) verwiesen.

Mit Schreiben vom 19. November 2019 verwarnte der Antragsgegner den Antragsteller wegen wiederholter Verstöße gegen Verkehrsvorschriften innerhalb der Probezeit und legte ihm nahe, innerhalb von zwei Monaten ab Zugang des Schreibens an einer verkehrspsychologischen Beratung teilzunehmen. Zudem kündigte der Antragsgegner an, die Fahrerlaubnis zu entziehen, sofern der Antragsteller innerhalb der Probezeit eine weitere schwerwiegende oder zwei weitere weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begehen werde. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 19. November 2019 (Bl. 55 ff. der Beiakte 1) verwiesen.

Mit Bußgeldbescheid vom 22. November 2020, rechtskräftig seit dem 9. Dezember 2020, verhängte der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit vom 12. November 2020 (Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h außerorts um 21 km/h) eine Geldbuße in Höhe von 110,- Euro.

Mit Schreiben vom 28. April 2021 hörte der Antragsgegner den Antragsteller zu der beabsichtigten Entziehung seiner Fahrerlaubnis an; eine Reaktion des Antragstellers erfolgte nicht.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 5. August 2021 entzog der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen B, AM und L (I. 1. des Bescheids), forderte den Antragsteller auf, den Führerschein spätestens drei Tagen nach Zustellung der Verfügung abzuliefern (I. 2. des Bescheids) und ordnete die sofortige Vollziehung an (I. 3. des Bescheids). Darüber hinaus drohte der Antragsgegner die zwangsweise Einziehung des Führerscheins bzw. gleichzeitig, für den Fall, dass die zwangsweise Einziehung nicht erfolgen könne, die Festsetzung eines Zwangsgelds in Höhe von 250,- Euro an, sofern der Antragsteller der Aufforderung, den Führerschein abzuliefern, nicht fristgerecht nachkomme (II. des Bescheids). Daneben setzte er Verwaltungskosten in Höhe von 131,45 Euro fest (III. des Bescheids). Zur Begründung der Fahrerlaubnisentziehung verwies der Antragsgegner auf die Regelung gemäß § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG. Im Hinblick auf die vom Antragsteller begangenen und rechtskräftig geahndeten Zuwiderhandlungen habe er die Fahrerlaubnis zu entziehen. Hinsichtlich der sofortigen Vollziehung der Aufforderung, den Führerschein unverzüglich abzuliefern, führte er unter anderem aus, dass an der umgehenden Ablieferung des Führerscheins ein dringendes öffentliches Interesse bestehe, da es dem Antragsteller sonst ermöglicht würde, trotz der sofort vollziehbaren Entziehung seiner Fahrerlaubnis den Anschein zu erwecken, sich nach wie vor im Besitz einer Fahrerlaubnis zu befinden. Diese Gefahrenlage müsse so schnell wie möglich beseitigt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Bescheid (Bl. 68 ff. der Gerichtsakte) verwiesen. Der Antragsteller lieferte den Führerschein am 11. August 2021 bei dem Antragsgegner ab.

Am 26. August 2021 hat der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 5. August 2021 erhoben (gerichtliches Aktenzeichen: 6 A 411/21) und am 29. April 2022 den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt und macht geltend, er sei beruflich dringend auf seine Fahrerlaubnis angewiesen. Die Entziehung seiner Fahrerlaubnis, so der Antragsteller weiter, sei rechtswidrig. Zur Begründung verweist er im Wesentlichen darauf, dass er bereits seit dem 29. Juni 2010 im Besitz einer bis zum 29. Juni 2018 befristeten syrischen Fahrerlaubnis, ausgestellt durch das Straßenverkehrsamt H., gewesen sei. Bestätigt werde dies durch ein Schreiben des Innenministeriums der Syrischen Arabischen Republik – Leiter der Abteilung für Fahrerlaubnisse in Hama – vom 23. November 2021, auf das er wegen der Einzelheiten verweise (vgl. Bl. 24 ff. der Gerichtsakte). Er versichere an Eides Statt, dass er noch vor Kriegsausbruch in Syrien einen Führerschein gehabt, diesen jedoch verloren habe. Von Deutschland aus habe er eine gegenüber der syrischen Behörde eine Neuausstellung beantragt und einen neu ausgestellten syrischen Führerschein erhalten. Diesen habe er gegenüber dem Landratsamt I. vorgelegt, welches diesen allerdings als Fälschung bewertet habe. Er könne nicht sagen, was aus dem diesbezüglich gegen ihn geführten strafrechtlichen Verfahren wegen vermeintlicher Urkundenfälschung geworden sei; eine Strafe habe er jedenfalls nicht erhalten. Anlässlich des vorliegenden Verfahrens habe er einen Anwalt mit der Wiederausstellung seines Führerscheins beauftragt. Dies sei der Führerschein, den er im Klagewege vorgelegt habe. Dieser sei keine Fälschung, sondern echt. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf das Schreiben des Antragstellers vom 27. Mai 2022 (Bl. 57 der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Der Antragsteller beantragt wörtlich:

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 5. August 2021 wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er nimmt Bezug auf die Begründung des Bescheids vom 5. August 2021 und führt ergänzend aus, dem Bescheid liege zutreffend die Bewertung zugrunde, dass die Verkehrszuwiderhandlungen des Antragstellers während der Probezeit der ihm erteilten Fahrerlaubnis begangen seien. Der von ihm im Jahr 2017 gegenüber dem Landratsamt I. vorgelegte syrische Führerschein sei eine Fälschung gewesen; die im laufenden Verfahren vorgelegte Bescheinigung vom 23. November 2021 ändere nichts an seiner rechtlichen Bewertung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakte 1 Bezug genommen.

II.

A. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.

1. Soweit sich der Antragsteller gegen die sofortige Vollziehung der mit Bescheid vom 5. August 2021 verfügten Entziehung seiner Fahrerlaubnis wendet, ist der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft, weil die aufschiebende Wirkung der Klage 6 A 411/21 insoweit kraft gesetzlicher Anordnung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 2a Abs. 6 Straßenverkehrsgesetz (StVG) entfällt. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass der Antragsgegner zu I. 3. des Bescheids vom 5. August 2021 – im Entscheidungstenor uneingeschränkt – „die sofortige Vollziehung“ gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat. Diese Anordnung hat sich nicht auf die – wie dargelegt, bereits kraft gesetzlicher Regelung sofort vollziehbare – Entziehung der Fahrerlaubnis bezogen, was in der Bezugnahme auf die Regelung gemäß § 2a Abs. 6 StVG im Rahmen der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids erkennbar wird. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist auch im Übrigen zulässig.

Der Antrag ist aber nicht begründet. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen sowie die aufschiebende Wirkung der Klage in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind maßgeblich auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein gebotene summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung, in der in der Konstellation des § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO die gesetzliche Wertung, dass einer Klage regelmäßig keine aufschiebende Wirkung zukommen soll, berücksichtigungsfähig ist.

Nach diesem Maßstab überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung gegenüber dem Interesse des Antragstellers an deren einstweiliger Aussetzung. Die gegen die Fahrerlaubnisentziehung gerichtete Anfechtungsklage 6 A 411/21 hat nach summarischer Bewertung voraussichtlich keinen Erfolg. Voraussichtlich hat der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zu Recht entzogen.

Rechtsgrundlage ist § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG. Hiernach hat die Fahrerlaubnisbehörde, wenn gegen den Inhaber einer Fahrerlaubnis wegen einer innerhalb der Probezeit begangenen Straftat oder Ordnungswidrigkeit eine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist, die nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c StVG in das Fahreignungsregister einzutragen ist, auch wenn die Probezeit zwischenzeitlich abgelaufen oder die Fahrerlaubnis nach § 6e Absatz 2 widerrufen worden ist, ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn er nach Ablauf der in § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StVG genannten Frist innerhalb der Probezeit eine weitere schwerwiegende oder zwei weitere weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat. Die Fahrerlaubnisbehörde ist gemäß § 2a Abs. 2 Satz 2 StVG bei den Maßnahmen nach den § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 StVG an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder Ordnungswidrigkeit gebunden. Die Bewertung der Zuwiderhandlungen gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften als schwerwiegend oder weniger schwerwiegend im Rahmen der Fahrerlaubnis auf Probe erfolgt gemäß § 34 Abs. 1 i. V. m. Anlage 12 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV).

Voraussetzung der Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG ist weiter, dass sämtliche in § 2a Abs. 2 Satz 1 StVG vorgesehenen Maßnahmenstufen ordnungsgemäß durchlaufen wurden. § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG ist abschließender Bestandteil des Stufensystems des § 2a Abs. 2 Satz 1 StVG. Aus den jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen ergibt sich, dass die zur Entziehung der Fahrerlaubnis führenden Maßnahmen aufeinander aufbauen und jeweils logisch-systematisch voraussetzen, dass die vorherige Maßnahme ergriffen worden ist. Gemäß § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde die Teilnahme des Fahrerlaubnisinhabers auf Probe an einem Aufbauseminar anzuordnen und hierfür eine Frist zu setzen, wenn er eine schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat. Gemäß § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StVG hat sie ihn schriftlich zu verwarnen und ihm nahezulegen, innerhalb von zwei Monaten an einer verkehrspsychologischen Beratung nach Absatz 7 teilzunehmen, wenn er nach Teilnahme an einem Aufbauseminar innerhalb der Probezeit eine weitere schwerwiegende oder zwei weitere weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat. Es folgt gemäß § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG die Entziehung der Fahrerlaubnis, wenn er nach Ablauf der in Nr. 2 genannten Frist innerhalb der Probezeit eine weitere schwerwiegende oder zwei weitere weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat.

Diese Stufenfolge ist Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Insbesondere gibt die frühzeitige Warnung dem Betroffenen Gelegenheit, sein verkehrsrechtswidriges Verhalten zu überdenken. Erst wenn er in der Folgezeit gleichwohl weitere beachtliche Verkehrszuwiderhandlungen begeht, ist die zwingend zur Entziehung der Fahrerlaubnis führende Annahme, es handele sich bei ihm um einen uneinsichtigen Mehrfachtäter, ohne Weiteres berechtigt. Folglich sind die Maßnahmen des § 2a Abs. 2 Satz 1 StVG nacheinander und gestuft zu ergreifen und können die Maßnahmenstufen nur jeweils dann als ordnungsgemäß durchlaufen gelten, wenn die ergriffenen Maßnahmen in Bestandskraft erwachsen sind oder den gesetzlichen Anforderungen im jeweils zu prüfenden Umfang vollumfänglich entsprochen haben (vgl. VG Gelsenkirchen, U. v. 23.6.2020 - 9 K 724/20 -, juris Rn. 31 ff.; Trésoret, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl. Stand: 25.1.2022, § 2a StVG, Rn. 268 f., Rn. 246).

Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für eine Anfechtungsklage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (st. Rspr., vgl. bspw. BVerwG, U. v. 23.10.2014 - 3 C 3.13 -, juris Rn. 13), hier somit derjenige des Bescheiderlasses.

Nach diesem Maßstab erweist sich die Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers mit Bescheid vom 5. August 2021 nach summarischer Bewertung voraussichtlich als rechtmäßig.

Der Antragsteller hat nach Ablauf der zweimonatigen Frist bis zum 20. Januar 2020 zur Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung am 12. November 2020 einen weiteren Verkehrsverstoß begangen (Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h außerorts um 21 km/h), der durch Entscheidung vom 22. November 2020 (Rechtskraft 9.12.2020) mit einem Bußgeld von 110,00 EUR rechtskräftig geahndet wurde. Die Zuwiderhandlung ist nach der Anlage 12 zu § 34 Abs. 1 FeV, Ziffer A.2.1, zweite Zeile, als schwerwiegend zu bewerten. Gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 3 a) bb) StVG war sie in das Fahreignungsregister einzutragen (Ziffer 3.2.2 der Anlage 13 zur FeV i.V.m. Ziffer 11.3 des BKat und Nr. 11.3.4 der Tabelle 1 des Anhangs des BKat).

Nach summarischer Bewertung ist der Antragsgegner zu Recht davon ausgegangen, dass dieser Verkehrsverstoß innerhalb der Probezeit der dem Antragsteller am 24. August 2017 durch das Landratsamt I. erteilten Fahrerlaubnis erfolgt ist. Mit der Erteilung der Fahrerlaubnis durch das Landratsamt I. hatte zunächst der Lauf einer zweijährigen Probezeit bis zum 24. August 2019 begonnen, § 2a Abs. 1 Satz 1 StVG. Die Probezeit hatte sich gemäß § 2a Abs. 2a Satz 1 StVG um zwei Jahre, also bis zum 24. August 2021, verlängert, nachdem der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller, was bereits aufgrund der Bestandskraft des Bescheids vom 18. Februar 2019 zwischen den Verfahrensbeteiligten bindend feststeht, die Teilnahme an einem Aufbauseminar angeordnet hatte.

Der Antragsteller dringt hingegen voraussichtlich nicht mit seinem zentralen Einwand durch, die Probezeit habe sich – im Ergebnis auf Null – verkürzt, weil mit dem Erwerb der Fahrerlaubnis zum 24. August 2017 auf die Länge der Probezeit die Zeit seit dem von ihm behaupteten Erwerb einer syrischen Fahrerlaubnis zum 29. Juni 2010 anzurechnen sei. Zwar ist der Einwand des Antragstellers schlüssig. Legt man die Einlassung des Antragstellers, ihm sei am 29. Juni 2010 eine bis zum 29. Juni 2018 gültige syrische Fahrerlaubnis erteilt worden, als wahr zugrunde und berücksichtigt des Weiteren, dass er im August 2015 seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland begründet hat, wäre die Probezeit der ihm am 24. August 2017 erteilten Fahrerlaubnis auf Null reduziert gewesen. Gemäß § 2a Abs. 1 Satz 2 StVG ist bei Erteilung einer Fahrerlaubnis an den Inhaber einer im Ausland erteilten Fahrerlaubnis die Zeit seit deren Erwerb auf die Probezeit anzurechnen. Dies gilt unabhängig davon, ob die deutsche Fahrerlaubnis unter erleichterten Bedingungen gemäß § 31 FeV oder im Wege der Ersterteilung erworben wird (vgl. OVG Saarland, B. v. 4.2.2020 - 1 B 336/19 -, juris Rn. 9 f.; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. § 2a StVG Rn. 19). Voraussetzung ist des Weiteren, dass die ausländische Fahrerlaubnis im Zeitpunkt der Erteilung der deutschen Fahrerlaubnis noch gültig war (vgl. OVG Saarland, B. v. 4.2.2020 - 1 B 336/19 -, juris Rn. 11; Knop, in: MüKoStVR, 1. Aufl. 2016, StVG § 2a Rn. 9); dies wäre auf der Grundlage der Einlassung des Antragstellers, seine syrische Fahrerlaubnis habe eine Gültigkeit bis zum 29. Juni 2018 gehabt, der Fall gewesen. Nicht angerechnet werden zudem Zeiten, während derer die ausländische Fahrerlaubnis den Inhaber zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland, beispielsweise gemäß § 29 Abs. 1 Satz 4 FeV, nicht berechtigte (§ 33 Abs. 2 FeV in unmittelbarer bzw. entsprechender – vgl. insoweit bspw. VG Düsseldorf, B. v. 16.7.2012 - 6 L 978/12 -, juris Rn. 15; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. § 2a StVG Rn. 19 – Anwendung). Weil der Antragsteller behauptet, erst nach circa fünfjähriger Gültigkeitsdauer der syrischen Fahrerlaubnis den Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland begründet zu haben, hätte sich eine nach § 29 Abs. 1 Satz 4 FeV ergebende Beschränkung der Berechtigung nicht entscheidungserheblich ausgewirkt.

Der Schlüssigkeit des Einwands des Antragstellers stünde auch nicht eine Bestandskraft der Eintragungen zur Probezeit im Zentralen Fahrerlaubnisregister, zunächst bis zum 24. August 2019 und später bis zum 24. August 2021, entgegen. Der Lauf der Probezeit beginnt gemäß § 2a Abs. 1 Satz 1 StVG kraft Gesetzes im Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis; in gleicher Weise erfolgt eine Verlängerung der Probezeit gemäß § 2a Abs. 2a StVG kraft gesetzlicher Anordnung. Beginn und Ende der Probezeit werden dementsprechend auf dem Führerschein nicht vermerkt und auch Verlängerungen oder Verkürzungen sind aus ihm nicht ersichtlich. Die Dauer der konkret maßgeblichen Probezeit wird mithin gegenüber dem Fahrerlaubnisinhaber nicht im Einzelfall und nicht mit Außenwirkung geregelt, sodass insoweit – auch nach Ablauf eines Jahres seit Erteilung der Fahrerlaubnis – keine Bestandskraft eintreten kann (vgl. OVG Saarland, B. v. 4.2.2020 - 1 B 336/19 –, juris Rn. 8; VG Bremen, B. v. 24.1.2012 - 5 V 1862/11 -, juris Rn. 23; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. § 2a StVG Rn. 21).

Das beschließende Gericht ist nach summarischer Bewertung aber nicht mit hinreichender Gewissheit davon überzeugt, dass der Antragsteller tatsächlich, wie von ihm behauptet, Inhaber einer ihm am 29. Juni 2010 erteilten und bis zum 29. Juni 2018 gültigen syrischen Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge gewesen ist; dies wirkt sich nach derzeitigem Sachstand auch in der Prognose zu den Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache 6 A 411/21 zulasten des Antragstellers aus.

Maßgeblich zulasten des Antragstellers berücksichtigt das beschließende Gericht hierbei, dass der Antragsteller einen gültigen bzw. gültig gewesenen nationalen syrischen Führerschein nicht vorzulegen vermochte bzw. vermag, was im Fall der Richtigkeit seiner Angaben jedoch zu erwarten wäre. Die hohe Bedeutung, die der Gesetzgeber im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung einer Fahrerlaubnis an die Vorlage eines gültigen bzw. gültig gewesenen nationalen Führerscheins zum Nachweis dafür, eine ausländische Fahrerlaubnis inne(gehabt) zu haben, knüpft, zeigt sich an § 31 Abs. 3 FeV, wonach die Vorlage des ausländischen nationalen Führerscheins Voraussetzung für die Erteilung der deutschen Fahrerlaubnis unter erleichterten Voraussetzungen ist und – anders als beispielsweise für die Berechtigung nach § 29 Abs. 2 FeV – selbst die Vorlage eines internationalen Führerscheins nicht genügt; ist der Antragsteller nicht (mehr) im Besitz eines nationalen ausländischen Führerscheins, ist die Anwendung von § 31 FeV ausgeschlossen (vgl. BR-Drs. 43/98, S. 290; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. § 31 FeV Rn. 9). Das beschließende Gericht lässt im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes offen, ob die Regelung gemäß § 31 Abs. 3 FeV im Rahmen der Konstellation nach § 2a Abs. 1 Satz 2 StVG (entsprechend) anwendbar ist; jedenfalls im Rahmen der (Prognose zur) Beweiswürdigung berücksichtigt das beschließende Gericht den Umstand, dass der Antragsteller eine nationale syrische Fahrerlaubnis nicht beizubringen vermag, mit hohem Gewicht zu dessen Lasten.

Eine nationale syrische Fahrerlaubnis hat der Antragsteller nicht beigebracht. Mit dem vorliegenden Verfahren macht er bereits nicht geltend, eine solche vorlegen zu können, sondern beschränkt sich auf die Vorlage einer individuellen schriftlichen Bestätigung des Innenministeriums der Syrischen Arabischen Republik – Leiter der Abteilung für Fahrerlaubnisse in J. – vom 23. November 2021 dazu, dass er eine Fahrerlaubnis gehabt habe. Soweit der Antragsteller mit der Erklärung über eine eidesstattliche Versicherung vom 27. Mai 2022 geltend macht, er habe den syrischen „Führerschein im Klagewege vorgelegt“, ist dies somit bereits inhaltlich unzutreffend.

Soweit der Antragsteller gegenüber dem Landratsamt I. einen – vermeintlich echten – syrischen Führerschein vorgelegt hat, geht das beschließende Gericht nach summarischer Bewertung auf der Grundlage der hierzu vom Bayerischen Landeskriminalamt mit Gutachten vom 25. November 2016 getroffenen Bewertung davon aus, dass es sich hierbei um eine Nachahmung – eine Fälschung – gehandelt hat und das Papier nicht von autorisierter Stelle ausgestellt worden war. Der Antragsteller ist dieser Bewertung nicht – weder gegenüber dem Landratsamt I. noch im vorliegenden Verfahren – substanziiert entgegengetreten.

Das beschließende Gericht ist auch nicht im Hinblick auf das Schreiben des Innenministeriums der Syrischen Arabischen Republik – Leiter der Abteilung für Fahrerlaubnisse in J. – vom 23. November 2021 von der Richtigkeit der Angabe des Antragstellers zu der von ihm innegehabten syrischen Fahrerlaubnis überzeugt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller seine Behauptung hiermit im Wege des Urkundsbeweises, § 173 VwGO i. V. m. § 418 ZPO, belegen kann. Abgesehen davon, dass der Antragsteller das syrische Dokument nicht im Original oder als beglaubigte Abschrift vorgelegt hat, sondern nur als schlichte Fotokopie und bereits dies dazu führt, dass das Gericht den Aussagewert des Dokuments grundsätzlich frei – ohne Bindung an die Regelungen der §§ 415 ff. ZPO – zu bewerten hat (vgl. bspw. Siebert, in: Saenger, ZPO, 9. Aufl. 2021, § 420 Rn. 2; Krafka, in: BeckOK ZPO, 44. Ed. Stand: 1.3.2022, § 420 Rn. 5; Schreiber, in: MüKoZPO, 6. Aufl. 2020, § 420 Rn. 3), ist das beschließende Gericht nach summarischer Bewertung nicht von der Echtheit des Dokuments überzeugt.

Gemäß § 438 Abs. 1 ZPO hat das Gericht nach den Umständen des Falles zu ermessen, ob eine Urkunde, die als von einer ausländischen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person des Auslandes errichtet sich darstellt, ohne näheren Nachweis als echt anzusehen sei; gemäß Absatz 2 genügt zum Beweis der Echtheit einer solchen Urkunde die Legalisation durch einen Konsul oder Gesandten des Bundes. Für die Anwendung der Regelung gemäß § 438 Abs. 2 ZPO bedürfte es vorliegend der Legalisation, eine bloße Apostille würde hingegen nicht genügen, weil das Haager Apostille-Übereinkommen im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zur Arabischen Republik Syrien nicht gilt (vgl. insoweit bspw. Krafka, in: BeckOK ZPO, 44. Ed. Stand: 1.3.2022, § 420 Rn. 6; Veröffentlichung des Auswärtigen Amtes zum Haager Apostille-Übereinkommen liste-haager-apostille-data.pdf (auswaertiges-amt.de)). Es ist nicht absehbar, dass eine Legalisation des vom Antragsteller vorgelegten Dokuments erfolgen kann. Hiergegen spricht bereits, dass der Antragsteller es nicht im Original vorgelegt hat und Fotokopien nicht legalisiert werden (vgl. Merkblatt der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Beirut zur Legalisation syrischer Urkunden, Stand: Dezember 2021). Insbesondere aber steht einer Legalisation entgegen, dass es sich bei dem Dokument nicht um eine Personenstandsurkunde handelt und zudem um ein Schreiben, das manuell bearbeitet worden ist und nicht sämtliche enthaltene Daten elektronisch erfasst sind (vgl. zu der dann fehlenden Möglichkeit einer Legalisation: Merkblatt der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Beirut zur Legalisation syrischer Urkunden, Stand: Dezember 2021; Quelle: www.beirut.diplo.de).

Weil für das vom Antragsteller vorgelegte ausländische Dokument demnach die Echtheitsvermutung nicht gilt, befindet das beschließende Gericht über die Echtheit der Urkunde nach Ermessen (vgl. bspw. auch VG Berlin, U. v. 30.11.2021 - 37 K 16/18 A -, juris Rn. 33) und vermag diese hiernach nicht festzustellen. Das vom Antragsteller beigebrachte Dokument bietet keine hinreichende Gewähr für seine Echtheit. Hierbei berücksichtigt das beschließende Gericht, dass es weiterhin ohne besondere Schwierigkeit möglich ist, sich Dokumente aus Syrien zu beschaffen, die einen Anschein von Authentizität vermitteln. Der Sicherheit des Urkundenverkehrs bzw. dessen Schutz werden in Syrien, soweit ersichtlich, im Kern nicht ansatzweise der gleiche Stellenwert beigemessen wie hierzulande. Der syrische Rechtsalltag wird vielmehr, soweit ersichtlich, weitgehend durch persönliche Beziehungen bestimmt. In der syrischen Verwaltung ist Korruption weit verbreitet. Da die Ausstellung von Dokumenten jeder Art durch Verwandtschaft, Freundschaft oder eine Geldzahlung beeinflussbar ist, gibt es keine Gewähr für den Inhalt echter Dokumente. Darüber hinaus existieren Fälscherringe, die jede Art von Dokumenten erstellen können (vgl. bspw. VG Halle (Saale), Urteil vom 26. April 2022 - 4 A 140/21 -, Rn. 27; VG Aachen, B. v. 18.7.2019 - 3 L 592/19 -, juris Rn. 22 ff. u. a. unter Bezugnahme auf Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der arabischen Republik Syrien vom 27. September 2010 (Stand: September 2010), S. 22 f.). Für die Aktualität dieser Einschätzung spricht, dass Korruption weiterhin ein allgegenwärtiges Problem bei Polizei, Sicherheitskräften, Migrationsbehörden und in der Regierung darstellt. Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International für das Jahr 2021 liegt Syrien mit einer Bewertung von 13 von 100 Punkten (0=highly corrupt, 100=very clean) auf dem vorletzten Platz 179 von 180 untersuchten Ländern. Korruption war bereits vor dem Bürgerkrieg weit verbreitet und beeinflusste das tägliche Leben der Syrer. Sie wurde im Laufe des Konfliktes noch viel schlimmer. Der Machtmissbrauch der syrischen Behörden war eine der Hauptursachen für den Aufstand im Jahr 2011. Die zunehmende Gesetzlosigkeit, von der Syrien im Laufe des Krieges betroffen war, die florierende Kriegswirtschaft und die Kürzung der Gehälter der syrischen Staats- und Regimebediensteten erhöhten die Anreize und Möglichkeiten für Korruption. Das Gesetz sieht strafrechtliche Konsequenzen für amtliche Korruption vor, die Regierung setzt diese jedoch nicht effektiv durch. Beamte üben häufig korrupte Praktiken aus, ohne dafür bestraft zu werden (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation Syrien, Stand: 27.4.2022, S. 79 m. w. N.). Dass die Botschaft der Bundesrepublik Beirut Legalisationen für Dokumente der vorliegend in Rede stehenden Art nicht vornimmt, dürfte Ausdruck der zuvor beschriebenen Schwierigkeiten im Umgang mit vermeintlichen echten Urkunden und Bestätigungen syrischer Behörden sein. Gegen die Echtheit des vom Antragsteller beigebrachten Dokuments spricht aus Sicht des beschließenden Gerichts hingegen, dass der Antragsteller gegenüber dem Landratsamt I. vorgelegte syrische Führerschein offensichtlich eine Fälschung gewesen ist, obwohl der Antragsteller auch insoweit angibt, es habe sich um ein in Syrien ausgestelltes Original gehandelt.

Eine hinreichende Überzeugungsgewissheit für die Richtigkeit der Behauptung über das Innehaben einer syrischen Fahrerlaubnis kann das beschließende Gericht schließlich auch nicht unter Berücksichtigung des vom Antragsteller zur Gerichtsakte übersandten Schreibens vom 27. Mai 2022 über eine eidesstattliche Versicherung erlangen. Das beschließende Gericht muss insoweit nicht abschließend darüber befinden, ob der „Beweis“-Wert der eidesstattlichen Versicherung bereits von vornherein jedenfalls nicht unerheblich gemindert ist, weil sie nicht im Original vorliegt (vgl. dies bejahend bspw. OLG Frankfurt, U. v. 27.6.2019 - 6 U 6/19 -, juris Rn. 33; Mantz/Windau, Glaubhaftmachung im elektronischen Rechtsverkehr, AnwBl Online 2022, 11 f.). Hierfür könnte sprechen, dass gerade die sich im Fall der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung aus § 156 und § 161 StGB ergebende Strafandrohung wesentliches Fundament für die Beurteilung der Angaben als glaubhaft ist, und bei Vorlage nicht des Originals der Erklärung eine Strafbarkeit entfällt oder der Nachweis einer Strafbarkeit jedenfalls erschwert wäre (vgl. OEufach0000000040, B. v. 22.10.2019 - 2 W 76/19 -, juris Rn. 19; Müller, in: MüKoStGB, 4. Aufl. 2021, § 156 Rn. 12). Die Versicherung des Antragstellers ist aber bereits inhaltlich nicht vollends plausibel. Wie bereits dargelegt, versichert der Antragsteller hiermit, durch einen beauftragten syrischen Rechtsanwalt eine Neuausfertigung des syrischen Führerscheins erhalten und diesen im Klageweg vorgelegt zu haben. Dies trifft ersichtlich nicht zu; einen Führerschein hat der Antragsteller nicht zum Verfahren gereicht. Das beschließende Gericht ist schließlich auch deshalb von der Richtigkeit der Einlassung des Antragstellers nicht hinreichend überzeugt, weil sich auch unter Berücksichtigung der Angaben in der eidesstattlichen Versicherung nicht nachvollziehbar ergibt, weshalb der Führerschein, der ausweislich der Angaben des Antragstellers in der eidesstattlichen Versicherung in Syrien behördlicherseits neu ausgestellt worden sei, und den der Antragsteller gegenüber dem Landratsamt I. vorgelegt hatte, eine Fälschung gewesen war.

Wenn demnach die Richtigkeit der Behauptung des Antragstellers, er sei im Besitz einer bis zum 29. Juni 2018 gültigen syrischen Fahrerlaubnis gewesen, nicht erwiesen ist und der Nachweis der Richtigkeit, soweit nach derzeitigem Sachstand ersichtlich, voraussichtlich auch nicht im Hauptsacheverfahren gelingen wird, wirkt sich dies in der Entscheidung zulasten des Antragstellers aus, weil dieser hinsichtlich der ihm günstigen Tatsache gemäß § 2a Abs. 1 Satz 2 StVG materiell beweisbelastet ist (vgl. bspw. OVG Saarland, B. v. 4.2.2020 - 1 B 336/19 -, juris Rn. 13; VG Bremen, B. v. 24.1.2012 - 5 V 1862/11 -, juris Rn. 25; vgl. zu § 15 Abs. 2 StVZO a. F. auch BVerwG, U. v. 20.4.1994 - 11 C 60/92 -, juris Rn. 11, sowie zu § 31 Abs. 3 FeV Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. § 31 FeV Rn. 11).

Die weitere Voraussetzung einer Fahrerlaubnisentziehung gemäß § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG, wonach sämtliche in § 2a Abs. 2 Satz 1 StVG vorgesehenen Maßnahmenstufen ordnungsgemäß durchlaufen wurden, ist nach summarischer Bewertung ebenfalls erfüllt. Der Antragsgegner hatte den Antragsteller mit Bescheid vom 18. Februar 2019 zur Teilnahme an einem Aufbauseminar aufgefordert. Aufgrund der Bestandskraft dieses Bescheids (vgl. zum Rechtscharakter einer Aufforderung gem. § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG als Bescheid Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. § 2a StVG Rn. 31) ist die Rechtmäßigkeit der Anordnung nicht zu prüfen; unabhängig hiervon ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der Anordnung.

Mit Schreiben vom 19. November 2019 hatte der Antragsgegner den Antragsteller schließlich gemäß § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StVG verwarnt. Dies ist nach summarischer Bewertung rechtmäßig erfolgt; weil die Verwarnung mangels Regelung kein Verwaltungsakt ist und nicht in Bestandskraft erwächst (vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. § 2a StVG Rn. 40; Trésoret, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., Stand: 25.01.2022, § 2a StVG Rn. 258), ist dies im Rahmen eines auf § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG gestützten Bescheids über die Entziehung der Fahrerlaubnis inzident zu überprüfen (vgl. VG Gelsenkirchen, U. v. 23.6.2020 - 9 K 724/20 -, juris Rn. 31 ff.; Trésoret, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl. Stand: 25.1.2022, § 2a StVG, Rn. 268 f., Rn. 246).

Der Antragsteller hatte nach der Teilnahme an dem Aufbauseminar eine weitere schwerwiegende Zuwiderhandlung begangen, nämlich eine Verkehrsordnungswidrigkeit vom 18. August 2019 (Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h außerorts um 24 km/h), die durch Entscheidung vom 11. September 2019, rechtskräftig seit dem 1. Oktober 2019, mit einer Geldbuße in Höhe von 70,- Euro und einem Fahrverbot von einem Monat Dauer geahndete wurde und somit nach der Anlage 12 zu § 34 Abs. 1 FeV, Ziffer A.2.1, zweite Zeile, als schwerwiegend zu bewerten und gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 3 a) aa) StVG in das Fahreignungsregister einzutragen war. Mit vorstehenden Erwägungen ist nach summarischer Bewertung davon auszugehen, dass auch diese Zuwiderhandlung während der Probezeit der dem Antragsteller am 24. August 2017 erteilten Fahrerlaubnis begangen wurde.

Der Antragsgegner hat schließlich auch die Frist (2 Monate ab Zugang der Verwarnung), innerhalb derer die Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung nahegelegt wurde, zutreffend benannt (vgl. zu diesem Erfordernis VG Gelsenkirchen, U. v. 23.6.2020 - 9 K 724/20 -, juris Rn. 42 ff.). Dass der weitere Hinweis mit dem Schreiben vom 19. November 2019, dass die Fahrerlaubnis entzogen werde, sofern der Antragsteller „innerhalb der festgesetzten Probezeit“ weitere Zuwiderhandlungen begehe, insofern unrichtig gewesen ist, weil er nicht berücksichtigt, dass Zuwiderhandlungen, die während einer Frist von zwei Monaten zur Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung verwirklicht werden, unerheblich sind und eine Fahrerlaubnisentziehung nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG nicht rechtfertigen (vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. § 2a StVG Rn. 46; Trésoret, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl. Stand: 25.1.2022, § 2a StVG, Rn. 267), ist insofern unerheblich, schon weil der Hinweis weder für die Verwarnung gemäß § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StVG noch für die Entziehung gemäß § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG Rechtmäßigkeitsvoraussetzung ist.

Schließlich sind die Regelungen gemäß § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 StVG nicht deswegen unanwendbar gewesen, weil der Antragsgegner dem Antragsteller mit Bescheid vom 11. Juli 2019 die Fahrerlaubnis, gestützt auf die Regelung gemäß § 2a Abs. 3 StVG, entzogen hatte. Zwar sind gemäß § 2a Abs. 5 Satz 4 StVG die Regelungen gemäß § 2a Abs. 2 StVG auf eine mit der erneuten Erteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung – u. a. wie mit Bescheid vom 11. Juli 2019 gemäß § 2a Abs. 3 StVG – nach § 2a Absatz 1 Satz 7 StVG beginnende neue Probezeit nicht anzuwenden. Allerdings hatte der Antragsgegner den Bescheid über die Fahrerlaubnisentziehung vom 11. Juli 2019 mit weiterem Bescheid vom 8. August 2019 aufgehoben und damit dessen Rechtswirkungen beseitigt.

Gemäß § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG hatte der Antragsgegner die Fahrerlaubnis des Antragstellers zu entziehen, ohne dass die Vorschrift Ermessen einräumt (vgl. auch Trésoret, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., Stand: 25.01.2022, § 2a StVG Rn. 272 f.).

In formell-rechtlicher Hinsicht begegnet der Bescheid vom 5. August 2021 keinen Bedenken. Insbesondere ist der Antragsgegner – nach der, wie bereits dargelegt, maßgeblichen Sachlage zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses – die örtlich zuständige Fahrerlaubnisbehörde gewesen, § 73 Abs. 2 FeV, weil der Antragsgegner zu diesem Zeitpunkt noch seinen Wohnsitz im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners hatte. Dass der Antragsteller während des verwaltungsgerichtlichen Klageverfahrens in den Zuständigkeitsbereich der Stadt A-Stadt verzogen ist, wirkt sich insoweit nicht aus. Insbesondere ist der Anwendungsbereich von § 3 Abs. 3 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 NVwVfG nicht eröffnet gewesen, weil sich die die Zuständigkeit begründenden Umstände nicht im Sinne der Regelung „im Lauf des Verwaltungsverfahrens“, sondern nach dessen Abschluss mit Erlass des Verwaltungsakts geändert haben (vgl. hierzu auch Schuler-Harms, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 1. EL August 2021, VwVfG § 3 Rn. 57 ff.). Unabhängig hiervon wäre die Entziehungsentscheidung selbst infolge einer – unterstellten – Verletzung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht wegen formeller Rechtswidrigkeit aufzuheben. Nach § 46 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 NVwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 VwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Eine Verletzung von Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit kann die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst haben, wenn der Behörde, wie vorliegend, bei einer gebundenen Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis kein Entscheidungsspielraum zukommt (vgl. auch VG Stade, B. v. 13.9.2019 - 1 B 1083/19 -, n. v.).

2. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO statthaft, soweit sich der Antragsteller gegen die sofortige Vollziehung der zu Ziffer I. 2. des Bescheids vom 5. August 2021 getroffenen Anordnung zur Abgabe seines Führerscheins wendet. Der Antragsgegner hat insoweit die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet; die sofortige Vollziehung hat sich trotz der Regelung in § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV nach soweit ersichtlich einhelliger Bewertung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung einschließlich des beschließenden Gerichts nicht bereits gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ergeben (vgl. bspw. Bay. VGH, B. v. 22.9.2015 - 11 CS 15.1447 -, juris Rn. 23; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 30.3.2007 - OVG 1 S 31.07 -, juris Rn. 5; VG Braunschweig, B. v. 14.1.2022 - 6 B 497/21 -, n.v.; zum Meinungsstand auch Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Auflage 2021, § 47 Rn. 19, m. w. N.). Der insoweit auch im Übrigen zulässige Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist unbegründet.

Der Antragsgegner hat die sofortige Vollziehung der Verpflichtung, den Führerschein unverzüglich abzugeben, formell ordnungsgemäß angeordnet. Insbesondere hat er in noch ausreichender Weise schriftlich begründet, warum er von einem besonderen Interesse an der sofortigen Vollziehung ausgeht, das gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers an einem Belassen des Führerscheins bis zur Rechtskraft der Verfügung überwiegt, vgl. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, indem er darauf verwiesen hat, es sei nicht hinnehmbar, dass der Antragsteller nach der Entziehung der Fahrerlaubnis über einen womöglich längeren Zeitraum weiterhin im Besitz des Führerscheins bliebe und hierdurch den Eindruck vermitteln könne, zum Führen von Kraftfahrzeugen berechtigt zu sein; die hiermit einhergehende Gefahrenlage müsse schnellstmöglich beseitigt werden. Dies wahrt die Anforderungen gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Der Sinn und Zweck des Begründungserfordernisses gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO besteht darin, dass sich die Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung bewusst macht und mit besonderer Sorgfalt prüft, ob vorrangige öffentliche Interessen eine Vollziehung bereits vor Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes notwendig erscheinen lassen. Pauschale, formelhafte und für eine beliebige Vielzahl von Fallgestaltungen anwendbare Formulierungen genügen deshalb den gesetzlichen Anforderungen im Regelfall nicht. Bei gleichartigen Tatbeständen können allerdings auch typisierte Begründungen ausreichen. Bei der Entziehung der Fahrerlaubnis wegen fehlender Fahreignung ist ebenso wie hinsichtlich der hieran anknüpfenden Verpflichtung zur unverzüglichen Abgabe des Führerscheins die zu beurteilende Interessenlage in der großen Mehrzahl der Fälle vergleichbar gelagert. In diesen Fällen ist stets zwischen den Gefahren für herausragend wichtige Schutzgüter wie Leib, Leben und Gesundheit von Verkehrsteilnehmern und dem Interesse des Betroffenen abzuwägen, bis zur Hauptsacheentscheidung im Besitz seiner Fahrerlaubnis bzw. seines Führerscheins zu bleiben. In solchen Fällen ist es nicht zwingend geboten, eine ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zugeschnittene Begründung zu geben. Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde darauf beschränken, die für diese Fallgruppe typische Interessenlage zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass nach ihrer Auffassung diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt (vgl. VG Gelsenkirchen, B. v. 23.01.2019 - 9 L 2289/18 -, juris Rn. 7). So ist es hier.

Auch materiell-rechtlich besteht keine Veranlassung, die aufschiebende Wirkung der Klage 6 A 411/21 wiederherzustellen, soweit sich diese gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Abgabe des Führerscheins richtet. Diese ist nach summarischer Bewertung aller Voraussicht nach rechtmäßig. Rechtsgrundlage ist insoweit die Regelung gemäß § 47 Abs. 1 FeV, die die Vorschrift gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG konkretisiert. Die Voraussetzungen von § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV sind erfüllt. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen. Dies ist – wie zuvor dargelegt – nach summarischer Bewertung zu Recht erfolgt. Rechtliche Bedenken gegen die vom Antragsgegner gesetzte kurze Frist von drei Tagen nach Zustellung des Entziehungsbescheids ergeben sich mit Blick auf die hochrangige Bedeutung des Schutzguts der Sicherheit des Straßenverkehrs nicht (vgl. auch Siegmund, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., Stand: 01.12.2021, § 47 FeV Rn. 23). Im Hinblick auf dieses hohe Schutzgut ist auch ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abgabeverpflichtung festzustellen.

3. Die sofortige Vollziehung der Zwangsmittelandrohung (II. des Bescheids vom 5. August 2021) sowie die sofortige Vollziehung der Festsetzung von Verwaltungskosten (III. des Bescheids vom 5. August 2021) sind nach der Bewertung des beschließenden Gerichts nicht Gegenstand des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Der Antragsteller ist der dahingehenden Auslegung seines Antragbegehrens durch das Gericht, die maßgeblich darauf beruht, dass der Antragsteller insoweit keine inhaltlichen Einwände gegen die Anordnungen des Antragsgegners vorgetragen hat, er den Führerschein bereits am 11. August 2021 bei dem Antragsgegner abgeliefert hat, ohne dass die Anwendung von Zwangsmitteln erforderlich geworden war, und er vor Antragstellung bei Gericht gegenüber dem Antragsgegner einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung im Sinne von § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO nicht gestellt hatte, nicht entgegengetreten.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichts, die sich an die Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts anlehnt, bemisst sich der Streitwert in Fahrerlaubnisverfahren nach dem höchsten Einzelwert der betroffenen Fahrerlaubnisklassen nach dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ergibt (vgl. NVwZ-Beil. 2013, 57 ff., Nr. 46 - hier 5.000 Euro bzgl. der Fahrerlaubnisklasse B -). Den sich so für das Hauptsacheverfahren ergebenden Betrag hat das beschließende Gericht für das Eilverfahren wegen der Vorläufigkeit der in diesen Verfahren ergehenden Entscheidungen halbiert (vgl. zu allem bspw. Nds. OVG, B. v. 29.11.2013 - 12 ME 187/13 -, juris Rn. 10; VG Braunschweig, B. v. 19.8.2005 - 6 B 420/05 - und v. 22.1.2014 - 6 A 51/13 -). Die Einbeziehung der (sofortigen Vollziehung einer) Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins in ein verwaltungsgerichtliches Verfahren bzgl. der Entziehung der Fahrerlaubnis wirkt sich nach der Rechtsprechung der Kammer nicht streitwerterhöhend aus (vgl. VG Braunschweig, B. v. 14.1.2022 - 6 B 497/21 - n. v.).