Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 07.06.2022, Az.: 6 A 180/18

Afghanistan; Apostasie; Asyl; Flüchtlingseigenschaft; Forum externum; Forum internum; Glaubensabfall; Landwegeinreise; Vertragsasyl; Asylanerkennung eines aus Afghanistan stammenden Apostaten trotz Landwegeinreise

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
07.06.2022
Aktenzeichen
6 A 180/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 57642
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2022:0607.6A180.18.00

Amtlicher Leitsatz

Die Abwendung von einer Religion (Apostasie) kann sowohl mit als auch ohne Hinwendung zu einer anderen Religion eine religiös motivierte Verfolgungsgefahr begründen. Einem Apostaten droht in Afghanistan eine religiös motivierte asyl- und flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung (objektiv), sofern die vom Glauben abgefallene Person ihre Religionslosigkeit für sich selbst als verpflichtend empfindet, um ihre nicht-religiöse Identität zu wahren (subjektiv). Im Einzelfall können auch subjektive Nachfluchtgründe einen Asylanspruch begründen. Die Landwegeinreise steht einem Asylanspruch nicht zwingend entgegen. § 27 Abs. 1 AsylG steht einer Anerkennung als Asylberechtigter nicht entgegen, wenn der Verfolgungsgrund erst nach dem Verlassen des Drittstaates entstanden ist.

Tenor:

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 25. September 2017 verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und ihn als Asylberechtigten anzuerkennen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des festzusetzenden Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.