Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.03.2006, Az.: 16 K 584/03
Vorsteueraufteilung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 16.03.2006
- Aktenzeichen
- 16 K 584/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 40286
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2006:0316.16K584.03.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 05.03.2008 - AZ: V B 69/06
- BFH - 25.03.2009 - AZ: V R 9/08
Rechtsgrundlagen
- UStG § 15
Fundstelle
- EFG 2008, 1502-1503 (Volltext mit red. LS)
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss von Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist.
- 2.
Die nicht abziehbaren Teilbeträge können im Wege einer sachgerechten Schätzung ermittelt werden. Als solche ist die Aufteilung von Vorsteuerbeträgen nach dem Verhältnis der Ausgangsleistungen anzuerkennen.
- 3.
Hinsichtlich der Betriebs- und Geschäftsausstattung und des sonstigen Praxisbedarfs eines Zahnarztes ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen, wenn die Eingangsleistungen unmittelbar und direkt den umsatzsteuerfreien Ausgangsumsätzen zuzurechnen sind.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt als Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine Zahnarztpraxis mit angeschlossenem zahntechnischen Labor. In dem dafür genutzten Gebäude befand sich im Erdgeschoß ein größerer Eingangsbereich, von dem aus man zum Labor gelangte. Die Praxisräume befanden sich im Obergeschoß, das vom Eingangsbereich aus über eine Treppe zu erreichen war. Nach Nutzflächen wurden für das Labor 23 % und für die Praxis 77 % genutzt. Ab Ende 1996 begann die Klägerin mit dem Ausbau des Dachgeschosses. Entsprechend der ursprünglichen Planung wurden in 1997 im Dachgeschoß 183,75 qm Nutzfläche neu geschaffen. Davon entfielen 96,32 qm auf weitere Praxisräume und 87,43 qm auf für Praxis und Labor gemischt genutzte Räume.
Die Klägerin hatte in ihrer Umsatzsteuererklärung 1997 Vorsteuern aus Kosten des Dachausbaus im Verhältnis der steuerfreien zu den steuerpflichtigen Umsätzen geltend gemacht. Da sie ferner davon ausging, dass die in der Zahnarztpraxis erbrachten Leistungen immer auch Vorarbeiten für die steuerpflichtigen Laborumsätze darstellen, hatte sie ferner dem Umsatzschlüssel entsprechend anteilige Vorsteuern für die Betriebs- und Geschäftsausstattung und sonstigen Praxisbedarf abgezogen, und zwar für 1995 in Höhe von insgesamt 5.740,26 DM (lt. Einspruchsentscheidung aufgrund eines Zahlendrehers 6.100,26 DM), für 1996 in Höhe von insgesamt 4.603,33 DM und für 1997 in Höhe von insgesamt 9.083,53 DM.
Nach einer Außenprüfung ging der Beklagte davon aus, dass die Leistungsbezüge für die Betriebs- und Geschäftsausstattung und den sonstigen Praxisbedarf direkt den steuerfreien Praxisumsätzen zuzuordnen seien und erkannte den Vorsteuerabzug insofern nicht an. Die Vorsteuern aus dem Dachausbau kürzte der Beklagte im Verhältnis der Flächen zueinander um 11.491,97 DM. Wegen der Einzelheiten wird auf den BP-Bericht vom 08.11.2000 (ABNr...:) verwiesen. Der Einspruch gegen die Änderungsbescheide war erfolglos. Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Klägerin ist der Auffassung, sowohl die Vorsteuern aus der Betriebs- und Geschäftsausstattung, den sonstigen Praxiskosten und dem Dachausbau seien insgesamt anteilig nach dem Umsatzschlüssel zu gewähren. Auch bei der Betriebs- und Geschäftsausstattung und dem sonstigen Praxisbedarf handele es sich um gemischt genutzte Leistungsbezüge für ihr Unternehmen. Sie habe sich auf labortechnische Zahnarztleistungen spezialisiert. Bei jeder Zahnarztleistung würden daher die verwendeten Leistungsbezüge als Vor- bzw. Nachleistung der im Labor erbrachten Leistungen genutzt. Weder bei diesen Leistungen noch beim Dachausbau sei eine direkte Zuordnung der Vorsteuern zu den Ausgangsumsätzen vorzunehmen. Aufgrund der einschlägigen Rechtsprechung habe vielmehr immer eine Vorsteueraufteilung nach Ausgangsumsätzen zu erfolgen.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer 1995 um 6.100,26 DM, die Umsatzsteuer 1996 um 4.603,33 DM und die Umsatzsteuer 1997 um 20.575,50 DM herabzusetzen.
Der Beklagte ist bereit, einen anteiligen Vorsteuerabzug aus dem Dachausbau nach dem Verhältnis der Ausgangsumsätze in Höhe weiterer Vorsteuern von 6.472,19 DM anzuerkennen und beantragt im Übrigen,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, ein Vorsteuerabzug aus Anschaffungskosten für die Betriebs- und Geschäftsausstattung und dem sonstigen Praxisbedarf sei gemäß § 15 Abs. 2 UStG ausgeschlossen, da diese Leistungsbezüge direkt den umsatzsteuerfreien Ausgangsumsätzen zugeordnet werden können.
Gründe
Die Klage ist nur teilweise begründet.
Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die der Unternehmer u. a. für steuerfreie Umsätze verwendet (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG). Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss von Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist (§ 15 Abs. 4 Satz 1 UStG). Die nicht abziehbaren Teilbeträge können vom Unternehmer gemäß § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG im Wege einer sachgerechten Schätzung ermittelt werden. Als sachgerechte Schätzung hatte der BFH unter Aufgabe seiner vorangegangenen Rechtsprechung mit Urteil vom 17.08.2001 (V R 1/01, BFHE 196, 345, BStBl II 2002, 833 [BFH 17.08.2001 - V R 1/01]) entschieden, dass die Aufteilung von Vorsteuerbeträgen nach dem Verhältnis der Ausgangsleistungen anzuerkennen ist. Dabei ist es Sache des Unternehmers, welche Schätzungsmethode er wählt (vgl. BFH, Beschluss vom 30.01.2001, V S 24/00, BFH/NV 2001, 658). Das Finanzamt kann lediglich nachprüfen, ob die Schätzung sachgerecht ist.
§ 15 Abs. 4 UStG korrespondiert mit der gemeinschaftlichen Regelung in Artikel 17 Abs. 5, Artikel 19 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie. Soweit Gegenstände oder Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, ist der Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt. Dieser
Pro-Rata-Satz wird nach Artikel 19 für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze auf der Grundlage eines Umsatzschlüssels festgelegt.
Danach ist zunächst jede wirtschaftliche Zurechnung vom Grundsatz her eine Einzelzurechnung, d. h., für jeden einzelnen Leistungsbezug, sei es eine Lieferung oder sonstige Leistung, muss die wirtschaftliche Zurechnung zu bestimmten Ausgangsumsätzen erfolgen. Dies ergibt sich gemeinschaftsrechtlich daraus, dass das in Artikel 2 der 6. EG-Richtlinie vorgesehene Recht auf Vorsteuerabzug nur entsteht, wenn die bezogenen Gegenstände oder Dienstleistungen direkt und unmittelbar mit Ausgangsumsätzen, die das Recht zum Vorsteuerabzug eröffnen, zusammenhängen (vgl. EuGH, Urteil vom 08.06.2000, C-98/98 - Midland Bank - EuGHE I 2000, 4177, UR 2000, 342[EuGH 08.06.2000 - C 98/98]; vom 22.02.2001, C-408/98 - Abbey National -, EuGHE I 2001, 1361, UR 2001, 164[EuGH 22.02.2001 - C 408/98]). Nur soweit Leistungsbezüge die Kostenelemente einzelner Ausgangsumsätze nicht unmittelbar belasten, gehören solche Leistungsbezüge zur wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen, für die es zur Vorsteueraufteilung gemäß § 15 Abs. 4 UStG kommt (vgl. BFH, BStBl II 1994, 271 [BFH 16.09.1993 - V R 82/91]; 1992, 755).
Danach ist ein Vorsteuerabzug hinsichtlich der Betriebs- und Geschäftsausstattung und des sonstigen Praxisbedarfs gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen, da diese Eingangsleistungen der Klägerin unmittelbar und direkt den umsatzsteuerfreien Ausgangsumsätzen der Klägerin zuzurechnen sind.
Das Gericht folgt insofern nicht der Auffassung der Klägerin, bei sämtlichen zahnärztlichen Leistungen würden die Leistungsbezüge aus der Betriebs- und Geschäftsausstattung und dem sonstigen Praxisbedarf auch anteilig wirtschaftlich für steuerpflichtige Laborumsätze verwendet. Denn die von der Klägerin erbrachten zahnärztlichen Leistungen auf Behandlungsstühlen unter Verwendung der Praxisausstattung und des Praxisbedarfs stellen ausschließlich von der Umsatzsteuer befreite zahnärztliche Tätigkeiten dar. Auch soweit Vorarbeiten für die nachfolgende Herstellung von Zahnersatz im Praxislabor durch den Zahnarzt getätigt werden oder Anpassungen des im Labor hergestellten Materials beim Patienten durch den Zahnarzt erfolgen, stellen diese einen gegenüber dem Laborbereich klar abgegrenzten Teil zahnärztlicher Leistungen dar. Insofern hat zwar die praktische Tätigkeit des Zahnarztes einen Bezug zu den Laborumsätzen. Wirtschaftlich ist dieser Bereich jedoch ausschließlich der zahnärztlichen Tätigkeit zugeordnet und wird über diese abgerechnet (vgl. EuGH, Urteil vom 08.06.2000, a.a.O.). Die Versagung des Vorsteuerabzugs aus diesem Bereich ist daher rechtmäßig.
Dieselben Grundsätze für den Vorsteuerabzug gelten hinsichtlich des Dachausbaus. Auch insofern ist grundsätzlich zunächst eine direkte Zuordnung der bezogenen Leistungen erforderlich. Aufgrund der vorliegenden Rechnungen konnte lediglich das 8-tlg. Fensterelement der &.. vom 18.12.1997 mit einer Vorsteuer in Höhe von 520,60 DM den steuerfreien Ausgangsumsätzen und Vorsteuern aus Fliesen aus den Rechnungen der &.. in Höhe von 283,01 DM und &. in Höhe von 38,57 DM direkt den umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen zugerechnet werden. Für die übrigen Umsätze ist eine direkte Zuordnung nicht möglich. Soweit der Beklagte bei einzelnen Leistungsbezügen eine anhand der Flächen geschätzte Zuordnung von 50 %, z.B. bei Elektroinstallationen, vorgenommen hat, ist dies eine verdeckte und damit unzulässige Vorsteueraufteilung nach Flächen.
Bisher in 1997 berücksichtigte Vorsteuern aus den Rechnungen && vom 19.12.1996 in Höhe von 264,50 DM und &&. vom 23.10.1996 in Höhe von 555,00 DM sind im Jahr der Leistungsbezüge und Vorlage der Rechnungen in 1996 zu berücksichtigen. Vorsteuern aus Rechnungen aus 1998 konnten in den Streitjahren nicht berücksichtigt werden, da der Vorsteuerabzug frühestens in dem Jahr möglich ist, in dem nicht nur die Leistung bezogen wurde, sondern auch die Rechnung vorliegt. Ein Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Firma && ist daher in den Streitjahren nicht möglich. Abzugsfähig ist jedoch die Vorsteuer aus der Abschlagsrechnung &. vom 15.03.1997 in Höhe von 2.850,00 DM gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 UStG, da der Abschlag in 1997 gezahlt wurde.
Danach ergeben sich aufgrund des Dachausbaus folgende weitere zu berücksichtigende Vorsteuern:
Weitere Abzugsfähige Vorsteuern 1996:
Rg. &.. vom 19.12.1996 & 228,68 DM
& vom 23.10.1996 & 555,00 DM
Anteilig 28,82 % von & 783,68 DM & 225,86 DM
Weitere Abzugsfähige Vorsteuern 1997:
Vorsteuer DM | ||||||
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nach Schlüssel | direkt zuzuordnen | |||||
Datum | Rechnungsaussteller | Leistung | verteilen | Praxis | Gemischte Nutzung | |
18.12.97 | &.. | 8 tlg. Fensterelement | 0,00 | 520,60 | 0,00 | |
27.12.97 | &.. | 22 Innentüren, Türdrücker | 1.387,64 | 0,00 | 0,00 | |
s.o. | s.o. | Decke Empfang | 855,46 | 0,00 | 0,00 | |
27.12.97 | &.. | Abbruch Dach, Zimmerarbeiten | 13.206,51 | 0,00 | 0,00 | |
s.o. | s.o. | Innenausbau | 8.906,42 | 0,00 | 0,00 | |
17.05.97 | &.. | Architektenleistungen | 3.000,00 | 0,00 | 0,00 | |
11.12.97 | &.. | Blitzschutz | 523,80 | 0,00 | 0,00 | |
24.11.97 | &.. | Bodenraum | 639,19 | 0,00 | 0,00 | |
16.09.97 | &.. | Abnahme Rauchabzug Treppenhaus | 32,25 | 0,00 | 0,00 | |
18.06.97 | &.. | Elektroinstallation, Aufteilung geschätzt | 2.236,56 | 0,00 | 0,00 | |
10.06.97 | &.. | Fliesen | 0,00 | 0,00 | 283,01 | |
28.05.97 | &.. | Dachentwässerung | 88,47 | 0,00 | 0,00 | |
31.05.97 | &.. | Treppen | 2.332,98 | 0,00 | 0,00 | |
10.11.97 | &.. | Fußboden- und Malerarbeiten | 5.014,12 | 0,00 | 0,00 | |
02.04.97 | &.. | Fenster | 2.132,06 | 0,00 | 0,00 | |
10.04.97 | &.. | Fassadenverkleidung, Regenrinnen etc. | 4.687,67 | 0,00 | 0,00 | |
10.04.97 | &.. | Dachgauben, Fensterbankabdeckung | 1.356,70 | 0,00 | 0,00 | |
04.04.97 | &.. | Fliesen | 0,00 | 0,00 | 38,57 | |
13.03.97 | &.. | Dachdeckerarbeiten | 4.186,27 | 0,00 | 0,00 | |
07.02.97 15.03.97 | &.. | Dachfensteranlage Abschlag Heizung | 3.684,06 2.850,00 | 0,00 | 0,00 | |
Summen | 57.120,16 | 520,60 | 321,58 |
anteilig 28,82 % (Umsatzschlüssel) von 57.120,16 DM = | 16.462,00 DM |
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direkt abzugsfähige Vorsteuern | 321,58 DM |
abzugsfähige Vorsteuern 1997 | 16.783,58 DM |
bereits berücksichtigte Vorsteuern Dachausbau | 6.684,46 DM |
weitere abzugsfähige Vorsteuern 1997 | 10.099,12 DM |
Danach war die Umsatzsteuer wie folgt festzusetzen:
Umsatzsteuer 1996 bisher | 35.320,00 DM |
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weitere Vorsteuern | 225,86 DM |
Umsatzsteuer 1996 | 35.545,86 DM |
Umsatzsteuer 1997 bisher | 18.544,00 DM |
weitere Vorsteuern | 10.099,12 DM |
Umsatzsteuer 1997 | 8.444,88 DM |
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1, 3 FGO i.V.m. §§ 710 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.