Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.03.2006, Az.: 16 K 10398/03
Gemischt genutztes Gebäude; Aufteilung; Vorsteuern
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 30.03.2006
- Aktenzeichen
- 16 K 10398/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 40288
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2006:0330.16K10398.03.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 10.12.2009 - AZ: V R 13/08
Rechtsgrundlagen
- UStG § 15
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Hat ein Steuerpflichtiger ein gemischt genutztes Gebäude errichtet und wurden sämtliche Leistungen, für die Eingangsrechnungen vorliegen, für das Unternehmen des Steuerpflichtigen bezogen, so können die damit im Zusammenhang angefallenen Vorsteuern nach einem Umsatzschlüssel den jeweiligen Ausgangsleistungen zugeordnet werden.
- 2.
Ist eine eindeutige Zuordnung der Leistungsbezüge zu den steuerpflichtigen und steuerfreien Umsätzen i. S. des § 15 Abs. 2 UStG nicht möglich und sind deshalb die Vorsteuerbeträge aufzuteilen, so stellt eine Aufteilung der Vorsteuern im Verhältnis der im Zeitpunkt des Leistungsbezugs kalkulierten Ausgangsumsätze des Unternehmers eine sachgerechte Schätzung i. S. des § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG dar.
Tatbestand
Streitig ist die Aufteilung der Vorsteuern, die im Zusammenhang mit der Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes angefallen sind.
Der Kläger errichtete in den Jahren 1996 und 1997 ein teils zu gewerblichen Zwecken, teils zu Wohnzwecken genutztes Gebäude in R, E Straße 8 - 10, dessen Gewerbeflächen unter Verzicht auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 UStG vermietet werden. Im Zusammenhang mit der Gebäudeerrichtung fielen Vorsteuern in Höhe von 113.581,-DM 1996, 427.008,- DM 1997, 36.937,- DM 1998 und 1.020,- DM 1999 an. Diese beruhen zum weitaus größten Teil auf Rechnungen des Bauunternehmens S, in denen dieser entsprechend dem Baufortschritt des Gebäudes abrechnet. Eine Aufteilung des Rechnungspreises auf die einzelnen Gewerke des Baus erfolgt nicht. Darüber hinaus liegen Rechnungen für die Vermessung des Grundstücks, der Verlegung von Anschlüssen (Strom, Gas, Wasser, Telefon), des Notars für die Grundbucheintragung, des Architekten des Gebäudes, des Baustatikers, eines Gartenbaubetriebes für die Bepflanzung des Grundstücks, eines Fenster- und Türenbauers für Türbeschläge sowie des Schornsteinfegers vor.
In den Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 1996, 1997 und 1999 teilte der Kläger im Einklang mit damals noch herrschender Rechtsauffassung die Vorsteuern im Verhältnis der Wohnflächen zu den gewerblich genutzten Flächen auf. Der Anteil der steuerpflichtig vermieteten Flächen betrug 1996 25 %, ab 1997 26,67 %. Der Beklagte stimmte den Steuererklärungen zu (1996 und 1997) bzw. verarbeitete die Erklärungen ohne Abweichung.
In der Zeit vom 28. Mai - 7. Juni 2002 fand beim Kläger eine Außenprüfung statt. Im Rahmen der Schlussbesprechung beantragte der Kläger unter Hinweis auf die aktuelle Rechtsprechung des BFH, die Vorsteuern nicht nach einem Flächenschlüssel, sondern im Verhältnis der steuerpflichtigen zu den steuerfreien Umsätzen aufzuteilen. Nach einer von dem Kläger eingereichten Aufstellung über die kalkulierten Ausgangsumsätze im Zeitpunkt des Leistungsbezugs betrug der Anteil der steuerpflichtigen Umsätze an den gesamten Vermietungsumsätzen 34,35 %.
Der Beklagte folgte dem nicht, sondern hob mit Bescheid vom 27. Juni 2002 für die Jahre 1996 und 1997 den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Den Umsatzsteuerbescheid 1999 änderte er mit selben Datum aus für dieses Verfahren nicht erheblichen Gründen. Der gegen die Bescheide vom 27. Juni 2002 gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.
Im Klageverfahren war zunächst streitig, ob die Aufteilung der Vorsteuern nach einem Umsatzschlüssel eine sachgerechte Schätzung darstellt. Der Beklagte berief sich auf die damaligen Schreiben des BMF. Nachdem zu dieser Frage weitere Entscheidungen des BFH ergangen waren und die Finanzverwaltung an ihrer Auffassung nicht mehr festhielt, folgte der Beklagte dem Kläger insoweit, als er den Umsatzschlüssel prinzipiell als zulässigen Aufteilungsmaßstab ansah. Allerdings vertrat er die Auffassung, dass die Anwendung des Umsatzschlüssels nur für die tatsächlich gemischt genutzten Gebäudeteile in Betracht komme. Soweit eine entsprechende Aufteilung und Zuordnung nicht möglich sei, müsse es beim Flächenschlüssel bleiben.
Der Kläger vertritt die Auffassung, dass im Streitfall eine Aufteilung der Vorsteuern nach Umsätzen möglich sei. Die Aufteilungsregeln des Art. 17 Abs. 5 6. EG-Richtlinie und des § 15 Abs. 4 UStG seien in allen Fällen anzuwenden, in denen eine Leistung für das Unternehmen ausgeführt werde und diese sowohl zur Ausführung von Umsätzen mit und ohne Vorsteuerabzugsberechtigung eingesetzt werde. Im Streitfall beträfen die in Anspruch genommenen Leistungen beide Gebäudeteile, so dass § 15 Abs. 4 UStG zur Anwendung komme. Im Übrigen sei auch der Beklagte zunächst nicht von einer eingeschränkten Anwendbarkeit des § 15 Abs. 4 UStG bezogen auf gemischt genutzte Gebäudeteile ausgegangen.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuer für die Streitjahre insoweit zu ändern, als für 1996 zusätzliche Vorsteuern in Höhe von 10.619,79 DM, für 1997 von 32.794,19 DM und für 1999 von 70,32 DM berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bleibt der Auffassung, dass der Umsatzschlüssel nur dann in Betracht komme, wenn zuvor eine Aufteilung der Vorsteuerbeträge auf die einzelnen Gebäudeteile vorgenommen worden sei.
Der Beklagte beruft sich für seine Rechtsauffassung auf dasSchreiben des BMF vom 24. November 2004 IV A 5 - S 7306 - 4/04,BStBl. I 2004, 1125.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Der Kläger kann die Vorsteuern, die in den Streitjahren im Zusammenhang mit der Errichtung des gemischt genutzten Gebäude R, E Str. 8-10 angefallen sind und deren Aufteilung auf die steuerpflichtig und steuerfrei vermieteten Gebäudeteile im Streit ist, nach einem Umsatzschlüssel den jeweiligen Ausgangsleistungen zuordnen.
Gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) kann der Unternehmer die in Rechnungen im Sinne des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG die Steuer für die Lieferungen von Gegenständen sowie die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist gem. § 15 Abs. 4 UStG der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln.
Im Streitfall hat der Kläger sämtliche Leistungen, für die Eingangsrechnungen vorliegen, für sein Unternehmen bezogen. Dies ist zwischen den Beteiligten ebenso unstreitig wie der Umstand, dass die Rechnungen, aus denen der Vorsteuerabzug begehrt wird, den formalen Anforderungen des § 14 UStG genügen.
Ist eine eindeutige Zuordnung der Leistungsbezüge zu den steuerpflichtigen und steuerfreien Umsätzen im Sinne des § 15 Abs. 2 UStG nicht möglich und sind deshalb die Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen, so stellt eine Aufteilung der Vorsteuern im Verhältnis der im Zeitpunkt des Leistungsbezugs kalkulierten Ausgangsumsätze des Unternehmers eine sachgerechte Schätzung im Sinne des § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG dar (BFH Urteil vom 17. August 2001 V R 1/01, BFHE 196, 345; BStBl. II 2002, 833). Dies wird - zumindest in dieser abstrakten Form - inzwischen auch vom Beklagten nicht mehr in Frage gestellt.
Dem Beklagten ist zwar insoweit beizupflichten, dass eine direkte Zuordnung der Eingangslieferungen und -leistungen zu den jeweiligen Gebäudeteilen einer Aufteilung im Schätzungswege vorgeht. Der Senat ist aber nicht der Auffassung, dass im Streitfall eine derartige Zuordnung möglich wäre. Denn nach dem Gesetzeswortlaut des § 15 Abs. 2 UStG setzt der Vorsteuerausschluss voraus, dass die jeweilige Leistung ausschließlich zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet wird. Die den Eingangsrechnungen zugrunde liegenden Leistungen betreffen jedoch ausnahmslos das gesamte, sowohl zur Ausführung steuerpflichtiger als auch steuerfreier Umsätze genutzte Gebäude; eine direkte Zuordnung einzelner Leistungen zu bestimmten Gebäudeteilen ist nicht möglich. Dies hat aber zur Folge, dass die Vorsteuern gem. § 15 Abs. 4 UStG nach einem sachgerechten Maßstab, den der Umsatzschlüssel darstellt, aufzuteilen sind. Die Auffassung des Beklagten, dass die Anwendung des Umsatzschlüssels nur für jene Leistungsbezüge in Betracht komme, die für die tatsächlich gemischt genutzten Gebäudeteile in Anspruch genommen werden und dass das Fehlen einer diesen Maßstäben genügenden Rechnung die Aufteilung der Vorsteuern im Verhältnis der Gebäudeflächen nach sich ziehe, findet im Gesetzeswortlaut keine Stütze.
Die rechnerische Ermittlung des Anteils der kalkulierten steuerpflichtigen Ausgangsumsätze an den gesamten kalkulierten Vermietungsumsätzen von 34,35 % durch den Kläger ist ebenso wie die Höhe der sich unter Anwendung dieses Anteils ergebenden abzugsfähigen Vorsteuern - wie vom Beklagten ausdrücklich zugestanden - zutreffend.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).