Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 16.07.2008, Az.: 2 Qs 101/08
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 16.07.2008
- Aktenzeichen
- 2 Qs 101/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 43328
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGBRAUN:2008:0716.2QS101.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Helmstedt - 26.06.2008 - AZ: 16 Ls
In der Strafsache
...
wegen Diebstahls ...
hat die 2. große Strafkammer des Landgerichts in Braunschweig am 16.07.2008 durch die unterzeichnenden Richter beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Angeschuldigten wird der Beschluss des Amtsgerichts Helmstedt vom 26.06.2008 aufgehoben.
Dem Angeschuldigten wird Rechtsanwalt Zimmermann als Pflichtverteidiger beigeordnet.
Die Bestellung von Rechtsanwalt A.... wird aufgehoben.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeschuldigten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
Mit der angefochtenen Entscheidung bestellte das Amtsgericht Helmstedt dem Angeschuldigten den im Gerichtsbezirk zugelassenen Rechtsanwalt A.... zum Pflichtverteidiger und wies zugleich den Antrag des Rechtsanwalts Zimmermann, ihn als Pflichtverteidiger beizuordnen, zurück.
Die sofortige Beschwerde des Angeschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Helmstedt vom 26.06.2008 ist zulässig und begründet.
1. Gegen die Ablehnung der Bestellung des Wahlverteidigers als Pflichtverteidiger steht dem Angeschuldigten die Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO zu. Die Beschwerde wurde auch ausdrücklich im Namen und im Auftrag des Angeschuldigten durch den mittels einer Strafprozessvollmacht ermächtigten Wahlverteidiger eingelegt.
2. Die getroffene Entscheidung kann deshalb keinen Bestand haben, weil keine "wichtigen Gründe" ersichtlich sind, die einer Beiordnung des vom Angeschuldigten gewünschten Verteidigers entgegenstehen, § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO.
Die §§ 140 ff. StPO stellen sich als Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips in seiner Ausgestaltung als Gebot fairer Verfahrensführung dar. Dem Beschuldigten muss zur Wahrung seiner Rechte die Möglichkeit gegeben werden auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen. Hierzu gehört auch das Recht, sich im Strafverfahren von einem Rechtsanwalt als gewähltem Verteidiger seines Vertrauens verteidigen zu lassen. Durch die Beiordnung eines Pflichtverteidigers soll der Beschuldigte grundsätzlich gleichen Rechtsschutz erhalten wie ein Beschuldigter, der sich auf eigene Kosten einen Verteidiger gewählt hat ( OLG Stuttgart, Beschluss v. 13.01.2006, Az: 2 Ws 5/06 ). Dem entspricht es, dass dem Beschuldigten der Anwalt seines Vertrauens als Pflichtverteidiger beizuordnen ist, wenn nicht wichtige Gründe entgegenstehen.
Der Gesichtspunkt der "Ortsnähe" ist zwar auch als wichtiger Grund im Sinne des § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO anzusehen. Er tritt jedoch im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung grundsätzlich hinter dem Recht des Beschuldigten auf einen Anwalt seines Vertrauens zurück ( BVerfG StV 2001, 601 ff. [BVerfG 25.09.2001 - 2 BvR 1152/01]m.w.N.; BGH NStZ 2003, 378 m.w.N.). Ist durch den, von dem Beschuldigten benannten, Verteidiger eine sachdienliche Verteidigung und ein ordnungsgemäßer Verfahrensablauf gewährleistet, so ist das Ermessen bei der Auswahl des Pflichtverteidigers dahingehend auf Null reduziert, dass der von dem Beschuldigten gewünschte Verteidiger zu ernennen ist (KK/Laufhütte, StPO, 5. Aufl., § 142 Rn. 7).
Soweit die Ablehnung der Ernennung des Rechtsanwalts Zimmermann darauf gestützt wurde, dass der Angeschuldigte ein besonderes Vertrauensverhältnis nicht substantiiert dargelegt habe, ist anzumerken, dass in der Regel dieses Vertrauensverhältnis bereits aufgrund der Stellung des Verteidigers als Wahlverteidiger des Angeschuldigten zu vermuten ist. Insofern ist ausreichend, dass der bisherige Wahlverteidiger die Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragt ( OLG Koblenz StV 1995, 118 [OLG Koblenz 21.04.1994 - 3 Ws 278/94]). Hier hat der Verteidiger, innerhalb der dem Angeschuldigten zur Stellungnahme gesetzten einwöchigen Frist, Prozessvollmacht vorgelegt und zudem darauf hingewiesen, dass er den Angeschuldigten auch in einem weiteren Verfahren vertrete und dieser seine Beiordnung ausdrücklich wünsche.
Die daraus folgende Vermutung des Bestehens eines Vertrauensverhältnisses ist auch nicht durch konkrete Anhaltspunkten widerlegt. Die in dem Verfahren 16 Ls 657 Js 22108/04 auf Antrag des Angeschuldigten erfolgte Aufhebung der Beiordnung des Rechtsanwalts Zimmermann kann nicht herangezogen werden, da der Angeschuldigte nun den Rechtsanwalt Zimmermann erneut als Wahlverteidiger benannt hat somit frühere Ansichten des Angeschuldigten überholt sind.
Da außer der "Ortsferne" keine Gesichtspunkte gegen eine Beiordnung des vom Beschuldigten gewünschten Verteidigers sprechen und die Voraussetzungen für eine notwendige Verteidigung zu Recht angenommen worden sind, ist das Auswahlermessen "auf Null" beschränkt. Die Kammer ordnet deshalb Rechtsanwalt Zimmermann als Pflichtverteidiger bei und hebt die getroffene Pflichtverteidigerbestellung auf, da eine sachgemäße andere Entscheidung nach Sachlage nicht in Betracht kommt, § 309 Abs. 2 StPO (vgl. OLG Düsseldorf StV 2004, 62 [OLG Düsseldorf 18.09.2002 - 2 Ws 242/02]; Meyer-Goßner § 309 Rn. 4).
3. Die Kostenentscheidung folgt im Umkehrschluss aus §§ 464, 473 StPO.