Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 18.08.2008, Az.: 10 Qs 249/08
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 18.08.2008
- Aktenzeichen
- 10 Qs 249/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 43330
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGBRAUN:2008:0818.10QS249.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Braunschweig - 29.07.2008 - AZ: 5 Ds
Fundstelle
- StraFo 2008, 430 (Volltext mit red. LS)
In der Strafsache
...
wegen ...
hat die 10. kleine Strafkammer des Landgerichts in Braunschweig am 18.8.2008 durch die unterzeichnenden Richter beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 29.7.2008, mit welchem das Amtsgericht den Antrag des Verteidigers auf Verlegung des Termins der Hauptverhandlung vom 9.9.2008 abgelehnt hat, aufgehoben.
Der Termin der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Braunschweig, Strafrichter, am 9.9.2008, 13.00 Uhr, wird aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat gegen den Beschwerdeführer unter dem 9.6.2008 Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung zum Amtsgericht Braunschweig, Strafrichter, erhoben. Mit Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 4.7.2008 wurde die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren vor dem Strafrichter eröffnet. Mit Verfügung vom selben Tage wurde Termin auf Donnerstag, den 4.9.2008, 12.00 Uhr, anberaumt. Auf den Verlegungsantrag des Verteidigers vom 22.7.2008 wurde der Termin mit Verfügung vom 24.7.2008 auf den 9.9.2008, 13.00 Uhr verlegt. Noch am selben Tag beantragte der Verteidiger erneut Terminsverlegung unter Hinweis auf einen Termin beim Amtsgericht Krefeld und fügte die Ladung in Kopie bei. Mit Beschluss vom 29.7.2008 lehnte das Amtsgericht eine erneute Terminsverlegung ab. Zur Begründung wurde in der Verfügung vom 11.8.2008 ausgeführt, eine vorherige Terminsabsprache in jedem Fall sei bei der Vielzahl der anhängigen Verfahren nicht zumutbar und bleibe auf umfangreiche Verfahren und Verfahren unter Beteiligung von Pflichtverteidigern beschränkt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten vom 11.8.2008.
II.
Die Beschwerde ist gem. § 304 Abs. 1 StP0 zulässig. Zwar handelt es sich bei der Anberaumung des Hauptverhandlungstermins und die Ablehnung eines Verlegungsantrages um eine der Urteilsfällung vorausgehende Entscheidungen, die nach § 305 Satz 1 StP0 grundsätzlich keiner Anfechtung unterliegen. Jedoch werden in der Praxis über die Ausnahmefälle des § 305 Satz 2 StP0 hinaus weitere Ausnahmen zugelassen. Die mittlerweile herrschende Auffassung, der sich die Kammer anschließt, hält eine Anfechtung ausnahmsweise dann für statthaft, wenn eine in rechtsfehlerhafter Ermessensausübung getroffene Entscheidung für die Verfahrensbeteiligten eine besondere selbständige Beschwer bewirkt, was dann der Fall ist, wenn eine Verfügung des Vorsitzenden unschwer vermeidbar das Recht des Angeklagten beeinträchtigt, sich des Beistandes eines Verteidigers seines Vertrauens zu bedienen (vgl. Meyer-Goßner,StP0, 51. Aufl., § 213 Rand-Nr. 8 m.w.N., OLG Nürnberg, StV 2005, 491 [OLG Nürnberg 05.04.2005 - 1 Ws 361/05]f; OLG Dresden, NJW 2004, 3196f; LG Berlin, StV 2003, 441f; LG Görlitz, NStZ-RR 2006, 315; OLG Stuttgart, Justiz 2006, 8 unter Beschränkung auf eklatante und gewichtige Rechtsverstöße).
Die Ablehnung einer Terminverschiebung ist in diesem Fall ermessensfehlerhaft. Da der Verteidiger des Angeklagten am anberaumten Terminstag durch einen Termin vor dem Amtsgericht Krefeld, den er durch Übersendung der Ladung belegt hat, verhindert ist, wäre der Angeklagte in seinem Recht beeinträchtigt, sich durch einen Anwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen. Zwar ist das Gericht nicht verpflichtet, Terminabsprachen zu treffen, insbesondere führt der von vielen Anwälten routinemäßig vorgetragene Wunsch nach vorherigen Terminabsprachen nicht zu einer solchen Verpflichtung. Wenn aber in nachvollziehbarer Weise wegen des damit verbundenen hohen Arbeitsaufwandes auf vorherige Terminabsprachen verzichtet wird, muss es zwangsläufig in einer gewissen Anzahl von Fällen dazu kommen, dass der Verteidiger bereits durch anderweitige Termine gebunden ist. In diesen Fällen ist dem Recht des Angeklagten auf Verteidigung durch einen Anwalt seines Vertrauens grundsätzlich durch Terminsverlegung Rechnung zu tragen. Dem sind im Sinne einer geordneten Strafrechtspflege Grenzen gesetzt, etwa wenn sehr kurzfristige Änderungswünsche umfangreiche Umterminierungen erforderlich machen, oder wenn in derselben Sache zahlreiche Verlegungsanträge gestellt werden, ohne dass der Verteidiger, der spätestens durch die Terminierungen in derselben Sache die Sitzungstage und den ungefähren Vorlauf des Gerichtes kennt, auf weitere Verhinderungen hinweist oder seinerseits Terminvorschläge unterbreitet. In diesem Fall handelt es sich jedoch erst um den zweiten Verlegungsantrag, der Verteidiger hat bereits unmittelbar nach Erhalt der Ladung unter Glaubhaftmachung seine Verhinderung mitgeteilt und es sind lediglich 3 Zeugen umzuladen. Unter diesen Umständen war der Termin zu verlegen. Der Termin vom 9.9.2008 und der die Terminsverlegung ablehnende Beschluss vom 29.7.2008 waren daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung des § 467 Abs. 1 StP0.