Landgericht Lüneburg
Urt. v. 10.05.2021, Az.: 10 O 313/20

Corona; Hochzeit; Rücktritt; Schadensersatz; Unmöglichkeit

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
10.05.2021
Aktenzeichen
10 O 313/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 70674
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil gegen sie vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen einer in ihren Räumen geplanten, aber während der Corona-Pandemie abgesagten Hochzeitsfeier in Anspruch.

Die Klägerin betreibt die Vermietung von „S.“ für Feierlichkeiten jeder Art. Ende des Jahres 2018 schlossen die Parteien einen Vertrag über die Anmietung des Schlosses für die für den 08.08.2020 geplante Hochzeitsfeier (und Taufe) der Beklagten mit „bis zu 120 Personen“, wobei die Miete 5.000,00 € (netto) zuzüglich weiterer Kosten betragen sollte. Die Einzelheiten des Vertrages nebst Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergeben sich aus dem Angebot vom 22.11.2018 bzw. der Auftragsbestätigung vom 06.12.2018 (Anlagen K1 und K2, Bl. 4 f., 75 f. d.A.). § 5 Nr. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen lautet:

„Bei Rücktritt des Veranstalters in der Zeit von 0 - 24 Wochen vor dem Veranstaltungstermin hat der Veranstalter 100% des vereinbarten Mietpreises zu tragen. Für den Fall einer anderweitigen Vermietung dieses Termins durch die S. werden hierdurch generierte Einnahmen von dem zu zahlenden Mietpreis abgezogen. Der Veranstalter hat eine Bearbeitungsgebühr i.H.v. 500,- € netto (zzgl. 19% MwSt) für die bereits geleisteten Verwaltungsaufwendungen der S. zu zahlen.“

Seit Anfang des Jahres 2020 breitete sich das sog. „Corona-Virus“ auch in Deutschland und Niedersachsen immer weiter aus und legte das öffentliche wie private Leben in weiten Teilen in zuvor nicht gekannter Art lahm. Die Parteien kommunizierten aufgrund dessen wiederholt zu der Frage, welche Auswirkungen die zur Verhinderung einer weiteren Ausbreitung getroffenen Maßnahmen und Verordnungen der niedersächsischen Landesregierung auf die geplante Hochzeitsfeier haben würden, wobei die Verordnungslage dynamisch war und regelmäßig an den aktuellen Stand der Pandemie angepasst wurde.

Nach § 1 Abs. 5 Nr. 1 der Niedersächsischen Verordnung zur Neuordnung der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 10.07.2020 war zum geplanten Veranstaltungstag bei Einhaltung des Abstandsgebots die Teilnahme an Hochzeitsfeiern mit nicht mehr als 50 Personen zulässig.

Mit E-Mail vom 20.07.2020 erklärte der Vater des Beklagten zu 2.) namens und in Vollmacht der beiden Beklagten gegenüber der Klägerin, dass am 08.08.2020 keine Hochzeitsfeier stattfinden werde (Bl. 8 d.A.). Die Beklagten feierten ihre Hochzeit nicht auf S..

Die Klägerin stellte den Beklagten unter dem 11.08.2020 einen Betrag i.H.v. 5.785,00 € in Rechnung, der sich zusammensetzt aus 5.000,00 € Miete, 500,00 € Bearbeitungsgebühr zzgl. 16 % Mehrwertsteuer und abzüglich der angezahlten 595,00 €. Eine Zahlung erfolgte nicht.

Die Klägerin meint, nach § 5 Nr. 1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei bei einem Rücktritt 0 bis 24 Wochen vor Veranstaltungstermin der vereinbarte Mietpreis zuzüglich einer Bearbeitungsgebühr von 500,00 € zu entrichten.

Sie beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 5.785,00 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank seit dem 01.10.2020 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie meinen, der Klägerin sei die Erfüllung ihrer Leistungspflicht wegen der Corona-Verordnung in der damals gültigen Fassung unmöglich geworden und aufgrund der Gesamtumstände der Pandemie seien sie zum Rücktritt berechtigt gewesen. Im Übrigen halten sie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, deren Einbeziehung in den Vertrag sie infrage stellen, für unwirksam.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz.

1. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 5 Nr. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Denn die Klausel hält der Inhaltskontrolle nach § 309 Nr. 5b) BGB nicht stand. Danach ist die Vereinbarung eines pauschalierten Schadensersatzanspruchs unwirksam, wenn dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale.

Es kann insofern als wahr unterstellt werden, dass die Beklagten auf die für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen der Klägerin, wie sie sich auf der Rückseite von Bl. 75 d.A. befinden, bei Abschluss des Vertrages hingewiesen worden sind und diese AGB mithin i.S.d. § 305 Abs. 2 BGB Vertragsbestandteil geworden sind.

Gemessen am Maßstab des § 309 BGB, der absolute Klauselverbote enthält, ist diese Klausel unwirksam. Denn § 5 Nr. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthält zwar die Regelung, dass im Fall einer anderweitigen Vermietung die dadurch entstehenden Einnahmen von dem Mietpreis abgezogen werden. Aber der Nachweis eines geringeren Schadens wird dem Veranstalter - hier also den Beklagten - an keiner Stelle gestattet.

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Klägerin unstreitig mehrere Stunden für Erörterungen und Planungen mit den Beklagten aufgewandt hat und der Ansatz einer Bearbeitungsgebühr i.H.v. 500,00 € insofern grundsätzlich als gerechtfertigt erscheinen mag. Darauf kommt es allerdings nicht an. § 309 Nr. 5b) BGB stellt ein formales Erfordernis dahingehend auf, dass dem anderen Vertragsteil der Nachweis eines geringeren Schadens gestattet werden muss (BGH NJW 2006, 1056, 1059 [BGH 23.11.2005 - VIII ZR 154/04]).

2. Ein Schadensersatzanspruch folgt auch nicht aus einem anderen Rechtsgrund. Denn die Beklagten konnten aufgrund der Gesamtumstände des hier vorliegenden Einzelfalles im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie nach § 326 Abs. 5 BGB von dem Vertrag zurücktreten, ohne sich damit schadensersatzpflichtig zu machen.

Mit Abschluss des Vertrages über die Anmietung von S. für den 08.08.2020 haben sich die Parteien zur Bereitstellung der Räume für eine Feier mit bis zu 120 Personen und zur Entrichtung des Mietzinses verpflichtet. Die Klägerin ist von ihrer Leistungspflicht allerdings nach § 275 Abs. 1 BGB frei geworden. Danach ist die Primärleistungspflicht des Schuldners ausgeschlossen, soweit die Leistung für ihn oder jedermann unmöglich ist.

Ob Unmöglichkeit vorliegt, ist anhand der in dem Vertrag festgelegten Parameter der Leistung zu beurteilen, insbesondere Leistungsumfang, Leistungsort und Leistungszeit. Dabei sind insbesondere die Frage, ob ein Fixgeschäft vorliegt und der konkrete Umfang der geschuldeten Leistung nötigenfalls durch Auslegung zu ermitteln. Zu berücksichtigen ist, dass § 275 Abs. 1 BGB einen Ausnahmetatbestand darstellt, der nur unter ganz besonderen Umständen zu einem vollständigen Entfallen der Primärleistungspflicht führt.

Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag handelt es sich um einen typengemischten Vertrag, der miet- und dienstvertragliche Elemente enthält. Die charakteristische Hauptleistung ist das Zurverfügungstellen des S. für eine Feier in einer Größenordnung von bis zu 120 Personen am 08.08.2020. Dabei ist die in dem Vertrag angegebene Personenzahl bei Auslegung nach §§ 133, 157 BGB anhand des objektiven Empfängerhorizontes nicht etwa schlicht als „absolute Obergrenze“ zu verstehen, sondern Ausdruck des Anliegens des Brautpaares, tatsächlich Räume zur Verfügung gestellt zu bekommen, die eine Feier mit 120 Personen zulassen. Dementsprechend war die Klägerin verpflichtet, den Beklagten eine Feier dieser Größenordnung auf S. zu ermöglichen. Diese Pflicht traf die Klägerin auch konkret für den 08.08.2020, es handelte sich insofern um ein absolutes Fixgeschäft. Denn wie bei Hochzeitsfeiern zwar nicht zwingend, aber durchaus typisch, kam es den Beklagten darauf an, ihre Hochzeit an eben diesem und keinem anderen Datum zu feiern. Dies haben sie im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung auch für das Gericht noch einmal verdeutlicht und nachvollziehbar dargelegt, dass es ihnen auf diesen Termin deswegen ankam, weil es sich um den zweiten Jahrestag ihrer standesamtlichen Trauung handelte und die Hochzeitsfeier zugleich mit der Taufe ihrer Tochter verbunden werden sollte.

Der Klägerin war es - wie auch jedermann sonst in Niedersachsen - jedoch rechtlich unmöglich, am 08.08.2020 eine Feier für bis zu 120 Personen umzusetzen. Denn aufgrund von § 1 Abs. 5 Nr. 1 der anlässlich der pandemischen Lage seinerzeit geltenden Niedersächsischen Corona-Verordnung waren Hochzeitsfeiern nur bis zu einer Teilnehmerzahl von 50 Personen zulässig.

Dass die Beklagten „kleiner“ hätten feiern können, steht der Annahme der Unmöglichkeit nicht entgegen. Denn auch insoweit muss sich die Klägerin an dem in dem Vertrag zum Ausdruck gekommenen Zweck der Anmietung für eine große Feier festhalten lassen. Eine über Monate im Voraus geplante Hochzeit im großen Familien- und Freundeskreis lässt sich angesichts der ganz besonderen, häufig einmalig bleibenden Bedeutung dieses Ereignisses für Brautpaar und Gäste nicht „mal eben“ auf ein zulässiges Maß herunterschrauben. Nahestehende Verwandte und Freunde können nicht einfach ausgeladen werden. Sie von der Teilnahme eines solchen Ereignisses auszuschließen, konnte von den Beklagten schlechterdings nicht verlangt werden, ohne dass die Feier eine ganz andere und in dieser Form von den Beklagten überhaupt nicht gewollte geworden wäre.

Das in den Vorschriften der Corona-Verordnung liegende Leistungshindernis war auch nicht nur vorübergehender Natur. Denn hiervon kann nur ausgegangen werden, wenn aus ex-ante-Sicht - hier also zum Zeitpunkt des Erlasses der Corona-Verordnung - mit einiger Sicherheit absehbar ist, wann die Erbringung der geschuldeten Leistung wieder möglich ist. Dass dies aber gerade nicht der Fall war, ist allgemein bekannt. Die ungewisse Entwicklung des Pandemieverlaufs ließ vielmehr eine weitere Verlängerung der Maßnahmen auf nicht absehbare Zeit erwarten. Dies hat sich - ohne dass es darauf im Ergebnis ankäme - ex post leider mehr als eindrücklich bestätigt. Auch heute noch kann niemand vorhersagen, wann in Deutschland und der Welt wieder ein „normales Leben“ wird stattfinden können.

3. Aber selbst wenn keine Unmöglichkeit i.S.d. § 275 Abs. 1 BGB vorgelegen hätte, wären die Beklagten bei Abwägung der vorstehend genannten Gesamtumstände aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage berechtigt gewesen, nach § 313 Abs. 3 S. 1 BGB von dem Vertrag zurückzutreten. Denn die Corona-Pandemie und die mit ihr einhergehenden Folgen sind bis heute in Art und Umfang einmalige Umstände, die nicht vorherzusehen waren und aufgrund derer die Parteien, hätten sie sie gleichwohl vorausgesehen, von dem Abschluss des Vertrages abgesehen hätten.

Den Beklagten war - auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass das Verwendungsrisiko ohne Hinzutreten besonderer Umstände beim Mieter liegt - weder zumutbar, am unveränderten Vertrag festzuhalten, noch sich auf eine Vertragsanpassung bspw. durch eine Verlegung des Hochzeitstermins einzulassen. Denn die Fortentwicklung der Pandemie und ihrer Auswirkungen war im Sommer 2020 genauso wenig abzusehen, wie sie es auch heute noch ist. Das zeigt sich anschaulich nicht zuletzt daran, dass viele Hochzeitsfeiern, Konzerte oder andere Veranstaltungen, die im vergangenen Jahr auf Frühjahr/Sommer 2021 verlegt worden sind, ein zweites Mal verlegt oder auch ganz abgesagt werden müssen. Bei dieser unsicheren Sachlage kann allerdings niemandem zugemutet werden, eine Feier mit einem derartigen Planungsaufwand auch für An-/Abreise der Familie aus dem In- und Ausland, Unterbringung, Catering, musikalische Begleitung etc. wieder und wieder verschieben zu müssen.

4. Mangels Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf die begehrten Verzugszinsen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 709 ZPO.