Landgericht Lüneburg
Urt. v. 02.02.2021, Az.: 3 S 36/20

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
02.02.2021
Aktenzeichen
3 S 36/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 70781
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG - 14.07.2020 - AZ: 10 C 312/18

Kein Wertersatzanspruch des Verwalters bei Abweichung vom Ausführungsbeschluss

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Achim vom 14.07.2020 wird in Höhe von 3.435,06 € nebst Zinsen als unzulässig verworfen, im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Dieses Urteil sowie das vorstehend bezeichnete Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 39.735,89 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten, die vom 01.01.2007 bis 31.12.2015 Verwalterin der Klägerin war, Rückzahlung entnommener gemeinschaftlicher Gelder.

Mit Mehrheitsbeschluss zu TOP 4 der WEG-Versammlung vom 18.11.2014 hatte die WEG die Beauftragung der Fa. B. mit der Erneuerung der Eingangstüren und Briekastenanlagen gemäß vorliegendem Angebot vom 16.10.2014 in Höhe von 41.511,66 € beschlossen. Die Beklagte beauftragte statt der Firma B. eine B. &. die inzwischen gelöscht ist, und zahlte an diese 36.300,83 €. Ohne WEG-Beschluss beauftragte die Beklagte ferner einen Austausch der Schließzylinder, den Anschluss der Türöffnerleitungen an die Sprechanlage und einen Fensteraustausch im Haus F. und entnahm dafür 1.917,00 €, 466,96 € und 1.051,01 €. Die WEG verweigerte die Genehmigung dieser Maßnahmen und beschloss zu TOP 2 der Wohnungseigentümerversammlung vom 04.04.2017 die gerichtliche Inanspruchnahme der Beklagten.

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat die Beklagte mit diesem am 22.07.2020 zugestellten Urteil vom 14.07.2020 zur Zahlung von insgesamt 39.735,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2018 sowie zur Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.590,91 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2018 an die Klägerin verurteilt.

Hiergegen richtet sich die am 04.08.2020 eingegangene Berufung der Beklagten, mit der diese ihr Ziel der Klagabweisung weiterverfolgt. Sie rügt fehlerhafte Rechtsanwendung. Die Beschlussfassung der Wohnungseigentümergemeinschaft sei in der Sache mit identischem Inhalt umgesetzt worden, weshalb der Klägerin kein wirtschaftlicher Schaden entstanden sei, nur weil eine andere Firma beauftragt worden sei. Jedenfalls sei die Klägerin nach der Durchführung der Sanierungsmaßnahme bereichert, was dem geltend gemachten Rückzahlungsanspruch im Wege der Aufrechnung entgegenzuhalten sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Achim vom 16.06.2020, verkündet am 14.07.2020, Az. 10 C 312/18, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes beider Instanzen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.

1. Soweit das Amtsgericht die Beklagte mit dem angefochtenen Urteil zur Erstattung der an die Firma E. für die Lieferung von Schließzylindern geleisteten Zahlung von 1.917,09 €, der an die Firma J. für den Anschluss der Türöffnerleitungen an die Sprechanlagen geleisteten Zahlung von 466,96 € und der an die Firma M. für den Austausch zweier Fenster geleisteten Zahlung von 1.051,01 € verurteilt hat, ist die Berufung bereits unzulässig.

Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung diejenigen Umstände konkret bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Hieran fehlt es vorliegend in Bezug auf die vorstehend genannten Forderungen, bezüglich derer die Beklagte mit dem angefochtenen Urteil verurteilt worden ist. Wenngleich die Berufung ausweislich des Berufungsantrags die Aufhebung des angefochtenen Urteils insgesamt und die Abweisung der Klage insgesamt zum Ziel hat, lässt die Berufung keinen konkreten Angriff in Bezug auf die vorstehend zuerkannten Zahlungsansprüche erkennen. Die Berufungsbegründung befasst sich mit dem angefochtenen Urteil nur insoweit, als mit diesem auf die Rückzahlung der aus Mitteln der Gemeinschaft veranlassten Zahlung an die B. in Höhe von 36.300,83 € erkannt worden ist. In Bezug auf die übrigen zuerkannten Forderungen enthält die Berufungsbegründung keine Ausführungen.
Hierauf wurde die Klägerin durch Verfügung vom 02.12.2020 hingewiesen.

2. Im Übrigen ist die Berufung zwar zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Die angegriffene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Das Amtsgericht hat rechtsfehlerfrei und mit zutreffender Begründung einen Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der von der Beklagten entnommenen gemeinschaftlichen Gelder in Höhe von 36.300,83 € (insgesamt: 39.735,89 €) bejaht.

Der Klägerin steht insoweit gegen die Beklagte ein Herausgabeanspruch nach §§ 675, 667 BGB zu wegen nicht bestimmungsgemäßer Verwendung von Mitteln der Wohnungseigentümergemeinschaft.

Der ausgeschiedene Verwalter ist grundsätzlich gemäß §§ 675, 667 BGB verpflichtet, der Wohnungseigentümergemeinschaft ihm zur Erfüllung seiner Aufgaben überlassene und nicht bestimmungsgemäß verbrauchte Gelder herauszugeben (vgl. BGH NJW 1997, 2106, 2108 [BGH 06.03.1997 - III ZR 248/95]). Diese Voraussetzungen liegen vor. In der Zahlung von 36.300,83 € an die Firma M. liegt eine nicht bestimmungsgemäße Verwendung von Geldern der Wohnungseigentümergemeinschaft, weil die Beklagte nicht berechtigt war, diese mit der Erneuerung der Eingangstüren und der Briefkastenanlagen zu beauftragen.

Da es sich bei den von der Beklagten als Verwalterin veranlassten Maßnahmen unstreitig nicht um Notmaßnahmen handelte, gilt für die in Streit stehenden Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten grundsätzlich die vom Gesetz vorgesehene Aufgabenteilung: während die Wohnungseigentümer berufen sind, über die zur Instandhaltung und Instandsetzung erforderlichen Maßnahmen zu beschließen, obliegt dem Verwalter die Vorbereitung und Durchführung dieser Maßnahmen (BGH, Urt. v. 23.02.2018 – V ZR 101/16; Heinemann in: Jennißen, WEG, 6. Aufl. 2019, § 21 Rn. 72, § 27 Rn. 20). Es obliegt – mit Ausnahme von Notmaßnahmen, um die es vorliegend jedoch nicht geht – allein den Wohnungseigentümern, sowohl über das „Ob“ als auch über das „Wie“ von Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen zu entscheiden. Der Verwalter ist dementsprechend an die Beschlussfassung der Wohnungseigentümerversammlung gebunden, und zwar insbesondere auch dann, wenn ihm die beschlossenen Maßnahmen unzweckmäßig (vgl. OLG Celle, Urt. v. 12.03.2001 – 4 W 199/00) oder, wie hier, zu teuer vorkommen mögen.

Die Durchführung von Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen durch den Verwalter ohne entweder vorhergehenden oder im Ausnahmefall genehmigenden Beschluss der Wohnungseigentümer verbietet sich daher ebenso wie eine Abweichung von einem von den Wohnungseigentümern gefassten Ausführungsbeschluss. Indem die Beklagte die Firma M. mit der Erneuerung der Eingangstüren und der Briefkastenanlagen beauftragt hat, ist sie, ohne hierzu berechtigt zu sein, von dem Ausführungsbeschluss zu TOP 4 der Wohnungseigentümerversammlung vom 18.11.2014, wonach die Firma B. gemäß Angebot vom 16.10.2014 beauftragt werden sollte, abgewichen und hat mit der Zahlung an die Firma M. die Gelder der Gemeinschaft nicht bestimmungsgemäß verwendet.

Der Einwand der Beklagten, sie habe die Beauftragung der Firma M. mit der Beirätin O., die im Rahmen der seinerzeitigen Übernahme der Verwaltung ihre Ansprechpartnerin gewesen sei, abgesprochen, verfängt nicht. Denn die Befugnisse des Beirates gehen, was die Beklagte als gewerbliche Verwalterin hätte wissen müssen, nicht so weit, dass dieser Beschlussfassungen der Wohnungseigentümergemeinschaft einfach abändern kann. Denn dem Beirat stehen weder eigene Entscheidungsbefugnisse zu (BGH, a. a. O., Rz. 66), noch ist er zur Vertretung der Wohnungseigentümer oder der Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber dem Verwalter berechtigt (vgl. Hogenschurz in: Jennißen, a. a. O., § 29 Rn. 18). Dementsprechend steht dem Beirat auch keine Entscheidung über Inhalt und Umfang von Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen zu (ebenda).

Der Einwand der Beklagten, die Klägerin habe letztlich das erhalten, was sie beschlossen habe, nur nicht von der Firma B., sondern – in gleichwertiger Ausführung – von der Firma M., weshalb der Klägerin ein Schaden nicht entstanden, überzeugt nicht. Die Wohnungseigentümer haben gerade nicht das erhalten, wozu sie sich mit Beschlussfassung vom 18.04.2014 entschieden hatten. Die Beklagte übersieht mit ihrem Vergleich zum Erwerb eines Staubsaugers, dass es vorliegend nicht um den Kauf einer Ware, für die es egal sein mag, ob sie bei Händler A oder Händler B erworben wird, sondern um die Erbringung von Werkleistungen ergeht. Für diese ist die von den Wohnungseigentümern getroffene Wahl des Werkunternehmers von elementarer Bedeutung. Die Wohnungseigentümer hatten sich ausdrücklich dafür entschieden, die Arbeiten durch die Firma B., ein aus ihrer Sicht bewährtes ortsansässiges Fachunternehmen, ausführen zu lassen. Stattdessen sind die Arbeiten durch eine der Wohnungseigentümergemeinschaft bislang unbekannte Firma erbracht worden, was für etwaige Gewährleistungsansprüche erheblich von Bedeutung sein kann.

Die Würdigung des Amtsgerichts, dass der Beklagten ein – die Beklagte zur Aufrechnung berechtigender – bereicherungsrechtlicher Gegenanspruch in Form eines Wertersatzanspruchs nicht zustehe, begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht einem Wohnungseigentümer, der eigenmächtig Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum durchführt, weder ein Ersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag noch ein bereicherungsrechtlicher Ersatzanspruch zu. Der Bundesgerichtshof hat insoweit in seinem Urteil vom 14. Juni 2019 – V ZR 254/17 –, Rn. 10 (juris) ausgeführt:

„Wie der Senat bereits entschieden hat, steht dem Wohnungseigentümer, der eigenmächtig Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum durchführt, grundsätzlich kein Ersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherungsrecht zu (Senat, Urteil vom 25. September 2015 - V ZR 246/14, BGHZ 207, 40 Rn. 13). Nach § 21 Abs. 4 WEG kann jeder Wohnungseigentümer eine Verwaltung verlangen, die den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit solche nicht bestehen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen - mit anderen Worten ordnungsmäßiger Verwaltung - entspricht. Zu der ordnungsmäßigen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechenden Verwaltung gehört gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG insbesondere die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums. Insoweit haben die Wohnungseigentümer einen Gestaltungsspielraum; sie müssen das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachten und im Grundsatz auf die Leistungsfähigkeit der Wohnungseigentümer Rücksicht nehmen. Deshalb sind sie berechtigt, Kosten und Nutzen einer Maßnahme gegeneinander abzuwägen und nicht zwingend erforderliche Maßnahmen ggf. zurückzustellen (vgl. Senat, Urteil vom 8. Juli 2011 - V ZR 176/10, NJW 2011, 2958 Rn. 8; Urteil vom 13. Juli 2012 - V ZR 94/11, NJW 2012, 2955 Rn. 8; Urteil vom 17. Oktober 2014 - V ZR 9/14, BGHZ 202, 375 Rn. 10; Urteil vom 4. Mai 2018 - V ZR 203/17, NZM 2018, 611 Rn. 9). Diese Grundsätze finden in den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag und des Bereicherungsrechts keinen Niederschlag. Ihre Anwendung schließt § 21 Abs. 4 WEG aus; die Vorschrift geht als speziellere Norm vor (Senat, Urteil vom 25. September 2015 - V ZR 246/14, BGHZ 207, 40 Rn. 13).“

Diese Grundsätze gelten auch im Verhältnis der Wohnungseigentümer zum Verwalter (vgl. auch Greiner in: beckOGK, WEG (Stand 01.04.2020), § 27 Rn. 42.3). Denn hier wie dort ist der Vorrang des § 21 Abs. 4 WEG a. F. zu beachten. Dem betroffenen Verwalter ist es ohne weiteres zumutbar, das durch das Wohnungseigentumsgesetz vorgesehene Verfahren, insbesondere unter Wahrung der Beschlusshoheit der Wohnungseigentümer, zu beachten. Der Vorrang der spezialgesetzlichen Regelungen soll grundsätzlich den Verpflichteten davor schützen, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. So verhält sich dies auch in Bezug auf die Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes über die Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4. Die Kammer lässt die Revision gegen das Urteil zu (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und es darüber hinaus auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung einer höchstrichterlichen Entscheidung des Revisionsgerichts bedarf (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Die Frage, ob die Grundsätze des Bundesgerichtshofs zum Ersatzanspruch des Wohnungseigentümers gegen die Gemeinschaft bei eigenmächtig veranlassten Instandsetzungs- oder Instandhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum auch auf das Verhältnis zwischen Verwalter und Wohnungseigentümergemeinschaft nach altem Recht übertragbar sind, ist, soweit ersichtlich, bislang höchstrichterlich nicht geklärt.