Landgericht Lüneburg
Urt. v. 10.02.2021, Az.: 3 O 82/20

Wertersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der Rückabwicklung der Schenkung; Widerruf einer Schenkung wegen groben Undanks

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
10.02.2021
Aktenzeichen
3 O 82/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 72282
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Rechtsstreit
des Herrn L.Y.
Kläger
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanw. G. S.
gegen
Frau F. S.
Beklagte
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanw. P. & M.
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 03.02.2021 am 10.02.2021 durch die Richterin am Landgericht Dr. E. als Einzelrichterin
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Herausgabe bzw. Schadensersatz für anlässlich einer Hochzeit übergebenen Goldschmuck.

Der Sohn des Klägers und die Beklagte schlossen am 11.06.2016 in M. die Ehe nach yezidischem Ritus. Eine Eheschließung nach deutschem Recht erfolgte nicht. Anlässlich der Hochzeitsfeier erhielt die Beklagte Schmuck und Goldmünzen als Geschenk von dem Kläger als Vater des Bräutigams. Inzwischen sind der Sohn des Klägers und die Beklagte getrennt, die Beklagte verließ im Januar 2019 die gemeinsame Wohnung in C. Den Schmuck hat sie nach eigenen Angaben inzwischen verkauft. Mit Schreiben vom 16.03.2020 ließ der Kläger die Beklagte durch anwaltliches Schreiben unter Fristsetzung zum 10.04.2020 zur Herausgabe des Goldschmucks auffordern. In der Klagschrift vom 16.03.2020 widerrief der Klägervertreter namens des Klägers die Schenkung an die Beklagte gemäß § 530 BGB.

Der Kläger behauptet, er habe den in der Klagschrift und im Schriftsatz vom 09.07.2020 (Bl. 40 f. d. A.) näher bezeichneten Schmuck an die Beklagte übergeben. Er behauptet ferner, es entspreche yezidischem Brauchtum, dass der Schmuck im Fall des Scheiterns der yezidischen Ehe an den Schenker zurückzugeben ist. Der Schmuck sei geschenkt worden in der Vorstellung, die yezidische Ehe des Klägers mit der Beklagten werde einen dauerhaften Bestand haben. Da die Beziehung der Beklagten mit dem Kläger nur ca. 2 1/2 Jahre gedauert habe, sei die Grundlage für die Schenkung des Schmucks entfallen. Des Weiteren ist der Kläger der Auffassung, er sei zum Widerruf der Schenkung wegen groben Undanks der Beklagten berechtigt. Schließlich behauptet er, der an die Beklagte übergebene Schmuck habe einen Wert von 13.232,00 €.

Der Kläger hat zunächst beantragt,

die Beklagte zur Herausgabe der im einzelnen genannten Schmuckstücke zu verurteilen. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger das Herausgabeverlangen "umgestellt" und beantragt nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen, 13.232,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab Antragstellung an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, nicht die in der Klageschrift und dem Schriftsatz vom 09.07.2020 bezeichneten Schmuckstücke, sondern andere, weniger werthaltige erhalten zu haben. Sie behauptet ferner, die Schmuckgeschenke zur Hochzeit stellten als "Morgengabe" eine Mitgift und ein Ausgleich für die Entjungferung der Frau dar und dienten überdies der wirtschaftlichen Absicherung der Frau. Nach islamischen Grundsätzen sei anlässlich der Hochzeit übergebener Schmuck zur Absicherung der Partnerin da, auch und gerade für den Fall der Trennung. Die Beklagte behauptet ferner, der Sohn des Klägers sei ihr gegenüber gewalttätig geworden, weshalb sie aus Eigenschutz die gemeinsame Wohnung habe verlassen müssen.

Ergänzend für das Parteivorbringen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 22.07.2020 informatorisch angehört und Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 16.09.2020 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 22.07.2021 (Bl. 56 ff. d. A.) und auf das Gutachten der Sachverständigen Dr. H. vom 23.11.2020 (BL. 89 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Die Klage ist zulässig.

Die von dem Kläger vorgenommene "Umstellung" der Klage von dem ursprünglichen Herausgabeverlangen auf den nunmehr gestellten Zahlungsantrag stellt keine Klageänderung dar. Keine Klageänderung liegt vor, wenn statt des ursprünglich geforderten Gegenstands wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird (§ 264 Nr. 3 ZPO). So verhält es sich hier. Der Kläger begehrt, nachdem die Beklagte mitgeteilt hat, dass sie sämtliche Schmuckstücke verkauft habe, statt der ursprünglich begehrten Herausgabe nunmehr Wertersatz.

II.

Die nunmehr auf Zahlung gerichtete Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Wertersatz hinsichtlich des von der Beklagten mittlerweile verkauften Goldschmucks zu.

1.

Dem Kläger steht kein Wertersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der Rückabwicklung der Schenkung zu.

Der von dem Klägervertreter wiederholt ausgesprochene Widerruf der Schenkung geht ins Leere. Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Schenkung wegen groben Undanks gemäß § 530 BGB liegen nicht vor.

Gemäß § 530 Abs. 1 BGB kann eine Schenkung widerrufen werden, wenn sich der Beschenkte durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder einen nahen Angehörigen des Schenkers groben Undanks schuldig gemacht hat. Die schwere Verfehlung muss sich gezielt gegen den Schenker oder dessen Angehörigen richten. Subjektiv ist darüber hinaus eine tadelnswerte, auf Undank deutende Gesinnung erforderlich, die sich durch das Verhalten offenbart.

Ein solches Verhalten ihm gegenüber hat der Kläger nicht behauptet. In der Trennung der Beklagten von dem Sohn des Klägers liegt ersichtlich keine besonders schwere Verfehlung der Beklagten gegenüber dem Kläger. Allein in der Trennung der Frau von ihrem Mann liegt keine schwere sittliche Verfehlung gegenüber dem Schwiegervater. Auch wenn bestimmte religiöse oder kulturelle Überzeugungen von der Unauflöslichkeit der Ehe ausgehen und die Trennung der Frau von seinem Sohn von dem Kläger aufgrund seiner kulturellen Prägung als Verfehlung angesehen werden mag, liegt hierin nach dem Wertesystem des vorliegend nach Art. 40, 38, 32 EGBGB anzuwendenden deutschen Rechts kein Fehlverhalten, das einen groben Undank im Sinne des § 530 Abs. 1 BGB begründet.

Die Trennung ist aber auch nicht als grober Undank gegenüber dem verlassenen Ehepartner als nahem Angehörigen des Klägers anzusehen. Dass sich die Beklagte einer schweren Verfehlung ihrer ehelichen Treueplicht gemäß § 1353 BGB schuldig gemacht haben könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Vielmehr hat die Beklagte ihren Auszug aus der gemeinsamen Wohnung insbesondere mit gewalttätigen Übergriffen ihres Ehemannes begründet. Zwar ist der Kläger dieser Behauptung entgegengetreten. Er hat indessen nichts dazu vorgetragen, woraus sich eine schwere Verfehlung der Beklagten gegenüber dem Sohn des Klägers ergeben könnte. Allein die Tatsache, dass die Klägerin sich von diesem getrennt hat, genügt insoweit, wie vorstehend bereits ausgeführt, nicht.

2.

Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen bereicherungsrechtlichen Anspruch unter dem Gesichtspunkt der Zweckverfehlungskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. BGB oder unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 und Abs. 2 BGB.

Die Zweckverfehlungskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. BGB beruht auf dem Grundgedanken, dass die Beteiligten den künftigen Eintritt eines von der bloßen Erfüllung einer Verbindlichkeit abweichenden besonderen Erfolges rechtlicher oder tatsächlicher Natur als Zweck der Zuwendung und damit als Behaltensgrund vereinbaren können. Der Rechtsgrund liegt dann im Eintritt des Erfolges und ist durch dessen endgültige Verfehlung auflösend bedingt. Insoweit kann unter bestimmten Umständen die Schenkung eines Elternteils an das Schwiegerkind in Ansehung des Fortbestandes der Ehe oder nichtehelichen Lebensgemeinschaft der Zweck des Rechtsgeschäfts sein. Bei Scheitern der Ehe oder nichtehelichen Lebensgemeinschaft kommen Rückforderungsansprüche nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur in Betracht, wenn die Beibehaltung der bestehenden Vermögensverteilung mit Treu und Glauben unvereinbar und unzumutbar wäre (BGHZ 129, 263; BGH NJW 1999, 353; BGH NJW-RR 2006, 664; BGH, NZFam 2019, 822 Rn. 19).

Es ist bereits fraglich, ob die Beibehaltung der Vermögensverteilung im Hinblick auf den an die Beklagte übergebenen Goldschmuck allein angesichts der Trennung der Beklagten von dem Sohn des Klägers als mit Treu und Glauben unvereinbar und unzumutbar anzusehen ist. Solche Ausnahmefälle sind beispielsweise anerkannt worden, wenn die Schwiegereltern den Eheleuten bzw. dem Schwiegerkind zur Schaffung eines Familienheims erhebliche Zuwendungen machen, sich die Eheleute trennen und das Schwiegerkind zwar auszieht, aber noch Miteigentümer des Grundstücks bleibt. Mit dieser Konstellation ist die anlässlich der Eheschließung erfolgte Übergabe von Goldschmuck nicht ohne weiteres vergleichbar, denn anders als Zuwendungen im Rahmen einer gemeinsam genutzten Immobilie kommt bei der Zuwendung von Goldschmuck dieser nur unmittelbar derjenigen Person zugute, die den Goldschmuck trägt, also der Ehefrau. Überdies ist zu berücksichtigen, dass der Schenker bis zur Grenze des groben Undanks immer das Risiko trägt, dass der Beschenkte das Geschenk nicht den Vorstellungen des Schenkers entsprechend gebraucht oder seinen Lebensweg anders plant, ohne dass hieraus automatisch das Recht der nachträglichen Vertragsanpassung folgt.

Indessen kann vorliegend dahinstehen, ob das Behalten des Goldschmucks bzw. des durch dessen Veräußerung erzielten Ertrags durch die Beklagte als mit Treu und Glauben unvereinbar im Sinne der Zweckverfehlungskondiktion oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage erscheint. Denn die Schenkung des Goldschmucks durch den Kläger an die Beklagte ist schon nicht als zweckgebundene Zuwendung anzusehen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Fortbestand der Ehe vor dem Hintergrund der kulturellen Vorstellungen der Beteiligten gerade nicht Zweck der Zuwendung gewesen ist. Vielmehr ist die Zuwendung des Goldschmucks an die Beklagte vor dem Hintergrund der kulturellen Vorstellungen der Beteiligten als nicht zwingend mit dem Fortbestand der Lebensgemeinschaft zwischen der Beklagten und dem Sohn des Klägers verknüpft anzusehen.

Die Sachverständige Dr. H. hat in ihrem ethnologischen Gutachten vom 23.11.2020 ausgeführt, dass anlässlich der Hochzeit an die Braut übergebene Goldgeschenke nach den kulturellen Vorstellungen der Beteiligten nicht nur der Ehefrau gehören, sondern auch nach einer Trennung in ihrem Besitz bleiben sollen. Der Zuwendung von Goldschmuck an die Ehefrau liege zumindest auch die grundsätzliche Intention der materiellen Absicherung der Ehefrau zugrunde. Bei der Zuwendung von Goldschmuck durch den Bräutigamsvater handele es sich weder um eine Mitgift noch um einen "Brautpreis" oder eine "Morgengabe", denn die Mitgift würde nicht von Seiten der Bräutigamsfamilie, sondern von Seiten der Brautfamilie in die Ehe eingebracht und der "Brautpreis" bzw. die "Morgengabe" würde nicht an die Braut selbst, sondern an die Familie der Braut gleichsam als Entschädigung für die Kosten, die durch das Aufziehen des Mädchens entstanden seien, gezahlt werden. Die Vorstellung, dass der anlässlich der Hochzeit an die Braut übergebene Schmuck, der Ehefrau gehöre und auch nach der Scheidung in ihrem Besitz bleibe, habe sich aus der Türkei nach Deutschland übertragen. Auch wenn der Schmuck oft für den gemeinsamen Hausstand veräußert werden würde, ändere dies an der grundsätzlichen Intention der materiellen Absicherung der Ehefrau nichts.

Das Gericht macht sich die Feststellungen der Sachverständigen zu Eigen. Diese sind in sich schlüssig, widerspruchsfrei und gut nachvollziehbar. Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen der Sachverständigen hätten wecken können, sind nicht ersichtlich. Die Sachverständige ist auf dem Gebiet der islamischen Kulturen ausgewiesen und hat sich mit den unterschiedlichen Aspekten dieser Kulturen im Zusammenhang mit anlässlich von Eheschließungen erfolgenden Zuwendungen im Einzelnen auseinandergesetzt und diese erläutert.

Auf die von der Sachverständigen dargelegten Grundsätze des fremden Kulturkreises ist vorliegend deshalb abzustellen, weil es im Zusammenhang mit der von dem Kläger geltend gemachten Zweckverfehlungskondiktion bzw. des Wegfalls der Geschäftsgrundlage auf die Frage ankommt, welche Vorstellungen die Parteien bei einem Rechtsgeschäft zur Geschäftsgrundlage gemacht haben. Bedenken gegen die Heranziehung der Grundsätze des fremden Kulturkreises bestehen auch nicht etwa deswegen, weil nur solche Grundsätze herangezogen werden dürfen, die nicht gegen das Wertesystem des Grundgesetzes verstoßen. Denn ein solcher Verstoß liegt angesichts der mit den Goldgeschenken bezweckten wirtschaftlichen Absicherung der Ehefrau im Falle der Scheidung ersichtlich nicht vor.

Dienen die anlässlich der Hochzeit zugewandten Goldgeschenke in der Regel der Absicherung der Ehefrau, und zwar auch und besonders im Falle der Trennung, dann schließt dies bereits eine Rückgabeverpflichtung der Beklagten für den Fall des Scheiterns der Ehe aus. Es ist bereits nicht anzunehmen, dass die Zuwendung zwingend mit dem Fortbestand der Lebensgemeinschaft verbunden ist, was auch die Annahme des Fortbestandes der Lebensgemeinschaft als Behaltensgrund ausschließt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 Satz 2 ZPO.