Landgericht Lüneburg
Urt. v. 13.12.2021, Az.: 2 O 46/21

Vertriebsrecht; Handelsvertreter; Falschberatung; Beratungsvertrag

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
13.12.2021
Aktenzeichen
2 O 46/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 70719
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckbaren Betrages.

4. Der Streitwert für den Rechtsstreit wird auf 124.039,91 € festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen behaupteter Falschberatung im Zusammenhang mit der Desinfektion von Holzkisten in Anspruch.

Der Beklagte war bis zum 31. Oktober 2020 als selbstständiger Handelsvertreter der Firma M. Chemievertrieb GmbH (Im Folgenden M. GmbH) tätig. Auf den Handelsvertretervertrag (Anlage B1, Bl. 54 ff. d.A.) wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Im Sommer 2019 stellte der Kläger, der als Landwirt tätig ist, Schäden an seinen Holzkisten fest, in denen er Gemüse lagert und vermutete Pilzbefall. Er rief daraufhin beim örtlichen Landhändler, der Firma St. an. In der Folgezeit erschien der Beklagte beim Kläger. Ein Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der M. GmbH kam nicht zustande. Eine Vergütung erhielt der Beklagte vom Kläger nicht. Die Einzelheiten des Kontakts sind zwischen den Parteien streitig.

Der Beklagte hat außergerichtlich eine Schadensregulierung abgelehnt.

Der Kläger wirft dem Beklagten vor, dass er ihn falsch beraten habe. Der Beklagte habe ins Blaue hinein eine falsche Diagnose gestellt. Der Beklagte habe empfohlen, die mit dem Pilz befallenen Holzkisten gründlich mit Hochdruckreiniger zu waschen und sodann desinfizieren zu lassen. Der Beklagte sei davon ausgegangen, dass es sich um einen Gemüsepilz handle und habe ihm geraten, dass Mittel „M.F.“ zu verwenden. Dieses sei besonders geeignet. Der Kläger meint, zwischen den Parteien sei ein Vertrag sui generis zustande gekommen. Der Beklagte müsse haften, weil er ohne Vollmacht der M. GmbH als „selbsternannter Diagnostiker“ agiert und eine Produktanwendung über den etikettierten Bereich hinaus empfohlen habe.

Der Kläger behauptet, auf den Rat des Beklagten hin habe er 1.020 Möhrenkisten aufwendig mit Hochdruckreiniger ausgewaschen und nach einer Trocknungszeit von mindestens 8 Wochen unter dessen Aufsicht von einer Drittfirma mit einer mobilen Waschanlage desinfizieren lassen. Danach seien weitere 3,5 Monate Trocknungszeit notwendig gewesen. Tatsächlich seien die Kisten nicht mit einem Gemüsepilz, sondern dem Holzpilz Basidiomycelen befallen gewesen. Der Beklagte habe die vorgefundenen Pilze näher untersuchen müssen. Es sei vorab eine Laboruntersuchung notwendig gewesen, um die Art des Pilzbefalls sicher festzustellen.

Der Beklagte behauptet, durch die Behandlung mit dem Mittel der Firma M. habe der Holzpilz ideale Bedingungen vorgefunden, um sich auf den Kisten und den eingelagerten Möhren zu verbreiten. Er errechnet sich – unter Vorlage verschiedener Rechnungen, die weitgehend auf die „E. und M.W. GbR“ adressiert sind - einen Schaden in Höhe von insgesamt 124.039,91 €. Für die Wiederbeschaffung der Holzkisten habe er 50.000 € ansetzen müssen. Von den 57 Kisten Möhren seien nur noch die Hälfte als Futtermittel verwertbar gewesen, weshalb er ein Schaden in Höhe von insgesamt 50.736,00 € erlitten habe. Hinzu kämen Kosten für die Desinfektion der Kisten in Höhe von 3.620,03 €, weitere 315,35 € sowie 721,08 € für den Transport der Kisten bzw. Miete für den Gabelstapler. Weitere 2.610,86 € habe er für das nutzlose Desinfektionsmittel der Firma M. aufgewendet. Personalkosten macht der Kläger in Höhe von insgesamt 3.700 € geltend, ferner Stromkosten in Höhe von 6.560,33 € sowie für weitere Gerätemiete 5.776,26 €.

Dem Einwand der fehlenden Aktivlegitimation tritt der Kläger entgegen. Er behauptet, die GbR sei zwischenzeitlich aufgelöst worden und er führe den Betrieb fort.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Inhalt der Klageschrift vom 4. März 2021 (Bl. 2 ff. d.A.) ebenso wie auf den Inhalt der Schriftsätze vom 25. Juni 2021 (Bl. 69 ff.) und 23. Juli 2021 (Bl. 79 ff. d.A.) verwiesen.

Der Kläger beantragt,

1.) den Beklagten zu verurteilen, an ihn 124.039,91 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 30. März 2021 zu zahlen;

2.) Den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.729,50 € nebst 9 % Zinsen über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 30. März 2021 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er rügt die fehlende Aktivlegitimation des Klägers.

Im Übrigen vertritt er die Auffassung, dass die Klage bereits unschlüssig sei. Der Vortrag des Klägers sei auch widersprüchlich. Ein Vertragsverhältnis bestehe zwischen den Parteien nicht. Eine Eigenhaftung des Beklagten sei nicht ersichtlich. Für das Fehlverhalten der Firma D., die die Desinfektion vorgenommen habe, hafte er ohnehin nicht. Er behauptet, er habe auch keinen entsprechenden Rat erteilt und die Behandlung sei auch nicht unter seiner Aufsicht erfolgt. Weder sei er ein Fachmann für „Pilze“, noch habe er entsprechendes behauptet. Die Schadenspositionen bestreitet der Beklagte im Einzelnen. Der Pilz sei bereits vor dem Kontakt der Parteien vorhanden gewesen, die Schäden nicht kausal. Der Kläger könne im Übrigen keine sowieso-Kosten beanspruchen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 25. Mai 2021 (Bl. 39 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

I.

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 124.039, 91 €. Ein Anspruch ergibt sich weder auf vertraglicher Grundlage, noch aus Delikt oder Geschäftsführung ohne Auftrag.

1.

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 BGB.

Einen Vertragsabschluss zwischen den Parteien hat der Kläger schon nicht schlüssig dargetan.

Ausweislich des vorgelegten Handelsvertretervertrages war der Beklagte zum damaligen Zeitpunkt noch als selbstständiger Handelsvertreter für die Firma M. tätig, § 84 HGB. Ein selbstständiger Handelsvertreter tritt nicht in Vertragsbeziehungen zu Kunden, sondern vermittelt lediglich Geschäfte zwischen Kunden und Unternehmen. Eine Haftung des Handelsvertreters gegenüber dem Kunden ist daher regelmäßig ausgeschlossen. Auch die Annahme eines konkludent geschlossenen Beratungsvertrages kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Die Beratung eines potentiellen Kunden durch den Handelsvertreter erfolgt grundsätzlich im Namen des Unternehmers und begründet keine Eigenhaftung.

Etwaige Schadensersatzansprüche wegen Verschuldens des Handelsvertreters über den zwischen diesem und dem Unternehmer abzuschließenden Hauptvertrag kommen daher grundsätzlich allein gegen den Unternehmer in Betracht, der für seinen Handelsvertreter als Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB einstehen muss (vgl. auch 25.4.2006, X ZR 198/04). Vorliegend ist nach dem - zudem noch widersprüchlichen Vortrag des Klägers - noch nicht einmal ein Vertrag zwischen dem Kläger und der Firma M. GmbH zustande gekommen. Der Kläger hat vorgetragen, das Mittel bei der Firma St. GmbH bezogen zu haben, die Desinfektion wurde offenbar bei der Firma D. in Auftrag gegeben.

Der Kläger hat auch keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte für eine Sachwalterhaftung nach §§ 311, 241 BGB wegen der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens bzw. eines unmittelbaren eigenen wirtschaftlichen Interesses dargelegt. Eine Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens liegt nicht bereits dann vor, wenn der Vertreter über die für seine Tätigkeit erforderliche besondere Sachkunde verfügt und darauf hinweist. Maßgeblich ist vielmehr, dass er dem Kunden zusätzlich in zurechenbarer Weise den Eindruck vermittelt, er werde persönlich mit seiner Sachkunde die ordnungsgemäße Abwicklung des Geschäfts selbst dann gewährleisten, wenn der Kunde dem Geschäftsherrn nicht oder nur wenig vertraut (BGH aaO). Es ist nicht konkret vorgetragen, noch sonst ersichtlich, dass diese Voraussetzung für eine Eigenhaftung hier vorliegen. Das gesamte Vorbringen des Klägers, wie es zu dem Kontakt zwischen den Parteien gekommen ist, unter welchen konkreten Bedingungen und was konkret wann und wo besprochen wurde ist insoweit unzureichend. Die pauschale Begründung, der Beklagte sei „ohne Vollmacht“ der M. GmbH tätig geworden genügt insoweit nicht. Insbesondere ist nicht ersichtlich, weshalb der angebotene Zeuge N. Angaben dazu machen kann. Dieser hat offenbar weder den Kontakt zwischen den Parteien vermittelt, noch war er bei den behaupteten maßgeblichen Kontakten zwischen dem Kläger und dem Beklagten zugegen. Eine Vernehmung des Zeugen N. liefe daher auf eine unzulässige Ausforschung hinaus. Im Übrigen genügt das bloße Provisionsinteresse nicht zur Begründung eines unmittelbaren eigenen wirtschaftlichen Interesses. Der Provisionsanspruch eines Handelsvertreters begründet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes lediglich ein mittelbares wirtschaftliches Interesse (vgl. nur 25.04.2006, X ZR 198/04, zitiert nach juris).

2.

Auch die Voraussetzungen eines deliktischen Anspruchs aus § 823 Abs.1 BGB sind nicht schlüssig dargetan.

Dem Vortrag des Klägers lässt sich allenfalls entnehmen, dass dieser der Auffassung ist, der Beklagte habe ihn darauf hinweisen müssen, dass eine Laboruntersuchung des Pilzes notwendig sei bzw. die Kisten genauer untersuchen müssen. Der Vorwurf besteht insoweit allerdings in einem Unterlassen. Eine deliktische Haftung aufgrund des unterlassenen Hinweises käme daher nur dann in Betracht, wenn der Beklagte eine Garantenstellung hätte. Das ist vorliegend überhaupt nicht ersichtlich.

3. Dem Kläger steht gegen den Beklagten auch kein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 677, 670, 683 BGB zu.

Dass der Beklagte ein Geschäft des Klägers geführt hat, ist schon nicht schlüssig vorgetragen. Konkrete Einzelheiten zum Kontakt hat der Kläger letztlich nicht vorgetragen. Der Kläger hat auch keinen geeigneten Beweis angetreten für seine Behauptung, der Beklagte habe ihm den entsprechenden Rat erteilt. Auf die vorstehenden Ausführungen wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Unabhängig davon ist ein Fremdgeschäftsführungswille auf Beklagtenseite nicht ersichtlich. Dieser hat allenfalls im Interesse der Firma M. GmbH am Abschluss eines Vertrages bzw. im eigenen Provisionsinteresse gehandelt.

Letztlich verbleibt es daher bei dem in § 675 Abs. 2 BGB normierten Grundsatz, dass für einen Rat bzw. eine Auskunft regelmäßig nicht gehaftet wird.

II.

Mangels Hauptanspruchs stehen dem Kläger auch keine Zinsen oder außergerichtliche Rechtsanwaltskosten zu.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre gesetzliche Grundlage in § 709 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO.