Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 11.12.2008, Az.: 5 A 2653/08

Klagebefugnis einer Inselgemeinde gegen einen Vorbescheid für die Errichtung eines Offshore-Windparks in der 12-Seemeilen-Zone; Verletzung der Planungshoheit und des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinde durch einen Vorbescheid für die Errichtung eines 14,5 km entfernten Offshore-Windpark; Drittschützende Wirkung Europäischen Naturschutzrechts zu Gunsten der Gemeinde; Eingriff in den Rechtskreis einer Selbstverwaltungskörperschaft durch prägende Einwirkung auf das Landschaftsbild

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
11.12.2008
Aktenzeichen
5 A 2653/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 29613
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2008:1211.5A2653.08.0A

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Art. 28 Abs. 2 GG und § 53 Nds. Bauordnung vermitteln einer Inselgemeinde keine Klagebefugnis gegen einen Vorbescheid gemäß § 9 BImSchG für die Errichtung eines Offshore-Windparks in der 12-Seemeilen-Zone in einer Entfernung von 14,5 km. Weder die Planungshoheit noch das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde werden durch den Vorbescheid verletzt.

  2. 2.

    Die unmittelbare Berufung einer Gemeinde auf die Vorschriften der FFH- und Vogelschutzrichtlinie zur Herleitung subjektiver Rechte ist mangels drittschützender Wirkung der Richtlinien nicht möglich.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

T a t b e s t a n d

1

Die Klägerin, die Inselstadt der Nordseeinsel B., wendet sich gegen einen Vorbescheid gemäß § 9 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImschG) für den Offshore-Windpark R. in der Nordsee.

2

Die Beigeladene plant die Errichtung und den Betrieb des Offshore-Windparks R. innerhalb des Niedersächsischen Küstenmeeres (12-Seemeilen-Zone), bestehend aus maximal 44 Offshore-Windkraftanlagen mit einer maximalen Nabenhöhe von 100 m, einem maximalen Rotordurchmesser von 127 m, einer Gesamthöhe von maximal 164 m und einer Leistung von je maximal 6 MW. Der geplante Windpark umfasst eine Fläche von etwa 6 km2 und befindet sich ca. 14,5 km nordwestlich der Insel B. und ca. 25 km nordöstlich der Insel S. sowie ca. 4,2 km südlich des Verkehrstrennungsgebietes T. G. B.. Er soll gemeinsam mit dem Windpark Nordergründe vor W. der Erprobung der Windenergienutzung auf See dienen.

3

Nach Durchführung eines Raumordnungsverfahrens und positiver Landesplanerischer Feststellung vom 9. März 2006 sowie Erstellung einer Umweltverträglichkeitsprüfung beantragte die Beigeladene unter dem 20. Juli 2006 bei dem Beklagten einen Vorbescheid gemäß § 9 BImSchG zur Errichtung und dem Betrieb des Offshore-Windparks R.. Das Vorhaben wurde am 18. Oktober 2006 öffentlich bekannt gemacht. Innerhalb der Einwendungsfrist wurden insgesamt 39 Einwendungen erhoben, unter anderem auch von der Klägerin.

4

Am 22. Januar 2008 erteilte der Beklagte der Beigeladenen den beantragten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid. In dem Bescheid stellte der Beklagte die Standorteignung und das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen nach den naturschutzrechtlichen Vorgaben fest, traf ein vorläufiges positives Gesamturteil über alle Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 BImSchG und erließ im Einzelnen aufgeführte Nebenbestimmungen.

5

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin unter dem 6. Mai 2008 Widerspruch, den sie wie folgt begründete: Als betroffene Gemeinde stünden ihr Abwehransprüche aus dem in den Schutzbereich der Selbstverwaltungsgarantie fallenden Selbstgestaltungsrecht einer Gemeinde zu. Aufgrund der optischen Beeinträchtigungen durch den Offshore-Windpark sei sie von Maßnahmen betroffen, welche ihr Ortsbild entscheidend prägten und hierdurch nachhaltig und negativ auf ihr Gemeindegebiet und ihre Entwicklung einwirkten. Durch die Errichtung des Windparks komme zu es zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes, wodurch zugleich eine erhebliche negative Beeinflussung des Tourismus zu befürchten sei und zugleich ihre Stellung als Kurort gefährdet werde. Überdies erhöhe der Offshore-Windpark an der vorgesehenen Stelle das Havarierisiko und dadurch die Gefahr von Ölverschmutzungen der Strände durch Kollisionen von Tankern mit den Windenergieanlagen, welche wiederum zu einer Zerstörung der Tourismuswirtschaft führen werde. Im Übrigen verstoße das Vorhaben gegen das so genannte Verunstaltungsverbot nach dem Niedersächsischen Bauordnungsrecht.

6

Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2008 als unzulässig zurück. Die Klägerin sei nicht widerspruchsbefugt, da sie nicht geltend machen könne, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Sie könne sich nicht auf eine Verletzung einer drittschützenden Norm berufen, welche auch ihrem Individualinteresse zu dienen bestimmt sei. Eine Berufung auf Grundrechte scheide ebenso aus wie die Herleitung einer Widerspruchsbefugnis aus einer möglichen Verletzung der gemeindlichen Planungshoheit und der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG. Die Planungshoheit der Klägerin sei durch den 14,5 Kilometer von der Insel entfernt in gemeindefreiem Gebiet liegenden Offshore-Windpark nicht berührt. Abwehransprüche aufgrund des Selbstgestaltungsrechts bestünden nicht, da eine Veränderung des Ortsbildes der Gemeinde selbst durch den Offshore-Windpark aufgrund der Entfernung nicht eintrete. Eine Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts komme auch deshalb nicht in Betracht, weil die Auswirkungen des Vorhabens die Wirtschaftsstruktur und Leistungsfähigkeit der durch Fremdenverkehr geprägten Klägerin nicht nachhaltig und massiv verschlechterten. Eine solche Verschlechterung sei von der Klägerin bislang nicht hinreichend dargelegt oder erkennbar. Gegen diese Befürchtung spreche schon die geringe Sichtbarkeit des Windparks vom Inselort aus. Durch die Entfernung seien die Windräder lediglich als kleine Gebilde am Horizont zu sehen, was einen weit weniger störenden Eindruck mache als der Nahanblick einer nur wenige Kilometer entfernten Windenergieanlage auf dem Festland. Die von der Klägerin angeführten Untersuchungen, in welchen sich die Befragten hinsichtlich des Windparks negativ geäußert hätten, seien wenig aussagekräftig. Die Mehrheit der befragten Personen dürfte bei der Beantwortung der Fragen den Anblick von Windenergieanlagen auf dem Festland vor Augen gehabt haben und nicht das wirkliche Bild eines 14,5 km entfernten Windparks am Horizont, da bislang kaum solche Offshore-Windparks existierten. Erfahrungswerte aus Dänemark zu dort bereits errichteten Offshore-Windparks zeigten, das negative Auswirkungen auf den Tourismus nicht feststellbar seien. Auch aus der vorgetragenen erhöhten Kollisionsgefahr von Schiffen ergebe sich kein Abwehrrecht der Gemeinde, da dieses Risiko allein den Schiffen zuzuordnen sei.

7

Die Klägerin hat am 23. September 2008 Klage erhoben. Sie trägt ergänzend vor: Sie sei klagebefugt, weil sie infolge der optischen Beeinträchtigung durch den Windpark in ihrem Selbstgestaltungsrecht betroffen sei. Es genüge bereits die Möglichkeit eines gemeindlichen Abwehrrechts. Keineswegs mache sie ausschließlich Rechte anderer, insbesondere ihrer Einwohner, geltend. Durch den geplanten Windpark in einer Entfernung von nur 14,5 km werde ihr für eine Insel charakteristisches Ortsbild, welches durch die freie Aussicht auf das Meer geprägt sei, nachhaltig beeinträchtigt. Auch nach dem Raumordnungsverfahren sei die störende Sicht auf den Windenergiepark insbesondere in den tourismusbedeutsamen Sommermonaten gegeben. Eine massive und nachhaltige Beeinträchtigung der Tourismuswirtschaft sei dadurch zu befürchten, dass ein Teil der Gäste sich aufgrund des optischen Störpotentials des Offshore-Windparks anderen Urlaubsorten zuwenden werde. Eine abnehmende Gästezahl werde sich gravierend auf ihre Wirtschaftsstruktur und Leistungsfähigkeit auswirken. Überdies sei eine nachhaltige Beeinträchtigung ihrer Funktion als anerkanntes Nordseeheilbad und der faktische Verlust ihres Kurortstatus zu befürchten.

8

Eine Klagebefugnis ergebe sich entgegen der Auffassung des Beklagten auch daraus, dass durch den Windpark die Gefahr von Schiffskollisionen und den damit einhergehenden Öl- bzw. Chemikalienverschmutzungen der Strände verstärkt werde, für die sie unterhalts- und reinigungspflichtig sei. Die Kollisionshäufigkeit sei weitaus größer als im Vorbescheid angenommen. Die Gefahr von Schiffskollisionen werde nicht allein durch die Schiffe verursacht. Der Windpark sei als sog. Zweckveranlasser Verantwortlicher, weil er derartig geplant sei, dass eine Kollision früher oder später absehbar sei. Sowohl die unmittelbare Nähe zu den ihn umgebenden Schifffahrtsrouten als auch der Abstand zwischen den Anlagen seien ungünstig gewählt. Überdies fehle der Sicherheitszone um den Windpark herum ein schützender "Randbaken-Effekt", da diese nicht durch Randtonnen markiert sei.

9

Im Übrigen sei eine spätere Genehmigungsfähigkeit des Windparks aufgrund einer Unvereinbarkeit mit Bauordnungsrecht wegen eines Verstoßes gegen das Verunstaltungsgebot nach § 53 Nds. Bauordnung (NBauO) ausgeschlossen, so dass die für den immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid erforderliche vorläufige positive Gesamtbeurteilung für das Vorhaben nicht bestehe. Diese Aspekte habe sie bereits im Einwendungsverfahren eingebracht.

10

Schließlich ergebe sich ihre Klagebefugnis auch aus Verstößen des Vorhabens gegen Gemeinschaftsrecht. Sie sei unmittelbar Betroffene und könne sich nach der jüngsten Rechtsprechung des EuGH ohne weiteres auf die anwendbaren Richtlinien des Europäischen Habitat- und Vogelschutzrechts berufen.

11

Die Klage sei auch begründet. Die Entscheidung über den Standort der Anlage und das vorläufige positive Gesamturteil über die Genehmigungsvoraussetzungen seien rechtswidrig. Es sei davon auszugehen, dass durch die Auswirkungen des Vorhabens die Wirtschaftsstruktur und die Leistungsfähigkeit der durch den Fremdenverkehr geprägten Gemeinde massiv und nachhaltig verschlechtert würden. Ihre in Bezug auf die Klagebefugnis geltend gemachten Rechte seien durch den streitgegenständlichen Bescheid verletzt.

12

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 22. Januar 2008 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 20. August 2008 aufzuheben.

13

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

14

Er erwidert ergänzend: Es sei nicht erkennbar, inwieweit durch den Windpark eine Gefährdung der Klägerin in ihrem Status als Kurort möglich sein solle. Ein gänzlich unbeeinträchtigtes Landschaftsbild und touristische Attraktivität seien keine Anerkennungsvoraussetzungen nach der Verordnung über die staatliche Anerkennung von Kur- und Erholungsorten.

15

Das Risiko von Schiffskollisionen mit den Windenergieanlagen und die daraus folgende Gefahr einer Ölverschmutzung der Strände begründe ebenfalls kein Abwehrrecht der Klägerin. Das Risiko der Kollision und der eventuell folgenden Verschmutzung sei allein den Schiffen zuzuordnen, wenn die Einrichtung außerhalb der Wasserstraßen mit entsprechendem Sicherheitsabstand und allen erforderlichen und vorgeschriebenen Sicherheitsvorrichtungen versehen sei. Sollte es zu einer Verschmutzung kommen, realisiere sich allein das Risiko der Ladung des Schiffes und nicht das jenige des Materials oder der Inhaltsstoffe der Windenergieanlage. Der Windpark sei auch nicht Zweckveranlasser des Risikos. Es fehle der für die Gefahrenzurechnung notwendige enge innere Zusammenhang zwischen der Veranlassung und dem die Gefahr herbeiführenden Verhalten, da der Dritte erst die Wasserstraße verlassen müsse, um mit der Windparkeinrichtung zu kollidieren. Mangels Zurechenbarkeit der Kollisionsgefahr erwachse auch keine Klagebefugnis aus Gründen der Gefahrenabwehr, soweit die Klägerin für den Gemeindestrand unterhalts- und reinigungspflichtig sei. Es sei bereits fraglich, ob es sich bei dem Strand überhaupt um eine kommunale Einrichtung handele. Selbst wenn dies der Fall wäre, könnte diese allenfalls mittelbar beeinträchtigt sein, was im Fall der Klägerin jedoch mangels Kausalzusammenhangs zwischen der Errichtung und dem Betrieb der Windkraftanlagen keine subjektive Rechtsverletzung begründe.

16

Die Rüge eines Verstoßes gegen das bauordnungsrechtliche Verunstaltungsverbot sei präkludiert, da dieser Vortrag nicht innerhalb der Einwendungsfrist vorgebracht worden sei. Davon abgesehen entfalte § 53 NBauO keine drittschützende Wirkung zu Gunsten einer Gemeinde, sondern diene ausschließlich dem allgemeinen Interesse.

17

Auch auf das Naturschutzrecht (Habitatschutzrecht) könne sich die Klägerin zur Begründung einer Klagebefugnis nicht berufen. Es zähle nicht zu den eigenen Rechten einer Gemeinde. Auch Gemeinschaftsrecht verleihe einer öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltungskörperschaft nicht das Recht, die Belange des Naturschutzes als mittelbar Betroffene gerichtlich durchsetzen zu können.

18

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

19

Sie hält die Klage für unzulässig und unterstützt den Vortrag des Beklagten.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

21

Die Klage ist unzulässig. Der Klägerin fehlt die gemäß § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis.

22

Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist eine Anfechtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den angegriffenen Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Dafür reicht die schlichte Behauptung einer Rechtsverletzung nicht aus, vielmehr muss eine Rechtsverletzung in dem Sinne möglich sein, dass zum einen eine subjektive Rechte begründende Norm vorhanden ist und zum anderen jeweils nach dem Vortrag des Klägers zumindest die Möglichkeit besteht, dass seine durch diese Norm geschützten Rechte verletzt sein könnten. Die Klage ist danach nur dann unzulässig, wenn eine Rechtsverletzung des Klägers offensichtlich und eindeutig nach jeder denkbaren Betrachtungsweise unmöglich erscheint (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1993 - 3 C 3.89 - BVerwGE 92, 313, 316) . Das ist hier der Fall.

23

Obwohl es im hier zu entscheidenden Rechtsstreit noch nicht um eine Vollgenehmigung des Offshore-Windparks R. geht, kann der angefochtene Vorbescheid bei Eintritt seiner Unanfechtbarkeit das weitere Genehmigungsverfahren präjudizieren und die Klägerin von der Geltendmachung weiterer Rechtsbehelfe ausschließen (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2006 - 7 KS 81/03 - [...]). Der hier von der Beklagten erlassene immissionsschutzrechtliche Vorbescheid nach § 9 Abs. 1 BImSchG enthält eine abschließende Entscheidung über einen Ausschnitt aus dem feststellenden Teil der Anlagegenehmigung, die im Entscheidungsumfang eine der Vollgenehmigung nach § 4 BImSchG entsprechende Wirkung hat. Die Bindungswirkung solcher Entscheidungen kann nur unter engen Voraussetzungen beseitigt werden, §§ 9 Abs. 2, 17, 21 BImSchG, § 48 VwVfG. Soweit durch Vorbescheid eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens, etwa über den Standort, getroffen wird, bauen alle folgenden Genehmigungen auf dieser Feststellungswirkung des Vorbescheids auf und ergänzen diese um den gestattenden Teil. Dies bedeutet, dass die im Vorbescheid geregelten Fragen nicht Gegenstand einer Anfechtung der nachfolgenden Vollgenehmigung sein können. Betroffene Dritte müssen daher bereits gegen den Vorbescheid vorgehen, soweit dieser den Dritten betreffende Regelungen enthält (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 30. März 1999 - 1 M 897/99 - [...]). Im Fall der hier erhobenen Drittanfechtungsklage hängt die Klagebefugnis der Klägerin, die nicht Adressatin des Verwaltungsaktes ist, im Sinne der so genannten Schutznormtheorie davon ab, ob die Möglichkeit einer Verletzung von Rechtsnormen besteht, die ausschließlich oder zumindest neben dem mit ihnen verfolgten allgemeinen Interesse auch dem Schutz von Individualinteressen der Klägerin zu dienen bestimmt sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 1954 - I B 196.53 - [...]; Nds. OVG, Urteil vom 8. März 2006 - 7 KS 146/02 - [...]). Die mögliche Verletzung einer solchen Rechtsnorm ist hier nicht ersichtlich.

24

1)

Die Geltendmachung eigener Grundrechte - wie etwa des Eigentumsrechts nach Art. 14 GG - scheitert bereits daran, dass sich die Klägerin als öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft nicht auf Grundrechte berufen kann (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2006, a.a.O. Rn. 23).

25

2)

Auch aus dem auf Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG beruhenden Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden lässt sich eine Klagebefugnis der Klägerin nicht ableiten. Eine solche Berufung auf die über die kommunale Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG und des Art. 57 Nds. Verfassung verfassungsrechtlich abgesicherte kommunale Planungshoheit ist zwar grundsätzlich geeignet, eine Klagebefugnis zu begründen und als subjektives Recht im Sinne des Art. 42 Abs. 2 VwGO anerkannt (BVerwG, Urteil vom 19. März 1976 - VII C 71.72 -; Nds. OVG, Urteil vom 21. Oktober 1986 - 7 D 2/86 - [...]). Die kommunale Planungshoheit wird verletzt, wenn eine eigene hinreichend konkrete Planung nachhaltig gestört wird oder wenn das Vorhaben wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren Planung der Gemeinde entzieht (ständige Rechtsprechung des BVerwG, vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1989 - 4 C 36.86 -; Urteil vom 27. März 1992 - 7 C 18.91-, Beschluss vom 5. November 2002 - 9 VR 14.02 -, ebenso Nds. OVG, Urteil vom 8. März 2006 - 7 KS 146/02 - [...]). Die Planungshoheit kann ebenso beeinträchtigt sein, wenn kommunale Einrichtungen durch das Vorhaben erheblich beeinträchtigt werden (BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1988 - 4 C 40.86 - [...]). Die Gemeinde ist hinsichtlich ihrer Planungsvorstellungen und deren Konkretisierungsstadium darlegungspflichtig (Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2006, a.a.O.).

26

Eine mögliche Verletzung von Art. 28 Abs. 2 GG durch den streitgegenständlichen Bescheid ist nicht ersichtlich. Das Recht der Klägerin als Gemeinde, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln, ist durch den erteilten Vorbescheid nicht beeinträchtigt. Weder erscheint eine Verletzung ihrer den Selbstverwaltungsangelegenheiten zuzuordnenden Planungshoheit möglich (a) noch besteht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung unter dem Gesichtspunkt der nachhaltigen Betroffenheit des Gemeindegebiets (b) oder einer Beeinträchtigung kommunaler Einrichtungen (c).

27

a)

Die Klägerin kann sich nicht auf eine Verletzung ihrer Planungshoheit berufen. Eine Beeinträchtigung der Planungshoheit ist bereits aufgrund der Entfernung des Offshore-Windparks von 14,5 km von ihrem Gemeindegebiet nicht ersichtlich. Die Störung einer bereits hinreichend konkretisierten Planung wurde weder dargelegt noch ist diese sonst für das Gericht ersichtlich. Bei Küstengewässern handelt es sich im Regelfall um gemeindefreie Gebiete, die als solche nach herrschender Ansicht dem Zugriff der kommunalen Bauleitplanung entzogen sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. August 1995 - 4 M 1.95 - [...]; VG Greifswald, Beschluss vom 18. Oktober 2006 - 5 B 961/06 - V.n.b). Der Vorbescheid für den Offshore-Windpark in den Küstengewässern vor B. stellt daher keine planerische Regelung dar, die sich mit den Regelungstatbeständen der örtlichen Planung der Klägerin überschneidet.

28

b)

Auch im Übrigen lässt sich eine mögliche Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts aus Art. 28 Abs. 2 GG nicht feststellen. Aus dem in den Schutzbereich der Selbstverwaltungsgarantie fallenden Selbstgestaltungsrecht können einer Gemeinde zwar Abwehransprüche erwachsen, wenn sie durch Maßnahmen betroffen wird, die das Ortsbild entscheidend prägen und hierdurch nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde einwirken (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. April 1999 - 4 VR 18.98 - [...]; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 23. Februar 2006 - 4 M 136/05 -; OVG Hamburg, Beschluss vom 15. September 2004 - 1 Bf 128/04 - [...]). Eine solche nachhaltige für das Gemeindegebiet der Klägerin negative Prägung durch die Errichtung des Windparks R. ist jedoch nicht ersichtlich. Weder wird durch diesen die städtebauliche Struktur der Inselgemeinde verändert, noch beeinflusst der 14,5 km entfernte Windpark den Charakter des Inseldorfes. Hinsichtlich der nachhaltigen Betroffenheit und Entwicklung der Gemeinde kommen zwar auch Maßnahmen außerhalb des Gemeindegebietes in Betracht, jedoch ist für die Annahme einer nachhaltigen Betroffenheit jeweils erforderlich, dass die in Frage stehende Planung oder Maßnahme unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art für die Gemeinde mit sich bringt (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1989 - 4 C 36.86 - [...]). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

29

aa)

Allein die Tatsache, dass die einzelnen Windenergieanlagen von der Insel B. teilweise und zeitweise aus zu sehen sein werden (zur Sichtbarkeit vgl. Abschnitt C.2.1.1 der Umweltverträglichkeitsstudie, Beiakte D), reicht nicht aus, um ein Abwehrrecht der Klägerin zu begründen. Der Windpark hält einen Abstand von mindestens 14,5 km zur Insel ein und ist aus der Entfernung selbst bei optimalen Witterungsbedingungen nur in äußerst geringer Größe und Breite sichtbar (nach den Berechnungen der Beigeladenen etwa in Höhe von 3 mm). Außerdem nimmt er von dem westlich gelegenen Hauptstrand aus gesehen nur einen kleinen Ausschnitt des Blickfeldes ein. Eine unmittelbare Auswirkung dadurch, dass die Anlagen sehr klein und weit entfernt am Horizont wahrgenommen werden können, die so gewichtig wäre, dass eine nachhaltige Betroffenheit der Klägerin und eine Verletzung ihres Schutzanspruchs auf Beibehaltung ihres Gepräges und der örtlichen Struktur angenommen werden müsste, ist nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht anzunehmen. Dagegen spricht schon, dass der Klägerin als Inselgemeinde kein Recht auf uneingeschränkte und zeitlich unbegrenzte Freihaltung der von ihr aus einsehbaren Seeflächen von technischen Anlagen zusteht (vgl. VG Hamburg, Urteil vom 1. Dezember 2003 - 19 K 3585/03 - [...]). Auch fehlt es an der dafür vorausgesetzten tief greifenden Einwirkung und Prägung. Eine entsprechende Wirkung wird durch den das Gemeindegebiet der Klägerin nicht einmal unmittelbar berührenden Windpark nicht erzeugt, so dass die Ortslage und städtebauliche Struktur der Klägerin durch die Windenergieanlagen in keiner Weise verändert wird (vgl. zur mangelndem Betroffenheit bei nicht beeinflusstem Ortsgepräge auch VG Greifswald, Beschluss vom 18. Oktober 2006 - 5 B 961/06 - V.n.b.).

30

bb)

Eher könnte von einer Prägung des Landschaftsbildes durch die geplanten Anlagen die Rede sein, sofern diese bei guter Sicht den gänzlich freien, unbegrenzten Blick über das Meer bis zum Horizont einschränken und erkennbar sind. Eine prägende Einwirkung auf das Landschaftsbild berührt indessen nicht den Rechtskreis der Klägerin als Selbstverwaltungskörperschaft (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Januar 1997 - 11 VR 30.95 - [...]).

31

cc)

Etwas anderes gilt nur dann, wenn das geplante Vorhaben in das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht dadurch eingreift, dass die Wirtschaftsstruktur und Leistungsfähigkeit der Gemeinde gravierend und nachhaltig in einer Weise verschlechtert werden, dass ein Eingriff in den Gemeindecharakter und dadurch eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts in Betracht kommt (vgl. VG Hamburg, Urteil vom 25. März 2004 - 8 K 1211/03 - NUR 2004, 551 ff.; OVG Koblenz, Beschluss vom 16. August 2001 - 1 B 10286/01- [...]). Eine derartige Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage und Leistungsfähigkeit ist indes nicht ersichtlich. Sie ergibt sich zunächst nicht daraus, dass durch den Bau des Offshore-Windparks ein Rückgang der Touristenzahlen eintreten könnte. Zum einen wäre eine verringerte Anzahl an Touristen nur eine mittelbare Auswirkung des Windparks, die der Klägerin kein Abwehrrecht vermitteln kann (ebenso VG Hamburg, Urteil vom 1. Dezember 2003 - 19 K 3585/03 - [...]). Die von der Klägerin diesbezüglich vermuteten Zahlen und angeführten Studien, welche einen Tourismusrückgang belegen sollen, sind wenig aussagekräftig. Im Gegensatz dazu wird in der Umweltverträglichkeitsstudie (Abschnitt B.3.5.2) differenziert dargelegt, dass die Windanlagen nach erstellten Studien zwar von den Touristen wahrgenommen werden, jedoch keine Veränderung des Reiseverhaltens nach sich ziehen. Angesichts der Erfahrungen mit bereits bestehenden Windparks ist die Befürchtung der Klägerin in dem geäußerten Umfang wohl überzogen. So hat sich die Befürchtung, dass die Touristen ausbleiben und die Übernachtungszahlen zurückgehen, nach der Errichtung von zwei größeren Offshore-Windparks vor der dänischen Küste nach bereits durchgeführten Untersuchungen nicht bestätigt (vgl. hierzu: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 23. Februar 2006 - 4 M 136/05 - [...]). Im Gegenteil ist es auch nicht ausgeschlossen, dass durch den Windpark neue Zielgruppen angesprochen werden und die Tourismuswirtschaft die Anlagen als "Sehenswürdigkeit" für sich nutzbar machen kann. Auch ist ein wesentliches Indiz dafür, dass die Veränderung des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen von den Touristen zwar wahrgenommen, aber nicht als störend empfunden wird, das Vorhandensein von Windenergieanlagen am Hafen auf der Insel B. selbst.

32

dd)

Ein Abwehrrecht der Klägerin ergibt sich auch nicht aus ihrer Befürchtung, die Genehmigung des Windparks werde zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung ihrer Funktion als anerkannter Kurort führen. Der Vortrag der Klägerin, durch die bloße Sichtbarkeit der Windenergieanlagen in 14,5 km Entfernung verliere sie faktisch ihren Status als Kurort, ist fern liegend. Allein durch die optische Sichtbarkeit von technischen Anlagen in den die Insel umgebenden Gewässern entfällt keine der Anerkennungsvoraussetzungen nach der Verordnung über die staatliche Anerkennung von Kur- und Erholungsorten (KurortVO). Weder wird das Bioklima verändert noch entstehen Einwirkungen auf die Luftqualität oder die Infrastruktur. Dass von den Windenergieanlagen, abgesehen von der als unwesentlich einzustufenden optischen Wahrnehmbarkeit, bei bestimmungsgemäßem Gebrauch weitere unmittelbare negative Auswirkungen für die Klägerin ausgehen, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das Argument der Klägerin, für den faktischen Verlust als Kurort genüge das Ausbleiben der Kurgäste, ist bereits dadurch entkräftet, dass wie ausgeführt keine nachhaltigen Auswirkungen auf den Tourismus zu befürchten sind.

33

c)

Auch die von der Klägerin befürchteten Kollisionen von Schiffen mit den Windenergieanlagen, in deren Folge es beispielsweise zu Ölverschmutzungen auch an den Stränden der Insel B. kommen könne, begründen keine Abwehrrechte der Klägerin. Zwar umfasst Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG auch den Schutz vor Beeinträchtigungen des Rechts zum Betrieb öffentlicher Einrichtungen, soweit hierbei Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft betroffen sind. Es ist aber bereits zweifelhaft, ob ein Strand der Inselgemeinde eine kommunale Einrichtung darstellt, welche durch ein Schiffsunglück in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich in Mitleidenschaft gezogen werden könnte (verneinend: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 23. Februar 2006 - 4 M 136/05 - [...]; eher ablehnend auch VG Hamburg, Urteil vom 25. März 2004 - 8 K 1211/03 - NUR 2004, 551 ff.). Dies kann jedoch dahinstehen. Selbst unter Zugrundelegung der von der Klägerin vertretenen Auffassung, dass der Inselstrand als kommunale Einrichtung zu betrachten sei, ergibt sich keine Klagebefugnis. Denn bei einer Havarie und nachfolgenden Verschmutzung der Gewässer und der Strände durch potentiell schädliche Fracht ist das Risiko den Schiffen zuzuordnen. Nur die Ladung dieser (Tank-) Schiffe und nicht die Materialien der Windenergieanlagen führen im Falle einer Kollision zur Verunreinigung der Strände, so dass das Gefahrenpotential des Offshore-Windparks nicht mit demjenigen von anderen gefährlichen Anlagen zu vergleichen ist, welche ihr Gefahrgut in sich tragen, wie etwa Abfalldeponien (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 15. September 2004 - 1 BF 128/04 - [...]). Die Windenergieanlagen liegen zudem außerhalb des Fahrwassers für große Schiffe, welche im flachen Wasser des Riffbereichs nicht fahren können. Auch enthalten die Nebenbestimmungen für die Errichtung der Anlagen Vorgaben, um eine mögliche Schiffsgefährdung noch weiter zu minimieren. Der Windpark wäre wegen fehlendem inneren Zusammenhang auch kein Zweckveranlasser eines möglichen Unglücks, da die einzelnen Windenergieanlagen fernab der Schifffahrtsstraßen errichtet werden sollen, so dass die befürchteten Folgen eines Zusammenstoßes allein den kollidierenden Schiffen angelastet werden können. Eine Erhöhung des Unfallrisikos ist dem Windpark nicht zurechenbar (vgl. VG Hamburg, Urteil vom 1. Dezember 2003 - 19 K 3585/03 - zitiert nach [...]). Ob die Daten des von der Klägerin vorgelegten Schifffahrtsgutachtens hinsichtlich einer erheblichen Havariegefahr zutreffend sind, mag daher offen bleiben. Neben der mangelnden Zurechenbarkeit eines solchen Unglücks würde eine mögliche Verschmutzung der Strände überdies nicht, wie die Klägerin geltend macht, zu einem dauerhaften Erliegen des Tourismusbetriebes führen, sondern würde - wenn überhaupt - lediglich zu kurzfristigen, reversiblen Einschränkungen der Strandbenutzbarkeit führen und damit nicht zu einer nachhaltigen Entwicklungsstörung der Gemeinde.

34

3)

Schließlich lässt sich eine Klagebefugnis auch nicht aus dem einfachen Recht unter Bezugnahme auf § 53 Nds. Bauordnung (NBauO) herleiten. Im Rahmen der ordnungsgemäß erfolgten Öffentlichkeitsbeteiligung und der Auslegung der Unterlagen in der Zeit vom 23. Oktober 2006 bis zum 23. November 2006 hat die Klägerin die Möglichkeit zur Erhebung verschiedener Einwendungen genutzt. Einen Verstoß gegen das bauordnungsrechtliche Verunstaltungsverbot hat sie ausdrücklich nicht gerügt. Erhebt eine Gebietskörperschaft Einwendungen, so muss sie aber insbesondere deutlich machen, welche ihrer eigenen Rechtspositionen sie als gefährdet ansieht und welche Beeinträchtigungen sie befürchtet (vgl. dazu auch Nds. OVG, Beschluss vom 15. Dezember 2006 - 7 LA 31/05 - ; OVG Münster, Beschluss vom 29. August 2005 - 11 A 4823/03 - [...]). Denn das Vorbringen muss so konkret sein, dass die Genehmigungsbehörde erkennen kann, in welcher Weise sie bestimmte Belange einer näheren Betrachtung unterziehen soll.

35

Ob der Vortrag der Klägerin, der Vorbescheid verstoße gegen das baurechtliche Verunstaltungsverbot, nach § 10 Abs. 3 Satz 3 BImSchG präkludiert ist - wofür nach Auffassung der Kammer Einiges spricht - oder diese Einwendung bereits hinreichend konkret im Einwendungsverfahren im Rahmen der Bedenken gegen die Beeinträchtigung des Landschafts- und Ortsbildes vorgetragen worden ist, kann dahinstehen. Denn eine Rechtsverletzung der Klägerin ist in der Sache mangels drittschützender Wirkung der Verunstaltungsvorschriften nicht möglich (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 17. November 2006 - 7 ME 62/06 - [...] Rn. 12; Große-Suchsdorf u.a., NBauO, § 53 NBauO Rn. 18). Dies muss hier insbesondere auch deshalb gelten, weil sich der geplante Windpark außerhalb des Gemeindegebiets befindet.

36

4)

Auch Gemeinschaftsrecht lässt naturschutzrechtliche Bestimmungen, insbesondere zum Habitat- und Vogelschutz, nicht zu eigenen Rechten der Klägerin werden. Hinsichtlich der Frage, ob sich die Klägerin auf mögliche Verstöße gegen Europäisches Naturschutzrecht, insbesondere die Vogelschutzrichtlinie (RL 79/409/EWG) oder die FFH-Richtlinie (RL 92/43/EWG) berufen kann (deren Umsetzung die §§ 34 ff. BNatG und §§ 34 a ff. NNatG dienen, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2007 - 4 C 12.05 - [...] Rn. 31 ff.; VG Oldenburg, Beschluss vom 2. Juli 2007 - 1 B 1815/07 - [...] Rn. 6), teilt die Kammer die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts zu der Frage, ob eine Richtlinie einem Einzelnen ein Recht verleiht (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2007 - 4 C 12.05 - [...]):

"Die Frage, ob eine Richtlinie dem Einzelnen ein Recht verleiht, ist zu unterscheiden von der Frage ihrer unmittelbaren Wirkung (...). Anhaltspunkte dafür, dass die Vogelschutz- und die FFH-Richtlinie, ihre unmittelbare Wirkung unterstellt, dem Einzelnen das Recht verleihen könnten, die Beachtung der für faktische oder ausgewiesene Vogelschutzgebiete und für gemeldete FFH-Gebiete geltenden Vorschriften zu verlangen, bestehen nicht (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zu Rs. C-127/02 a.a.O. Rn. 143). Die genannten Vorschriften schützen ebenso wie die zu ihrer Umsetzung ergangenen Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes die natürlichen Lebensräume und die Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse einschließlich der europäischen Vogelarten. Einen Bezug zu den Interessen des Einzelnen lassen sie nicht erkennen. Der Schutz des gemeinsamen Naturerbes ist zwar von besonderem Interesse, aber kein Anspruch, der zugunsten von Einzelnen begründet würde (Kokott a.a.O. [ Anm. der Kammer: Wörtlich führte Generalanwältin Kokott aus: Im vorliegenden Fall bestehen allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass Rechte des Einzelnen begründet werden. Schutzziel von Artikel 6 Absätze 2 und 3 der Habitatrichtlinie ist die Erhaltung von Lebensräumen und Arten innerhalb von Gebieten, die Teile von Natura 2000 sind. Anders als Regelungen über die Qualität der Umgebungsluft oder des Wassers, ist der Schutz des gemeinsamen Naturerbes zwar von besonderem Interesse, aber kein Anspruch, der zugunsten von Einzelnen begründet würde. Originäre Interessen von Einzelnen können nur mittelbar, gewissermaßen als Reflex, gefördert werden, abrufbar über www.eur-lex.europa.eu Rn. 143]) (...) Die Vogelschutz- und die FFH-Richtlinie begründen auch kein Recht des Einzelnen auf Naturgenuss in den Schutzgebieten. Sie verbieten den Mitgliedstaaten zwar nicht, mit der Meldung und Ausweisung eines besonderen Schutzgebiets auch das Ziel zu verfolgen, das Gebiet als Erholungsraum und als Ort der Begegnung des Menschen mit der Natur zu schützen; gemeinschaftsrechtlich geboten ist ein solcher Schutz des Naturgenusses jedoch nicht. Der Aufenthalt der Menschen in der Natur darf den Schutz der natürlichen Lebensräume und der Arten, für die das Gebiet ausgewiesen worden ist, nicht beeinträchtigen. In erster Linie sollen die Vogelschutz- und die FFH-Richtlinie die Natur vor den Menschen schützen." (vgl. dazu, dass Belange des Natur- und Umweltschutzes nicht von der Planungshoheit einer Gemeinde umfasst sind, auch BVerwG, Urteil vom 18. März 2008 - 9 VR 5.07 - [...]).

37

Es bestehen in Anknüpfung an diese Rechtsprechung keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Vogelschutz- und die FFH-Richtlinie, ihre unmittelbare Wirkung unterstellt, dem Einzelnen das Recht verleihen könnten, die Beachtung der entsprechenden Vorschriften zu verlangen. Der Schutz des gemeinsamen Naturerbes ist zwar von besonderem Interesse, aber kein Anspruch, der zu Gunsten von Einzelnen Rechte begründen würde (siehe ausführlich: VG Schleswig, Beschluss vom 25. September 2008 - 12 B 45/08 - [...]; sowie Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zu Rs. C-127/02 Rn. 143, www.eur-lex.europa.eu). Die Richtlinien schützen ebenso wie die zu ihrer Umsetzung ergangenen Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes und der Landesgesetze (§§ 34 ff. BNatG und §§ 34 a ff. NNatG) die natürlichen Lebensräume und die Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse einschließlich der europäischen Vogelarten. Einen Bezug zu den Interessen des Einzelnen lassen sie nicht erkennen, ebenso wenig dienen sie dem Schutz der Gesundheit (im Gegensatz etwa zu den Richtlinien zum Schutz des Gewässers (80/68/EWG), der Luftqualität (80/779/EWG), des Trinkwassers (75/440/EWG und 79/869/ EWG) und des Süßwassers sowie der Muschelgewässer (78/659/EWG und 79/923/EWG), welchen vom EuGH eine individualschützende Wirkung zuerkannt wurde (siehe nur EuGH, Urteil vom 28. Februar 1991 - Rs. C-131/88 - Slg. 1991, I-825 Rn. 7).

38

Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich auch aus der von ihr angeführten Entscheidung des EuGH zum Feinstaub keine zwingende andere Beurteilung (Urteil vom 25. Juli 2008 - C-237/07 - [...]). Der EuGH führte aus:

"Wie der Gerichtshof wiederholt ausgeführt hat, wäre es mit dem zwingenden Charakter, den Art. 249 EG der Richtlinie verleiht, unvereinbar, grundsätzlich auszuschließen, dass eine mit ihr auferlegte Verpflichtung von den betroffenen Personen geltend gemacht werden kann. Diese Überlegung gilt ganz besonders für eine Richtlinie, die eine Eindämmung und Reduzierung der Luftverschmutzung und damit den Schutz der öffentlichen Gesundheit bezweckt.

So hat der Gerichtshof entschieden, dass die Betroffenen in allen Fällen, in denen die Nichtbeachtung der Maßnahmen, die in Richtlinien über die Qualität der Luft und des Trinkwassers zum Zweck des Schutzes der öffentlichen Gesundheit vorgegeben werden, die Gesundheit von Personen gefährden könnte, in der Lage sein müssen, sich auf die in diesen Richtlinien enthaltenen zwingenden Vorschriften zu berufen (vgl. Urteile vom 30. Mai 1991, Kommission/Deutschland, C-361/88, und Kommission/Deutschland, C-59/89, sowie vom 17. Oktober 1991, Kommission/Deutschland).

Daraus folgt, dass natürliche oder juristische Personen, die unmittelbar von der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte oder der Alarmschwellen betroffen sind, bei den zuständigen Behörden - gegebenenfalls unter Anrufung der zuständigen Gerichte - erwirken können müssen, dass beim Vorliegen einer solchen Gefahr ein Aktionsplan erstellt wird."

39

Die Ansicht der Klägerin, der EuGH habe mit der Formulierung, die genannten Grundsätze würden ganz besonders für eine dem Schutz der Gesundheit dienende Richtlinie gelten, klargestellt, dass sich jeder Betroffene völlig unabhängig vom Zweck einer Richtlinie bei deren unmittelbarer Anwendbarkeit auf die darin enthaltenen Verpflichtungen berufen könne, ist nicht überzeugend und führt nicht dazu, ihr entgegen der Auffassung des BVerwG hier eine Klagebefugnis zuzugestehen. Aus der vom EuGH im Einzelfall anerkannten Möglichkeit einer unmittelbaren Berufung auf die Richtlinie in den Fällen des Gesundheitsschutzes ergibt kein allgemeiner Grundsatz dahingehend, auch in nicht die Gesundheit betreffenden Konstellationen nunmehr stets in verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten eine Klagebefugnis mittels "direkten Durchgriffs" auf die Richtlinie unabhängig von deren Zielsetzung zu konstruieren (so im Ergebnis auch VG Schleswig, Beschluss vom 25. September 2008 - 12 B 45/08 - [...] Rn. 34-35). Hätte der EuGH diese Möglichkeit mit weitreichenden Folgen für die nationalen Rechtsschutzsysteme eröffnen wollen, hätte er dies ausdrücklich und klarstellend verdeutlicht. Er beschränkte sich jedoch darauf, die Schutzwirkung einer gerade der Gesundheit dienenden Richtlinie im zu entscheidenden Einzelfall zu begründen, ohne einen allgemeinen Grundsatz für jedwede Art von Richtlinien aufzustellen.

40

Außerdem bestätigen die weiteren Ausführungen in den EuGH-Urteil (vgl. insbesondere a.a.O. Rn. 39), dass der Gerichtshof weiterhin eine unmittelbare Betroffenheit, also nicht nur eine über mögliche Fernwirkungen vermittelte Beeinträchtigung, fordert. An dieser Unmittelbarkeit fehlt es hier aber gerade. Das gilt im Übrigen nicht nur für das Vogel- und Habitatschutzrecht, sondern auch für eine Betroffenheit in anderen Belangen, auf die sich die Klägerin in diesem Zusammenhang ergänzend beruft. Insoweit erscheint es schon systemwidrig, die hier geforderte unmittelbare Betroffenheit aus anderen nationalen Belangen wie etwa der Selbstverwaltungshoheit oder dem bauordnungsrechtlichen Verunstaltungsverbot zu folgern. Jedenfalls wurde oben unter 1) bis 3) auch in der Sache eine solche unmittelbare Betroffenheit verneint.

41

Aus demselben Grund verweist die Klägerin auch ohne Erfolg auf die Schlussanträge der Generalanwältin K. im Verfahren zur niederländischen Herzmuschelfischerei. Ob aus der dortigen Ausführung " dass Einzelne sich auf Artikel 6 Absatz 3 der Richtlinie 92/43 [Anm. der Kammer: FFH-Richtlinie] berufen können, soweit ihnen nach innerstaatlichem Recht Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Maßnahmen eröffnet sind, die gegen diese Bestimmung verstoßen... " (Rs. C-127/02, Schlussanträge vom 29. Januar 2004 - www.eur-lex.europa.eu Rn. 143, 144, 151), zwingend zu folgern ist, dass sich ein Kläger generell auf Gemeinschaftsrecht berufen kann, wenn er zumindest nach nationalen Vorschriften überhaupt klagebefugt ist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn der Klägerin stehen hier gerade nicht nach nationalem Recht Schutznormen zur Seite.

42

Nach alledem war die Klage mangels Klagebefugnis mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO abzuweisen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig, weil diese einen Antrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).

43

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 2 VwGO, 709 ZPO.