Landgericht Hannover
Urt. v. 18.04.2013, Az.: 14 O 187/12
Verjährung von Architektenhonoraransprüchen aus vor dem 01.01.2002 geschlossenen Architektenverträgen in der zweijährigen Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 7 BGB a.F. auch bei Rechnungsstellung nach dem 01.01.2002
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 18.04.2013
- Aktenzeichen
- 14 O 187/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 35238
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2013:0418.14O187.12.0A
Rechtsgrundlagen
- § 194 BGB
- § 195 BGB
- § 196 Abs. 1 Nr. 7 BGB a.F.
- § 8 Abs. 1 HOAI a.F.
Fundstelle
- BauR 2013, 1164
Amtlicher Leitsatz
Architektenhonoraransprüche aus vor dem 01.01.2002 geschlossenen Architekten vertragen verjähren in der zweijährigen Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 7 BGB a.F., auch wenn die Rechnung nach dem 01.01.2002 gestellt wird.
In dem Rechtsstreit
XXX
Klägerin
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanw. XXX
gegen
XXX
Beklagte
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanw.
XXX
Streitverkündeter
hat die 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 12.03.2013 durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht XXX
die Richterin am Landgericht XXX
die Richterin am Landgericht XXX
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Der Streitwert wird auf 95.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um ein Ingenieurhonorar.
Die Klägerin verlangt eine Teilzahlung in Höhe von 95.000,00 € aus einem Ingenieurvertrag zwischen der Beklagten und dem XXX (Bl. 32 d.A.) sowie aus Verträgen zwischen der Klägerin und der Beklagten selbst (Bl. 19 a.E. 40 ff. d. A.). XXX der Betreiber des XXX ermächtigte am 27.07.2007 (K11, Bl. 54 d. A.) die Klägerin, seine Honoraransprüche aus dem o.g. Vertrag mit der Beklagten in Bezug auf Entwässerung und Geländeaufhöhung im eigenen Namen geltend zu machen. Am 21.11.2001/05.12.2001 wurde ein Ingenieurvertrag zwischen der Beklagten und dem XXX über Ingenieurleistungen für die Verkehrsanlagen sowie die Schmutzwasserkanalisation und die Regenwasserentsorgung für das Bauvorhaben des Gewerbegebiets südöstlich von Winsen (Luhe) (Erschließung des Gewerbegebietes Rethmoorsee in Winsen-Luhdorf) geschlossen (K3, Bl. 32 ff. d.A.). Intern übernahm die Erbringung der Schmutzwasserkanalisation und Regenwasserentsorgung die Klägerin, deren Gesellschafter und Geschäftsführer XXX zugleich ist. Die Erbringung der Verkehrsanlagen übernahm XXX selbst. Im Rahmen dieser intern übernommen Aufgaben erbrachte die Klägerin im Jahr 2002 - im Kontakt mit der Beklagten - Strukturplanungen für Verkehrsanlagen, Schmutz- und Niederschlagswasser unter Berücksichtigung unterschiedlicher Geländeaufhöhungen und versah diese jeweils mit Kostenschätzungen. Nachdem die Alternative 2 der entworfenen Planungen als weiterzuführende Planung festgelegt worden war, bestätigte die Klägerin der Beklagten die am 19.06.2003 aufgestellte Kostenschätzung für die Planung am 25.06.2003 (K4, Bl. 35 ff. d. A.). Aufgrund mehrerer Änderungen während der Entwurfsphase bot die Klägerin mit Schreiben vom 15.07.2004 weitere Leistungen an (vgl. K5 bis 7, Bl. 40 ff. d. A.). Diese Nachtragsangebote nahm die Beklagte jeweils mündlich an. Die Klägerin überreichte der Beklagten ferner Entwurfsunterlagen für die Ingenieurbauwerke für Schmutzwasser und Niederschlagwasser (Bl. 20 d. A.). Im Anschluss daran erstellte sie Ausführungsplanungen und Leistungsverzeichnisse für verschiedene Planungsbereiche (s. Bl. 21 d. A.).
Die Klägerin stellte von Beginn an Abschlagsrechnungen, die zunächst an den Geschäftsführer H gerichtet waren und sodann von diesem an die Beklagte weitergeleitet wurden. Ab der 9. Abschlagsrechnung vom 30.11.2006 bis zur 11. Abschlagsrechnung vom 14.03.2008 (Anlage K 13, Bl. 57 d.A.) wurden trotz Erinnerungsschreiben und Mahnungen keine weiteren Abschlagszahlungen mehr geleistet. Gleiches gilt für die Nachtragsangebote (K5 bis 7, Bl. 40 ff. d. A.). Mit Schreiben vom 29.05.2008 (K12, Bl. 55 ff. d. A.) forderte die Klägerin unter Bezugnahme auf die 11. Abschlagsrechnung vom 14.03.2008 (K13, Bl. 57 ff. d. A.) zur Zahlung des ausstehenden Betrages in Höhe von 131.000,00 € auf. Im Dezember 2008 leistete die Beklagte auf diese Forderung ohne weitere Erläuterung eine Zahlung in Höhe von 34.052,23 €.
Die zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehenden Verträge kamen nicht zur endgültigen Durchführung (vgl. K14 und 15, Bl. 58 f. d. A.). Die Klägerin forderte die Beklagte im Dezember auf, noch fehlende Angaben für die Erstellung der Schlussrechnung zu überreichen. Dies erfolgte nicht. Daher erstellte die Klägerin eine - wiederum auf den 14.03.2008 datierte - Rechnung, die als "11.1 Abschlagsrechnung" bezeichnet wurde (Bl. 62 d.A.) und zugleich die - aufgrund der noch fehlenden Angaben - vorläufige Schlussrechnung darstellen sollte. Diese übersandte sie an die Beklagte. Auch hier unterblieb eine Zahlung.
Die Klägerin hat am 29.12.2011 einen Mahnbescheid beantragt, der der Beklagten am 10.01.2012 zugestellt wurde (Bl. 1 ff. d.A.). In dem Mahnbescheid wird als "Hauptforderung" nur genannt (Bl. 2 d.A.):
"Werkvertrag/Werklieferungsvertrag gem. Rechnung vom 29.05.08 ****95.000,00 EUR".
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 95.000,00 € nebst Jahreszinsen von 8 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 21.06.2008 zu zahlen und
die Beklagte zu verurteilen, ihr Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.282,00 € nebst Jahreszinsen von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagzustellung zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erhebt die Einrede der Verjährung und ist zudem der Ansicht, nicht passivlegitimiert zu sein. Dazu behauptet sie, alle hier streitigen Rechte und Pflichten der Beklagten seien durch die Firma XXX übernommen worden (Bl. 75 d. A.). Der Klägerin sei dies seit dem 20.12.2008 bekannt gewesen, denn sie habe in dem Schreiben der XXX vom 19.12.2008 (K14, Bl. 58 d. A.) eine Kündigung gesehen. Eine solche könne aber nur von dem Vertragspartner ausgesprochen werden, so dass der Klägerin seitdem bekannt gewesen sei, dass die Hl Vertragspartnerin und damit zu verklagen gewesen sei. (K15, Bl. 59 d.A.). Weiter ist die Beklagte der Ansicht, dass die Klägerin dem Übergang der Pflichten durch die Rechnung vom 29.05.2008 (K12, Bl. 55 ff. d. A) konkludent zugestimmt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll vom 12.03.2013 (Bl. 93 ff. d.A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klageanspruch ist verjährt.
1. Die Klage ist zulässig.
Dass die Klägerin hier einen Anspruch des XXX geltend macht, steht der Prozessführungsbefugnis nicht entgegen. Die Klägerin handelt in sog. gewillkürter Prozessstandschaft. Diese erlaubt es, ein fremdes Recht in eigenem Namen geltend zu machen, wenn der Rechtsinhaber hierzu ermächtigt hat, die Klägerin ein eigenes rechtliches Interesse an der Durchsetzung hat und die Beklagte hierdurch keine Nachteile erleidet. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Der Inhaber des Rechts, XXX, hat die Klägerin mit Schreiben vom 27.07.2007 (Bl. 54 d. A.) zur Geltendmachung des Anspruchs in Bezug auf die Entwässerung und die Geländeaufhöhung gegen die Beklagte gemäß § 185 I BGB ermächtigt. Der Klägerin steht auch ein eigenes rechtliches Interesse zu. Die Klägerin selbst hat die Leistungen für Herrn XXX gegenüber der Beklagten erbracht. Durch die klagweise Geltendmachung des Anspruchs im eigenen Namen ist es somit möglich, das Honorar für die erbrachten Leistungen direkt von der Beklagten zu erhalten und die Abrechnung nicht zunächst über Herrn XXX vornehmen zu lassen. Des Weiteren ist auch keine Beeinträchtigung der Interessen der Beklagten erkennbar. Die Beklagte bleibt ebenso dem Anspruch in gleicher Höhe ausgesetzt. Dies ist unabhängig davon der Fall, ob XXX selbst oder die Klägerin die Forderung einklagt. Andere mögliche Beeinträchtigungen sind nicht ersichtlich.
2. Die Klage ist aber unbegründet.
a) Die Beklagte ist allerdings passivlegitimiert. Die Passivlegitimation ist gegeben, wenn die Beklagte Schuldnerin des Anspruchs ist. Die Beklagte ist ausweislich des Vertrages vom 21.11.2001/05.12.2001 (Bl. 32 ff. d. A.) Vertragspartnerin geworden. Dies hat sich auch nicht durch den Umstand geändert, dass die Rechte und Pflichten der Beklagten im Nachhinein evtl. von der XXX übernommen wurden. Denn unabhängig davon, ob dies hier tatsächlich geschehen ist, bedarf die Schuldübernahme gemäß § 415 BGB der Genehmigung des Gläubigers. Eine solche kann sowohl konkludent als auch schlüssig erteilt werden, der Entlassungswille des Gläubigers muss dabei jedoch zweifelsfrei sein. Die Klägerin als Gläubigerin hat indes weder ausdrücklich noch konkludent eine Schuldübernahme durch die XXX genehmigt.
Darin, dass der Schriftverkehr zunächst mit der XXX und dann später mit der XXX geführt wurde, kann entgegen der Ansicht der Beklagten (Protokoll Bl. 93 d.A.) keine konkludente Zustimmung gesehen werden. Die Klägerin behauptet hierzu, dass in der gesamten Zeit immer Herr XXX der Ansprechpartner gewesen sei. So sei auch nach der Übernahme der XXX durch die XXX Ausgangspunkt gewesen, dass die Kommunikation weiterhin mit Herrn XXX erfolgen solle. Die Klägerin sei davon ausgegangen, dass die Beklagte selbst keinen Schriftverkehr führen wolle, vielmehr die XXX und im Anschluss die XXX im Sinne einer Vertreterin gehandelt habe. Auch der Einwand der Beklagten, dass die Klägerin in dem Schreiben der XXX vom 30.12.2008 (Bl. 59 ff. d. A.) eine Kündigung gesehen habe und diese nur von dem Vertragspartner erklärt werden könne, lässt keine andere Bewertung zu. Vielmehr hat sich die Klägerin auch in diesem Fall so verhalten, dass lediglich der Schriftverkehr über die XXX abgewickelt werden sollte. Ein zweifelsfreier Entlassungswille ist darin nicht erkennbar.
b) Es kann letztlich dahinstehen, ob der Anspruch in der geltend gemachten Höhe aus dem Ingenieurvertrag besteht, da er verjährt ist.
aa) Architektenhonoraransprüche aus vor dem 01.01.2002 geschlossenen Architektenverträgen - wie hier (Bl. 34 d.A.) - verjähren in der zweijährigen Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 7 BGB in der Fassung vom 19. Juni 2001, auch wenn die Rechnung - wie hier (Bl. 57 d.A.) - nach dem 01.01.2002 gestellt wird (vgl. OLG Celle, Urt. v. 19.11.2008 -14 U 55/08, BauR 2009, 532, insb. [...]Rdnr. 39 mwN). Abschlagsforderungen verjähren dabei selbständig (BGH, Urt. v. 05.11.1998 - VII ZR191/97, BauR 1999, 267).
Der Fristlauf begann nach Leistungserbringung und Zugang (§ 8 Abs. 1 HOAI a.F. bzw. § 15 Abs. 1 HOAI n.F.) der streitbefangenen Rechnung - ihre Prüffähigkeit unterstellt - mit Ablauf des Jahres 2008 am 01.01.2009. Die Frist endete mit Ablauf des 31.12.2010. Der Mahnbescheidsantrag vom 29.12.2011 (Bl. 4 d.A.) hatte somit auf die Verjährung des Anspruchs keinen Einfluss mehr. Die Frist war da schon abgelaufen.
bb) Der Anspruch wäre im Übrigen auch unter Ansatz einer dreijährigen Verjährungsfrist gem. §§ 194 ff. BGB verjährt.
Die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB wäre dann zwar erst mit Ablauf des Jahres 2011 verstrichen. Der Ablauf der Verjährungsfrist wurde aber nicht durch den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids vom 29.12.2011 gehemmt. Denn der Anspruch ist in dem Mahnbescheidsantrag nicht hinreichend individualisiert worden.
Der Mahnbescheid muss den geltend gemachten Anspruch unter bestimmter Angabe der verlangten Leistung bezeichnen (§ 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Der Anspruch muss so gegenüber anderen Ansprüchen abgegrenzt werden, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein und der Schuldner erkennen kann, welcher Anspruch oder welche Ansprüche gegen ihn geltend gemacht werden, damit er beurteilen kann, ob und in welchem Umfang er sich zur Wehr setzen will (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 8. Mai 1996 - XII ZR 8/95, NJW 1996, 2152; v. 17. Oktober 2000 - XI ZR 312/99, NJW 2001, 305, 306; v. 17.11.2005 - IX ZR 8/04, NJW-RR 2006, 275, [...]Rdnr. 15 mwN). Das war hier aber nicht der Fall:
Im Mahnbescheid heißt es, es werde ein Anspruch aus "Werkvertrag/Werklieferungsvertrag gem. Rechnung vom 29.05.08 ****95.000,00 EUR" geltend gemacht (Bl. 2 d.A.). Tatsächlich gibt es keine "Rechnung vom 29.05.2008". Gemeint war hier - wohl - die 11. Abschlagsrechnung vom 14.03.2008 (Bl. 57 d.A.). Die weitere Abschlagsrechnung 11.1, aus der auch die Klageforderung hergeleitet wird (Bl. 23, 24 und K 17, Bl. 62 d.A.), datiert aber ebenfalls auf den 14.03.2008. Es war überdies keineswegs aus sich heraus verständlich, dass nur eine bestimmte Rechnung aus einem bestimmten Vertragsverhältnis gemeint gewesen sein konnte. Denn - wie im Tatbestand dargestellt - es gab eine Reihe von Rechnungen und vertraglichen Absprachen, zudem mit unterschiedlichen Beteiligten. Die Anspruchsbegründung vom 25.06.2012 (Bl. 17 ff. d.A.), mit der der Anspruch dann tatsächlich nachvollziehbar konkretisiert wurde, konnte auf den Fristablauf keinen Einfluss mehr nehmen.
c) Der Klägerin steht demnach auch kein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten aus §§ 280 I, II, 286 I BGB zu. Er ist ebenfalls verjährt (vgl. auch § 217 BGB). Ein Ersatzanspruch aus § 286 I BGB verjährt zugleich mit Ablauf des dazugehörigen Zeitablaufs der Hauptforderung, unabhängig davon, ob die für den Ersatzanspruch grundsätzlich selbstständige Verjährungsfrist bereits verstrichen ist oder nicht. Der Hauptanspruch ist jedoch - wie ausgeführt - bereits verjährt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.