Staatsgerichtshof Niedersachsen
Urt. v. 02.05.2024, Az.: StGH 3/23

Streit um die Verweigerung der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage im Organstreitverfahren; Auskunftsverweigerung wegen drohender Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung durch Mitteilung der Vornamen von einer Straftat verdächtigen Personen; Bedeutung der strafverfahrensrechtlichen Unschuldsvermutung im Rahmen der Abwägung

Bibliographie

Gericht
StGH Niedersachsen
Datum
02.05.2024
Aktenzeichen
StGH 3/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 14475
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Der Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) ist bei der Nennung der Vornamen natürlicher Personen im Rahmen der Beantwortung parlamentarischer Anfragen eröffnet; dies gilt insbesondere dann, wenn gegen die natürlichen Personen wegen des Anfangsverdachtes der Begehung von Straftaten Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sind.

  2. 2.

    Das öffentliche Bekanntwerden von Vornamen durch eine parlamentarische Bekanntgabe lässt eine Verletzung der schutzwürdigen Interessen der betroffenen Tatverdächtigen befürchten, wenn eine Identifizierung konkreter Tatverdächtiger mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und die erheblichen Nachteile für die Betroffenen nicht aufgrund eines überwiegenden Interesses an der parlamentarischen Bekanntgabe der Vornamen gerechtfertigt sind. Die parlamentarische Bekanntgabe der Vornamen bewirkt in diesem Fall einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.3. Fehlt es an einem überwiegenden Interesse an der parlamentarischen Bekanntgabe der Vornamen, ist auch eine Unterrichtung in vertraulicher Form wegen des besonders sensiblen Kontextes - namentlich laufender strafrechtlicher Ermittlungen - für die Betroffenen nicht zumutbar, wenn es nur wenige Tatverdächtige, eine enge zeitliche Eingrenzung auf wenige Stunden, eine enge Eingrenzung auf wenige Orte, eine detailreiche Berichterstattung in den Medien sowie die Möglichkeit der Zusammenschau mit der Antwort auf eine vorherige Kleine Anfrage gibt.

    1. 1a.

      Zu den verfassungsrechtlichen Maßgaben an die Reaktion der Landesregierung auf parlamentarische Auskunftsverlangen gem. Art 24 Abs. 1 NV vgl. NdsStGH, Urt. v. 8.2.2022 - StGH 1/21 -, NdsVBl. 2022, 142, juris Rn. 60; Urt. v. 24.3.2020 - StGH 7/19 -, NdsVBl. 2020, 180, juris Rn. 33 ff.

    2. 1b.

      Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Es gewährt seinen Trägern insbesondere Schutz gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten (wie BVerfG, Urt. v. 7.11.2017 - 2 BvE 2/11 -, BVerfGE 147, 50, juris Rn. 236).

  1. 2.

    hier: Zu Recht hat die Antragsgegnerin darauf abgestellt, dass im Falle der parlamentarischen Bekanntgabe der Vornamen aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls eine Identifizierung konkreter Tatverdächtiger mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre.

  2. 3.

    hier: Die Verhältnismäßigkeit des mit der parlamentarischen Bekanntgabe der Vornamen verbundenen Eingriffs in die Grundrechte der Tatverdächtigen bzw. unbeteiligter Dritter hätte vorliegend auch nicht durch eine Beantwortung der Kleinen Anfrage in einer vertraulichen Sitzung des Innenausschusses gewährleistet werden können.

In dem Organstreitverfahren
Stephan Bothe, MdL, Hannah-Arendt-Platz 1, 30159 Hannover
- Antragsteller -
Prozessbevollmächtigte:
GSD Gätcke Stoll Dürrfeld Rechtsanwälte PartmbB,
Hohenzollernstraße 48, 30161 Hannover
gegen
Niedersächsische Landesregierung, vertreten durch den Ministerpräsidenten, Planckstraße 2, 30169 Hannover
- Antragsgegnerin -
wegen Verletzung des Frage- und Informationsrechts eines Abgeordneten
hat der Niedersächsische Staatsgerichtshof auf die mündliche Verhandlung vom 4. März 2024 unter Mitwirkung
des Präsidenten Mestwerdt
sowie der Richterinnen und Richter van Hove,
Kaiser,
Butzer,
Veen,
Huss,
Bornemann,
Otte,
Berghaus
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

A.

Gegenstand des Organstreitverfahrens ist die Frage, ob die Antragsgegnerin ihrer Auskunftspflicht nach Art. 24 Abs. 1 Niedersächsische Verfassung (NV) nachgekommen ist.

I.

Der Antragsteller, der Mitglied des Niedersächsischen Landtages ist und der AfD-Fraktion angehört, begehrt die Feststellung, dass die Antragsgegnerin ihn durch ihre Weigerung, seine Kleine Anfrage vom 27. Februar 2023 (LT-Drs. 19/693) zu beantworten, in seinem Informationsanspruch aus Art. 24 Abs. 1 NV verletzt habe. Mit der vorgenannten Kleinen Anfrage hatte der Antragsteller die Mitteilung der Vornamen von 19 deutschen Staatsangehörigen verlangt, gegen die aufgrund von Ausschreitungen in Niedersachsen zum Jahreswechsel 2022/2023 als Tatverdächtige ermittelt worden war.

In der Silvesternacht 2022/2023 kam es an verschiedenen Orten in Niedersachsen zu Übergriffen auf Angehörige der Polizei, der Feuerwehr und der Rettungsdienste. Dies nahm die Landtagsabgeordnete Saskia Buschmann (CDU) zum Anlass, der Antragsgegnerin im Rahmen einer Kleinen Anfrage vom 13. Januar 2023 (LT-Drs. 19/303) insgesamt 19 Fragen zu den Geschehnissen in der Silvesternacht zu stellen. Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport beantwortete diese Fragen namens der Antragsgegnerin unter dem 17. Februar 2023 (LT-Drs. 19/603). Dabei teilte es zur Frage Nr. 1 u.a. mit, dass insgesamt 18 Einsatzkräfte im Zeitraum vom 31. Dezember 2022, 18:00 Uhr, bis zum 1. Januar 2023, 6:00 Uhr, durch Angriffe verletzt worden seien. Weiter führte es im Hinblick auf Frage Nr. 2 aus, dass in dem vorgenannten Zeitraum insgesamt 34 Angriffe auf Angehörige der Polizei, der Feuerwehr und des Rettungsdienstes in Niedersachsen bekannt geworden seien, und listete die insgesamt 22 Orte dieser Angriffe namentlich - wenngleich ohne Zuordnung zu bestimmten Geschehnissen - auf. Die Frage Nr. 3 beantwortete das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport dahingehend, dass 53 Strafverfahren wegen unterschiedlicher, im Einzelnen aufgeführter Straftatbestände eingeleitet worden seien; eine Zuordnung der Straftatbestände zu bestimmten Orten oder Personen erfolgte nicht. Zu Frage Nr. 5 teilte das Ministerium mit, dass 35 Tatverdächtige erfasst worden seien.

Mit ihrer Frage zu Nr. 6 hatte die Abgeordnete Buschmann ferner Auskunft darüber begehrt, welche Nationalitäten die Tatverdächtigen besäßen. Die Antwort der Antragsgegnerin hierauf lautete wie folgt:

"Die Tatverdächtigen besitzen die folgenden Nationalitäten (mehrfache Staatsangehörigkeiten sind entsprechend aufgeführt)

deutsch: 19

deutsch/polnisch: 2

bulgarisch: 1

lettisch: 1

türkisch: 1

deutsch/libanesisch: 2

deutsch/serbisch: 1

eritreisch: 1

marokkanisch: 1

deutsch/kasachisch: 2

deutsch/türkisch: 1

kosovarisch: 1

syrisch: 2".

Unter Bezugnahme auf diese Antwort begehrte der Antragsteller mit seiner Kleinen Anfrage vom 27. Februar 2023 (LT-Drs. 19/693) von der Antragsgegnerin die ergänzende Auskunft, wie die Vornamen der 19 Tatverdächtigen deutscher Staatsangehörigkeit lauteten.

Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport verweigerte unter dem 28. März 2023 (LT-Drs. 19/1076, verteilt am 29. März 2023) namens der Antragsgegnerin die begehrte Auskunft. Zur Begründung berief es sich auf Art. 24 Abs. 3 Satz 1 Var. 3 NV und führte aus, dass die Verletzung schutzwürdiger Interessen Dritter durch die öffentliche Bekanntgabe der - bislang noch nicht in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen - Vornamen der Tatverdächtigen zu befürchten sei. Insbesondere sei hier das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) bzw. das hieraus folgende Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen. Im Rahmen der anzustellenden Abwägung und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes überwiege dieses das Auskunftsrecht des Antragstellers.

Dem parlamentarischen Informationsrecht komme zwar besonders hohes Gewicht zu, allerdings sei hier nicht zu erkennen, inwieweit die begehrte Antwort erforderlich sei, um dem Kontrollauftrag des Antragstellers nachzukommen. Demgegenüber handele es sich bei dem Vornamen eines Tatverdächtigen um ein höchst personenbezogenes Datum, welches in Kombination mit weiteren Informationen, etwa den Antworten der Antragsgegnerin auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Buschmann, in hohem Maße geeignet sei, eine Person zu identifizieren. Erhöht werde die Gefahr der Identifizierung noch durch Informationen, die in Medien und sozialen Netzwerken frei verfügbar seien. Zudem könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass bei öffentlicher Nennung der Vornamen unbeteiligte Personen aufgrund von zufälligen (Vor-)Namensgleichheiten zu Unrecht in die Nähe der Silvesterereignisse gerückt werden könnten. Die (ggf. falsche) Identifizierung als Tatverdächtiger berge die weitere Gefahr von Repressalien wie Mobbing, Beleidigungen oder Angriffen auf die Person. Hinzukomme die Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung der laufenden strafrechtlichen Ermittlungen; es drohe eine der Unschuldsvermutung als wesentlicher Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips zuwiderlaufende Vorverurteilung.

Schließlich könnten die konkurrierenden Verfassungsgüter auch nicht durch teilweise Erfüllung des Informationsbegehrens und/oder mittels Anwendung von Geheimschutzmaßnahmen zum Ausgleich gebracht werden. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei hier wegen der - auch bei Geheimschutzmaßnahmen noch gegebenen - Gefahr der Identifizierung der Beschuldigten in besonderem Maße betroffen. Daher scheide auch eine nichtöffentliche Zurverfügungstellung der erbetenen Auskünfte aus, und zwar nicht zuletzt angesichts der Bedeutung der Unschuldsvermutung.

II.

Mit seinem am 14. Juni 2023 eingegangenen Antrag wendet sich der Antragsteller im Wege des Organstreitverfahrens gegen die Verweigerung der von ihm begehrten Auskunft durch die Antragsgegnerin. Er vertritt die Auffassung, dass die Auskunftsverweigerung ihn als Abgeordneten in seinem Informationsrecht aus Art. 24 Abs. 1 NV verletze.

Der Antragsgegnerin habe kein Auskunftsverweigerungsrecht nach Art. 24 Abs. 3 Satz 1 Var. 3 NV zugestanden. Die Prognoseentscheidung der Antragsgegnerin, wonach bei öffentlicher Nennung der Vornamen eine Identifizierung der 19 Tatverdächtigen drohe, sei nicht nachvollziehbar. Auch im Zusammenspiel mit der Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Buschmann ließe sich im Falle der Mitteilung der Vornamen selbst für einen sehr aufmerksamen und interessierten Beobachter der Parlamentsarbeit lediglich ableiten, dass eine Person mit dem jeweiligen Vornamen zu einer Gruppe von insgesamt 35 Tatverdächtigen gehöre, die in der Silvesternacht 2022/2023 einen von 34 Angriffen auf Einsatzkräfte an einem von 22 Orten in Niedersachsen verübt hätten. Bei dieser lediglich abstrakten Informationslage sei eine Identifikation einzelner Personen nicht möglich. Dem entspreche es auch, dass die Regierungen anderer Bundesländer auf ähnlich lautende Anfragen der Partei des Antragstellers regelmäßig die Vornamen von Tatverdächtigen öffentlich benannt hätten, so etwa die Landesregierung Nordrhein-Westfalens in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage 6156 vom 1. Dezember 2021.

Hinzukomme, dass die Begründung der Antragsgegnerin in sich widersprüchlich sei. Einerseits behaupte sie, die Nennung der Vornamen sei in hohem Maße zur Identifikation der Tatverdächtigen geeignet; andererseits aber berufe sie sich auf die Gefahr, dass gänzlich Unbeteiligte aufgrund von zufälligen Namensgleichheiten fälschlicherweise als vermeintliche Tatverdächtige identifiziert werden könnten. An dieser widersprüchlichen Begründung müsse sie sich im hiesigen Verfahren festhalten lassen, da eine Nachholung einer fehlenden und die Ergänzung einer unzureichenden Begründung ausgeschlossen seien.

Weiterhin habe sich die Antragsgegnerin bei ihrer Abwägung von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Indem sie darauf abgestellt habe, dass eine Relevanz der vom Antragsteller begehrten Auskunftserteilung für die Wahrnehmung seines Kontrollauftrages nicht erkennbar sei, habe sie eine ihr nicht zustehende politische Bewertung seiner Sacharbeit vorgenommen. Im Übrigen sei es für die politische Arbeit des Antragstellers und seiner Fraktion durchaus von wesentlicher Bedeutung, mögliche Straftäter "in gewissen Phänomenbereichen" mithilfe der Vornamensnennung präziser einem bestimmten "Milieu" zuordnen zu können, um "zielgerichtete und zweckmäßige Präventions- und Repressionsmaßnahmen" in Bezug auf dieses "Milieu" diskutieren zu können. Eine solche "Milieu"-Zuordnung sei heutzutage nicht mehr allein aufgrund der Staatsangehörigkeit möglich, weshalb an der Nennung der Vornamen ein legitimes Informationsinteresse bestehe.

Hilfsweise beruft sich der Antragsteller darauf, dass die Antragsgegnerin die begehrten Auskünfte zumindest in vertraulicher nichtöffentlicher Form hätte erteilen müssen. Ein entsprechendes Begehren sei als Minus in dem ursprünglichen Informationsbegehren des Antragstellers enthalten. Die Verweigerung auch der vertraulichen Informationserteilung sei nicht nachvollziehbar; denn es sei nicht plausibel, wie bei einer vertraulichen Unterrichtung eines stark begrenzten Personenkreises eine Identifizierung der Tatverdächtigen möglich sein solle. Zudem habe die Antragsgegnerin nicht dargelegt, worin bei einer vertraulichen Bekanntgabe die unzumutbare Beeinträchtigung der Tatverdächtigen liegen solle. Nicht einmal sie behaupte, dass der Antragsteller die vertraulichen Informationen rechtswidrig nutzen werde, um Einfluss auf das laufende Ermittlungsverfahren zu nehmen. Zudem sei jedem Abgeordneten wohl bewusst, dass der Einordnung als tatverdächtig noch kein abschließender Schuldspruch zugrunde liege, weshalb auch die Unschuldsvermutung nicht konterkariert sei.

Der Antragsteller beantragt,

festzustellen, dass die Antragsgegnerin durch die mit Drucksache 19/1076 mitgeteilte Verweigerung der Beantwortung der kleinen Anfrage des Antragstellers vom 27. Februar 2023 (Drs. 19/693) den Informationsanspruch des Antragstellers aus Art. 24 Abs. 1 NV verletzt hat.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, dass der Antrag unbegründet sei, weil sie die Mitteilung der Vornamen gemäß Art. 24 Abs. 3 Satz 1 Var. 3 NV zu Recht verweigert habe. Schutzwürdige Interessen Dritter seien hier einerseits in Gestalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in seinen Ausprägungen als Recht auf persönliche Ehre und als Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 NV i.V.m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG) sowie andererseits in Gestalt des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 NV i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Der Vorname eines Menschen mit seiner Ordnungs- und Unterscheidungsfunktion unterfalle als personenbezogenes Datum ohne Weiteres dem Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Ausreichend sei die bloße Identifizierbarkeit; auf eine sichere Identifizierung komme es nicht an.

Die Identifizierbarkeit sei hier gegeben. Insbesondere bei einmaligen oder besonders seltenen bzw. besonders geschriebenen Namen sowie bei Namenskombinationen oder auch der gemeinsamen Nennung mehrerer Namen aus einer ortsbekannten Personengruppe bestehe die Gefahr der Identifizierung. Diese sei hier zudem noch durch die Möglichkeit der Kombination mit den Antworten der Antragsgegnerin auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Buschmann erhöht. Schon aus den hierin enthaltenen Angaben der Antragsgegnerin zu den Nationalitäten der ermittelten 35 Tatverdächtigen ließen sich bei ortsbekannten Gruppen im Zusammenspiel mit den Vornamen Rückschlüsse auf konkrete Personen ziehen. Erst recht gelte dies mit Blick auf die von der Antragsgegnerin ebenfalls in ihrer Antwort mitgeteilten zeitlichen und räumlichen Tatumstände und Tatvorwürfe. Hinzukomme die Möglichkeit der Kombination mit öffentlich zugänglichen Informationen aus dem Internet und den Medien. So habe etwa die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) am 1., 9. und 11. Januar 2023 über mehrere Tatverdächtige unter Angabe ihres Alters und der konkreten Tatvorwürfe berichtet. Fälle wie der des Beschuldigten eines Emdener Kindesmordes im Jahr 2012 hätten gezeigt, wie leicht Tatverdächtige durch sich ergänzende Informationen in der Presse und in sozialen Medien identifiziert werden könnten. Dass es dem Antragsteller selbst nicht um die Identifizierung der Tatverdächtigen gehe, sei für die Grundrechtsrelevanz nicht erheblich.

Weiterhin könne nicht ausgeschlossen werden, dass gänzlich unbeteiligte Dritte infolge der öffentlichen Namensnennung zu Unrecht als vermeintliche Tatverdächtige identifiziert würden. Dies stehe auch nicht im Widerspruch zur Gefahr der Identifizierung der (tatsächlich) Tatverdächtigen.

Zu berücksichtigen sei bei alledem ferner die Schwere des Grundrechtseingriffs, der in der Mitteilung der Vornamen wegen der damit verbundenen - und nach der Bewertung der Antragsgegnerin besonders hohen - Gefahr der Stigmatisierung, sozialen Ausgrenzung sowie physischer und psychischer Übergriffe liege. Die mit einem öffentlichen Tatverdacht einhergehenden negativen gesellschaftlichen Folgen könnten, selbst wenn der Tatverdacht später entfalle, zu nachhaltigen Beeinträchtigungen des gesellschaftlichen und beruflichen Lebens der Betroffenen führen. Hinzukomme, dass im Zeitpunkt der Beantwortung der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Buschmann die Ermittlungen erst am Anfang gestanden hätten und viele Tatverdächtige noch nicht ermittelt gewesen seien. Daher habe die Gefahr bestanden, dass den ermittelten und identifizierbar benannten Tatverdächtigen zu Unrecht alle Übertretungen und Straftaten der Silvesternacht zugerechnet worden wären. Es habe eine der Unschuldsvermutung zuwiderlaufende Vorverurteilung gedroht.

Auch bestehe im Falle der (Fehl-)Identifizierung von (vermeintlichen) Tatverdächtigen die Möglichkeit von Repressalien gegen diese etwa in Gestalt von Mobbing, Beleidigungen oder tätlichen Angriffen auf die Person. Vor solchen Repressalien habe der Staat den Einzelnen gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 NV i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu schützen. Die (abstrakte) Gefahr von Repressalien sei hier mit Blick auf die erregte öffentliche Diskussion, zu der gerade die Partei des Antragstellers mit ihren Beiträgen in sozialen Medien und der besonderen Betonung des (möglichen) Migrationshintergrundes der Tatverdächtigen beigetragen habe, auch gegeben. Das von der Partei des Antragstellers erzeugte Klima der Ablehnung und Ausgrenzung von Menschen mit Migrationshintergrund sei strukturell geeignet, bei latent gewaltaffinen Bevölkerungsteilen eine "verteidigende" Gewaltausübung zu provozieren und zu legitimieren.

Ferner sei für den Fall des öffentlichen Bekanntwerdens der Vornamen der Tatverdächtigen eine erhebliche Beeinträchtigung der laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zu befürchten gewesen. Insbesondere habe die Gefahr der Beeinflussung von Beweispersonen bestanden, was umso gravierender gewesen wäre, als zum damaligen Zeitpunkt viele Tatverdächtige noch nicht ermittelt gewesen seien.

Unzutreffend sei schließlich die Behauptung des Antragstellers, dass deutschlandweit die Landesregierungen ähnliche Anfragen wie die des Antragstellers nach den Vornamen von Tatverdächtigen beanstandungslos beantworten würden. So habe der Berliner Senat die Mitteilung der Vornamen der Tatverdächtigen der Silvesterausschreitungen 2022/2023 abgelehnt. Die vom Antragsteller in Bezug genommene Kleine Anfrage an die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen habe einen gänzlich anderen Lebenssachverhalt und völlig andere Rahmenbedingungen betroffen: Zum einen sei es dort um einen Zeitraum von elf Monaten gegangen; zum anderen sei nach allen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten an mehreren nordrhein-westfälischen Hauptbahnhöfen gefragt gewesen, sodass schon allein aufgrund der Anzahl der Tatverdächtigen (ca. 4.780 Personen) eine Identifizierbarkeit einzelner in deutlich geringerem Maße gegeben gewesen sei. Außerdem seien die Vornamen ohne Verknüpfung mit weiteren Parametern mitgeteilt worden.

Schließlich habe die Antragsgegnerin die widerstreitenden Verfassungsgüter richtig gewichtet und abgewogen. Das Auskunftsrecht des Antragstellers habe zwar ein hohes Gewicht, zumal angesichts der politischen Bedeutsamkeit des Themas für ihn und seine Partei. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass Gegenstand der Anfrage kein Rechtsverstoß der Antragsgegnerin gewesen sei, sodass kein besonders hohes Aufklärungsinteresse bestanden habe. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Vorname für die Zuordnung zu einem bestimmten "Milieu" keine oder nur geringe Aussagekraft habe und Gruppenzuschreibungen aufgrund des Vornamens in hohem Maße Gefahr liefen, gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 3 GG zu verstoßen. Im Ergebnis würden daher das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf körperliche Unversehrtheit das Auskunftsrecht des Antragstellers überwiegen. Die (vollständige) Auskunftsverweigerung sei auch geeignet, erforderlich und angemessen gewesen. Insbesondere wäre eine lediglich teilweise bzw. unter Geheimschutzmaßnahmen erfolgende Bekanntgabe der Vornamen zwar ein milderes, aber kein gleich geeignetes Mittel gewesen, weil das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hier in besonders hohem Maße betroffen gewesen sei. Der Abwägungsvorgang und das Abwägungsergebnis seien bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage in der von Art. 24 Abs. 3 Satz 2 NV geforderten Form unter Bezeichnung der widerstreitenden Grundrechtspositionen begründet worden.

III.

Dem Niedersächsischen Landtag wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Er hat von einer Stellungnahme abgesehen.

B.

I.

Der Antrag auf Durchführung des Organstreitverfahrens ist nach Art. 54 Nr. 1 NV und § 8 Nr. 6 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof (NStGHG) statthaft. Die Beteiligten streiten über den Umfang ihrer wechselseitigen Rechte und Pflichten im Hinblick auf den aus Art. 24 Abs. 1 NV folgenden Auskunftsanspruch und damit über die Abgrenzung von verfassungsrechtlichen Aufgaben und Kompetenzen.

II.

Der Antrag ist zulässig.

1. Der Antrag ist auf einen zulässigen Antragsgegenstand gerichtet. Gegenstand des Organstreitverfahrens ist die Befugnis der Antragsgegnerin, die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage nach Art 24 Abs. 3 Satz 1 NV zu verweigern und damit gemäß § 30 NStGHG i.V.m. § 64 Abs. 1 BVerfGG eine Maßnahme bzw. ein Unterlassen, das geeignet ist, die verfassungsrechtliche Rechtsstellung des Antragstellers zu beeinträchtigen.

2. Antragsberechtigung und Antragsbefugnis ergeben sich aus Art. 24 Abs. 1, Art. 54 Nr. 1 NV in Verbindung mit § 8 Nr. 6, § 30 NStGHG, § 64 Abs. 1 BVerfGG. Die Antragsfrist ist gewahrt. Der Antrag im Organstreitverfahren muss nach § 30 NStGHG in Verbindung mit § 64 Abs. 3 BVerfGG binnen sechs Monaten, nachdem die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung dem Antragsteller bekannt geworden ist, gestellt werden. Die Antwort der Antragsgegnerin wurde mit LT-Drs. 19/1076 am 29. März 2023 verteilt. Die Antragsschrift ist am 14. Juni 2023 und damit rechtzeitig eingegangen.

C.

Der Antrag ist unbegründet. Die Antragsgegnerin hat die Beantwortung der Kleinen Anfrage des Antragstellers nach Art. 24 Abs. 3 Satz 1 Var. 3 NV rechtsfehlerfrei verweigert.

I.

Gemäß Art. 24 Abs. 1 NV hat die Landesregierung Anfragen von Mitgliedern des Landtages im Landtag und in seinen Ausschüssen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Gemäß Art. 24 Abs. 3 Satz 1 Var. 3 NV braucht sie dem Auskunftsverlangen jedoch nicht zu entsprechen, soweit zu befürchten ist, dass durch das Bekanntwerden von Tatsachen schutzwürdige Interessen Dritter verletzt werden. Die Entscheidung ist gemäß Art. 24 Abs. 3 Satz 2 NV zu begründen.

1. Der Verweigerungsgrund des Art. 24 Abs. 3 Satz 1 Var. 3 NV beruht darauf, dass die Landesregierung als Teil der Exekutive nach Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 3 Abs. 2 Satz 2 NV an die Grundrechte gebunden ist. Die schutzwürdigen Interessen Dritter im Sinne des Art. 24 Abs. 3 NV werden durch die Grundrechte und die grundrechtsgleichen Rechte natürlicher und juristischer Personen konkretisiert (NdsStGH, Urt. v. 24.3.2020 - StGH 7/19 -, NdsVBl 2020, 180, juris Rn. 33; Urt. v. 24.10.2014 - StGH 7/13 -, Nds. StGHE 5, 181, juris Rn. 89).

2. Gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 NV sind die im Grundgesetz festgelegten Grundrechte und staatsbürgerlichen Rechte Bestandteil der Niedersächsischen Verfassung. Sie binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Landesrecht (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 NV) und setzen daher jedem staatlichen Handeln Grenzen (NdsStGH, Urt. v. 24.3.2020 - StGH 7/19 -, NdsVBl. 2020, 180, juris Rn. 34).

3. Im Rahmen der Grundrechtsbindung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. NdsStGH, Urt. v. 8.2.2022 - StGH 1/21 -, NdsVBl. 2022, 142, juris Rn. 59; Urt. v. 24.3.2020 - StGH 7/19 -, NdsVBl. 2020, 180, juris Rn. 40; Urt. v. 24.10.2014 - StGH 7/13 -, Nds. StGHE 5, 181, juris Rn. 89). Da sich gleichermaßen verfassungsrechtlich geschützte Positionen - das Auskunftsrecht der Abgeordneten auf der einen und die grundrechtlich geschützten Rechtsgüter Dritter auf der anderen Seite - gegenüberstehen, gilt das Prinzip der praktischen Konkordanz, wonach kollidierende Verfassungsrechtspositionen in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und so in Ausgleich zu bringen sind, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 21.10.2014 - 2 BvE 5/11 -, BVerfGE 137, 185, juris Rn. 186; NdsStGH, Urt. v. 8.2.2022 - StGH 1/21 -, NdsVBl. 2022, 142, juris Rn. 59). Art. 24 Abs. 3 Satz 1 NV bringt das daraus folgende Erfordernis einer Abwägung mit den Worten zum Ausdruck, dass die Landesregierung dem Auskunftsverlangen in bestimmten Fällen nicht zu entsprechen braucht. Mit dieser Formulierung räumt die Verfassung der Antragsgegnerin kein Ermessen im rechtstechnischen Sinne ein. Art. 24 Abs. 3 Satz 1 NV statuiert ein Regel-Ausnahme-Verhältnis. Die Verweigerung der Antwort auf eine parlamentarische Frage ist ein begründungsbedürftiger Sonderfall. Ob die Verweigerung einer Antwort gerechtfertigt ist, ergibt sich erst im Wege einer Abwägung der kollidierenden Verfassungsrechtspositionen (vgl. NdsStGH, Urt. v. 8.2.2022 - StGH 1/21 -, NdsVBl. 2022, 142, juris Rn. 59; Urt. v. 24.3.2020 - StGH 7/19 -, NdsVBl. 2020, 180, juris Rn. 41).

4. Das in Art. 24 Abs. 3 Satz 1 Var. 3 NV angelegte Entscheidungsprogramm verlangt, dass die Antragsgegnerin alle für und gegen die Beantwortung der Anfrage sprechenden Belange vollständig ermittelt, zutreffend gewichtet und gegeneinander abwägt. Dabei ist die Bedeutung parlamentarischer Anfragen im System der Gewaltenteilung zu würdigen. Die Gewichtung der konkreten Frageinteressen der Abgeordneten im Rahmen der nach Art. 24 Abs. 3 Satz 1 NV erforderlichen Abwägung darf weder in den Bereich der politischen Bewertung der Beweggründe und Ziele des fragenden Abgeordneten hineinreichen noch auf eine eigene Einschätzung der entscheidenden Stelle zurückgreifen, inwieweit sie das Informations- bzw. Kontrollinteresse insgesamt oder bezogen auf einzelne Anfragegegenstände für sachgerecht, sinnvoll oder bedeutsam hält (vgl. NdsStGH, Urt. v. 8.2.2022 - StGH 1/21 -, NdsVBl. 2022, 142, juris Rn. 60; BerlVerfGH, Urt. v. 14.7.2010 - 57/08 -, DÖV 2010, 863, juris Rn. 91). Beachten muss sie, dass dem parlamentarischen Informationsinteresse ein besonders hohes Gewicht zukommt, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße oder vergleichbarer Missstände innerhalb der Regierung geht. Umgekehrt darf sie in ihre Abwägung einstellen, inwieweit die begehrte Antwort unter Zugrundelegung des von den Abgeordneten dargelegten Informationsinteresses erforderlich ist, um dem Kontrollauftrag nachzukommen. Berücksichtigen darf sie schließlich, ob es sich um eine die Öffentlichkeit besonders berührende Fragestellung handelt (vgl. NdsStGH, Urt. v. 8.2.2022 - StGH 1/21 -, NdsVBl. 2022, 142, juris Rn. 60; Urt. v. 24.3.2020 - StGH 7/19 -, NdsVBl. 2020, 180, juris Rn. 42).

5. Nach Art. 24 Abs. 3 Satz 1 Var. 3 NV muss zu befürchten sein, dass die schutzwürdigen Interessen Dritter verletzt werden. Diese Formulierung macht deutlich, dass die Landesregierung auf der Grundlage der ihr zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung vorliegenden Erkenntnisse eine Prognose zu erstellen hat, bei der eine bloße Betroffenheit schutzwürdiger Interessen die Antwortverweigerung nicht rechtfertigt (vgl. NdsStGH, Urt. v. 8.2.2022 - StGH 1/21 -, NdsVBl. 2022, 142, juris Rn. 61; Urt. v. 24.3.2020 - StGH 7/19 -, NdsVBl. 2020, 180, juris Rn. 43). Dabei muss die Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen Dritter nicht unmittelbar als Folge der Antwort eintreten; die prognostische Entscheidung der Landesregierung kann ein durch die Antwort ausgelöstes nachfolgendes Gefährdungsverhalten Dritter einbeziehen. Eine Antwortverweigerung kommt umso eher in Betracht, je intensiver die drohende Grundrechtsbeeinträchtigung ausfällt. Zu berücksichtigen sind insoweit das jeweilige Gewicht des betroffenen Grundrechts sowie die Schwere der konkret drohenden Beeinträchtigung und das Verhalten des Dritten, also beispielsweise die Frage, inwieweit er mit seinem Handeln Anlass zu einer parlamentarischen Kontrolle gegeben hat (vgl. NdsStGH, Urt. v. 8.2.2022 - StGH 1/21 -, NdsVBl. 2022, 142, juris Rn. 61; Urt. v. 24.3.2020 - StGH 7/19 -, NdsVBl. 2020, 180, juris Rn. 43).

6. Schließlich ist zu prüfen, ob und wie weit ("soweit") das Gewicht der betroffenen Interessen zur Verweigerung einer Antwort berechtigt. Die jeweiligen Belange sind im Rahmen der Abwägung so gegenüberzustellen, dass die kollidierenden Positionen zu einem schonenden Ausgleich gebracht werden. Das kann in besonderen Einzelfällen die Möglichkeit einschließen, eine Frage in vertraulicher Sitzung zu beantworten oder eine Antwort nur teilweise zu verweigern (vgl. NdsStGH, Urt. v. 8.2.2022 - StGH 1/21 -, NdsVBl. 2022, 142, juris Rn. 62; Urt. v. 24.3.2020 - StGH 7/19 -, NdsVBl. 2020, 180, juris Rn. 44; Urt. v. 24.10.2014 - StGH 7/13 -, Nds. StGHE 5, 181, juris Rn. 89; BVerfG, Urt. v. 7.11.2017 - 2 BvE 2/11 -, BVerfGE 147, 50, juris Rn. 206 ff.).

Die Landesregierung hat vor diesem Hintergrund stets zu berücksichtigen, ob die Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseingriffen im Einzelfall durch entsprechende Schutzvorkehrungen, insbesondere durch Geheimschutzmaßnahmen, wie sie etwa § 95a der Geschäftsordnung des Landtages vorsieht, gewährleistet werden kann (vgl. NdsStGH, Urt. v. 24.10.2014 - StGH 7/13 -, Nds. StGHE 5, 181, juris Rn. 89). Wenn und soweit dies der Fall ist, hat die Landesregierung dem Auskunftsbegehren unter Anwendung der jeweils erforderlichen Schutzmaßnahmen zu entsprechen. Die Auskunft insgesamt verweigern darf sie nur, wenn und soweit selbst die nichtöffentliche, vertrauliche oder geheime Auskunftserteilung einen unverhältnismäßigen Eingriff in Grundrechte Dritter darstellen würde, weil die Weitergabe der jeweiligen Information wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar wäre (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.6.2017 - 2 BvE 1/15 -, BVerfGE 146, 1, juris Rn. 105).

7. Nach Art. 24 Abs. 3 Satz 2 NV hat die Landesregierung ihre Entscheidung, die Antwort auf eine zulässigerweise gestellte Frage zu verweigern, umfassend zu begründen unter substantiierter - d.h. nicht nur formelhafter - und nachvollziehbarer Darlegung des Verweigerungsgrundes; bei Informationen, die zum Schutze Dritter zurückgehalten werden, hat sie demgemäß Grund und Notwendigkeit der Vertraulichkeit detailliert und umfassend unter Offenlegung des Abwägungsvorganges und des Abwägungsergebnisses zu erläutern (vgl. NdsStGH, Urt. v. 24.10.2014 - StGH 7/13 -, Nds. StGHE 5, 181, juris, Rn. 90, 92; Urt. v. 24.3.2020 - 7/19 -, NdsVBl. 2020, 180, juris, Rn. 47). Dabei bedarf es der Bezeichnung der kollidierenden grundrechtlich geschützten Positionen, der nachvollziehbaren Gewichtung der wechselseitigen Interessen und der Begründung, warum dem Grundrechtsschutz im jeweiligen Einzelfall der Vorrang zukommen soll (vgl. NdsStGH, Urt. v. 24.3.2020 - 7/19 -, NdsVBl. 2020, 180, juris, Rn. 47). Erst dann, wenn die Begründung eine Abwägung der für den Einzelfall wesentlichen Gesichtspunkte zum Ausdruck bringt, ist dem Ermittlungs-, Gewichtungs- und Begründungserfordernis aus Art. 24 Abs. 3 Satz 1 Var. 3, Satz 2 NV Genüge getan; darauf verzichtet werden kann lediglich dann, wenn das Vorliegen eines Verweigerungsgrundes evident ist (vgl. NdsStGH, Urt. v. 24.3.2020 - 7/19 -, NdsVBl. 2020, 180, juris, Rn. 47).

Die Begründung ist gegenüber dem Fragesteller im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Verweigerung der Antwort abzugeben. Das Nachholen einer fehlenden oder die Ergänzung einer unzureichenden Begründung im verfassungsgerichtlichen Verfahren ist ausgeschlossen. Der Staatsgerichtshof beschränkt sich auf eine Überprüfung der von der Antragsgegnerin rechtzeitig geltend gemachten Verweigerungsgründe, ohne das Vorliegen weiterer, von dieser nicht geltend gemachter Verweigerungsgründe von Amts wegen zu erforschen (vgl. NdsStGH, Urt. v. 8.2.2022 - StGH 1/21 -, NdsVBl. 2022, 142, juris Rn. 64; Urt. v. 24.3.2020 - StGH 7/19 -, NdsVBl. 2020, 180, juris Rn. 45; Urt. v. 24.10.2014 - StGH 7/13 -, Nds. StGHE 5, 181, juris Rn. 90).

II.

Gemessen an diesen Voraussetzungen ist es nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin die Nennung der im Wege der verfahrensgegenständlichen Kleinen Anfrage erfragten Vornamen verweigert hat. Vielmehr hat sie nachvollziehbar und mit zutreffendem Ergebnis die wechselseitigen Interessen ermittelt, gewichtet und gegeneinander abgewogen und ihre diesbezügliche Entscheidung den Erfordernissen des Art. 24. Abs. 3 Satz 2 NV entsprechend begründet.

1. Die Antragsgegnerin hat die vorliegend kollidierenden Verfassungspositionen in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage des Antragstellers zutreffend ermittelt und gewichtet.

a) Dies gilt zunächst für das Informationsrecht des Antragstellers, welches die Antragsgegnerin ausdrücklich und unter Hinweis auf seine besondere verfassungsrechtliche Bedeutung gewürdigt hat. Dabei hat sie richtiger Weise darauf abgestellt, dass das parlamentarische Informationsrecht der wirksamen Kontrolle der Exekutive durch den Landtag dient. Eine unzulässige Bewertung der politischen Beweggründe und Ziele des Antragstellers hat die Antragsgegnerin dabei nicht vorgenommen.

Dies gilt auch und gerade in Ansehung ihrer Äußerung, dass nicht erkennbar sei, inwieweit die begehrte Antwort erforderlich sei, um dem Kontrollauftrag des Antragstellers gegenüber der Antragsgegnerin nachzukommen. Hierin liegt keine politisch-inhaltliche Bewertung der Motive des Antragstellers und seiner Partei im Sinne eines Befürwortens oder Ablehnens derselben. Vielmehr ist damit - im Sinne der nach Art. 24 Abs. 3 Satz 2 NV gebotenen Gewichtung des Informationsinteresses im konkreten Fall - lediglich auf den Umstand Bezug genommen, dass weder aus der Kleinen Anfrage selbst noch aus ihrem historisch-politischen Kontext hervorgeht, dass mit ihr die Aufdeckung etwaiger Missstände innerhalb der Landesregierung oder der ihr nachgeordneten Behörden bezweckt war. Wäre dies der Fall gewesen, so würde dem Informationsinteresse des Antragstellers nach dem oben Gesagten eine über seinen ohnehin schon hohen Stellenwert hinausgehende besondere Bedeutung zukommen. Daher ist es nicht nur unbedenklich und legitim (vgl. bereits NdsStGH, Urt. v. 24.3.2020 - StGH 7/19 -, NdsVBl. 2020, 180, juris, Rn. 43), sondern geradezu geboten, diese Überlegung anzustellen und mit Blick auf Art. 24 Abs. 3 Satz 2 NV im Rahmen der Antwort darzulegen.

Diese Äußerung der Antragsgegnerin ist im Übrigen auch deshalb nicht zu beanstanden, weil es dem Antragsteller nach seinem eigenen Vorbringen nicht darum ging, ein Fehlverhalten der Antragsgegnerin oder der ihr nachgeordneten Behörden im Hinblick auf die Silvesterereignisse aufzudecken. Vielmehr hat er selbst dargelegt, dass es ihm darum gegangen sei, "mögliche Straftäter in gewissen Phänomenbereichen [...] - durch die Vornamensnennung - präziser einem konkreten Milieu zuordnen zu können, um in Bezug auf dieses Milieu zielgerichtete und zweckmäßige Präventions- und Repressionsmaßnahmen diskutieren zu können" (S. 10, dritter Absatz der Antragsschrift), bzw. - so der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung - Informationen "zur Vervollständigung des Lagebildes" in einer "undurchschaubaren" Situation zu erhalten. Demnach zielte seine Anfrage nicht auf eine Kontrolle der Antragsgegnerin im Sinne des Art. 7 Satz 2 NV ab, sondern auf die Informationsbeschaffung zwecks Aus- und Verwertung im Hinblick auf die eigene politische Agenda. Dabei handelt es sich zwar um ein verfassungsrechtlich legitimes Informationsinteresse. Dem Informationsinteresse kommt aber im vorliegenden Fall mit Blick auf die gebotene Abwägung keine besonders hohe Bedeutung im Sinne eines erheblichen Abwägungsvorsprunges zu, wie die Antragsgegnerin richtig erkannt und dargelegt hat.

b) Weiterhin hat die Antragsgegnerin die hier maßgeblichen schutzwürdigen Interessen Dritter fehlerfrei identifiziert. In ihrer Antwort hat sie mit Blick auf die drohende Identifizierung der Tatverdächtigen infolge der Bekanntmachung ihrer Vornamen zum einen ausdrücklich auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das aus diesem folgende Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 NV i.V.m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 -, BVerfGE 65, 1, juris Rn. 146; Beschl. v. 18.12.2018 - 1 BvR 2795/09, 1 BvR 3187/10 -, BVerfGE 150, 309, juris Rn. 54) abgestellt. Zum anderen hat sie auf die Möglichkeit von Repressalien zum Nachteil der Tatverdächtigen etwa in Gestalt von Mobbing und Angriffen auf die Person als Folge ihrer Identifizierung abgehoben. Damit ist - wenn auch nicht explizit, aber unmissverständlich und hinreichend deutlich - das Recht auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 NV i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG angesprochen. Die Antragsgegnerin hat dabei richtig erkannt, dass die begehrte Auskunftserteilung geeignet ist, die solchermaßen zutreffend ermittelten schutzwürdigen Interessen Dritter zu verletzen.

aa) Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (siehe nur BVerfG, Urt. v. 7.11.2017 - 2 BvE 2/11 -, BVerfGE 147, 50, juris Rn. 236). Es gewährt seinen Trägern insbesondere Schutz gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten (BVerfG, Urt. v. 7.11.2017 - 2 BvE 2/11 -, BVerfGE 147, 50, juris Rn. 236). Der Schutzumfang des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung beschränkt sich dabei nicht auf Informationen, die bereits ihrer Art nach sensibel sind und schon deshalb grundrechtlich geschützt werden (st. Rspr., siehe nur BVerfG, Beschl. v. 18.12.2018 - 1 BvR 142/15 -, BVerfGE 150, 244, juris Rn. 38). Auch der Umgang mit personenbezogenen Daten, die für sich genommen nur geringen Informationsgehalt haben, kann, je nach seinem Ziel und den bestehenden Verarbeitungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten, grundrechtserhebliche Auswirkungen auf die Privatheit und Verhaltensfreiheit des Betroffenen haben; insofern gibt es unter den Bedingungen der elektronischen Datenverarbeitung kein schlechthin, also ungeachtet des Verwendungskontextes, belangloses personenbezogenes Datum mehr (BVerfG, Beschl. v. 18.12.2018 - 1 BvR 142/15 -, BVerfGE 150, 244, juris Rn. 38).

Der Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechtes ist bei der hier begehrten Nennung der Vornamen bestimmter natürlicher Personen im Rahmen der Beantwortung parlamentarischer Anfragen eröffnet. Der (Vor-)Name eines Menschen ist das personenbezogenste Datum schlechthin, handelt es sich hierbei doch um die auf Dauer angelegte sprachliche Kennzeichnung einer Person, die gerade dazu dient, sie von anderen Personen zu unterscheiden und zu identifizieren (vgl. etwa Säcker, in: Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg, Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 9. Aufl. 2021, § 12 BGB Rn. 1). Die öffentliche Bekanntmachung von Namen natürlicher Personen durch die Exekutive stellt auch bereits ungeachtet des konkreten Kontextes und für sich genommen einen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht dieser Personen dar. Derartige Eingriffe sind dabei nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verfassungsrechtlich zu rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.6.2009 - 2 BvE 3/07 -, BVerfGE 124, 78, juris Rn. 133; NdsStGH, Urt. v. 24.10.2014 - StGH 7/13 -, Nds. StGHE 5, 181, juris Rn. 89). Erst recht gilt dies für die hier begehrte namentliche Nennung von natürlichen Personen, gegen die wegen des Anfangsverdachtes der Begehung von teils erheblichen Straftaten Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sind. Hierbei handelt es sich um ganz besonders sensible Daten. Mag die Begehung von Straftaten in der Öffentlichkeit auch dem Bereich der Sozialsphäre zuzuordnen sein, in die unter leichteren Voraussetzungen eingegriffen werden kann als in die Intim- und Privatsphäre, so ändert dies nichts daran, dass auch insoweit der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz strikt zu beachten ist.

bb) Das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schützt zum einen die Gesundheit im biologisch-physiologischen Bereich, mithin die Integrität der körperlichen Substanz, zum anderen aber auch im psychischen Bereich (siehe nur BVerfG, Beschl. v. 14.1.1981 - 1 BvR 612/72 -, BVerfGE 56, 54, juris Rn. 55; Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 2 Abs. 2 GG Rn. 55, Stand: Februar 2004). Dabei verpflichtet Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG den Staat, das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen zu schützen, das heißt vor allem, diese Rechtsgüter auch vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren (vgl. BVerfG, Beschl. v. 1.8.1978 - 2 BvR 1013/77 -, BVerfGE 49, 24, juris Rn. 65; Beschl. v. 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 -, BVerfGE 115, 320 [BVerfG 04.04.2006 - 1 BvR 518/02], juris Rn. 92). Gefahren für diese Rechtsgüter können sich ergeben, wenn durch die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage die Identität einer Person preisgegeben wird oder Rückschlüsse darauf ermöglicht werden und als Folge Übergriffe Dritter zu befürchten sind (vgl. NdsStGH, Urt. v. 8.2.2022 - StGH 1/21 -, NdsVBl. 2022, 142, juris Rn. 72). Soweit die Antragsgegnerin auf die Möglichkeit von Mobbing und/oder Angriffen auf die Person der Tatverdächtigen infolge ihrer vorangegangenen (Fehl-)Identifizierung abstellt, stehen physische und psychische Beeinträchtigungen der Gesundheit der Betroffenen im Raum, die die staatliche Schutzpflicht aktivieren.

2. Weiterhin hat die Antragsgegnerin in ihrer Antwort auf die verfahrensgegenständliche Kleine Anfrage zutreffend prognostiziert, dass durch das öffentliche Bekanntwerden der erfragten Vornamen eine Verletzung der vorgenannten schutzwürdigen Interessen der betroffenen Tatverdächtigen, aber auch unbeteiligter Dritter zu befürchten ist. Die parlamentarische Bekanntgabe der Vornamen würde einen nicht gerechtfertigten unverhältnismäßigen Eingriff in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung bedeuten und die staatliche Schutzpflicht für die körperliche Unversehrtheit missachten. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob und inwieweit der Antragsgegnerin bei ihrer Prognose ein Beurteilungsspielraum zusteht (ebenso NdsStGH, Urt. v. 8.2.2022 - StGH 1/21 -, NdsVBl. 2022, 142, juris Rn. 69). Die hier vorgenommene Prognoseentscheidung hält auch einer vollständigen Überprüfung stand.

a) Zu Recht stellt die Antragsgegnerin zunächst darauf ab, dass im Falle der parlamentarischen Bekanntgabe der Vornamen aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls eine Identifizierung konkreter Tatverdächtiger mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre.

aa) Insofern ist zunächst zu berücksichtigen, dass (Vor-)Namen als solche schon ihrer Bestimmung nach der Unterscheidung und Identifizierung natürlicher Personen dienen. Daher kann im Einzelfall bereits anhand des Vornamens eine Identifizierung erfolgen, wenn dieser aufgrund seiner Seltenheit, seiner besonderen Schreibweise oder wegen der Kombination mit den Vornamen anderer natürlicher Personen, die einer bestimmten Gruppe angehören, nur den Rückschluss auf ein bestimmtes Individuum zulässt. Dieses Risiko ist vorliegend wegen der Umstände noch in besonderem Maße gesteigert:

Schon der durch die öffentliche Medienberichterstattung und die sozialen Netzwerke allgemein bekannte sachliche, räumliche und zeitliche Kontext - Ausschreitungen in der Silvesternacht 2022/2023 in Niedersachsen - und der Umstand, dass es sich um die Tatverdächtigen dieser Ereignisse handeln soll, schafft gewichtige zusätzliche Anhaltspunkte für die Identifizierung. Hinzukommt, dass in Medien und sozialen Netzwerken teilweise auch konkrete Details über einzelne Tatverdächtige und einzelne mutmaßliche Straftaten mitgeteilt worden sind, etwa genaue Tatorte oder das Alter der Beschuldigten. Vor diesem Hintergrund bestünde bei einem öffentlichen Bekanntwerden der Vornamen schon allein aufgrund der vielbeachteten Medienberichterstattung eine konkrete Gefahr der Identifizierung zumindest einzelner Tatverdächtiger. Dies gilt umso mehr, als technische Hilfsmittel wie Internetsuchmaschinen und Künstliche Intelligenz, welche die mosaikartige Zusammensetzung von Informationsbruchstücken unterschiedlicher Herkunft zu einem stimmigen und oft der Realität entsprechenden Gesamtbild ermöglichen, heute bereits allgegenwärtig und für jedermann verfügbar sind.

Der Kreis der in Betracht kommenden Personen wird durch die zusätzlichen Detailinformationen, welche in der öffentlichen Antwort der Antragsgegnerin auf die vorangegangene Kleine Anfrage der Abgeordneten Buschmann vom 13. Januar 2023 (LT-Drs. 19/603) enthalten sind, noch erheblich weiter eingegrenzt. Insbesondere sind hier konkrete niedersächsische Ortsnamen aufgeführt, die eine genaue örtliche Zuordnung ermöglichen, und die Straftatbestände, wegen derer ermittelt wird. Zu berücksichtigen ist zudem, dass die ebenfalls benannte Gesamtzahl der Tatverdächtigen (35) und die Anzahl der abgefragten Vornamen (19) sehr überschaubar sind. Anders als etwa bei der Antwort der nordrhein-westfälischen Landesregierung auf die Kleine Anfrage 6156 vom 1. Dezember 2021, die fast 5.000 Vornamen, aber keine weiteren zuordnungsrelevanten Informationen enthielt, wäre der Aufwand der Namenszuordnung dementsprechend deutlich geringer, was eine Identifizierung zumindest einzelner Tatverdächtiger umso leichter machen würde, zumal unter Zuhilfenahme der o.g. technischen Hilfsmittel. Insofern handelt es sich - anders als der Antragsteller meint - gerade nicht um eine lediglich abstrakte Informationslage, die eine Identifizierung einzelner Personen nicht zulässt. Vielmehr besteht hier eine sehr konkrete und erhebliche Gefahr der zutreffenden Identifikation zumindest einzelner der 19 Tatverdächtigen deutscher Nationalität.

bb) Angesichts dieses hohen Identifizierungsrisikos würde die parlamentarische Bekanntgabe der Vornamen einen unverhältnismäßigen und daher verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Eingriff in das Recht der Tatverdächtigen auf informationelle Selbstbestimmung darstellen. Insofern ist zu berücksichtigen, dass die Bekanntgabe des - bislang öffentlich nicht bekannten - Vornamens eines mutmaßlichen Straftäters massive Auswirkungen auf seine Lebensverhältnisse haben kann. Die mit der öffentlichen Brandmarkung als mutmaßlicher Straftäter einhergehende Stigmatisierung kann etwa zum Verlust des Arbeitsplatzes und damit der Lebensgrundlage oder auch zur sozialen Isolation führen. Dies gilt umso mehr, wenn die namentliche Bekanntgabe von hoheitlicher Seite erfolgt, weil solche Verlautbarungen typischerweise eine besondere Gewähr für die Validität der bekannt gegebenen Informationen bieten.

Vor diesem Hintergrund bedürfte es eines die erheblichen Nachteile für die Betroffenen überwiegenden Interesses des Antragstellers an der parlamentarischen Bekanntgabe der Vornamen, um diese verfassungsrechtlich gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Ein solches Interesse ist hier aber nicht erkennbar. Das abstrakte politische Ziel des Antragsstellers, "mögliche Straftäter in gewissen Phänomenbereichen [...] - durch die Vornamensnennung - präziser einem konkreten Milieu zuordnen zu können, um in Bezug auf dieses Milieu zielgerichtete und zweckmäßige Präventions- und Repressionsmaßnahmen diskutieren zu können" (S. 10, dritter Absatz der Antragsschrift) - bzw. Informationen "zur Vervollständigung des Lagebildes" zu erhalten, reicht insoweit jedenfalls nicht aus. Dabei hat der Staatsgerichtshof nicht zu beurteilen, ob und inwieweit das Ansinnen des Antragstellers kriminologisch und juristisch tragfähig bzw. einer sachlichen politischen Debatte dienlich ist. Maßgeblich für die verfassungsrechtliche Beurteilung ist allein, dass der erhebliche Eingriff in die Grundrechte von Beschuldigten in einem Strafverfahren, wie ihn der Antragsteller hier erstrebt, besondere Anforderungen an das Informationsinteresse stellt und daher in aller Regel nicht durch das abstrakte Ziel gerechtfertigt werden kann, ein vermeintlich undurchsichtiges Lagebild zu vervollständigen sowie die gewonnenen Erkenntnisse anschließend gegebenenfalls zur Grundlage eines allgemeinen politischen Diskurses machen zu wollen.

Besondere Bedeutung ist in diesem Zusammenhang dem Umstand beizumessen, dass die zugrundeliegenden Strafverfahren zum Zeitpunkt des Auskunftsbegehrens des Antragstellers noch nicht abgeschlossen waren. Zu Recht hat die Antragsgegnerin insoweit auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 2 Abs. 2 NV) abgeleitete und in Art. 6 Abs. 2 EMRK kodifizierte Unschuldsvermutung abgestellt. Zwar ist diese nicht unmittelbar betroffen, da die öffentliche Bekanntgabe der Namen von ausdrücklich als solchen bezeichneten Tatverdächtigen nicht mit einer staatlichen Vorverurteilung gleichzusetzen ist. Gleichwohl droht hier im Falle der Identifizierung eine mit der Unschuldsvermutung nicht zu vereinbarende Stigmatisierung durch die Öffentlichkeit bzw. das soziale Umfeld der Verdächtigen, da juristische Laien nicht selten geneigt sind, die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens schon mit dem Schuldnachweis gleichzusetzen. Daher gilt, dass die öffentliche namentliche Identifizierung eines Beschuldigten vor seiner strafrechtlichen Verurteilung ohne Vorliegen besonderer Umstände grundsätzlich unzulässig ist (vgl. BGH, Urt. v. 17.3. 1994 - III ZR 15/93 -, NJW 1994, 1950, juris Rn. 26; BVerfG, Urt. v. 5.6.1973 - 1 BvR 536/72 -, BVerfGE 35, 202, juris Rn. 65-67).

Solche besonderen Umstände liegen hier aber nicht vor. Insbesondere stellt das von Art. 24 Abs. 1 NV geschützte Informationsinteresse eines Abgeordneten trotz seines hohen verfassungsrechtlichen Stellenwertes nicht schon als solches, d.h. unabhängig vom Einzelfall, einen derartigen besonderen Umstand dar. Anderenfalls liefe der mit Art. 24 Abs. 3 Satz 1 Var. 3 NV bezweckte und von Art. 3 Satz 2 NV und Art. 1 Abs. 3 GG geforderte Grundrechtsschutz regelmäßig leer. Vielmehr muss maßgeblich sein, ob das parlamentarische Informationsinteresse im Einzelfall von besonders hohem Gewicht ist, etwa weil der verfassungsrechtliche Kontrollauftrag des Landtages gegenüber der vollziehenden Gewalt gemäß Art. 7 Satz 2 NV oder eine die Öffentlichkeit besonders berührende Fragestellung betroffen ist (Nds StGH, Urt. v. 24.3.2020 - StGH 7/19 -, NdsVBl. 2020, 180, juris Rn. 43). Ersteres ist hier schon nach dem Vorbringen des Antragstellers nicht der Fall, und Letzteres ist jedenfalls im Hinblick auf die erfragten Vornamen zu verneinen. Mögen auch die Silvesterereignisse als solche große Resonanz in der Öffentlichkeit erfahren haben, so ist nicht erkennbar, dass und warum die breite Öffentlichkeit ein legitimes Interesse gerade an der namentlichen Kenntnis der Tatverdächtigen haben sollte. Schließlich lässt sich ein besonderer Umstand im Sinne der vorgenannten Grundsätze auch nicht darin erblicken, dass es dem Antragsteller lediglich um die Bekanntgabe der Vornamen der Tatverdächtigen und nicht um ihre vollständige namentliche Identifizierung geht. Angesichts des hier bestehenden hohen Identifizierungsrisikos kommt der Veröffentlichung der Vornamen ein ähnliches Gewicht wie der vollständigen Namensveröffentlichung zu.

b) Auch eine Verletzung der körperlichen Unversehrtheit der Tatverdächtigen infolge ihrer Identifizierung erscheint hinreichend wahrscheinlich. Seit der sog. "Flüchtlingskrise" und den Ereignissen der Kölner Silvesternacht zum Jahreswechsel 2015/2016 ist eine zunehmende gesellschaftliche Polarisierung im Hinblick auf die Migrationsfrage festzustellen, die an den politischen Rändern auch mit einer zunehmenden Radikalisierung und Gewaltbereitschaft einhergeht, wie nicht zuletzt die zahlreichen Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte in den vergangenen Jahren belegen. In diesem aufgeheizten politischen Klima müssen einzelne, namentlich identifizierte Personen, denen Ausschreitungen zur Last gelegt werden, welche von den Medien, aber etwa auch der Partei des Antragstellers explizit mit einem Migrationshintergrund in Verbindung gebracht werden, ernstlich mit Repressalien physischer und psychischer Art rechnen. Dieses reale Risiko von Verletzungen der körperlichen Unversehrtheit lässt sich mit dem lediglich abstrakten Informationsinteresse des Antragstellers ebenfalls nicht rechtfertigen.

c) Im Übrigen liegt kein Widerspruch darin, dass die Antragsgegnerin einerseits auf die Gefahr der richtigen Identifizierung der Tatverdächtigen abstellt und andererseits zugleich das Risiko der Fehlidentifizierung Unbeteiligter anführt. Ihr ist vielmehr zuzugeben, dass die Kombination der unterschiedlichen öffentlich bekannt gewordenen Informationen aus verschiedenen Quellen ebenso das Risiko der Fehlidentifizierung wie dasjenige der zutreffenden Identifizierung eröffnet. Das eine schließt das andere logisch nicht aus. So ist zum Beispiel keineswegs fernliegend, dass in einem der in der Antwort der Antragsgegnerin auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Buschmann genannten Orte zufällig zwei Personen des gleichen Vornamens wohnen, von denen die Strafverfolgungsbehörden aber nur eine der Begehung von Straftaten in der Silvesternacht verdächtigen. Angenommen, beide Personen wären zur fraglichen Zeit in Tatortnähe von zwei unterschiedlichen Beobachtern gesehen worden und jeder der beiden Beobachter kennte jeweils nur eine der beiden Personen, so liegt nahe, dass jeder der beiden Beobachter bei Bekanntwerden des Vornamens den Schluss auf die ihm jeweils bekannte Person ziehen wird, womit einer der beiden Beobachter aber zwangsläufig irrt.

Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen könnte eine widersprüchliche Argumentation in diesem Punkt, der letztlich nur ein Überdies-Argument darstellt, nicht zur Folge haben, dass dem Begehren des Antragstellers auf parlamentarische Beantwortung seiner Kleinen Anfrage entsprochen werden müsste. Denn selbst wenn die Gefahr der Fehlidentifizierung Unbeteiligter nicht bestünde - was indes der Fall ist -, bliebe die Gefahr der zutreffenden Identifizierung der Tatverdächtigen und damit die verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigende Verletzung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung bzw. auf körperliche Unversehrtheit bestehen. Hiervor hat die Antragsgegnerin die Tatverdächtigen jedoch mit Blick auf ihre Grundrechtsbindung gemäß Art. 3 Abs. 2 NV und Art. 1 Abs. 3 GG gerade zu schützen.

d) Die Verhältnismäßigkeit des mit der parlamentarischen Bekanntgabe der Vornamen verbundenen Eingriffs in die Grundrechte der Tatverdächtigen bzw. unbeteiligter Dritter hätte vorliegend auch nicht durch eine Beantwortung der Kleinen Anfrage in einer vertraulichen Sitzung des Innenausschusses gewährleistet werden können, wie sie dem Antragsteller ausweislich seines Vorbringens in der mündlichen Verhandlung hilfsweise vorschwebte. Auch eine Unterrichtung in solch vertraulicher Form wäre in diesem konkreten Fall wegen des besonders sensiblen Kontextes - namentlich der laufenden strafrechtlichen Ermittlungen - für die Betroffenen nicht zumutbar gewesen. Denn es gab vorliegend nur wenige Tatverdächtige, eine enge zeitliche Eingrenzung auf wenige Stunden, eine enge Eingrenzung auf wenige Orte, eine detailreiche Berichterstattung in den Medien sowie die Möglichkeit der Zusammenschau mit der Antwort der Antragsgegnerin auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Buschmann.

aa) Festzuhalten ist dabei zunächst, dass eine Identifizierungsgefahr - anders als der Antragsteller meint - auch im Falle einer vertraulichen Unterrichtung bestanden hätte. Allein eine Begrenzung des zu unterrichtenden Personenkreises ändert nichts daran, dass jedenfalls für diesen, gegebenenfalls unter Inanspruchnahme technischer Hilfsmittel, eine Zusammensetzung der unterschiedlichen, aus verschiedenen Quellen stammenden Informationen bis hin zu einem - und sei es auch nur vermeintlich - stimmigen Ganzen in Bezug auf konkrete Personen möglich gewesen wäre.

bb) Selbst wenn man aber unterstellt, dass der Antragsteller einen Weg gefunden hätte, die ihm anvertrauten Informationen ohne Verletzung der Vertraulichkeit zu nutzen, so bleibt zu berücksichtigen, dass es sich bei den erfragten Vornamen von Tatverdächtigen teils erheblicher Straftaten um Informationen höchst sensibler Natur handelte, bei denen schon die vertrauliche Weitergabe an einen begrenzten Personenkreis jedenfalls zum Zeitpunkt des Auskunftsverlangens grundsätzlich unzulässig gewesen wäre. Denn die Ermittlungen befanden sich zu jenem Zeitpunkt noch vor Erhebung der öffentlichen Anklage. In diesem frühen Stadium, in dem noch kein für die Anklageerhebung hinreichender Tatverdacht besteht, gebührt den Beschuldigten mit Blick auf die Unschuldsvermutung indes besonderer Schutz (vgl. auch OVG Münster, Beschl. v. 4.2.2021 - 4 B 1380/20 -, NWVBl. 2021, 258, juris Rn. 46, 52).

Dies hat seinen einfach- und bundesgesetzlichen Niederschlag in § 353d Abs. 1 Nr. 3 StGB gefunden. Danach macht sich - wohlgemerkt ohne Rücksicht auf eine bereits erfolgte Anklageerhebung - strafbar, wer die Anklageschrift oder andere amtliche Dokumente eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist. Dies kann nach verbreiteter Auffassung unter bestimmten Voraussetzungen selbst für die Verlesung der vorgenannten amtlichen Dokumente im Rahmen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses gelten (zum Meinungsstand vgl. Puschke, in: Erb/Schäfer, Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2022, § 353d StGB Rn. 77), sodass sich der Anwendungsbereich der Vorschrift grundsätzlich auch auf den parlamentarischen Raum erstreckt.

Die Strafvorschrift soll in erster Linie verhindern, dass Beteiligte an Verfahren, die straf- oder disziplinarrechtlicher Aufklärung und Ahndung dienen, insbesondere Laienrichter und Zeugen, durch die vorzeitige Veröffentlichung amtlicher Schriftstücke in ihrer Unbefangenheit beeinträchtigt werden (BVerfG, Beschl. v. 27.6.2014 - 2 BvR 429/12 -, NJW 2014, 2077, juris Rn. 26; BT-Drs. 7/550, S. 282 f.). Der durch eine vorweggenommene öffentliche Diskussion amtlichen Prozessmaterials - oft verbunden mit einseitigen Stellungnahmen oder gar unmittelbar auf Einflussnahme angelegten Wertungen - drohenden Voreingenommenheit und den darin liegenden Gefahren für die Wahrheitsfindung und für ein gerechtes Urteil soll entgegengetreten werden (BVerfG, Beschl. v. 27.6.2014 - 2 BvR 429/12 -, NJW 2014, 2077, juris Rn. 26). Neben der Ermittlung des wahren Sachverhaltes, der Gewährleistung der gerichtlichen Neutralität und der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege dient die Norm dabei aber auch und gerade dem Schutz der Persönlichkeitsrechte des Beschuldigten und der Aufrechterhaltung der bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu seinen Gunsten bestehenden Unschuldsvermutung (BVerfG, Beschl. v. 27.6.2014 - 2 BvR 429/12 -, NJW 2014, 2077, juris Rn. 27).

Der Staatsgerichtshof verkennt dabei weder, dass § 353d Abs. 1 Nr. 3 StGB nur die - hier nicht in Rede stehende - Veröffentlichung amtlicher Dokumente im Wortlaut unter Strafe stellt, noch, dass sich die rechtlichen Maßstäbe für die Beurteilung der hier zu überprüfenden Auskunftsverweigerung nicht aus dem einfachen Bundesrecht ergeben können, sondern Art. 24 Abs. 3 NV zu entnehmen sind. Die in § 353d Abs. 1 Nr. 3 StGB zum Ausdruck kommenden rechtlichen Wertungen sind jedoch als Ausfluss der über Art. 3 Abs. 2 NV auch für die Verfassungsorgane des Landes Niedersachsen uneingeschränkt und unmittelbar geltenden Grundrechte zu berücksichtigen, ohne dass es hierbei auf eine völlige Identität mit dem unter Strafe gestellten Sachverhalt ankäme. Maßgeblich ist vielmehr, dass derselbe situative Kontext gegeben ist und dass die in § 353d Abs. 1 Nr. 3 StGB eingeflossenen grundrechtlichen Wertmaßstäbe insoweit einen besonderen Schutz von Beschuldigtenrechten gebieten, erst recht im Stadium vor Anklageerhebung, in dem es an einer Erhärtung des Tatverdachtes im Sinne einer überwiegenden Verurteilungswahrscheinlichkeit noch fehlt.

Daher wird in aller Regel bis zur zeitlichen Grenze des § 353d Abs. 1 Nr. 3 StGB, jedenfalls aber vor Anklageerhebung, auch eine vertrauliche Unterrichtung über die Namen von Tatverdächtigen im parlamentarischen Raum nur ganz ausnahmsweise in Betracht kommen. Besondere Umstände, die eine solche Ausnahme hier rechtfertigen würden, sind jedoch nicht ersichtlich. Allein die öffentliche Aufmerksamkeit, welche die Silvesterereignisse auf sich gezogen haben, reicht hierfür nicht aus.

3. Die Begründung der Antragsgegnerin für ihre Weigerung, die erfragten Vornamen bekanntzugeben, genügt auch den Anforderungen des Art. 24 Abs. 3 Satz 2 NV. Die Antragsgegnerin hat die kollidierenden schutzwürdigen Interessen Dritter hinreichend deutlich bezeichnet, im Einzelnen gewichtet und nachvollziehbar erläutert, warum diesen der Vorrang vor dem Informationsinteresse des Antragstellers einzuräumen ist.

a) Dies gilt nicht nur für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, sondern auch mit Blick auf das Recht auf körperliche Unversehrtheit, auch wenn dieses in der Begründung der Antragsgegnerin nicht explizit und unter Angabe der entsprechenden Verfassungsnormen benannt ist. Einer derartigen ausdrücklichen Bezeichnung des verletzten Interesses unter Zitierung der zugrunde liegenden Normen bedarf es im Lichte des Art. 24 Abs. 3 Satz 2 NV dann nicht, wenn - was hier wie bereits ausgeführt der Fall ist - die kollidierende grundrechtlich geschützte Position der Sache nach eindeutig umschrieben ist. Denn Sinn und Zweck des Art. 24 Abs. 3 Satz 2 NV ist es nicht, formalistische Hürden für eine verfassungsmäßige Auskunftsverweigerung zu errichten, sondern vielmehr, die dieser zugrundeliegenden Abwägung für die Auskunft begehrenden Abgeordneten inhaltlich überprüfbar zu machen (vgl. NdsStGH, Urt. v. 24.10.2014 - StGH 7/13 -, Nds. StGHE 5, 181, juris Rn. 71). Die inhaltliche Überprüfbarkeit ist auf Basis der vorliegenden Begründung der Antragsgegnerin auch im Hinblick auf das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit uneingeschränkt gegeben.

b) Die von der Antragsgegnerin gegebene Begründung legt dar, dass den betroffenen Tatverdächtigen, aber möglicherweise auch unbeteiligten Dritten im Falle ihrer (ggf. fälschlichen) Identifizierung infolge der parlamentarischen Bekanntgabe der Vornamen Repressalien drohten, etwa Mobbing, Beleidigungen oder Angriffe auf die Person. Auch stellt die Begründung auf die Gefahr der Beeinträchtigung laufender Ermittlungsverfahren und einer der Unschuldsvermutung zuwiderlaufenden Vorverurteilung durch die Öffentlichkeit ab. Die Ausführungen der Antragsgegnerin sind zwar knapp gehalten, gehen aber über eine rein formelhafte und schematische Begründung hinaus, indem sie die aus ihrer Sicht der Antwort entgegenstehenden schutzwürdigen Rechte Dritter und den konkreten Konflikt beschreiben. Dies gilt auch für die Verweigerung einer Beantwortung unter Anwendung von Geheimschutzmaßnahmen. Die Antragsgegnerin hat sich insofern zutreffend und nachvollziehbar darauf berufen, dass selbst eine vertrauliche Unterrichtung hier angesichts der Umstände und vor dem Hintergrund der Unschuldsvermutung in besonderer Weise in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Tatverdächtigen eingriffe und daher ausscheiden muss.

D.

Das Verfahren vor dem Staatsgerichtshof ist gemäß § 21 Abs. 1 NStGHG kostenfrei. Auslagen werden gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 NStGHG nicht erstattet.

Mestwerdt
van Hove
Kaiser
Butzer
Veen
Huss
Bornemann
Otte
Berghaus