Staatsgerichtshof Niedersachsen
Beschl. v. 16.01.2024, Az.: StGH 12/23
Begründung der Anträge im Wahlprüfungsverfahren
Bibliographie
- Gericht
- StGH Niedersachsen
- Datum
- 16.01.2024
- Aktenzeichen
- StGH 12/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2024, 12023
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
- § 23 Abs. 1 S. 2 BVerfGG
Fundstelle
- NordÖR 2024, 163-164
Amtlicher Leitsatz
Im Wahlprüfungsverfahren sind Anträge, die das Verfahren einleiten, gemäß § 12 Abs. 1 NStGHG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG zu begründen. Erforderlich ist, dass ein Wahlfehler substantiiert dargelegt und erläutert wird, inwiefern dieser die Mandatsverteilung beeinflussen kann. Zur erforderlichen Begründung einer Wahlprüfungsbeschwerde gehört ferner eine Auseinandersetzung mit den Gründen der vorzulegenden oder zumindest ihrem wesentlichen Inhalt nach wiederzugebenden angegriffenen Entscheidung des Landtags, und zwar sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht.
In dem Wahlprüfungsverfahren
des A
- Beschwerdeführer -
wegen Gültigkeit der Wahl zum Niedersächsischen Landtag am 9. Oktober 2022 (19. Wahlperiode)
hat der Niedersächsische Staatsgerichtshof ohne mündliche Verhandlung am 16. Januar 2024 unter Mitwirkung
des Präsidenten Mestwerdt
sowie der Richterinnen und Richter van Hove,
Kaiser,
Butzer,
Veen,
Huss,
Bornemann,
Otte,
Berghaus
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Niedersächsischen Landtags vom 14. September 2023 wird verworfen.
Gründe
A.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Beschluss des Niedersächsischen Landtags vom 14. September 2023, mit dem sein Einspruch gegen die Wahl zum Niedersächsischen Landtag am 9. Oktober 2022 zurückgewiesen und die Gültigkeit der Wahl festgestellt worden ist.
Der Beschwerdeführer kandidierte erfolglos als Einzelbewerber für ein Direktmandat im Wahlkreis 51 (Seevetal). Im Nachgang erhob er Einspruch gegen die Landtagswahl, den er im Wesentlichen wie folgt begründete: In der Lokalzeitung "Wochenblatt Nordheide/Buxtehuder Tageblatt" seien im Vorfeld der Wahl für den Wahlkreis 51 zunächst nur acht der neun Kandidaten für die Landtagswahl vorgestellt worden. Er selbst habe bei der Vorstellung gefehlt. Dann habe sich "ein Mitglied der Verwaltung des Landkreises Harburg auf höherer Ebene" eingeschaltet und sich mit dem Zeitungsverlag auf eine (weitere) Vorstellung aller Kandidaten geeinigt. Das sei auch erfolgt, aber nicht im für ihn wichtigsten Gebiet in Neu Wulmstorf, wo das "Buxtehuder Tageblatt" erscheine. Daraus resultiere ein mandatsrelevanter Wahlfehler, weil der Landkreis Harburg die vollständige Vorstellung aller Kandidaten habe durchsetzen müssen.
Mit Beschluss vom 14. September 2023 hat der Niedersächsische Landtag den Einspruch zurückgewiesen und die Gültigkeit der Wahl festgestellt. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Berichterstattung des Wochenblattes wende, sei ein Wahlfehler weder substantiiert dargelegt noch sonst erkennbar. Private Printmedien wie das Wochenblatt nähmen keine gesetzlichen Aufgaben bei der Organisation von Wahlen wahr. Sie seien nicht an wahlgesetzliche Anforderungen gebunden. Aus der fehlenden Vorstellung des Beschwerdeführers könne sich deswegen kein Wahlfehler ergeben. Substantiierte Anhaltspunkte für eine Absprache zwischen dem Landkreis Harburg und dem Zeitungsverlag seien nicht ersichtlich. Der Landkreis sei auch weder berechtigt noch verpflichtet gewesen, auf die freie Presseberichterstattung Einfluss zu nehmen und gegenüber dem Wochenblatt Veröffentlichungen zugunsten bestimmter Wahlbewerber durchzusetzen.
Mit seiner Wahlprüfungsbeschwerde trägt der Beschwerdeführer vor, aus dem von ihm vorgelegten Schriftverkehr ergebe sich, dass bei der Wahlvorbereitung zunächst ein Fehler unterlaufen und dann "bereinigt" worden sei. Es habe eine Absprache gegeben. Der Landkreis Harburg sei verpflichtet gewesen, die Kandidatenliste vollständig mitzuteilen. Das Auslassen eines Kandidaten stelle eine Benachteiligung und eine staatliche Wahlbeeinflussung dar, die auch mandatsrelevant gewesen sei.
B.
I.
Die Beschwerde ist unzulässig.
Die Beschwerde entspricht nicht den formellen Anforderungen des § 12 Abs. 1 des Gesetzes über den Niedersächsischen Staatsgerichtshof - NStGHG - vom 1. Juli 1996 (Nds. GVBl. S. 342), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Juni 2022 (Nds. GVBl. S. 424), in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl. I S. 1473), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1724). Danach sind Anträge, die das Verfahren einleiten, zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben. Nach dieser für alle Verfahrensarten und damit auch für das Wahlprüfungsverfahren geltenden Vorschrift ist ein Wahlfehler substantiiert darzulegen und zu erläutern, inwiefern dieser die Mandatsverteilung beeinflussen kann. Zur erforderlichen Begründung einer Wahlprüfungsbeschwerde gehört ferner eine Auseinandersetzung mit den Gründen der vorzulegenden oder zumindest ihrem wesentlichen Inhalt nach wiederzugebenden angegriffenen Entscheidung des Landtags, und zwar sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht (vgl. zuletzt BVerfG, Beschl. v. 19.9.2023 - 2 BvC 5/23 -, juris Rn. 45 f. m.w.N. zum Wahlprüfungsverfahren auf Bundesebene).
Nach diesen Maßgaben ist die Beschwerde unzulässig, weil es einer substantiierten Darlegung eines Wahlfehlers mangelt. Wie der Niedersächsischen Landtag zu Recht ausgeführt hat, war der Kreiswahlleiter des Landkreises Harburg weder berechtigt noch verpflichtet, eine alle Kandidatinnen und Kandidaten gleichermaßen berücksichtigende Presseberichterstattung durchzusetzen, und zwar auch dann nicht, wenn ein bestimmtes Printmedium - wie der Beschwerdeführer meint - über eine Monopolstellung verfügte. Selbst wenn es sich bei der zunächst fehlenden Berichterstattung über den Beschwerdeführer um ein Versehen gehandelt und ein Mitarbeiter des Landkreises auf eine Korrektur gedrungen haben sollte, folgte daraus, dass die Korrektur unvollständig erfolgt ist, in Ermangelung einer entsprechenden staatlichen Gewährleistungspflicht kein Wahlfehler. Die Beschwerde führt keine Gesichtspunkte an, die eine andere Betrachtung rechtfertigen könnten.
Soweit der Beschwerdeführer erstmals im verfassungsgerichtlichen Verfahren vorträgt, der Landkreis Harburg habe es pflichtwidrig unterlassen, dem Wochenblatt die vollständige, auch ihn selbst umfassende Kandidatenliste zu übermitteln, fehlt für die Richtigkeit dieser Behauptung jeder tatsächliche Anhaltspunkt. Weder benennt er Zeugen für diese gravierende Anschuldigung, noch legt er schriftliche Unterlagen vor, die auch nur die Möglichkeit des behaupteten Verstoßes aufzeigen. Bloße Andeutungen und Vermutungen, über die sein Vorbringen nicht hinausgeht, genügen den Anforderungen des § 12 Abs. 1 NStGHG in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG nicht.
Die danach unzulässige Beschwerde wird gemäß § 12 Abs. 1 NStGHG in Verbindung mit § 24 Satz 1 BVerfGG ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss des Staatsgerichtshofs verworfen.
II.
Das Verfahren vor dem Staatsgerichtshof ist gemäß § 21 Abs. 1 NStGHG kostenfrei. Auslagen werden gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 NStGHG nicht erstattet.