Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 01.03.2002, Az.: 4 W 24/02
Gemeinsame Verfügungen eines befreiten Vorerben und eines Testamentsvollstreckers zum Nachteil des Erben; Zustimmungserfordernis des Vermächtnisnehmers; Einschränkung der Verfügungsfreiheit des Vorerben durch ein notarielles Testament
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 01.03.2002
- Aktenzeichen
- 4 W 24/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 20068
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2002:0301.4W24.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Stade 9 T 215/01
Rechtsgrundlagen
- § 53 GBO
- § 2205 BGB
- § 2211 BGB
- § 2212 BGB
Fundstelle
- EzFamR aktuell 2002, 304
Amtlicher Leitsatz
Es besteht auch ein Zustimmungserfordernis des Vermächtnisnehmers, wenn befreiter Vorerbe und Testamentsvollstrecker zu seinem Nachteil unentgeltlich und abweichend vom Testament verfügen.
Tenor:
Die weitere Beschwerde des Eigentümers wird auf seine Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Amtswiderspruch zu Gunsten der Antragstellerin einzutragen ist.
Gründe
I.
Die gemäß § 78 Satz 1 GBO von dem Verfahrensbevollmächtigten für den Eigentümer eingelegte weitere Beschwerde ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da die angefochtene Entscheidung des Landgerichts Rechtsfehler nicht erkennen lässt.
Nach § 78 GBO ist in dem Verfahren über die weitere Beschwerde die Entscheidung des Beschwerdegerichts nur darauf zu prüfen, ob sie auf einer Verletzung des Gesetzes beruht. Dies wird zwar von dem Eigentümer vertreten, vermag der Senat indes aber nicht festzustellen.
Im Einzelnen:
Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass gemäß § 53 GBO ein Amtswiderspruch gegen die Eintragung von H####### als Eigentümer des im Betreff genannten Grundstückes im Grundbuch einzutragen war, da der notarielle Übertragungsvertrag vom 17. Oktober 1975 zu UR-Nr. 1815/75 des Notars ####### unwirksam ist.
Insoweit war der Beschluss des Landgerichts gemäß § 53 GBO nur dahin gehend zu vervollständigen bzw. klarzustellen, dass als Berechtigte des Amtswiderspruchs die Antragstellerin einzutragen ist (vgl. Demharter, GBO, 23. Aufl. , § 53 RdNr. 33), worauf das Amtsgericht mit Verfügung vom 23. Januar 2002 (Bl. 33 d. A. ) bereits zu Recht hingewiesen hat.
Zutreffend hat die Kammer dargelegt, dass das Grundbuch vorliegend unrichtig ist, da die Eigentumsübertragung aus dem notariellen Übertragungsvertrag vom 17. Oktober 1975 mangels Zustimmung der Antragstellerin unwirksam ist.
In dem notariellen Testament vom 4. Februar 1969 (Bl. 18 f. d. A. ) sieht III. 3. vor, dass nach dem Tode des Vorerben (H#######) noch aus dem Nachlass des Erblassers H####### vorhandener Grundbesitz - außer dem zu Ziffern 1 und 2 - dieser zwischen dem Nacherben R#######, dessen Mutter und den Geschwistern zu gleichen Teilen aufgeteilt werden sollte. Ferner hat der Erblasser den Makler S####### zu seinem Testamentsvollstrecker eingesetzt, der den letzten Willen des Testierenden ausführen sollte.
In Abänderung dieses Testamentes ist mit dem Vertrag vom 17. Oktober 1975 zwischen dem befreiten Vorerben H#######, seinem Sohn und Nacherben R####### und dem Testamentsvollstrecker das nämliche Grundstück von dem Vorerben auf den Nacherben unentgeltlich übertragen worden.
Diese Übertragung ist jedoch unwirksam, da für die Wirksamkeit die Zustimmung der Antragstellerin und Vermächtnisnehmerin fehlt.
Zwar kann gemäß § 2112 BGB der Vorerbe grundsätzlich über die zur Erbschaft gehörenden Gegenstände verfügen, soweit sich nicht aus den Vorschriften der §§ 2113 - 2115 BGB etwas anderes ergibt. So ist zwar gemäß § 2113 Abs. 1 BGB eine Verfügung über ein Grundstück durch einen Vorerben insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde. Dies steht indes vorliegend nicht entgegen, da der Nacherbe ausdrücklich der Übertragung zugestimmt hat.
Die Verfügungsfreiheit des Vorerben ist vorliegend aber durch das notarielle Testament insoweit eingeschränkt worden, als der Erblasser einen Testamentsvollstrecker zur Ausführung seines letzten Willens eingesetzt hat, wozu auch die Aufteilung noch vorhandenen Grundbesitzes aus dem Nachlass nach dem Tod des Vorerben auch zu Gunsten der Antragstellerin als Vermächtnisnehmerin gehört.
Zwar kann ein befreiter Vorerbe als Eigentümer des Nachlasses grundsätzlich über die Nachlassgegenstände auch zu Lebzeiten verfügen. Durch die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers ist der Erbe aber gemäß § 2211 BGB in der Verfügungsbefugnis beschränkt worden, wobei auch bei - wie vorliegend - befreiter Vorerbschaft dann das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Testamentsvollstreckers grundsätzlich das des Vorerben verdrängt (vgl. BayObLG 59, 128; Palandt/Edenhofer, BGB, 61. Aufl. , § 2112 RdNr. 1).
Zwar haben vorliegend der befreite Vorerbe und der Testamentsvollstrecker übereinstimmend verfügt.
Zu Recht hat aber die Kammer auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH NJW 1991, 2264 f [VGH Hessen 13.03.1991 - 1 UE 3464/88]; Palandt a. a. O. , § 2205, RdNr. 32) hingewiesen, wonach die unentgeltliche Verfügung eines Testamentsvollstreckers über Nachlassgegenstände nur dann gemäß § 2205 BGB wirksam ist, wenn Vor- und Nacherbe und Vermächtnisnehmer zustimmen, woran es vorliegend gerade fehlt, da die Antragstellerin nicht zugestimmt hat. Es liegt auch keine Pflicht- oder Anstandsschenkung vor, für die eine Ausnahme von dem Zustimmungserfordernis gilt. Da die Zustimmung der Vermächtnisnehmerin und der Antragstellerin zu dem Übertragungsvertrag vom 17. Oktober 1975 indes fehlt, ist die unentgeltliche Verfügung des Testamentsvollstreckers schwebend unwirksam (vgl. Palandt a. a. O. , RdNr. 35). Sie könnte nur wirksam werden, wenn ihr sämtliche Personen, zu deren Schutz das Verfügungsverbot besteht, also die Erben und Vermächtnisnehmer, wenn das Vermächtnis noch nicht erfüllt ist (vgl. BGHZ 57, 84; BayObLG 86, 208), zustimmen. Die Antragstellerin hat aber ihre Zustimmung ausdrücklich verweigert, sodass der Übertragungsvertrag endgültig unwirksam ist.
Soweit der Eigentümer mit der weiteren Beschwerde einwendet, dass vorliegend nicht der Testamentsvollstrecker, sondern der befreite Vorerbe über das Grundstück verfügt habe und deshalb der Sachverhalt mit dem von dem Bundesgerichtshof entschiedenen nicht vergleichbar sei, trifft dies nicht zu.
Auch vorliegend war - wie dargelegt - vom Erblasser ein Testamentsvollstrecker eingesetzt, weshalb der Vorerbe in seiner Verfügungsbefugnis beschränkt und die Beteiligung des Testamentsvollstreckers an dem Übertragungsvertrag erforderlich war. Ein Unterschied zu der Fallkonstellation, in der der Testamentsvollstrecker die Verfügung selbst vornimmt, lässt sich mithin für den Senat nicht feststellen. Vielmehr ist der Vermächtnisnehmer mit der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gegenüber unentgeltlichen Verfügungen des Testamentsvollstreckers geschützt, gleichgültig, ob sie von diesem selbst oder mit dessen Zustimmung vorgenommen werden.
II.
Die weitere Beschwerde war daher mit der Kostenentscheidung aus § 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO zurückzuweisen .
Streitwertbeschluss:
Beschwerdewert: 2.556,46 EUR.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 KostO und orientiert sich an dem in dem notariellen Übertragungsvertrag vom 17. Oktober 1975 angegebenen Verkehrswert des übertragenen Grundstücks mit ca. 5000 DM, was den festgesetzten 2.556,46 EUR entspricht.