Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 05.10.2005, Az.: 6 A 1046/05
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 05.10.2005
- Aktenzeichen
- 6 A 1046/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 43243
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2005:1005.6A1046.05.0A
Amtlicher Leitsatz
- 1.
1.) Ein unverfolgt ausgereister Angehöriger der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft unterliegt nach wie vor nicht der beachtlichen Gefahr einer Gruppenverfolgung im Fall seiner Rückkehr nach Pakistan.
- 2.
2.) Aus Art. 10 Abs. 1 lit. b der Richtlinie des Rates vom 29. April 2004 (Qualifikationsrichtlinie), die keine Vorwirkung enfaltet, ergibt sich im Hinblick auf den Schutz der Religionsfreiheit nichts anderes.
Tatbestand
Der Kläger ist pakistanischer Staatsangehöriger und gehört zur Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya. Er reiste am 4. Juli 1999 auf dem direkten Luftweg mit einem Visum der Deutschen Botschaft in Islamabad in das Bundesgebiet ein, das ihm zur Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit der deutschen Staatsangehörigen pakistanischer Abstammung .......erteilt worden war, mit der er am 14. September 1996 in Rabwah/Pakistan eine Fernehe geschlossen hatte. Nachdem sich infolge behördlicher Zweifel am Vorliegen einer echten ehelichen Lebensgemeinschaft abzeichnete, dass die ihm zwischenzeitlich erteilten befristeten Aufenthaltserlaubnisse nicht verlängert würden und er zur Ausreise in sein Heimatland aufgefordert worden war, beantragte er am 31. Mai 2001 seine Anerkennung als Asylberechtigter.
Anlässlich seiner Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) am 8. Juni 2001 gab er im Wesentlichen an, er sei nicht nur in das Bundesgebiet gekommen, um seine Ehe hier zu führen, sondern auch weil er als Ahmadi nur eingeschränkte Recht ein Pakistan habe. Nach dem Abschluss der 10. Klasse im Jahre 1990 habe er als Pkw-Fahrer gearbeitet. Einen Beruf habe er nicht erlernt. Den Wehrdienst habe er nicht geleistet. Als Ahmadi seien seine Rechte in Pakistan stark eingeschränkt. Sie könnten ihre Religion nicht so ausüben bzw. nicht so praktizieren, wie sie das gerne möchten. Auch die Möglichkeiten, einen Beruf bzw. ein Gewerbe auszuüben, seien eingeschränkt. Die Familie seiner Ehefrau seien entfernte Verwandte von ihm. Die Familien hätten zunächst vorgehabt, seine Ehefrau mit seinem jüngeren Bruder zu verheiraten. Schließlich habe aber der Onkel seiner Frau ihn - den Kläger - als Ehemann bestimmt. Die Ehe sei in Abwesenheit seiner Ehefrau geschlossen und auch später in Deutschland nicht vollzogen worden. Es habe Probleme mit seiner Frau und seinen Schwiegereltern gegeben. Seine Frau sei im Krankenhaus gewesen. Die Schwiegereltern hätten ihn ständig erniedrigt und beleidigt sowie jeglichen ungestörten Kontakt mit seiner Ehefrau unterbunden. Es hätte sie auch gestört, dass er Kontakt zu seinen in dem Bundesgebiet lebenden Tanten habe aufnehmen wollen. Nachdem seine Schwiegereltern gegenüber der Ausländerbehörde erklärt hätten, dass er und seine Frau praktisch getrennt lebten, habe er einen Scheidungsantrag gestellt. Im Hinblick auf das ehebedingte Aufenthaltsrecht habe er zuvor davon abgesehen, Asyl wegen seiner Probleme als Ahmadi zu beantragten. Als er noch jung gewesen sei, sei ihre Moschee besetzt worden. Das Grundstück eines Verwandten im Dorf sei vom dort lebenden Mullah und deren Anhängern zu Unrecht besetzt worden. Er habe im Dorf missioniert: Er habe die Vorträge ihres Kalifen in London, die sie über die Empfangsanlage erhalten hätte, übersetzt und weiter gegeben. Ihre Gemeinschaft befürworte, dass solche Sachen unter Freunden verbreitet würden. 1998 hätten die Mullahs deswegen Drohungen gegen sie ausgestoßen und die Leute gegen sie aufgehetzt. Sie hätten sie gezwungen, ihr Dorf zu verlassen. Zwei Zeitungsartikel belegten, dass Ahmadis in Pakistan verfolgt und umgebracht würden. Noch vor seiner Ausreise sei sein zweitjüngster Bruder in Pakistan überfallen und verletzt worden. Daraufhin hätten sie Anzeige bei der Polizei erstattet. Die Polizei habe nichts gegen die Angezeigten unternommen, sondern auf deren Anzeige hin gegen sie ermittelt. Die Polizei habe sich unter deren Einfluss gestellt. Daraufhin hätten sie gegen die Polizei eine Anzeige erstattet. Dies erschließe sich aus den in englischer Übersetzung überreichten Dokumenten (Anzeige des ...... vom 8. Juni 1999 bei der Polizeistation Saddar Gojra [Blatt 59 der Beiakte A], Beschwerdeschrift des ...... vom 13. Oktober 1999 an das Gericht von Gojra [Blatt 56 der Beiakte A] sowie Schriftsatz des pakistanischen Anwalts M.S. ...... vom 15. Mai 2001 mit Erläuterungen und Warnungen an den Kläger [Blatt 60 der Beiakte A]). Sein Bruder habe die Arbeitsstelle aufgegeben und sei in einen anderen Teil Pakistans gezogen. Er - der Kläger - befürchte als Blutsverwandter ähnliche Probleme im Falle einer Rückkehr.
Am 7. April 2002 schloss der Kläger im Wege der Fernheirat durch Stellvertreter die Ehe mit der Klägerin des Verfahrens 6 A 4284/04 .......
Im Laufe des Verfahrens reichte der Kläger weitere Dokumente aus Pakistan nach. Im Schriftsatz des pakistanischen Anwalts M.S. ..... vom 16. März 2002 wird ausgeführt, dass der vom Bruder des Klägers beschuldigte ...... sich mit der anliegenden Klage vom 1. Juli 1999 gegen den Kläger, seine Brüder ..... und .... sowie seinen Vater ..... an das Gericht von Gojra gewandt habe, die dort am 3. Juli 2001 eingegangen sei (Blatt 96 und 110 der Beiakte A). Darin beschuldigt der Anzeigende den Kläger, seine Brüder und den Vater, ihn am 7. Juni 1999 um 7.30 Uhr in Reaktion auf seine Verwarnung und das Verbot vom Vortrag, .... möge weitere Belästigungen der Leute aus dem Dorf unterlassen, geschlagen und misshandelt zu haben. In dem weiteren Schriftsatz vom 6. Dezember 2004 (Blatt 130 der Beiakte A) warnt der pakistanische Anwalt M.S. ..... vor einer Rückkehr, zumal dessen Cousin ...... durch Beschluss des leitenden Bezirksbeamten (Finanzen), ....., vom 3. November 2004 (Blatt 139 der Beiakte A) das Amt des Dorfbürgermeisters in Chak Nr. 62/M.L. entzogen worden sei. Der Amtsentzug sei sachlich nicht gerechtfertigt und belege die religiöse Diskriminierung der Ahmadis. In die Entscheidung des leitenden Bezirksbeamten heißt es u. a., der Cousin des Klägers, gegen den ein Gerichtsverfahren laufe, sei Ahmadi und die Mehrheit der moslemischen Dorfbevölkerung lehne dessen Verhalten ab bzw. stehe diesem mit Skepsis gegenüber. Folglich sei der anderslautende Beschluss des Bezirksbeamten (Finanzen) von Bhakkar vom 7. Februar 2002 auf den Einspruch hin aufzuheben. Die Ausführungen des pakistanischen Anwaltes M.S. ..... in dessen Schriftsatz vom 26. August 2004 (Bl. 66 der Beiakte A) sowie dessen Schriftsätze (Antrag des Vaters des Klägers vom 15. April 2004 an den Bezirkssekretär (Finanzamt) in Toba Tek Singh [Bl. 70 der Beiakte A], Antrag des Vaters des Klägers an den stellvertretenden Bezirkssekretär (Finanzamt) in Gojra vom 31. Mai 2004 [Bl. 80 der Beiakte A]) belegten seit April 2004 unrechtmäßige Zugriffe des muslimischen Nachbarn ...... und dessen Sohn ....... auf das Ladengrundstück Nr. 10 seines Vaters ...... und die Schwierigkeiten, sich hiergegen rechtlich bei pakistanischen Behörden zu wehren.
Das Bundesamt lehnte den Asylantrag des Klägers mit am 8. März 2005 zugestellten Bescheid vom 18. Februar 2005 und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG nicht vorliegen. Zudem drohte es ihm unter Ausreiseaufforderung und Fristsetzung die Abschiebung nach Pakistan an.
Der Kläger hat am 10. März 2005 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Als Angehöriger der Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya unterliege er einer Gruppenverfolgung in Pakistan. Das pakistanische Regime schränke die Möglichkeiten zur Religionsausübung ein. Es gewähre den Ahmadis auch keinen wirksamen Schutz gegen Übergriffe von nicht-staatlichen Akteuren. In diesem Zusammenhang seien die Vorgaben der sog. Qualifikationsrichtlinie zu berücksichtigen, nach denen sich eine Ausgrenzung nicht-staatlicher Verfolgung aus dem Schutzbereich des § 60 Abs. 1 AufenthG verbiete. Nach Art. 10 Abs. 1 lit. b der Qualifikationsrichtlinie sei auch die Rechtsprechung zum ausschließlichen Schutz des "religiösen Existenzminimums" überholt. Folglich erhalte die im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11. März 2005 dokumentierte pakistanische Gesetzgebung ein besonderes Gewicht, die den Ahmadis praktisch verbiete, ihre Religion öffentlich auszuüben. Ahmadis dürften nicht wie andere muslimische Gruppen zum Gebet rufen, dürften ihre Moscheen nicht "Moschee" nennen und müssten außerhalb ihrer Häuser jede Tätigkeit unterlassen, die auf ihr Selbstverständnis als Muslime schließen lassen könnte. § 298 c des pakistanischen Strafgesetzbuches - PPC - verbiete Nicht-Muslimen, sich als Muslime zu bezeichnen oder sich wie Muslime zu verhalten. Derzeit seien über 1000 Strafverfahren gegen Ahmadis nach dieser Vorschrift anhängig. Die Gesetzeslage werde dazu ausgenutzt, Ahmadis aus den verschiedensten (unlauteren) Motiven unter Druck zu setzen (Bericht der FIDH "In Mala Fide" Nr. 408/2 vom Januar 2005, Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe "Pakistan: Menschenrechte und Gefährdungslage" vom 6. September 2004). Mullahs predigten weiterhin in den Moscheen gegen die Ahmadis, riefen zum sozialen Boykott und zu Übergriffen auf. Gelegentlich verlören Ahmadis ihre Arbeitsstelle, sobald ihre Glaubenszugehörigkeit bekannt werde. Die Zahl der Übergriffe und Mordfälle im Jahr 2003 sei gegenüber 2002 erheblich angestiegen. Den Ahmadis sei es verboten worden, in ihrem Zentrum Rabwah religiöse Veranstaltungen durchzuführen. Übergriffe und Benachteiligungen richteten sich auch gegen seine - des Klägers - Blutsverwandte. Die weiteren Ausführungen des pakistanischen Anwaltes M.S. Wahla in dessen Schreiben vom 3. August 2005 (Bl. 58 der Gerichtsakte) sowie dessen erneuter Schriftsatz (Antrag des Vaters des Klägers vom 27. Januar 2005 an den Bezirksbeamten (Finanzamt) in Toba Tek Singh auf Widerruf der Verfügung des stellvertretenden Bezirksbeamten vom 3. Dezember 2004 und Einleitung einer Untersuchung wegen des Verdachts der Fälschung des Mietregisters [Bl. 66 der Gerichtsakte]) bestätigten die unrechtmäßige Zugriffe des muslimischen Nachbarn auf das Ladengrundstück Nr. 10 seines Vaters und die Schwierigkeiten, sich hiergegen rechtlich bei pakistanischen Behörden zu wehren. Ein weiterer Beleg seien die im Vorverfahren benannten Verfahren und Schwierigkeiten seines Cousins ...... wegen strafrechtlicher Vorwürfe und Entlassung aus dem Amt des Dorfbürgermeisters.
Ergänzend sei zu erwähnen, dass er selbst am 25. Mai 1999 gegen 20.00 Uhr vor der Haustür von ...... mit einem Messer verletzt worden sei, weil er unter der muslimischen Mehrheitsbevölkerung in seinem Heimatdorf für die Gemeinschaft der Ahmadiyya geworben habe. Zuvor habe ihn der örtliche Bürgermeister verwarnt. In der Anhörung vor dem Bundesamt sie er sehr nervös gewesen und habe nicht korrekt aussagen können. Außerdem habe er nur von Vorfällen berichten wollen, die er durch Unterlagen belegen könne. Die ihm erst am 4. Oktober 2005 aus Pakistan zugegangene Bescheinigung von Dr. ...... vom 25. Mai 1999 belege die behaupteten Verletzungen. Sein Bruder ......., der seit November 2004 bei seiner deutschen Ehefrau im Bundesgebiet lebe, könne den Vorfall und die eigene Verletzung durch denselben Täter bezeugen. Der anders gelagerte Streit seines Bruders habe mittlerweile zu einer gerichtlichen Geldbuße und Verwarnung aller Beteiligter geführt. Schließlich habe er - der Kläger - sich dadurch in öffentlich erkennbarer Weise besonders für die Gemeinschaft der Ahmadiyya in Deutschland eingesetzt, dass er beim Bau der Basharat-Moschee in Osnabrück mitgeholfen habe (Bescheinigung vom 24. Oktober 2002).
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. Februar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen sowie festzustellen, dass die Voraussetzung des § 60 Abs. 1 AufenthG bezüglich Pakistan vorliegen,
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bezüglich Pakistan vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert ergänzend: Eine Gruppenverfolgung der Ahmadis sei weiterhin nicht anzuerkennen. Der Kläger sei unverfolgt und allein wegen der seinerzeit beabsichtigten Heirat ausgereist. Aus der Schilderung der allgemeinen Situation in Pakistan und der Verfahren betreffend die Verwandten des Klägers ergebe sich für diesen nicht die beachtliche Gefahr einer eigenen Verfolgung. Im Übrigen sei es in Pakistan leicht, gefälschte oder unwahre Dokumente zu erhalten.
Hinsichtlich des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte 6 A 4848/04, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Ausländerakte des Landkreises Vechta Bezug genommen. Weiter wird verwiesen auf Auskünfte, Gutachten, Stellungnahmen und Presseberichte, die auf Bl. 42 ff der Gerichtsakte aufgeführt und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ist im Ergebnis rechtmäßig, der Kläger hat jedenfalls im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf Asylgewährung oder Feststellung von Abschiebungsschutz.
Der Kläger hat nicht schon allein wegen seiner Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung oder Maßnahmen im Sinne des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG zu befürchten. Die beachtliche Gefahr einer Gruppenverfolgung ist nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung (OVG Greifswald, Urteil vom 29. Juni 2005 - 2 L 208/01 -; OVG Saarlouis, Urteil vom 3. April 2004 - 2 R 8/03 -; VGH Kassel, Urteil vom 22. Dezember 2003 - 7 ZU 2628/03.A - m.w.N.), der sich der Einzelrichter anschließt, und nach der aktuelleren Auskunftslage für einen unverfolgt ausgereisten Angehörigen der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft im Fall seiner Rückkehr nach Pakistan nicht gegeben. Die bekannt gewordene Zahl von Übergriffen gegen Ahmadis rechtfertigt nicht die Annahme einer Verfolgungsdichte, die die beachtliche Gefahr einer mittelbaren oder unmittelbaren Gruppenverfolgung begründet.
Aus Art. 10 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (ABl. der EU 2004 L Nr. 304, S. 12) - sog. Qualifikationsrichtlinie - ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Regelung haben die Mitgliedsstaaten bei der Prüfung der Verfolgungsgründe zu berücksichtigen, dass der Begriff der Religion auch die Teilnahme an religiösen Riten im öffentlichen Bereich und sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen umfasst. Selbst bei Annahme einer unmittelbaren Anwendbarkeit dieser Vorschrift lässt sich eine hinreichende Erhöhung der Anzahl verfolgungsrelevanter Übergriffe auf Ahmadis in Relation zur Größe dieser Bevölkerungsgruppe, die zur Anerkennung einer Gruppenverfolgung führen würde, nicht feststellen. Für individuelle Beeinträchtigungen der Glaubensfreiheit und -betätigung des Klägers ist ohnehin glaubhaft nichts vorgetragen worden (vgl. unten). Im Übrigen wird weiterhin lediglich das religiöse Existenzminimum (Glaubensausübung nur abseits der Öffentlichkeit im internen Bereich, vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Januar 2004 - 1 C 9.03 - NVwZ 2004, 1000 und vom 24. Mai 2000 - 9 C 34.99 - BVerwGE 111, 223) in § 60 Abs. 1 AufenthG und § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 9 EMRK geschützt, da die Umsetzungsfrist der Qualifikationsrichtlinie bis zum 10. Oktober 2006 noch nicht abgelaufen ist und entsprechende nationale Vorschriften in Deutschland noch nicht erlassen worden sind (Nds. OVG, Urteil vom 22. Juni 2005 - 5 LB 51/02 -; OVG Münster, Urteil vom 18. Mai 2005 - 11 A 533/05.A -; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12. Mai 2005 - A 3 S 358/05 - InfAuslR 2005, 296; Sächs. OVG, Urteil vom 4. Mai 2005 - A 2 B 524/04 - Asylmagazin 7-8/2005, 23; Bay. VGH, Urteil vom 7. April 2005 - 14 B 02.30878 - Asylmagazin 7-8/2005, 25 und Beschluss vom 7. April 2005 - M 9 K 00.51775 -; a.A. VG Lüneburg, Urteil vom 11. Mai 2005 - 1 A 388/01 - Asylmagazin 7-8/2000, 40; VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30. Juni 2005 - 6 A 59/05 - ; VG Köln, Urteil vom 10. Juni 2005 - 18 K 4074/04.A -; Meyer/Schallenberger, Die EU-Flüchtlingsrichtlinie: Das Ende für das Forum Internum und Abschied von der Zurechnungstheorie?, NVwZ 2005, 776). Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 8. Februar 2005 - 1 C 29.03 - lässt sich etwas anders nicht ableiten, zumal keine explizite Aussage zu der Streitfrage gemacht wird.
Im Übrigen geht das Gericht ebenso wie das Bundesamt davon aus, dass der Kläger offensichtlich einen Aufenthalt in der Bundesrepublik aus asylfremden Gründen anstrebt. Das Bundesamt hat mit Bescheid vom 18. Februar 2005 zutreffend entschieden, dass und warum der Kläger nicht als Asylberechtigter anerkannt werden kann und warum die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 - 7 AufenthG nicht vorliegen. Auch der Einzelrichter hält nach umfangreicher Anhörung des Klägers und seiner Ehefrau das behauptete individuelle Verfolgungsschicksal bereits für widersprüchlich, ungereimt sowie gesteigert und daher für unglaubhaft. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers spricht allgemein, dass er zum Zwecke der Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft mit seiner ersten Frau in das Bundesgebiet eingereist war und nicht zeitnah zur Einreise oder jedenfalls anlässlich sich der bald abzeichnenden Schwierigkeiten zwischen den Eheleuten um Asyl nachgesucht hatte, sondern erst, als sein weiterer Aufenthalt unmittelbar gefährdet war. Außerdem hat er bereits im Visumverfahren die Behörden belogen, indem er anwaltlich durch Schriftsatz vom 14. Juli 1998 vortragen ließ, die Ehe mit Frau Ahmad sei anlässlich ihres Besuchs im April 1998 in Pakistan vollzogen worden, was nach seinen Angaben vor dem Bundesamt und vor dem Einzelrichter nicht stimmte. Trotz wiederholter Vorhalte konnte er den Widerspruch nicht auflösen.
In der Anhörung vor dem Bundesamt berief sich der Kläger zunächst nur allgemein und unsubstantiiert auf eingeschränkte Rechte und Benachteiligungen als Ahmadi. Im Übrigen berichtete er von Maßnahmen, die gleichzeitig oder vorrangig gegen andere gerichtet gewesen sein sollen. Auch in der mündlichen Verhandlung gab er insoweit nur zögerlich die wahren Zusammenhänge preis.
Aus den Behauptungen und den Unterlagen betreffend die Verfahren und Schwierigkeiten des Cousins des Klägers ...... wegen strafrechtlicher Vorwürfe und der Entlassung aus dem Amt des Dorfbürgermeisters lässt sich eine bedeutsame Verfolgungsgefahr für den Kläger nicht ableiten. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Behauptungen und den Unterlagen betreffend die Streitigkeiten seines Vaters ....... vor pakistanischen Behörden um ein Ladengrundstück, das unberechtigterweise von einem muslimischen Nachbarn beansprucht und vereinnahmt werden sollte. Beide Vorgänge zeigen zudem, dass sich die erwähnten Auseinandersetzungen noch im Rahmen von mehr oder weniger rechtsförmigen Verfahren bewegen, mögen sie aus Sicht der beteiligten Ahmadi auch nicht günstig verlaufen sein. So soll dem Cousin des Klägers immerhin durch den ersten Beschluss des Bezirksbeamten vom 7. Februar 2002 Recht gegeben worden sein. Welchen Wert die Schreiben eines eigenen pakistanischen Anwalts und nur lückenhaft vorgelegte behördliche Dokumente überhaupt haben, kann dahinstehen.
Im Übrigen ist bei den Angaben des Klägers und in den überreichten Dokumenten zunächst nur davon die Rede gewesen, dass sein zweitjüngster Bruder überfallen und verletzt worden sei. Dessen Anzeige sei nur zögerlich von der Polizei behandelt worden, auch eine Beschwerde bei Gericht habe nichts bewirkt. Demgegenüber habe die Polizei auf Anzeige der Gegner gegen sie - seine Familie - ermittelt. Letztlich stellte sich im Laufe der mündlichen Verhandlung heraus, dass es sich bei den Vorfällen im Juni 1999 lediglich um typische Streitigkeiten unter Jugendlichen mit wechselseitigen Körperverletzungen und Behelligungen gehandelt hat, die schließlich mit Geldbußen und Verwarnungen an alle Beteiligten (auch die muslimischen Gegner) sanktioniert worden sind. Eine zunächst behauptete Benachteilung wegen ihres Glaubens ließ sich letztlich nicht feststellen.
Soweit der Kläger erstmals im Klageverfahren mit Schriftsatz vom 24. März 2004 behauptet, er selbst sei am 25. Mai 1999 wegen seiner Religion Opfer einer Messerstecherei geworden, was sein Bruder Muhammad Ijaz bezeugen könne und durch eine ärztliche Bescheinigung belegt werde, trägt er - unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände - widersprüchlich und gesteigert vor. Entsprechendes gilt für die erst in der mündlichen Verhandlung erwähnte Verwarnung, die der Dorfbürgermeister zuvor ausgesprochen haben soll. Einer weiteren Aufklärung bedurfte es insoweit nicht mehr. Abgesehen davon, dass die erste Behauptung in der eigenen maschinenschriftlichen Erklärung zum Schriftsatz vom 24. März 2004 zunächst vage blieb, ist ein plausibler Grund dafür, dass er hiervon nicht zuvor während des langen Verfahrens vor dem Bundesamt berichtet, nicht ersichtlich. Die Einlassung, er sei in der Anhörung vor dem Bundesamt er sehr nervös gewesen, habe angesichts der Vielzahl der angesprochenen Fragen nicht korrekt aussagen können und habe nur von Vorfällen berichten wollen, der er auch durch Unterlagen belegen könne, erscheint angesichts seiner sonstigen Darlegungen als Schutzbehauptung. Die Darstellung von eigener Missionierungstätigkeit und erfolgten Konsequenzen ("Sie haben uns gezwungen, das Dorf zu verlassen", S. 10 des Anhörungsprotokolls) vor dem Bundesamt, passt nicht zu seinen später stückweise nachgeschobenen Behauptungen. Außerdem ist wenig plausibel, dass der gleiche muslimische Jugendliche, der seinen Bruder verletzt haben soll, wenige Tage zuvor aus anderen, nämlich religiösen Gründen, auf ihn eingestochen haben sollte. Wäre dies tatsächlich geschehen, hätte es nahegelegen, eine Anzeige zu stellen und später vorrangig darüber zu berichten. Dass in diesem Fall von den Tätern verhindert werden konnte, ein für eine Anzeige erforderliches ärztliches Attest einer Klinik zu erlangen, bei der Verletzung seines Bruders wenige Tage später hingegen nicht, ist nicht nachvollziehbar. Zudem ist auch in den unterbreiteten Schriftsätzen des pakistanischen Anwalts ...... nicht ansatzweise von einer Körperverletzung des Klägers die Rede. Hinzu kommen die gewichtigen Zweifel an einem sachlichen Zusammenhang zwischen behaupteten Verfolgungsgeschehen und der Ausreise im Juli 1999, zumal der Kläger mit einem Visum zum Zwecke der Familienzusammenführung ausgereist war, um das er sich länger intensiv sowie mit anwaltlicher Hilfe bemüht hatte. Folglich ist das gesamte Vorbringen, er habe für die Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya missioniert und dadurch individuelle Nachteile gehabt, unglaubhaft. In diesem Kontext erscheint die erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegte handschriftliche Erklärung von Dr. ...... vom 25. Mai 1999 als Gefälligkeitsbescheinigung.
Die beachtliche Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung oder sonst menschenrechtswidriger Behandlung des Klägers besteht auch nicht im Hinblick darauf, dass der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag gestellt und in diesem Verfahren nachteilig über die Verhältnisse in Pakistan berichtet hat sowie allgemein wegen des Auslandaufenthaltes.
Das Engagement des Klägers für die Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya in Deutschland (Mithilfe beim Bau der Basharat Moschee in Osnabrück) führt ebenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu politischer Verfolgung oder den in § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG erwähnten Nachteilen. Bei umfassender Würdigung einschlägiger Erkenntnismittel ergibt sich, dass neben der Zugehörigkeit zu der Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya und der Mitgliedschaft in einer regimekritischen Vereinigung im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten müssen. Solche Umstände liegen vor, wenn es sich um regimefeindliche Aktivitäten handelt, durch die sich das pakistanische Regime in seinem Bestand bedroht fühlt und diese Aktivitäten sich deutlich von den exilpolitischen Betätigungen zahlreicher anderer pakistanischer Staatsangehöriger in Deutschland unterscheiden, mithin in besonderer Weise aus dem Kreis der üblichen exilpolitischen Betätigungen herausragen. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Er hat als Gegenleistung für die ihm gewährte Kost und Logis lediglich einige Monate beim Bau der Basharat Moschee in Osnabrück geholfen. Sonst war nicht ansatzweise von einer Betätigung für die Glaubensgemeinschaft die Rede.
Die Abschiebungsandrohung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht auf §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 59 AufenthG.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.