Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 21.01.2005, Az.: 3 W 6/05
„Ablehnung eines Sachverständigen“
Verlust eines Ablehnungsrechts; Anhaltspunkte für die Tätigkeit eines gerichtlich bestellten Sachverständigen in derselben Sache für die andere Seite; Einholen von Erkundigungen über tatsächliche Bestehen eines Ablehnungsgrundes; Anforderungen an einen Antrag auf Ablehnung eines Sachverständigen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 21.01.2005
- Aktenzeichen
- 3 W 6/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 11116
- Entscheidungsname
- Ablehnung eines Sachverständigen
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2005:0121.3W6.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim - 22.12.2004 - AZ: 8 O 51/04
Rechtsgrundlage
- § 406 Abs. 2 ZPO
Fundstellen
- BauRB 2005, XII Heft 5 (Kurzinformation)
- BauSV 2005, 62
- BrBp 2005, 306
- DS 2005, 186-187
- IBR 2005, 296
- JurBüro 2005, 558 (Kurzinformation)
- Mitt. 2005, 394 "Ablehnung eines Sachverständigen"
Amtlicher Leitsatz
Ergeben sich aus den Unterlagen einer Partei Anhaltspunkte dafür, dass der vom Gericht bestellte Sachverständige in derselben Sache bereits für die andere Seite tätig war, hat sie Erkundigungen anzustellen, ob der Ablehnungsgrund tatsächlich besteht. Unterlässt sie dies, verliert sie ihr Ablehnungsrecht.
In der Beschwerdesache
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 29. Dezember 2004
gegen den Beschluss des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim
vom 22. Dezember 2004
am 21. Januar 2005
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird nach einem Beschwerdewert von bis zu 4.000 EUR zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten ihrer sofortigen Beschwerde zu tragen.
Gründe
A.
Der Kläger nimmt die beklagte Bank aus einer Prozessbürgschaft vom 23. August 2001 in Anspruch. Vorausgegangen war in dem Rechtsstreit des Klägers gegen die K. B. GmbH ein Urteil des Landgerichts Hannover vom 13. Juli 2000 (6 O 5193/99289), wonach die beklagte GmbH verurteilt wurde, an den Kläger 132.240 DM nebst Zinsen zu zahlen. Die Vollstreckung durch den Kläger wurde durch die Bürgschaft der Beklagten über 165.000 DM abgewendet.
Während des Berufungsverfahrens vor dem Oberlandesgericht Celle wurde die K. B. GmbH insolvent. Noch vor Unterbrechung des Verfahrens hatte das Oberlandesgericht (16 U 198/00) am 24. April 2001 ein rechtskräftiges Grund und Teilurteil erlassen, wonach die Klage dem Grunde nach nur zu 2/3 gerechtfertigt war.
Unter dem 26. Mai 2004 erließ das Landgericht im vorliegenden Verfahren Beweisbeschluss zur Ermittlung der Kosten für erforderliche Baumaßnahmen und bestimmte den Dipl.-Ing. B. M., H., zum Sachverständigen.
Der Sachverständige, der im Zusammenhang mit dem Vorprozess bereits für den Kläger beratend und gutachterlich tätig geworden war, führte am 13. August 2004 einen Ortstermin durch, bei dem die Beklagte nicht anwesend war.
Im Schriftsatz des Klägervertreters vom 12. Oktober 2004 wies dieser auf eine gutachterliche Stellungnahme, die der Sachverständige M. unter dem 17. März 1997 für den Kläger gegenüber der K. B. GmbH abgegeben hatte, hin.
Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2004 stellte die Beklagte einen Ablehnungsantrag gegen den Sachverständigen unter Verweis auf die mit Schriftsatz des Klägers vom 12. Oktober 2004 dargelegten Tatsachen.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 22. Dezember 2004 den Antrag der Beklagten vom 28. Oktober 2004 als unzulässig zurückgewiesen. Er sei nicht innerhalb der Frist des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO gestellt worden. Hätte die Beklagte am Ortstermin vom 13. August 2004 teilgenommen, hätte sie durch Äußerungen des Sachverständigen erfahren, dass dieser für den Kläger als Privatgutachter tätig gewesen war und außerdem planerische Leistungen für das Bauvorhaben erbracht hatte. Der Sachverständige hatte in einer Stellungnahme vom 24. November 2004 erklärt, zu Beginn des Ortstermins vom 13. August 2004 auf seine bisherige Tätigkeit für den Kläger hingewiesen zu haben.
Gegen den Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 29. Dezember 2004. Die Beklagte habe keinerlei Verpflichtung gehabt, an dem Ortstermin teilzunehmen. Die Gründe, die den Ablehnungsantrag wegen Befangenheit rechtfertigten, seien der Beklagten erst durch ein Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Streitverkündeten vom 26. Oktober 2004 mitgeteilt worden.
Das Landgericht hat unter Verweis auf seinen Beschluss der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
B.
Die sofortige Beschwerde (§§ 406 Abs. 5, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) hat keinen Erfolg.
1.
Nach § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist der Ablehnungsantrag bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Nach Abs. 2 Satz 2 der genannten Vorschrift ist die Ablehnung zu einem späteren Zeitpunkt nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Da die Frist von zwei Wochen seit Ernennung des Sachverständigen M. zur Zeit der Ablehnung durch die Beklagte verstrichen war, kann sie nunmehr den Sachverständigen nur noch unter der Voraussetzung ablehnen, dass sie vorträgt, ohne Verschulden verhindert gewesen zu sein, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Den insoweit zu stellenden Anforderungen hat die Beklagte nicht genügt mit der Folge, dass jedenfalls im Ergebnis der Senat sich der Auffassung des Landgerichts anschließt.
a)
Der Senat lässt es aber dahingestellt, ob der Beklagten vorgehalten werden kann, sie habe nicht an dem Ortstermin teilgenommen. Zwar hätte sie dabei unter Zugrundelegung der Stellungnahme des Sachverständigen, deren inhaltliche Richtigkeit die Beklagte nicht in Zweifel gezogen hat, erkannt, dass der Sachverständige bereits früher für den Kläger in dieser Sache tätig war. Der Senat hat aber erhebliche Zweifel, ob eine Verpflichtung zur Teilnahme bestand und die Nichtteilnahme nunmehr der Beklagten als Verschulden i. S. d. § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO vorgehalten werden kann. Zwar wird es im Allgemeinen richtig sein zu sagen, dass die Teilnahme an einem Ortstermin sinnvoll ist. Eine Verpflichtung zur Teilnahme als Ausfluss der Prozessförderungspflicht oder auf einer anderen Grundlage besteht aber nicht.
b)
Die Beklagte verweist zur Begründung ihres Ablehnungsantrages auf den Schriftsatz des Klägervertreters vom 12. Oktober 2004. Auf dem Schriftsatz findet sich ein "Ab-Vermerk" der Geschäftstelle vom 18. Oktober 2004. Insoweit kommt in Betracht, den Ablehnungsantrag vom 28. Oktober 2004 als verspätet anzusehen. § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO verhält sich jedenfalls nicht ausdrücklich dazu, binnen welcher Frist nunmehr der Ablehnungsantrag zu stellen ist. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dies müsse unverzüglich i. S. v. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB geschehen (vgl. Baumbach/Lauterbach-Hartmann, ZPO, 63. Aufl., Rn. 23 zu § 406). Es wird auch die Auffassung vertreten, der Ablehnungsantrag müsse nun "innerhalb angemessener Überlegungszeit" vorgebracht werden (vgl. Münchener-Kommentar-Damrau, ZPO, 2. Aufl., Rn. 7 zu § 406), wobei beide Auffassungen im Einzelfall zu identischen Ergebnissen gelangen können. Aus § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO ergibt sich jedenfalls, dass diese Frist keinesfalls länger als zwei Wochen sein kann (vgl. Musielak-Huber, ZPO, 4. Aufl., Rn. 14 zu § 406). Die Frage der Rechtzeitigkeit im Zusammenhang mit dem Schriftsatz vom 12. Oktober kann vorliegend aber ebenfalls dahingestellt bleiben.
c)
Es ist nämlich davon auszugehen, dass die Beklagte jedenfalls die Möglichkeit hatte, bereits vor längerer Zeit zu erkennen, dass der vom Gericht benannte Sachverständige M. in dieser Angelegenheit bereits tätig geworden war. Mit der Klagerwiderung vom 10. März 2004 hat die Beklagte das Grund und Teilurteil des Oberlandesgerichts Celle vom 24. April 2001 vorgelegt. Dort wird bereits darauf hingewiesen, dass der Kläger das Ingenieurbüro M. mit der Umplanung beauftragt hatte. Der Name M. ist sicherlich alles andere als selten. Darum geht es aber nicht, denn es ist ausdrücklich vom Ingenieurbüro M. die Rede. Die Beklagte hätte in Kenntnis des Umstandes, dass ein Sachverständiger M. in dieser Sache bereits für den Kläger tätig war, überprüfen müssen, ob es sich um den in diesem Verfahren vom Landgericht beauftragten Sachverständigen handelte. Eine kurze, auch fernmündliche Nachfrage beim Sachverständigen oder beim Gericht hätte ohne großen Aufwand Klarheit gebracht.
Die Frage, ob eine Partei ihr Ablehnungsrecht verliert, wenn sie nicht rechtzeitig sorgfältige Erkundigungen nach der Person des Sachverständigen eingezogen hat, wird unterschiedlich beantwortet. Hartmann (in Baumbach/Lauterbach, a. a. O., Rn. 25) entnimmt der Förderungspflicht der Partei die Pflicht zur Erkundigung. Nach der Gegenmeinung (Huber, in Musielak, a. a. O., Rn. 13) würde den Parteien Unzumutbares aufgebürdet. Auch diese Frage muss vorliegend nicht entschieden werden, denn es geht nicht um eine allgemeine Erkundigungspflicht der Partei; die Beklagte hatte in Gestalt des Hinweises auf das Ingenieurbüro M. in dem genannten Urteil des Oberlandesgerichts Celle, das den Beklagten vorlag und das sie selbst im vorliegenden Rechtsstreit zu den Akten gereicht hatten, einen Anhaltspunkt, der jedenfalls für den konkreten Fall es rechtfertigt, eine Erkundigungspflicht anzunehmen.
2.
Da der Ablehnungsantrag der Beklagten danach nicht rechtzeitig erfolgt ist, war, wie durch das Landgericht geschehen, der Antrag als unzulässig zurückzuweisen. Damit steht zwar weiter die Verwertbarkeit des Gutachtens M. in dieser Sache fest. Dessen ungeachtet kann die Partei die Ablehnungsgründe weiter vorbringen. Das Landgericht wird sie bei der Beweiswürdigung nach § 286 ZPO zu berücksichtigen haben (vgl. Hartmann, a. a. O., Rn. 25; Huber, a. a. O., Rn. 18).
3.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Wertfestsetzung aus § 3 ZPO, § 23 Abs. 3 Satz 2 GKG n. F. (vgl. Huber, a. a. O., Rn. 21 a.E.).