Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 14.01.2005, Az.: 21 UF 65/04

100%; Darlehensverbindlichkeit; Familiensache; gesteigerte Unterhaltspflicht; Kindesunterhalt; Kreditratenreduzierung; Kreditverbindlichkeit; Leistungsfähigkeit; Leistungsunfähigkeit; Minderjähriger; minderjähriges Kind; Regelbetrag; Unterhaltsanspruch; Vorrang; Wohnhaus; Zwangsversteigerung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
14.01.2005
Aktenzeichen
21 UF 65/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 51103
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG - 27.02.2004 - AZ: 6 F 179/03

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Springe vom 27. Februar 2004 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Zeit von Juli 2003 bis einschließlich Dezember 2003 für sie selbst monatlich 47 Euro Trennungsunterhalt und für die beiden Kinder J. und S. W. der Parteien monatlich jeweils 192 Euro Kindesunterhalt (unter Einschluss des in der einstweiligen Anordnung des Amtsgerichts Springe vom 3. Juli 2003 titulierten Unterhalts) zu zahlen.

Weiter wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin ab Januar 2005

a) für das Kind J. W., geboren am 20. Januar 1998, monatlich Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrags gemäß § 1 Regelbetragsverordnung der jeweiligen Altersstufe, abzüglich des anteiligen Kindergeldes in Höhe des Betrages, der 135 % des jeweiligen Regelbetrags nach § 1 Regelbetragsverordnung abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind übersteigt, mithin derzeit monatlich 241 Euro,

b) für das Kind S. W., geboren am 28. November 2000, monatlich Kindesunterhalt in Höhe des 100 % des Regelbetrags gemäß § 1 Regelbetragsverordnung der jeweiligen Altersstufe, abzüglich des anteiligen Kindergeldes in Höhe des Betrages, der 135 % des jeweiligen Regelbetrags nach § 1 Regelbetragsverordnung abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein zweites Kind übersteigt, mithin derzeit monatlich 192 Euro, zu zahlen.

Es wird klargestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache für die Zeit von August 2004 bis einschließlich Dezember 2004 durch den von den Parteien vor dem Senat am 18. August 2004 geschlossenen Zwischenvergleich erledigt ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in der ersten Instanz werden zwischen den Parteien gegeneinander aufgehoben.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu ¼ und der Beklagte zu 3/4, ausgenommen die Kosten des Zwischenvergleichs, die nach der Vereinbarung der Parteien zwischen ihnen gegeneinander aufgehoben werden.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 6.000 Euro (Berufung des Beklagten: 300 Euro; Berufung der Klägerin: 404,10 Euro (217,35 Euro ./. 150 Euro = 67,35 Euro x 6) + 5.196 Euro (241 Euro + 192 Euro = 433 Euro x 12) = 5.600,10 Euro) und für den Zwischenvergleich auf 2.165 Euro (5 x 433 Euro) festgesetzt.

Gründe

1

(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen).

2

Die Berufung, mit der die Klägerin nach Abschluss des Zwischenvergleichs vom 18. August 2004 von Juli bis einschließlich Dezember 2003 monatlich 217,35 Euro Trennungsunterhalt abzüglich monatlich gezahlter 150 Euro sowie von Januar bis einschließlich Juli 2004 und ab Januar 2005 für die beiden am 20. Januar 1998 und 28. November 2000 geborenen Kinder der Parteien monatlich jeweils Kindesunterhalt in Höhe von 128 % des Regelbetrags verlangt, hat teilweise Erfolg.

3

Der Klägerin steht gegen den Beklagten nach § 1361 BGB für die Zeit von Juli bis einschließlich Dezember 2003 kein Trennungsunterhalt mehr zu.

4

Beim Beklagten errechnet sich anhand der Jahresverdienstbescheinigung für 2003 unter Zugrundelegung von 52.424 Euro Gesamtbrutto ein monatliches Nettoeinkommen von 2.672 Euro. Die Voraussetzungen des begrenzten Realsplittings liegen entgegen der Berechnung der Klägerin nicht vor; denn im Jahr 2003, in dem sich die Parteien trennten, wurde das Einkommen des Beklagten nach Steuerklasse III versteuert. Neben dem Ehegattensplitting kann kein begrenztes Realsplitting in Anspruch genommen werden. Unter Hinzurechnung der seitens der Klägerin behaupteten anrechenbaren Spesen von monatlich 300 Euro beträgt das monatliche Nettoeinkommen des Beklagten 2.972 Euro. Davon wird abgesetzt der Beitrag für die Zusatzversorgung von monatlich 85,81 Euro, sodass sich ein Monatseinkommen von 2.886 Euro ergibt. Abgesetzt werden 5 % pauschalierte berufsbedingte Aufwendungen, mithin monatlich 144 Euro. Der Unterhalt für die beiden gemeinsamen Kinder der Parteien wird entgegen der eigenen Berechnung der Klägerin lediglich in Höhe von monatlich 398 Euro (2 x 199 Euro Tabellensatz nach der 1. Gruppe der Düsseldorfer Tabelle) berücksichtigt. Abgesetzt werden weiter entsprechend der Berechnung der Klägerin die vom Beklagten getragenen Hausbelastungen von monatlich 1.347 Euro sowie monatliche Raten von 51.31 Euro auf ein Arbeitgeberdarlehen für Fortbildung. Beim Beklagten ergibt sich dann ein Monatseinkommen von 946 Euro. Unter Herausrechnung des Erwerbstätigenbonus von 1/7 beträgt sein anrechenbares Erwerbseinkommen monatlich 811 Euro. Demgegenüber liegt das anrechenbare Einkommen der Klägerin nicht unter dem des Beklagten. Für ihr mietfreies Wohnen mit den beiden Kindern im Haus der Parteien muss sie sich monatlich jedenfalls 430 Euro anrechnen lassen, denen das von ihr zugrunde gelegte Erwerbseinkommen von monatlich 383 Euro hinzuzurechnen ist, sodass sie über ein monatliches Einkommen von 813 Euro verfügt.

5

Nach alledem braucht der Beklagte über die auf Grund einer einstweiligen Anordnung vom 3. Juli 2003 für die Zeit von Juli bis einschließlich Dezember 2003 geleisteten monatlichen Zahlungen von 150 Euro hinaus, die er inzwischen als Erfüllung akzeptiert, an die Klägerin keinen weiteren Trennungsunterhalt zu zahlen.

6

Der Beklagte schuldet den beiden am 20. Januar 1998 und 28. November 2000 geborenen Kindern der Parteien für die Zeit von Januar bis Juli 2004 keinen Kindesunterhalt mehr.

7

Bis zum Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung am 18. August 2004, dass die Sicherung des Kindesunterhalts Vorrang vor der Tilgung der Schulden der Parteien hat, sind die vom Beklagten auf die Kredite geleisteten Zahlungen einkommensmindernd zu berücksichtigen. Dem Beklagten kann für die Vergangenheit unterhaltsrechtlich nicht angelastet werden, dass er durch die Tragung der Hauslasten Vermögen gebildet hat, das schließlich auch der Klägerin zugute kommt.

8

Das vom Beklagten im Schriftsatz vom 3. Dezember 2004 für das Jahr 2004 zutreffend errechnete Monatseinkommen von 2.483 Euro erhöht sich um die Steuerersparnis, die der Beklagte bei Inanspruchnahme des begrenzten Realsplittings hätte erzielen können. Entgegen der Berechnung der Klägerin beträgt sein in die Lohnsteuerkarte einzutragender Freibetrag nicht 13.804,88 Euro; denn der von ihm geleistete Ehegattenunterhalt umfasst allenfalls die auf die Ehefrau entfallende Hälfte der von ihm getragenen Lasten des gemeinsamen Hauses der Parteien, mithin monatlich 675 Euro. Auf der Basis eines monatlichen Unterhaltsbetrages von rd. 675 Euro beträgt die vom Beklagten erzielbare Steuerersparnis unter Berücksichtigung der von ihm auszugleichenden steuerlichen Mehrbelastung der Klägerin monatlich schätzungsweise rd. 180 Euro. Von dem Monatseinkommen von 2.663 Euro (2.483 Euro + 180 Euro) werden entsprechend der Berechnung des Beklagten abgesetzt der monatliche Beitrag von 101 Euro für die betriebliche Altersversorgung sowie monatlich 26,59 Euro vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers, die in dem von ihm errechneten Nettoeinkommen von 2.483 Euro noch enthalten sind. Demzufolge ergibt sich ein Monatseinkommen von 2.535 Euro.

9

Weiter ist seine Steuernachzahlung von 7.351,26 Euro für 2003, die zum überwiegenden Teil auf die getrennte Veranlagung der Parteien zurückzuführen ist, teilweise einkommensmindernd zu berücksichtigen. Ein Teil der Steuernachzahlung beruht auf der Versteuerung eines Spekulationsgewinns von 4.852 Euro, wovon er die Hälfte an die Klägerin abgeführt hat. Die ihm verbleibenden 2.426 Euro werden auf die Steuernachzahlung von 7.351,26 Euro verrechnet, sodass die Steuernachzahlung in Höhe von 4.925 Euro (7.351,26 Euro ./. 2.426 Euro) einkommensmindernd berücksichtigt wird, mithin ab Januar 2004 auf einen Zeitraum von ca. 20 Monaten in Höhe von monatlich 250 Euro. Von dem sich auf Seiten des Beklagten ergebenden Monatseinkommen von 2.285 Euro (2.535 Euro ./. 250 Euro Steuernachzahlung) werden abgesetzt 5 % berufsbedingte Aufwendungen, mithin monatlich 114 Euro und entsprechend dem Vorbringen des Beklagten monatliche Raten von 120 Euro auf den ehebedingten Überziehungskredit. Es ergibt sich ein Monatseinkommen von 2.051 Euro.

10

Abgesetzt werden weiter die vom Beklagten getragenen Hauslasten, die von Januar bis einschließlich April 2004 monatlich 1.347 Euro und von Mai bis einschließlich Juli 2004 monatlich 1.135 Euro (1.347 Euro ./. 212,19 Euro ersparte Tilgungsrate) betragen, mithin insgesamt 8.793 Euro (5.388 Euro (4 x 1.347 Euro) + 3.405 Euro (3 x 1.135 Euro)). Unter Hinzurechnung der vom Beklagten im Januar und Februar 2004 auf sein Fortbildungsdarlehen monatlich gezahlten 51,13 Euro belaufen sich die vom ihm von Januar bis einschließlich Juli 2004 getragenen Kreditlasten insgesamt auf 8.895 Euro, mithin monatlich im Durchschnitt auf 1.271 Euro. Nach Abzug der monatlichen Kreditlasten von 1.271 Euro verbleiben ihm monatlich 780 Euro (2.051 Euro ./. 1.271 Euro), mithin weniger als sein monatlicher Selbstbehalt von 840 Euro.

11

Aber selbst wenn das Monatseinkommen des Beklagten 360 Euro höher auf 1.140 Euro angesetzt wird mit der Folge, dass sich für die Zeit von Januar bis einschließlich Juli 2004 insgesamt Kindesunterhalt von 2.100 Euro (1.140 Euro ./. 840 Euro Selbstbehalt = 300 Euro x 7) ergibt, braucht der Beklagte keinen Kindesunterhalt mehr zu zahlen. Er hat - wenn auch zunächst auf Grund der einstweiligen Anordnung von 3. Juli 2003 - von Januar bis einschließlich Juli 2004 insgesamt 2.124,57 Euro Kindesunterhalt gezahlt (384 Euro für Januar + 1.104 Euro (3 x 368 Euro) für Februar bis April) + 636,57 Euro (3 x 212,19 Euro für Mai bis Juli 2004), die er als Erfüllung akzeptiert.

12

Für die Zeit von August bis einschließlich Dezember 2004 haben die Parteien den Kindesunterhalt durch ihren am 18. August 2004 vor dem Senat geschlossenen Zwischenvergleich abschließend geregelt, sodass der Rechtsstreit in der Hauptsache insoweit erledigt ist.

13

Ab Januar 2005 steht den beiden Kindern der Parteien gegen den Beklagten nach §§ 1601 ff. BGB Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrags (1. Gruppe der Düsseldorfer Tabelle) zu, mithin monatlich 241 Euro für Jan und monatlich 192 Euro für S. .

14

Zwar ist der Beklagte auch ab Januar 2005 nicht im Stande, neben der Zahlung der Kreditraten Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrags aufzubringen. Er ist aber - wie er für den Zeitraum von August bis einschließlich Dezember 2004 im Zwischenvergleich vom 18. August 2004 akzeptiert hat - unterhaltsrechtlich gehalten, vorrangig den Kindesunterhalt sicherzustellen, auch wenn durch die Reduzierung der Kreditraten das Risiko der Zwangsversteigerung des Hauses der Parteien besteht. Es geht nicht an, dass die Parteien dadurch, dass der Beklagte die Hauslasten trägt, Vermögen bilden und die Öffentliche Hand - die Unterhaltsvorschusskasse - für den Kindesunterhalt aufkommt. Bei drei unterhaltsberechtigten Personen liegt die Pfändungsfreigrenze nach § 850 c ZPO bei 1.670 Euro, wovon der Beklagte bei einem monatlichen Selbstbehalt von 840 Euro den monatlichen Kindesunterhalt von insgesamt 433 Euro sogar ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts von monatlich 1.000 Euro sicherstellen kann. Der Beklagte ist allerdings bei seinen auf Grund der erheblichen Kreditlasten beengten Einkommensverhältnisse lediglich gehalten, die Pfändungsfreigrenze so weit auszuschöpfen, dass der Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrags sichergestellt wird. Demzufolge sind die von der Klägerin geforderten 128 % des Regelbetrags nicht gerechtfertigt.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 a, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.