Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 26.01.2005, Az.: 3 U 239/04
Schadensersatzanspruch gegen einen Dritten; Anderweitige Ersatzmöglichkeit; Amtspflichtverletzung eines Notars
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 26.01.2005
- Aktenzeichen
- 3 U 239/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 11130
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2005:0126.3U239.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim - 11.08.2004 - AZ: 2 O 50/04
Rechtsgrundlagen
- § 19 Abs. 1 S. 2 1. Hs. BNotO
- § 2113 BGB
- § 2109 Abs. 1 S. 2 Ziff.1 BGB
- § 852 BGB
Fundstelle
- OLGReport Gerichtsort 2005, 331-332
Amtlicher Leitsatz
Ein Schadensersatzanspruch gegen einen Dritten ist keine anderweitige Ersatzmöglichkeit i. S. d. § 19 Abs. 1 Satz 2, 1. Hs. BNotO, wenn der Dritte ebenfalls in den Schutzbereich der verletzten Notarpflicht einbezogen war, denn der Notar würde, falls er den Geschädigten auf den Ersatzanspruch gegen den Dritten verweisen dürfte, sofort von diesem in Anspruch genommen.
In dem Rechtsstreit
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2005
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Berufung des Klägers gegen das am 11. August 2004 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim wird zurückgewiesen.
- 2.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- 4.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Der Kläger macht gegen den beklagten Notar Schadensersatzansprüche wegen behaupteter Amtspflichtverletzung geltend, wobei es im Berufungsrechtszug nur noch um zwei Schadenspositionen, nämlich Kosten für Vermessung sowie Schenkungsteuer geht, wobei vorrangig die Frage der vom Landgericht bejahten Verjährung ist.
Der Kläger ist der Schwiegersohn der 2003 verstorbenen I. H., die zwei Töchter hatte, die bereits verstorbene Ehefrau des Klägers sowie I. W..
1959 verfasste der 1969 verstorbene Ehemann der I. H. ein Testament (Bl. 35 d. A.), in welchem er seine Frau als Vorerbin einsetzte, die ihrerseits unter den beiden Töchtern die Nacherbin aussuchen sollte. Dies tat I. H. 1980 in Gestalt eines bei dem Beklagten beurkundeten Testaments, in dem sie I. W. als Nacherbin bestimmte (Bl. 32).
Am 19. April 1997 beurkundete der Beklagte einen Erbvertrag (Bl. 26) zwischen I. H. sowie dem Kläger und dessen Sohn, in dem die Vorerbin erklärte, sie hebe das von ihr 1980 errichtete Testament sowie weitere letztwillige Verfügungen auf, da sie nach nunmehr über 30 Jahren an Verfügungen ihres verstorbenen Ehemannes nicht mehr gebunden sei und setzte den Kläger und dessen Sohn als Erben ein.
Am 15. Mai 1997 beurkundete der Beklagte eine Erklärung der I. H., in welcher sie sich verpflichtete, keine Verfügungen zum Nachteil des Klägers über ihren Grundbesitz mehr vorzunehmen (Bl. 36).
Mit Schreiben vom 3. Juni 1998 wies der damalige Prozessbevollmächtigte der Vorerbin den Kläger darauf hin, dass die Verfügungen der Vorerbin im Verhältnis zur Nacherbin unwirksam sein dürften.
Am 15. Februar 2000 ließ I. H. vom Notar J. eine Erklärung beurkunden, mit welcher sie den Erbvertrag vom 19. April 1997 sowie die Erklärung der Verfügungsbeschränkung vom 15. Mai 1997 anfocht.
Am 26. Mai 2000 erhob der Kläger Klage auf Feststellung der Rechtswirksamkeit des Erbvertrages sowie der Erklärung vom 15. Mai 1997 beim Landgericht Hildesheim (2 O 281/00). Dem Beklagten verkündete der Kläger den Streit. In Abänderung des landgerichtlichen Urteils entschied das Oberlandesgericht (7 U 189/00) mit Urteil vom 19. September 2001, dass der vom Beklagten am 19. April 1997 beurkundete Erbvertrag wirksam ist.
Am 27. Oktober 2000 erhob der Kläger Klage vor dem Landgericht Hildesheim (2 O 621/00) gegen I. H. und I. W. mit dem Ziel der Übertragung des Grundbesitzes auf ihn.
Am 25. November 1996 hatte der Beklagte einen Grundstücksschenkungsvertrag zwischen I. H. und dem Kläger beurkundet (Bl. 46), in dem diese dem Kläger zwei Flurstücke schenkte, wovon eines zum Zwecke der Teilung noch zu vermessen war. Die insoweit entstandenen Vermessungs- und Katasterkosten sowie die angefallene Schenkungsteuer gemäß Bescheid vom 11. Oktober 2001 (Bl. 64) verlangt der Kläger noch ersetzt.
Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Zwar habe der Beklagte eine Amtspflicht verletzt. Er habe bei der Beurkundung des Schenkungsvertrages und des Erbvertrages die Beteiligten nicht darauf hingewiesen, dass Schenkung und Erbvertrag gemäß § 2113 BGB nur insoweit wirksam sind, als sie das Recht der Nacherbin nicht vereiteln. Der Beklagte sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die Nacherbschaft nach Ablauf von 30 Jahren gemäß § 2109 BGB unwirksam würde, wobei er die Ausnahmeregelung in § 2109 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 1 BGBübersehen habe. Dem Anspruch auf Schadensersatz stehe aber die Einrede der Verjährung entgegen. Verjährung sei am 3. Juni 2001 eingetreten, da bereits am 3. Juni 1998 der Kläger durch Anwaltsschreiben erfahren habe, dass der Schenkungsvertrag mit Eintritt der Nacherbfolge unwirksam werde. Bereits in diesem Zeitpunkt und nicht erst aufgrund des Urteils des Oberlandesgerichts Celle vom 19. September 2001 in dem Rechtsstreit 2 O 281/00 LG Hildesheim habe der Kläger die schadensersatzbegründenden Umstände genannt. Aufgrund der 6Monatsfrist in § 215 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. ergebe sich auch nichts aus den Streitverkündungen des Klägers.
Dagegen richtet sich die - beschränkte - Berufung des Klägers.
Die vom Kläger geführten Vorprozesse hätten der Klärung einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit gedient. Erst mit Rechtskraft des Urteils des Oberlandesgericht Celle vom 19. September in 7 U 189/01 hätte festgestanden, dass eine anderweitige Ersatzmöglichkeit i. S. d. § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO nicht bestanden habe.
Hätte der Beklagte den Kläger darauf hingewiesen, dass die Grundstücksübertragung gemäß § 2113 BGB bei Eintritt der Nacherbfolge unwirksam wird, hätte er den Vertrag nicht geschlossen und wären die Kosten für die Vermessung und die Schenkungsteuer nicht angefallen.
Der Kläger beantragt,
das am 11.08.2004 verkündete Urteil des Landgerichtes Hildesheim - Az: 2O 50/04 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 12.144,33 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen, die beigezogenen Akten, das angefochtene Urteil sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
B.
1.
Zutreffend hat das Landgericht eine Amtspflichtverletzung des Beklagten bejaht. Entgegen der Annahme des Beklagten wurde die Nacherbschaft nicht nach Ablauf von 30 Jahren gemäß § 2109 BGB unwirksam. Die Vorschrift des § 2109 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 1 BGB hat der Beklagte übersehen. Auf die weiteren Ausführungen des Landgerichts, die von der Berufung auch nicht in Frage gestellt werden, kann verwiesen werden.
2.
Die Ansprüche des Klägers sind verjährt, wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt hat.
Für die Verjährungsfrist gilt gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO die Vorschrift des § 852 BGB. Gemäß § 852 Abs. 1 BGB a. F. verjährt der Anspruch auf Ersatz in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung an.
a)
Anders als bei Rechtsanwälten und Steuerberatern läuft die dreijährige Verjährungsfrist nicht allein mit der Anspruchsentstehung (§ 198 BGB a. F.). Verletzt der Notar fahrlässig seine Amtspflichten bei der Urkundstätigkeit, so kann er nur in Anspruch genommen werden, wenn der Geschädigte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag, § 19 Abs. 1 Satz 2 1. Hs. BNotO. Solange der Geschädigte danach einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit nachzugehen hat, läuft die dreijährige Verjährungsfrist noch nicht. Die Verjährungsfrist wird folglich erst mit dem Wegfall der anderweitigen Ersatzmöglichkeiten in Lauf gesetzt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beginnt die Verjährungsfrist dann zu laufen, wenn der Geschädigte weiß, dass die anderweitige Ersatzmöglichkeit den Schaden mindestens teilweise nicht deckt und ihm daher die Erhebung einer Feststellungsklage zuzumuten ist (DNotZ 1988, 388).
Im angefochtenen Urteil findet sich zur Frage der anderweitigen Ersatzmöglichkeit indes nichts. Das Landgericht hat nur ausgeführt, der Kläger habe mit Schreiben der Anwälte der Vorerbin vom 3. Juni 1998 Kenntnis davon erlangt, dass nach Ansicht der Vorerbin der Schenkungsvertrag unwirksam wird mit Eintritt der Nacherbfolge. Wie oben bereits angemerkt, reicht die Kenntnis vom Schaden und die Anspruchsentstehung aber allein nicht aus, um den Lauf der Verjährungsfrist auszulösen.
Der Kläger hat zu Unrecht angenommen, dass es schon an den Voraussetzungen einer nur subsidiären Haftung des Beklagten fehle, da dieser mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe. Dafür lässt sich aber aus den Akten nichts entnehmen. Der Umstand allein, weil sich eine klare Regelung zur Bedeutung des Ablaufs der Frist von 30 Jahren und zu den Ausnahmen in § 2109 BGB findet, reicht für - auch nur bedingten - Vorsatz nicht aus.
§ 19 Abs. 1 Satz 2 1. Hs. BNotO findet daher Anwendung. In der Berufungsbegründung heißt es dazu nur, die von dem Kläger geführten Vorprozesse hätten der Klärung einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit gedient. In Betracht kommen nur Ansprüche gegen die Vorerbin, die Schwiegermutter des Klägers, I. H.. Sie könnte dafür haften, dass sie dem Kläger (und dessen Sohn) nicht vollwirksam Eigentum verschafft hat, sondern nur das mit dem Nacherbrecht der I. W. belastete.
Auch der Vertragspartner kommt als insoweit vorrangig in Anspruch zu nehmender Ersatzpflichtiger grundsätzlich in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Schadensersatzanspruch gegen einen Dritten aber nicht als anderweitige Ersatzmöglichkeit anzusehen, wenn der Dritte ebenfalls in den Schutzbereich der verletzten Notarpflicht einbezogen war. Gegebenenfalls würde der Notar, falls er den Geschädigten auf den Ersatzanspruch gegen den Dritten verweisen dürfte, sofort von diesem in Anspruch genommen (vgl. IX ZR 261/00, Urteil vom 15. Juli 2004, m. w. N.; Arndt u. a. - Sandkühler, BNotO, 5. Aufl. 2003, Rn. 161 b zu § 19). So verhält es sich auch hier. Die Belehrungspflicht, deren Verletzung der Kläger rügt, traf den Beklagten auch im Verhältnis zur Vorerbin. Es ist, weil lebensnah und mangels gegenteiliger Anhaltspunkte, davon auszugehen, dass die Vorerbin bei Kenntnis der Rechtslage, namentlich ihrer nur beschränkten Eigentümerstellung, die Verfügungen nicht vorgenommen hätte. Es fehlt damit an einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit des Klägers.
b)
Zur Frage der Kenntnis des Klägers hat das Landgericht zutreffend auf das Schreiben der Anwälte der Vorerbin vom 3. Juni 1998 hingewiesen. Ausreichende Kenntnis hatte der Kläger damit erlangt, so dass es auf das Urteil des Oberlandesgericht Celle aus dem Jahr 2001 nicht mehr ankommt. Der Bundesgerichtshof verlangt keine völlige Sicherheit und Risikolosigkeit, wenn es (z. B. NJW 1994, 3162, 3164 [BGH 24.02.1994 - III ZR 76/92], unter II. 4.; NJW 1993, 2303, 2305 [BGH 06.05.1993 - III ZR 2/92], unter 3. b.) heißt, dass der Geschädigte wissen müsse, dass die in Rede stehende Amtshandlung widerrechtlich und schuldhaft gewesen sei, wobei allerdings genüge, dass der Verletzte die tatsächlichen Umstände kenne, die eine schuldhafte Amtspflichtverletzung als naheliegend erscheinen ließen. Naheliegend in diesem Sinne ist eine Amtspflichtverletzung entgegen der Ansicht des Klägers nicht erst mit der Rechtskraft eines Urteils, dann steht sie, wenn in diesem darüber entschieden wurde, vielmehr fest (vgl. Senat, 3 U 118/02, Urteil vom 18. Dezember 2002). Dabei kann ergänzend auch darauf hingewiesen werden, dass bereits das Landgericht Hildesheim im Rechtsstreit 2 O 281/00 mit Urteil vom 20. September 2000 (vorliegend erfolgte die Erhebung der Klage erst 2004) entschieden hat, dass der Erbvertrag wirksam ist.
c)
Dass die Streitverkündungen mangels Klagerhebung binnen der Frist von sechs Monaten nach Abschluss des Verfahrens gemäß § 215 Abs. 2 BGB a. F. an der Verjährung nichts ändern, hat das Landgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt. Die Berufungsbegründung verhält sich dazu auch nicht.
3.
Aus den oben genannten Gründen ist die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen, unter denen die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen ist, liegen nicht vor.