Landgericht Oldenburg
Urt. v. 24.11.1995, Az.: 2 S 969/95
Recht auf Wandlung eines Kaufvertrags über eine EDV-Anlage; Flimmern bzw. Flackern des Monitors; Komponenten der Anlage (Computer, Monitor, Drucker, Scanner, Maus und Software) als Gesamtsystem; Verkauf der Computeranlage als zusammengehörend; Begriff des Nachteils; Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) durch deren Abdruck auf einer Rechnung oder der Rückseite eines Lieferscheins; Einbeziehung von AGB durch einen Aushang im Verkaufsraum; Computeranlage als Massenartikel
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 24.11.1995
- Aktenzeichen
- 2 S 969/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 31856
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:1995:1124.2S969.95.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Oldenburg - 20.06.1995 - AZ: 19 C 3130/95 (III)
Rechtsgrundlagen
- § 346 BGB
- § 459 Abs. 1 BGB
- § 462 BGB
- § 467 BGB
- § 469 S. 2 BGB
- § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGBG
Fundstellen
- CR 1996, 155 (red. Leitsatz)
- NJW-RR 1996, 1461-1462 (Volltext mit red. LS)
- VuR 1996, 59-61 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Wandlung
In dem Rechtsstreit
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 3. November 1995
unter Mitwirkung
des Richters am Landgericht ... als Vorsitzender und
der Richter am Landgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten (1) wird das am 20. Juni 1995 verkündete Urteil des Amtsgerichts Oldenburg geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.966,50 DM nebst 4 % Zinsen auf 5.267,50 DM seit dem 09. März 1995 zu zahlen, in Höhe von 699,- DM Zug um Zug gegen Rückgabe des Monitors Highscreen MS 1564 LE.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Der Kläger hat von der Beklagten im September 1994 eine EDV - Anlage, bestehend aus einem Computer, Monitor, Drucker, Standardsoftware sowie Zubehörteilen zum Preis von 5.966,50 DM erworben. Bei der Benutzung der Anlage traten Probleme auf, die sich am Monitor durch ein Flackern und Flimmern bzw. durch ein laufendes Bild zeigten. Der Kläger beanstandete dies und gab zumindest den Monitor in der Zeit von Mitte Oktober 1994 bis Januar 1995 zur Behebung der Fehler bei der Beklagten ab, die im Dezember leihweise einen Ersatzmonitor zur Verfügung stellte. Nachdem dieser am 09.01.1995 ausfiel, stelle der Kläger der Beklagten die gesamte Anlage wieder zur Verfügung und erklärte durch Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 11.01.1995 die Wandlung des gesamten Kaufvertrages. Den geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises hat die Beklagte in Höhe von 699,- DM anerkannt. Demgemäß hat das Amtsgericht die Beklagte zur Zahlung von 699,- DM Zug um Zug gegen Rückgabe des Monitors, der dem Kläger wieder übersandt worden war, verurteilt. Im übrigen hat es die Klage mit der Begründung abgewiesen, es liege keine einheitliche Kaufsache vor. Soweit der Kläger Mängel an der Computeranlage als solcher behauptet habe, liege kein Beweisantritt vor.
Mit der Berufung behauptet der Kläger weiter, nicht lediglich der Monitor, sondern die EDV - Anlage als solche sei mangelhaft, wobei sich der Fehler lediglich am Monitor zeige. Er verfolgt sein erstinstanzliches Klageziel auf Rückzahlung des gesamten Kaufpreises weiter, während die Beklagte unter Beantragung der Zurückweisung der Berufung behauptet, nur der Monitor sei fehlerhaft gewesen.
Im übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung ist zulässig und begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 5.966,50 DM für die in der Rechnung der Beklagten vom 30.09.1994 angeführte Computeranlage nebst Monitor, Drucker, Software und Zubehör gemäß §§ 459 Abs. 1, 462, 467, 469 S. 2, 346 BGB zu.
1.
Hinsichtlich des Monitors ergibt sich ein Wandlungsrecht bereits aus dem Anerkenntnis der Beklagten in 1. Instanz. Demzufolge ist zwischen den Parteien unstreitig, daß der vom Kläger erworbene Monitor fehlerhaft war. Die Versuche der Beklagten, das vom Kläger beanstandete Flimmern bzw. Flackern und das Laufen des Bildes zu beheben, waren zumindest zunächst erfolglos, so daß die Beklagte den geltend gemachten Anspruch insoweit anerkannt hat. Da der Monitor dem Kläger nach einem Nachbesserungsversuch zugesandt worden war, hat das Amtsgericht einen nicht angefochtenen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises für den Monitor Zug um Zug gegen Rückgabe des Monitors zuerkannt.
2.
Aufgrund der Lieferung eines fehlerhaften Monitors steht dem Kläger ein Wandlungsrecht hinsichtlich der gesamten Anlage, bestehend aus dem Computer, Monitor, Drucker, Software und Zubehör, gemäß § 469 S. 2 BGB zu, auch wenn diese nur aus Standardkomponenten zusammengesetzt ist.
a)
Zwar ergibt sich dieses Recht nicht aus dem Erwerb einer einheitlichen Kaufsache Beim Kauf mehrerer Gegenstände kommt ein solches Gesamtwandlungsrecht in Betracht, wenn ein einheitlicher Kaufvertrag hinsichtlich einer einheitlichen Kaufsache abgeschlossen worden ist, wobei für die Bewertung die Verkehrsanschauung und nicht der Wille der Parteien maßgeblich ist (vgl. BGHZ 102, 135, 148 f.[BGH 04.11.1987 - VIII ZR 314/86]; OLG Koblenz, NJW-RR 1994, 1206 [OLG Koblenz 29.10.1993 - 2 U 152/92]). Entscheidend ist, ob im Herbst 1994 alle Komponenten der gelieferten Anlage bestehend aus Computer, Monitor, Drucker, Scanner, Maus und Software ein Gesamtsystem gebildet haben. Dies ist zu verneinen. Denn nach den zutreffenden Ausführungen im amtsgerichtlichen Urteil können die einzelnen in der Rechnung vom 30.09.1984 angeführten Komponenten nach den Wünschen, Bedürfnissen und finanziellen Möglichkeiten des Anwenders grundsätzlich beliebig zusammengestellt und miteinander kombiniert werden. Der Betrieb derartiger Standardgeräte mit standardisierter Anwendersoftware ist durch den Austausch von Hardware oder Software nicht in Frage gestellt. In einem solchen Fall führt die Tatsache, daß der Erwerb der gesamten Hardware und die Überlassung der Software in ein und demselben Vertrag vereinbart worden sind, nicht zu einem anderen Ergebnis (vgl. BGH WM 1987, 818, 821).
b)
Eine Gesamtwandlung steht dem Kläger wegen des fehlerhaften Monitors aber nach § 469 S. 2 BGB zu. Wenn mehrere Sachen als zusammengehörend verkauft worden sind und die mangelhaften Teile nicht ohne Nachteil für den Käufer von den übrigen getrennt werden können, erstreckt sich die Wandlung auf alle Sachen.
Die vom Kläger erworbene Computeranlage ist als zusammengehörend verkauft anzusehen, wobei im Rahmen der rechtlichen Bewertung insoweit auf den Willen der Parteien abzustellen ist (OLG Stuttgart CR 1994, 152). Vorliegend sprechen der einheitliche Erwerb aller Komponenten der EDV - Anlage und der einheitliche Kaufvertrag für den - für die Beklagte erkennbaren - Willen des Klägers, alles "aus einer Hand" zu erlangen und damit zusammengehörend zu kaufen (vgl. OLG Köln VersR 1991, 106, 108 [OLG Köln 26.10.1990 - 19 U 28/90]) [OLG Köln 26.10.1990 - 19 U 28/90]. Die Beklagte hat ihr Einverständnis an einem Verkauf der Bestandteile als zusammengehörend durch die Anführung eines Gesamtpreises in der Rechnung ohne Auflistung der Einzelpreise deutlich gemacht.
Der mangelhafte Monitor kann ferner nicht ohne Nachteil für den Kläger von den übrigen Teilen der Anlage getrennt werden. Bei der diesbezüglich vorzunehmenden Bewertung ist der Begriff des Nachteils i.S.v. § 469 S. 2 BGB weit auszulegen (vgl. OLG Hamm CR 1989, 490, 491; OLG Köln a.a.O.). Er erfaßt nicht nur Fälle, in denen die Beschaffung eines passenden Ersatzes für das fehlerhafte Teil der erworbenen Sachen Schwierigkeiten bereitet oder einen erheblichen Zeitaufwand bzw. finanziellen Mehraufwand erfordert (vgl. BGHZ 102, 135, 151[BGH 04.11.1987 - VIII ZR 314/86]; Mehrings, NJW 1988, 2438, 2440 [BGH 04.11.1987 - VIII ZR 314/86]) [BGH 04.11.1987 - VIII ZR 314/86]. Zu beachten sind vielmehr auch die subjektiven Interessen des Käufers (Staudinger/Honsell, BGB, 12. Aufl., § 469 Rn. 4; Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 469 Rn. 7; OLG Köln a.a.O.).
Ein Nachteil im Sinne des § 469 S. 2 BGB liegt auch dann vor, wenn der Käufer von Hardware und Standardsoftware eine komplette EDV - Anlage erwirbt, um sich im Falle auftretender Störungen nur an einen Verkäufer und damit an einen Ansprechpartner wenden zu können, ihm dieser Vorteil aber durch ein Wandlungsrecht lediglich hinsichtlich einzelner Teile der Anlage genommen wird.
Das Interesse eines Käufers an einem Erwerb einer kompletten EDV - Anlage bei einem Anbieter besteht nicht nur darin, eine Gesamtlösung zu erhalten. Denn bei Standardkomponenten ist der Käufer aufgrund weitgehender Kompatibilität und sogenannter Industriestandards in der Lage, einzelne Teile der Hardware und Software unterschiedlicher Anbieter fast beliebig zu kombinieren. Der Erwerb aller Komponenten einer solchen Anlage bei einem Anbieter ist für ihn vor allem deshalb von Interesse, weil er so bei dem Auftreten von Problemen sicher sein kann, den richtigen Ansprechpartner mit der Suche und Behebung der Fehler zu beauftragen und sich nicht mit mehreren Händlern auseinandersetzen zu müssen. Durch den Kauf der gesamten Anlage bei einem Anbieter setzt sich der Käufer nicht der Gefahr aus, für die Ausübung von Gewährleistungsrechten zunächst untersuchen lassen zu müssen, an welchem Teil der Anlage die Ursache für einen Fehler liegt. Er muß lediglich die Abweichung der Istbeschaffenheit der EDV - Anlage von deren Sollbeschaffenheit darlegen und bei Bestreiten beweisen (vgl. OLG München, NJW-RR 1992, 1269, 1270 zu Fehlern im Diskettenlaufwerk eines PC, wobei von einem einheitlichen Kaufgegenstand ausgegangen wurde). Sein Interesse besteht daran, das Risiko der Suche nach der Ursache einer Störung, die u.U. schwer feststellbar ist (vgl. OLG Köln a.a.O.), zu umgehen und nicht Gefahr zu laufen, daß die Ursache der Störung nicht festzustellen ist. Ein Verkäufer einer solchen Anlage trägt dann das Risiko, daß einzelne Teile der Anlage oder des Zubehörs mangelhaft sind und zu Störungen der Anlage insgesamt oder wesentlicher Elemente führen (OLG Hamm, CR 1989, 490, 491), während eine enge Auslegung des Begriffes Nachteil in § 469 S. 2 das Risiko auf den Käufer verlagern würde. Aus den Ausführungen folgt, daß der Käufer beim Auftreten von Mängeln an einzelnen Teilen der gelieferten Anlage kein Interesse an einem Wandlungsrecht nur hinsichtlich dieser fehlerhaften Komponenten hat. Denn ansonsten müßte er sich diese Teile nun einzeln wiederbeschaffen und würde sich so den Risiken aussetzen, die er - wie oben ausgeführt - durch den Erwerb einer kompletten Anlage gerade ausschließen wollte.
Die aus den vorstehenden Ausführungen folgenden drohenden Nachteile bei der Gewährung eines Wandlungsrechtes nur hinsichtlich des Monitors stehen dem Interesse des Klägers, ein Risiko bei der Fehlersuche nicht übernehmen zu wollen, entgegen. Denn gerade im vorliegenden Fall ist es wegen der auch an einem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Leihmonitor aufgetretenen Mängel zumindest denkbar, daß die vom Kläger auf dem Monitorbildschirm festgestellten Fehler ihre Ursache in einem anderen Teil der Anlage haben.
II.
1.
Das Wandlungsrecht des Klägers ist nicht durch die Verkaufs- und Lieferbedingungen der Beklagten eingeschränkt.
Der Kläger muß der Beklagten nicht zunächst Gelegenheit zur Nachbesserung oder zum Austausch fehlerhafter Teile geben. Zwar hat sich die Beklagte entsprechende Rechte in Ziffer 1 ihrer Verkaufs- und Lieferbedingungen vorbehalten. Durch den Abdruck der Geschäftsbedingungen auf einer Rechnung werden diese jedoch ebensowenig in den zuvor geschlossenen Vertrag einbezogen wie durch einen Abdruck auf der Rückseite des Lieferscheins (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 54. Aufl., § 2 AGBG, Rn. 6).
Für die Einbeziehung in den Vertrag ist ferner ein Aushang der AGB im Verkaufsraum nicht ausreichend. Etwas anderes gilt nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGBG nur für den Fall, daß ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist. Dies ist in den Fällen des Abschlusses von Massenverträgen und der Benutzung von Automaten anzunehmen, nicht jedoch, wenn z.B. in einem Kaufhaus andere Produkte als Massenartikel verkauft werden (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 2 AGBG, Rn. 7). Da es sich bei dem Kauf einer Computeranlage aber nicht um einen Massenartikel handelt - gegen eine solche Annahme spricht bereits der hohe Preis - und bei der Aufnahme der konkreten auf die Bedürfnisse des einzelnen Kunden abgestimmten Bestellung ein Hinweis auf die Geschäftsbedingungen möglich ist, ist ein Aushang im Geschäftsraum für die Einbeziehung der AGB in den jeweiligen Kaufvertrag nicht ausreichend. Tatsachen dafür, daß der Kläger bereits bei der Bestellung auf die Geschäftsbedingungen ausdrücklich hingewiesen worden ist, sind nicht ersichtlich. Vielmehr beruft sich die Beklagte lediglich auf den Aushang der Geschäftsbedingungen.
Das Wandlungsrecht hinsichtlich mit Fehlern behafteter Teile der erworbenen Anlage ist ferner nicht durch ein zuvor erklärtes Einverständnis des Klägers mit der Durchführung von Nachbesserungsarbeiten ausgeschlossen. Es steht nicht fest, daß der Kläger die Geräte mit Ausnahme des Monitors der Beklagten zur Überprüfung übergeben hat. Ihrem anfänglichen Vortrag, der Kläger habe alle Geräte bei der Beklagten gelassen, die dann eine Überprüfung vorgenommen habe, ist die Beklagte in späteren Schriftsätzen entgegengetreten. Danach ist die Gesamtanlage von ihr nie überprüft worden. Dies stimmt mit dem Vortrag des Klägers überein, wonach er den Leihmonitor mit den bei ihm verbliebenen übrigen Geräten betrieben hat.
2.
Der aus dem Wandlungsrecht erfolgende Anspruch des Kläger auf Rückzahlung des Kaufpreises ist - mit Ausnahme des Monitors - nicht von der Rückgabe der Kaufgegenstände abhängig. Ein Zurückbehaltungsrecht, das die Beklagte nicht ausdrücklich geltend gemacht hat, könnte nur bestehen, wenn der Kläger noch im Besitz der in der Rechnung vom 30.09.1994 angeführten Gegenstände wäre. Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat er jedoch die Geräte im Januar 1995 im Geschäftsraum der Beklagten in Oldenburg abgestellt. Lediglich der Monitor ist dem Kläger nach einem Nachbesserungsversuch übersandt worden und befindet sich noch in seinem Besitz.
III.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB für einen Betrag in Höhe von 5.267,50 DM. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer klargestellt, daß er seinen Berufungsantrag nicht auf den vom Amtsgericht zugesprochenen Betrag in Höhe von 699,- DM bezogen wissen wolle.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Hinsichtlich des Anerkenntnisses der Beklagten in der 1. Instanz war die Regelung des § 93 ZPO nicht anzuwenden. Es fehlt an einem sofortigen Anerkenntnis der Beklagten, da sie gemäß § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO mit Schriftsatz vom 20.03.1995 eine Verteidigungsbereitschaft hinsichtlich der gesamten Klageforderung angezeigt hatte.
(1) Red. Anm.: