Landgericht Oldenburg
Urt. v. 22.09.1995, Az.: 2 S 514/95
Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen einem formellen Begründungserfordernis und einer materiellen Begründetheit i.R.e. Kündigung wegen Eigenbedarfs; Anforderungen an die Qualität und Quantität der im Kündigungsschreiben angegeben Gründe bzgl. der Geltendmachung von Eigenbedarf; Erforderlichkeit des Vorliegens einer Zwangslage, eines Notfalls oder eines Mangels bei dem Vermieter i.R.d. Kündigung wegen Eigenbedarfs aufgrund des Normwortlautes "benötigen"
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 22.09.1995
- Aktenzeichen
- 2 S 514/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 32508
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:1995:0922.2S514.95.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Cloppenburg - 29.03.1995 - AZ: 1 C 424/94
Rechtsgrundlagen
- § 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB
- § 564b Abs. 3 BGB
- § 566 BGB
- § 985 BGB
Fundstellen
- JurBüro 1996, 108-109 (Kurzinformation)
- NJW-RR 1996, 653-654 (Volltext mit amtl. LS)
- WuM 1996, 220-222 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 8. September 1995
unter Mitwirkung
des Richters am Landgericht ... als Vorsitzender,
des Richters am Landgericht ... und
des Richters am Landgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 29.03.1995 verkündete Urteil des Amtsgerichts Cloppenburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Den Beklagten wird eine weitere Räumungsfrist bis zum 30.11.1995 bewilligt.
Tatbestand
(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg, weil das ursprünglich durch Mietvertrag vom 03.06.1987 zwischen der Mutter des Klägers, Frau ..., und dem Beklagten zu 2. begründete Mietverhältnis durch die am 06.01.1994 ausgesprochene Kündigung des Klägers gemäß § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB beendet worden ist. Aufgrund der Beendigung des Mietverhältnisses steht dem Kläger gegen den Beklagten zu 2. ein vertraglicher (§ 556 BGB) und ein gesetzlicher Anspruch (§ 985 BGB) auf Herausgabe der Mietsache zu, gegen die Beklagte zu 1., die nicht Partei des Mietvertrages ist, leitet sich der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB ab.
I.
Soweit die Beklagten in I. Instanz die Eigentümerstellung und damit die Vermieterstellung des Klägers bestritten haben, ist dieser Vortrag in II. Instanz nicht wiederholt worden. Gleiches gilt für den erstinstanzlich erhobenen Einwand, der geltend gemachte Eigenbedarf sei lediglich vorgetäuscht, um das Haus "mieterfrei" an den Steuerberater ... verkaufen zu können. In beiden Punkten liegt kein den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO genügender Angriff gegen die erstinstanzliche Entscheidung vor.
II.
Das Kündigungsschreiben vom 06.01.1994 entspricht den formellen Voraussetzungen des § 564 b Abs. 3 BGB.
1.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist bei einer wegen Eigenbedarfs ausgesprochenen Kündigung zwischen dem formellen Begründungserfordernis des § 564 b Abs. 3 BGB und der materiellen Begründetheit der Kündigung zu unterscheiden (BVerfG NJW 1994, 310, 311 [BVerfG 23.11.1993 - 1 BvR 697/93]). Die Anforderungen an das formelle Begründungserfordernis sind nach dem Zweck des § 564 b Abs. 3 BGB zu bestimmen: Dieser besteht vornehmlich darin, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen. Der Mieter soll in die Lage versetzt werden, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen. Denn für ihn ist die gemietete Wohnung Mittelpunkt seines persönlichen Lebenskreises; er hat daher ein besonderes Interesse daran, nicht schon dann aus der Wohnung weichen zu müssen, wenn der Vermieter lediglich ein Räumungsbegehren an ihn richtet (vgl. BVerfG NJW 1992, 1379; NJW 1992, 1877, 1878 [BVerfG 31.03.1992 - 1 BvR 1492/91]). Darüber hinaus zwingt die Begründungspflicht auch den Vermieter, sich selbst über die Rechtslage und die Aussichten des von ihm beabsichtigten Schrittes klar zu werden (Amtliche Begründung zum Regierungsentwurf zur Änderung der §§ 556 a Abs. 1, 564 a Abs. 1 BGB durch das MietRVerbG BT-DruckS. VI/1549, S. 6 f.).
2.
In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur ist streitig, ob die Kündigungsgründe bereits im Kündigungsschreiben derart substantiiert angegeben werden müssen, daß sich aus ihnen schlüssig die Berechtigung der Kündigung ergibt, oder ob es ausreicht, wenn das Kündigungsschreiben den aus Sicht des Vermieters maßgeblichen Sachverhalt jedenfalls so ausführlich bezeichnet, daß er im Fall eines Rechtsstreits identifiziert und von anderen Sachverhalten unterschieden werden kann (vgl. etwa LG Arnsberg, MDR 1994, 578 [LG Arnsberg 25.01.1994 - 5 S 222/93] m.w.Nachw.; BayObLG NJW 1981, 2197, 2198; BayObLG ZMR 1985, 96; Barthelmess, Zweites Wohnraumkündigungschutzgesetz, 4. Aufl., § 564 b Rn. 134, Palandt/Putzo, BGB, 54. Aufl., § 564 b Rn. 22, Münchener Kommentar/BGB/Voelskow, 2. Aufl., § 564 b Rn. 73; Staudinger/Sonnenschein, BGB, 12. Aufl., § 564 a Rn. 18, § 564 b Rn. 122).
Diese Frage hat das Bundesverfassungsgericht, soweit ersichtlich, bisher nicht ausdrücklich beantwortet, doch lassen sich aus den vorliegenden Entscheidungen wichtige Rückschlüsse ziehen: Diese gehen einerseits dahin, daß der der Kündigung zugrundeliegende Sachverhalt so ausführlich bezeichnet sein muß, daß der Mieter in der Lage ist, sich Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen (BVerfG NJW 1992, 1877, 1878 [BVerfG 31.03.1992 - 1 BvR 1492/91]; BVerfG NJW 1992, 1379). Andererseits darf die Auslegung der (formellen) mietrechtlichen Verfahrensvorschriften nicht dazu führen, daß Anforderungen gestellt werden, die eine Verfolgung der Vermieterinteressen in einer dem Artikel 14 Abs. 1 S. 1 GG widersprechenden Weise unzumutbar erschweren (BVerfG NJW 1992, 1877, 1878 [BVerfG 31.03.1992 - 1 BvR 1492/91]; 1992, 1379; BVerfGE 79, 80 (85) = NJW 1989, 969 [BVerfG 08.11.1988 - 1 BvR 1527/87]).
III.
Dies vorausgeschickt entspricht die am 06.01.1994 ausgesprochene Kündigung des Mietverhältnisses durch den Kläger den Voraussetzungen des §§ 564 b Abs. 3 BGB.
1.
Im Kündigungsschreiben teilt der Kläger mit, er wolle das angemietete Haus seiner namentlich genannten Tochter zur Verfügung stellen, die beabsichtige, mit ihrem Verlobten einen eigenen Hausstand und eine Familie zu gründen. Eine ausreichende Unterbringung im Hause des Klägers sei nicht gegeben, da seine Tochter lediglich ein Zimmer bewohne und deshalb die Aufnahme einer weiteren Person nicht möglich sei.
2.
Im Gegensatz zu der von den Beklagten vertretenen Auffassung war es nicht erforderlich, bereits im Kündigungsschreiben den Namen des Verlobten und dessen aktuelle Wohnverhältnisse mitzuteilen.
a)
Zwar wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung vereinzelt vertreten, entsprechende Angaben müßten bereits im Kündigungsschreiben enthalten sein (LG Mannheim ZMR 1994, 67 = NJW-RR 1994, 656 [LG Mannheim 24.11.1993 - 4 S 194/93]; LG Hamburg NJW-RR 1992, 1364, 1365; LG Gießen WM 1991, 39). Dieser Ansicht ist jedoch nicht zu folgen: Zum einen dürfte eine unzulässige Vermengung der formellen Anforderungen an das Kündigungsschreiben, die sich aus § 564 b Abs. 3 BGB ergeben, mit den materiellen Voraussetzungen nach § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB vorliegen.
b)
Das Bundesverfassungsgericht hat - in einer nach Verkündung der zuvor genannten Urteile veröffentlichten Entscheidung - ausdrücklich klargestellt, es sei zwischen dem formellen Begründungserfordernis des § 564 b Abs. 3 BGB und der materiellen Begründetheit der ausgesprochenen Kündigung zu unterscheiden. Es hat zugleich seine Rechtsprechung (NJW 1992, 1877, 1878 [BVerfG 31.03.1992 - 1 BvR 1492/91]; 1992, 1379; BVerfGE 79, 80 (85) = NJW 1989, 969 [BVerfG 08.11.1988 - 1 BvR 1527/87]) bekräftigt, daß die mietrechtlichen Formvorschriften - zu denen § 564 b Abs. 3 BGB gehört - nicht in einer Weise ausgelegt werden dürfen, die eine Verfolgung der Vermieterinteressen unzumutbar erschwere (BVerfG NJW 1994, 310, 311 [BVerfG 23.11.1993 - 1 BvR 697/93] m.w.N.).
Andererseits führe der Begründungszwang des § 564 b Abs. 3 BGB dazu, daß der Vermieter sich nicht auf eine bloße Wiederholung des Gesetzestextes beschränken dürfe. Denn dann erhielte der Mieter nicht die vom Gesetzgeber gewollten Informationen, die ihn in die Lage versetzen sollen, sich zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrnehmung seiner Interessen zu veranlassen. Allerdings müsse die mit dem Begründungszwang verbundene Einschränkung der Grundrechte des Vermieters verhältnismäßig sein. Sie dürfe nicht weiterreichen, als das Informationsbedürfnis des Mieters gehe. Angaben persönlicher Daten des Vermieters, die für die Beurteilung seines Erlangungsinteresses ohne Bedeutung sind, könnten nicht verlangt werden (BVerfG NJW 1994, 310, 312 [BVerfG 23.11.1993 - 1 BvR 697/93]). Im Kündigungsschreiben seien deshalb solche Umstände bekanntzugeben, die für die Beurteilung von Bedeutung sein können, ob der Vermieter vernünftige und nachvollziehbare Gründe dafür habe, seinen eigenen Wohnbedarf in der gekündigten Wohnung zu befriedigen oder die Wohnung durch einen nahen Angehörigen nutzen zu lassen (BVerfG WM 1992, 178, 179). Insoweit werde dem Vermieter durch die Pflicht zur näheren Erläuterung seines Eigenbedarfs nichts Unzumutbares abverlangt (BVerfG WM 1989, 483).
3.
Ausgehend von diesem verfassungsrechtlichen Rahmen ist nach der Rechtsprechung der Kammer (2 S. 869/92, Urt. vom 15.01.1993; vgl. auch 2 S. 390/92, Urt. vom 28.08.1992) im Falle einer Kündigung wegen Eigenbedarfs gemäß § 564 b Abs. 3 BGB zu verlangen, daß der den geltend gemachten Eigenbedarf ausfüllende Lebenssachverhalt im Kündigungsschreiben so ausführlich und unverwechselbar bezeichnet wird, daß eine ausreichende Grundlage für die Prüfung vorhanden ist, ob der im Rechtsstreit vorgetragene Eigenbedarf mit dem im Kündigungsschreiben angegebenen Sachverhalt identisch ist. Darüber hinaus muß die Darstellung so konkret sein, daß sie dem Mieter die Prüfung ermöglicht, sich bereits nach Erhalt des Kündigungsschreibens Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann der im Kündigungsschreiben als Lebenssachverhalt unverwechselbar umrissene Eigenbedarf im Prozeß näher dargestellt und erläutert werden. Ausgeschlossen ist allerdings das Nachschieben völlig neuer, im Kündigungsschreiben nicht genannter Gründe, soweit diese nicht nachträglich entstanden sind, da sonst der Schutzzweck des § 564 b Abs. 3 BGB leerliefe.
4.
Im Kündigungsschreiben hat der Kläger deutlich gemacht, daß er sich das Erlangungsinteresse seiner Tochter ... an der Wohnung zu eigen macht. Es sind auch die Hintergründe für den Entschluß der Tochter dargelegt worden. Weiter ist dem Kündigungsschreiben zu entnehmen, daß die Tochter bisher in einer Weise untergebracht ist, die eine Aufnahme ihres Verlobten nicht zuläßt. Der der Kündigung zugrundeliegende Sachverhalt ist damit eindeutig identifiziert. Auch hatten die Beklagten die Möglichkeit, die Berechtigung der Eigenbedarfskündigung einer Prüfung zu unterziehen. Hierfür war es nicht erforderlich, bereits im Kündigungsschreiben den Namen des Verlobten der Tochter und dessen derzeitige Unterbringung anzugeben (vgl. LG Gießen ZMR 1994, 565, 567; Kammer, Urt. vom 15.01.1993, 2 S 869/92; a.A. LG Mannheim ZMR 1994, 67 = NJW-RR 1994, 656; LG Hamburg NJW-RR 1992, 1364, 1365; LG Gießen WM 1991, 39). Auch ohne diese Angaben waren die Beklagten nach Erhalt der Kündigung in der Lage, zu prüfen, ob seitens des Klägers vernünftige und nachvollziehbare Gründe für das Erlangungsinteresse geltend gemacht worden sind. Die Kündigungserklärung entsprach damit den Anforderungen des § 564 b Abs. 3 BGB.
a)
Die Anforderungen an den Inhalt des Kündigungsschreibens sind auch daran zu orientieren, welche materiellen Voraussetzungen an das Vorliegen eines Eigenbedarfs gestellt werden, da diese Anforderungen nicht nur denknotwendig die äußerste Grenze der nach § 564 b Abs. 3 BGB bestehenden Begründungspflicht bilden, sondern - nach der dargelegten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - das formelle Begründungserfordernis übersteigen.
Insoweit ist eine differenzierte Betrachtungseise geboten, da Inhalt, Ausmaß und Umfang der Begründungspflicht im konkreten Fall maßgeblich davon abhängig sind, auf welche Fallgruppe des § 564 b Abs. 2 BGB die Kündigung gestützt wird. Die Beurteilung ist also jeweils in Abhängigkeit zum konkret geltend gemachten Kündigungsgrund vorzunehmen.
b)
Bei einer auf Eigenbedarf gestützten Kündigung nach § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aus dem Begriff "benötigen" nicht zu folgern, hinsichtlich der aktuellen Unterbringung des Vermieters müsse ein Notfall, ein Mangel oder eine Zwangslage vorliegen. Vielmehr wird es als ausreichend erachtet, wenn ein Vermieter vernünftige und nachvollziehbare Gründe für seinen Wunsch anführt, im eigenen Haus zu wohnen (BGHZ 103, 91, 99 = NJW 1988, 904). Dafür genügt jedes höchstpersönliche Interesse von nicht ganz unerheblichem Gewicht, das mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung in Einklang steht (BGHZ 103, 91, 100 = NJW 1988, 904). Diese in Anwendung einfachen Rechts gewonnene Auslegung entspricht der verfassungsrechtlichen Lage (BVerfG NJW 1994, 309, 310 [BVerfG 11.11.1993 - 1 BvR 696/93], 312).
Auch deshalb müssen im Kündigungsschreiben noch nicht alle Einzelheiten des der Kündigung zugrundeliegenden Lebenssachverhaltes mitgeteilt werden. Vielmehr kann der Vermieter in bezug auf Einzelheiten und Details abwarten, welche Einwendungen der Mieter im Räumungsprozeß erhebt, um seinen Vortrag im Rechtsstreit entsprechend dem Prozeßvortrag des Mieters zu präzisieren. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es bei einer auf Eigenbedarf gestützten Kündigung zum Beispiel nicht erforderlich, daß der Vermieter bereits im Kündigungsschreiben neben seinen (eigenen) derzeitigen Wohnungsverhältnissen auch diejenigen der Familienangehörigen und der sonstigen Personen, die mit in die Wohnung einziehen sollen, darlegt (BVerfG NJW 1994, 310 [BVerfG 23.11.1993 - 1 BvR 697/93]).
Es ist mithin ausreichend, daß der Vermieter im Kündigungsschreiben den Lebenssachverhalt konkret bezeichnet und nachvollziehbare und vernünftige Gründe darlegt, aus denen sich ergibt, worauf die Eigenbedarfskündigung gestützt wird, ohne daß es bereits einer Spezifizierung bis ins Detail bedarf. Eine solche zu verlangen, hieße unzumutbar strenge Anforderungen an die Begründung der Kündigung zu stellen (vgl. BVerfG NJW 1992, 2411, 2412).
IV.
Die ausgesprochene Kündigung ist auch materiell gemäß § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB wirksam.
1.
Insoweit ist zu beachten, daß gemäß § 564 b Abs. 3 BGB als berechtigte Interessen im Rahmen des § 564 b BGB nur die Gründe Berücksichtigung finden, die der Kläger im Kündigungsschreiben selbst angegeben hat. Die Angabe der Kündigungsgründe wird damit zu einem Wirksamkeitserfordernis der Kündigung erhoben (vgl. Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., VI Rn. 101).
2.
Mit dem Amtsgericht ist nach Durchführung der Beweisaufnahme davon auszugehen, daß die Tochter des Klägers und deren Verlobter die feste Absicht haben, das von den Beklagten bewohnte Objekt zu beziehen. Die Tochter des Klägers hat ausgesagt, sie sehe es eigentlich nicht ein, eine andere Wohnung zu mieten, "wenn wir doch ein eigenes Haus haben und dort wohnen können". Aus dem gesamten Zusammenhang ihrer Aussage ist eindeutig zu entnehmen, daß die feste Absicht besteht, mit ihrem Verlobten zusammen das derzeit noch von den Beklagten genutzte Haus zu beziehen. Eine Beschränkung auf die Oberwohnung findet sich in der Aussage der Zeugin nicht. Dagegen hat der Zeuge ... bekundet, man habe die Absicht, die Oberwohnung zu beziehen. Ihm sei bekannt, daß es sich dabei nicht um eine abgeschlossene Wohnung handele. Er wisse nicht, was dann später mit der Unterwohnung passieren solle.
Die beiden Aussagen lassen keinen Zweifel am Selbstnutzungswunsch der Tochter des Klägers und ihres Verlobten in bezug auf das gesamte Objekt aufkommen. Die Möglichkeit, für einen Übergangszeitraum zunächst nur das Obergeschoß zu beziehen, während die Beklagten das Untergeschoß hätten weiter nutzen können, ist erst nach dem Ausspruch der Kündigung in Betracht gezogen worden, um den Beklagten entgegenzukommen. Die Beklagten haben einem entsprechenden Vorschlag des Klägers jedoch nicht zugestimmt.
Es kann dahinstehen, ob der erstmals in der Berufungsinstanz erfolgte Vortrag des Klägers, wonach seine (weitere) Tochter ... ebenfalls beabsichtige, in das Mietobjekt einzuziehen, so daß das Objekt ausschließlich durch die Familie genutzt werden soll, nach § 564 b Abs. 3, 2. Halbs. BGB als ein nachträglich entstandener Grund zu berücksichtigen ist. Bedenken bestehen deshalb, weil nicht dargelegt worden ist, wann und aufgrund welcher Umstände der Nutzungswunsch der Tochter ... entstanden ist.
Auch ohne diesen (neuen) Vortrag ergibt sich aus der vor dem Amtsgericht durchgeführten Beweisaufnahme, daß der Kläger nachvollziehbare und vernünftige Gründe dargelegt und bewiesen hat, die die ausgesprochene Eigenbedarfskündigung im Hinblick auf das gesamte Objekt zu rechtfertigen vermögen. Die Gründe gehen über den bloßen Willen des Klägers hinaus, begünstigte Personen in den eigenen Räumen wohnen zu lassen. Unter Berücksichtigung der ausschließlich maßgeblichen Belange des Klägers sind die dargelegten Gründe vernünftig und nachvollziehbar (vgl. BGH NJW 1988, 904, 905 [BGH 20.01.1988 - VIII ARZ 4/87]). Die von ihm als Eigentümer getroffene Entscheidung über den Wohnbedarf seiner Tochter ist seitens des Gerichtes grundsätzlich zu achten (vgl. BVerfG NJW 1989, 970, 971 [BVerfG 14.02.1989 - 1 BvR 308/88]), da ein Mieter auch im Rahmen des § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB nach der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 08.01.1985 (BVerfGE 68, 361, 371 = NJW 1985, 2633, 2634 [BVerfG 08.01.1985 - 1 BvR 501/83]) nur gegen willkürliche Kündigungen geschützt ist (BVerfG NJW 1988, 2233 [BVerfG 24.06.1988 - 1 BvR 736/88]).
3.
Die von den Beklagten vertretene Auffassung, es sei zu prüfen, ob die "erforderlichen Umbaumaßnahmen" baurechtlich zulässig seien, um den geltend gemachten Eigenbedarfswunsch zu verwirklichen, verhilft dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg. Zum einen ist der Aussage des Zeugen ... die Bedeutung, die die Beklagten ihr beimessen, nicht zu entnehmen. Allein der Satz, er wisse, daß es sich bei der Obergeschoßwohnung nicht um eine abgeschlossene Wohnung handele, rechtfertigt nicht eine so weitgehende Annahme. Außerdem wäre es selbst in dem Fall, daß für den angegebenen Selbstnutzungswunsch Umbaumaßnahmen, die einer Baugenehmigung bedürfen, erforderlich sein sollten, jedenfalls im Regelfall das Vorliegen einer Baugenehmigung für die Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung keine Voraussetzung (OLG Frankfurt NJW 1992, 2300, 2301). Umstände, die Veranlassung für eine davon abweichende Beurteilung geben könnten, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.
V.
Die ausgesprochene Kündigung ist auch nicht wegen Rechtsmißbrauchs nach § 242 BGB unwirksam.
1.
Die Gerichte haben den Wunsch eines Eigentümers, ihm gehörende Räume selbst oder durch nahe Angehörige nutzen zu lassen, im Regelfall auch dann zu respektieren, wenn mit einer Kündigung ein großer Wohnbedarf geltend gemacht wird; es ist nicht Aufgabe der Gerichte, darüber zu befinden, ob ein Wohnbedarf überhöht ist. Vielmehr ist der gefaßte Selbstnutzungsentschluß eines Eigentümers grundsätzlich zu akzeptieren und der Rechtsfindung zugrundezulegen (BVerfG WM 1990, 480). Eine gleichwohl verbleibende "soziale Kontrollbefugnis" (vgl. Kremer, WM 1990, 481) ist auf Extremfälle des Rechtsmißbrauchs beschränkt. Sie schließt etwa die Befugnis ein, den Wunsch einer 22-jährigen Studentin nach Nutzung einer 107 qm großen 4-Zimmer-Wohnung zurückzuweisen (LG Frankfurt WM 1990, 479; BVerfG WM 1990, 480, 481).
Eine vergleichbare Situation ist hier nicht gegeben: Auch wenn nur der Wohnbedarf der Tochter des Klägers und des Verlobten berücksichtigt wird, ist bei einer Wohnfläche von 160 qm und bei dem vorhandenen Zuschnitt der Räume der in Anspruch genommene Wohnbedarf nicht in einem Maße überhöht, daß er eine Unwirksamkeit der Kündigung begründen könnte. Diese Voraussetzung wäre nur erfüllt, wenn die Kündigung wegen weit überhöhten Wohnbedarfs als rechtsmißbräuchlich anzusehen ist (LG Berlin NJW-RR 1994, 850 [LG Berlin 30.09.1993 - 67 S 47/93] unter Hinweis auf BVerfG GE 1993, 529). Da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststeht, daß die Tochter des Klägers und deren Verlobter nach Bezug der Wohnung heiraten und eine Familie gründen wollen, liegt hier kein Fall eines Rechtsmißbrauchs vor.
2.
Die Kündigung ist auch nicht wegen der unterbliebenen Anmietung der Wohnung über dem Verbrauchermarkt rechtsmißbräuchlich. Selbst wenn zugunsten der Beklagten davon auszugehen ist, daß ohne weiteres die Möglichkeit bestanden hätte, den Wohnbedarf auf diese Art und Weise zu decken, ist das dem Kläger zurechenbare Verhalten seiner Tochter und ihres Verlobten, wenn überhaupt, jedenfalls nicht in einem Maße mißbilligenswert, daß daraus ein Mißbrauchsvorwurf erwachsen könnte (vgl. LG Berlin NJW-RR 1994, 850, 851 [LG Berlin 30.09.1993 - 67 S 47/93]). Aus dem Umstand, daß die Nichtanmietung auf anwaltlichen Rat unterblieben ist, um die bereits ausgesprochene Eigenbedarfskündigung nicht in Frage zu stellen, ergibt sich nichts anderes. Es ist nicht rechtsmißbräuchlich, daß die Tochter des Klägers die Anmietung einer Wohnung unterlassen hat, wenn sich im Eigentum ihres Vaters eine für sie und ihren Verlobten geeignetes, wenn auch vermietetes, Objekt befand. Die Entscheidung, eine im Familienbesitz befindliche Wohnung zu beziehen statt eine Wohnung anzumieten, ist vernünftig und nachvollziehbar; sie stellt kein willkürliches oder rechtsmißbräuchliches Verhalten dar. Überdies hat der Zeuge ... bekundet, die Anmietung sei deshalb unterblieben, weil er damals erheblich weniger als heute verdient habe und sein Arbeitgeber ihm außerdem angekündigt hatte, er solle sich besser nach einer anderen Arbeitsstelle umsehen.
Der vorliegende Sachverhalt ist deshalb nicht mit den Fällen vergleichbar, in denen dem Vermieter in einem begrenzten Zeitraum vor Ausspruch der Kündigung eine in seinem Eigentum stehende Wohnung zur Verfügung stand (dazu LG Berlin WM 1990, 347; AG Neuss NJW-RR 1990, 85 f.).
VI.
1.
Eine stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses nach § 568 BGB durch Fortsetzung des Gebrauchs der Mietsache nach Beendigung der Mietzeit ist nicht eingetreten. Nach § 2 Ziff. 4 des Mietvertrages vom 03.06.1987, in dem der Kläger als Erbe eingetreten ist, ist die Geltung des § 568 BGB, bei der es sich um dispositives Recht handelt (BGH ZMR 1966, 241), wirksam abbedungen worden.
2.
Den Beklagten steht kein Anspruch gemäß § 556 a BGB auf Fortsetzung des Mietverhältnisses zu. Ein Fortsetzungsverlangen ist berechtigt, wenn die vertragsgemäße Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter oder seine Familie eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Bei der erforderlichen Abwägung sind die Interessen des Vermieters bzw. der privilegierten Familienangehörigen an der Erlangung des Wohnraums mit den Interessen der Mieter abzuwägen. Seinen darauf bezogenen Vortrag aus erster Instanz haben die Beklagten in der Berufungsinstanz nicht wiederholt. Die bloße Bezugnahme durch die Formulierung, der gesamte Sachvortrag im I. Rechtszug samt der Beweisantritte werde in Bezug genommen und zum Gegenstand des Sachvortrages in der Berufungsinstanz gemacht wird, erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO (vgl. BGH NJW-RR 1991, 1186, 1187 [BGH 08.04.1991 - II ZR 35/90] m.w.Nachw.; OLG Hamm NJW-RR 1992, 631).
3.
Unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen war den Beklagten die zunächst beantragte Räumungsfrist bis zum 30.11.1995 zu gewähren. Der Tochter des Klägers und deren Verlobten ist zuzumuten, bis zu diesem Zeitpunkt auf einen Bezug des Objektes zu warten. Die Räumungsfrist war auch im Hinblick auf die mit Schriftsatz vom 18.09.1995 vorgelegte Bescheinigung gleichen Datums nicht bis zum 31.12.1995 zu bemessen. Es ist nicht ersichtlich, daß eine ausreichende Renovierung der angemieteten Wohnung nicht bis zum 30.11.1995 möglich ist. Das Ausmaß der Arbeiten ist ebenso unklar wie der vereinbarte konkrete Beginn des Mietverhältnisses. Gründe, die gegen eine Bezugsfertigkeit zum 30.11.1995 sprechen, sind nicht vorgetragen worden.
Die Kostenentscheidung folgt § 97 Abs. 1 ZPO.