Landgericht Oldenburg
Beschl. v. 11.10.1995, Az.: 8 T 967/95

Beschwerdeberechtigung von Stiefkindern gegen Anordnung der Betreuung

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
11.10.1995
Aktenzeichen
8 T 967/95
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1995, 31417
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:1995:1011.8T967.95.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Delmenhorst - 31.08.1995

Fundstellen

  • BtPrax 1996, 31-32 (Volltext mit amtl. LS)
  • FamRZ 1996, 500 (Volltext mit red. LS)

In der Unterbringungssache
hat die 8. Zivilkammer des Landgerichtes Oldenburg
durch
die unterzeichnenden Richter
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluß vom 31.08.1995, mit dem das Amtsgericht Delmenhorst die Unterbringung des Betroffenen nach § 1906 BGB genehmigt hat, wird zurückgewiesen. Die Beschwerde des Beteiligten zu 3. wird als unzulässig verworfen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

1

Das Amtsgericht hat für den Betroffenen durch Beschluß vom 30.11.1992 eine Betreuung für die Bereiche Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung und Vermögenssorge angeordnet. Auf Antrag der Betreuerin hat es mit dem angegriffenen Beschluß die Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens 28.02.1996 vormundschaftsgerichtlich genehmigt. Der Betroffene wohnte zuvor bei seiner Stieftochter, der Beteiligten zu 2., Der Beteiligte zu 3. ist sein Stiefsohn. Beide Stiefkinder wenden sich gegen die Unterbringung und fuhren zur Begründung aus, der Betroffene werde bei der Beteiligten zu 2. ausreichend versorgt. Dies entspreche auch seinem Willen.

2

Die Beschwerde des Beteiligten zu 3. ist unzulässig.

3

Ein Beschwerderecht steht nach § 70 m Abs. 2 FGG dem dort bezeichneten Personenkreis zu. Der Beschwerdeführer zählt schon deshalb nicht dazu, weil gemäß § 70 d Abs. 1 Nr. 2 FGG Kinder nur dann beschwerdeberechtigt sind, wenn der Betroffene bei ihnen lebt oder bei Einleitung des Verfahrens gelebt hat. Daran fehlt es hier, denn vor seiner Einlieferung in das Landeskrankenhaus wohnte der Betroffene nicht bei dem Beteiligten zu 3., sondern bei der Beteiligten zu 2..

4

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. ist demgegenüber zulässig.

5

Der Beschwerdeführerin steht als Stieftochter des Betroffenen ein Beschwerderecht gemäß § 70 m Abs. 2 i.V.m. § 70 d Abs. 1 Nr. 2 FGG zu. Nach dem Wortlaut des Gesetzes sind Kinder, bei denen der Betroffene lebt oder gelebt hat, beschwerdeberechtigt. Daraus ergibt sich nach Auffassung der Kammer nicht zwingend, daß nur leibliche Kinder gemeint sind. Die gesetzliche Regelung umfaßt nach Sinn und Zweck Stiefkinder des Betroffenen, denn die Norm macht deutlich, daß die Einschränkung des Beschwerderechts nicht von der Blutsverwandtschaft abhängen soll, sondern von der Verbundenheit des Kindes mit dem Betroffenen, die sich aus der häuslichen Gemeinschaft ergibt Das Beschwerderecht steht daher auch Stiefkindern zu, die - wie die Beteiligte zu 2. - mit dem Betroffenen nicht, nur vorübergehend zusammengelebt haben.

6

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. ist jedoch nicht begründet.

7

Eine Unterbringung des Betroffenen ist gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB erforderlich, weil dieser an einer psychischen Krankheit leidet und deshalb die Gefahr besteht, daß er sich selbst erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt.

8

Nach den Feststellungen des psychatrischen Sachverständigengutachtens vom 31.08.1995 steht fest, daß der Betroffene nach jahrelangem Alkoholmißbrauch an einem ausgeprägten himorganischen Psychosyndrom leidet. Nach den Ausführungen der Gutachterin und den Feststellungen, die das Gericht im Rahmen der Anhörung am 31.08.1995 im Zimmer des Betroffenen getroffen hat, lebte dieser in einem Raum unter menschenunwürdigen Bedingungen, die einen weiteres Verbleiben dort als nicht verantwortbar erscheinen lassen. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird auf das Gutachten und die Sitzungsniederschrift verwiesen.

9

Aufgrund seiner psychischen Erkrankung ist der Betroffene nicht in der Lage, seine eigene Situation einzuschätzen, die Verwahrlosung zu sehen und ihr zu begegnen. Er erkennt auch nicht die Notwendigkeit sofortiger ärztlicher Behandlung.

10

Obwohl er häufig erbricht, weigert er sich, einen Facharzt aufzusuchen, um die Ursachen zu erforschen und sich helfen zu lassen. Aus diesem Verhalten, der Kritiklosigkeit gegenüber der eigenen Lebenssituation, resultiert die Gefahr, daß der Betroffene durch ein weiteres Verbleiben in den beschriebenen Wohnverhältnissen sowie durch fortgesetzten Alkoholmißbrauch sich selbst schweren körperlichen Schaden zufügt.

11

Die Kammer hat gem. § 69 g Abs. 5 Satz 3 FGG in Verbindung mit § 70 m Abs. 3 FGG von der Wiederholung der Verfahrenshandlungen abgesehen, da aufgrund der zeitlichen Nähe der Anhörung und des Gutachtens neue Erkenntnisse nicht zu erwarten sind.

12

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 131 Abs. 3 KostO, 13 a FGG.

Rolfes
Kopka-Paetzke
Duvenhorst