Landgericht Oldenburg
Beschl. v. 20.07.1995, Az.: 2 T 769/95

Absehbare Eigennutzung durch den Vermieter als Verstoß gegen Treu und Glauben bei Abschluss eines Mietvertrages

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
20.07.1995
Aktenzeichen
2 T 769/95
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1995, 31857
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:1995:0720.2T769.95.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Cloppenburg - 21.06.1995 - AZ: 1 C 187/95

Fundstelle

  • WuM 1998, 316 (Kurzinformation)

In dem Rechtsstreitverfahren
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
durch
die Richter ... und ...
am 20. Juli 1995
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenbeschluß des Amtsgerichts Cloppenburg vom 21.6.1995 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert beträgt bis zu 1.800,- DM.

Der Beklagten wird die nachgesuchte Prozeßkostenhilfe verweigert.

Gründe

1

Die gemäß § 91 a Abs. 2 ZPO statthafte Beschwerde ist nicht begründet. Denn das Amtsgericht hat zutreffend festgestellt, daß die Klage begründet war. Das Mietverhältnis vom 1.9.1991 war durch die auf Eigenbedarf gestützte Kündigung vom 6. 11./4.12.1994 mit Wirkung zum 1.3.1995 beendet worden (§§ 564 b Abs. 2 Nr. 2, 565 Abs. 1 Nr. 3 BGB).

2

Der Kündigung steht nicht entgegen, daß der Kläger bereits zur Zeit des Vertragsschlusses am 1.9.1991 bei seinen Eltern gewohnt hat. Denn die jetzige Geltendmachung des Eigenbedarfs ist nicht rechtsmißbräuchlich.

3

Ein Verstoß gegen Treu und Glauben läge nur vor, wenn der Kläger im Zeitpunkt der unbefristeten Vermietung (1.9.1991) entweder entschlossen war oder zumindest erwogen hat, die Wohnung in absehbarer Zeit selbst in Gebrauch zu nehmen. Ein Vermieter, der den mit einer längeren Mietdauer rechnenden Mieter "über die Absicht oder zumindest die Aussicht begrenzter Mietdauer nicht aufklärt" (BVerfG NJW 1989, 970 ff - 972 -), setzt sich zu eigenem Verhalten in Widerspruch und kann daher für einen längeren Zeitraum (von 5 Jahren) seinen Räumungs- und Eigenutzungswunsch nicht einseitig mit Erfolg durchsetzen (BVerfG a.a.O.). Dagegen reicht eine bloße objektive Vorhersehbarkeit insoweit nicht aus, ebenso nicht ein reines Vorhersehenkönnen und/oder -müssen der künftigen Bedarfssituation. Maßgeblich ist vielmehr das über die Fährlässigkeit hinausgehende subjektive Element der Absicht oder des ernsthaften Erwägens (BVerfG a.a.O.) Denn nur dann ist der allein den zeitweisen Ausschluß des Kündigungsrechts rechtfertigende § 242 BGB anwendbar, weil der Mieter nur in diesem Fall gegen eine bereits bei Vertragsschluß bestehende Offenbarungspflicht verstößt (LG Münster NJW-RR 1990, 1354 [LG Münster 31.01.1990 - 1 S 397/89]/5; vgl. BVerfG a.a.O. sowie WM 1992, 1614/5; Palandt, BGB, 54. Aufl., § 564 b Rn. 47; abw. LG Heidelberg NJW-RR 1991, 1164 [LG Heidelberg 15.02.1991 - 5 S 177/90], LG Hamburg NJW-RR 1993, 80 [LG Hamburg 25.09.1992 - 311 S 156/92]).

4

Daß der Kläger schon am 1.9.1991 zumindest erwogen hat, das von der Beklagten auf unbestimmte Zeit gemietete Haus (vor Ablauf von 5 Jahren) in Eigennutzung zu nehmen, steht nicht fest. Nach seinen durchaus nachvollziehbaren Angaben im Schriftsatz vom 1.6.1995 war das nicht der Fall. Danach ist erst im Herbst 1994 der Entschluß gereift, das eigene Haus zu beziehen und nicht mehr mit den Eltern zusammenzuleben. Daß eine solche Entwicklung möglicherweise objektiv vorhersehbar war, ist unerheblich; daß der Kläger sie evtl. hätte vorhersehen können und müssen - überdies auch die Beklagte! -, reicht nicht aus (LG Münster a.a.O.).

5

Da die Beschwerde demnach keinen Erfolg hat, war der Beklagten die nachgesuchte Prozeßkostenhilfe zu verweigern.

6

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.