Landgericht Oldenburg
Urt. v. 28.07.1995, Az.: 5. O. 1327/95
Klage im einstweiligen Verfügungsverfahren des Französischen Fachverbandes für Putenerzeugnisse gegen den Hersteller und Vertreiber von Hähnchenfleischprodukten wegen der Zulässigkeit von Werbeaussagen ; Verbandsklagebefugnis als gewerblicher Interessenverband im Hinblick auf materielle und personelle Voraussetzungen; Geltendmachen eines Wettbewerbsverstoßes als Zulässigkeitsvoraussetzung für ein wettbewerbliches Verfahren; Vermutung der Dringlichkeit oder Eilbedürftigkeit im Wettbewerbsverfahren und Widerlegung der Vermutung; Wettbewerbsrechtlicher Gehalt und Bedeutung der Werbung mit einer Herkunftsgarantie ; Wettbewerbsverstoß durch die Verwendung der Begriffe "heimisches Futter" und "heimisches Getreidefutter" wegen Verstoß gegen EG-Recht; Wettbewerbsverstoß durch die Verwendung der Begriffe "Deutsche Top-Qualität", "Nationalität: Deutsch" wegen Irreführung des Verkehrs; Wettbewerbsverstoß durch Verwendung der Begriffe "Extensive Bodenhaltung", "Auslaufhaltung", "Bäuerliche Auslaufhaltung" wegen Verstoßes gegen EG-Recht und Irreführungsgefahr für den Verkehr ; Unzulässigkeit von Werbeaussagen wie "Sichere/Beste Qualität" wegen Irreführung
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 28.07.1995
- Aktenzeichen
- 5. O. 1327/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 19548
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:1995:0728.5.O.1327.95.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1 UWG
- § 3 UWG
- § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG
- § 25 UWG
- § 935 ZPO
- § 940 ZPO
Fundstelle
- WRP 1995, 984-993 (Volltext mit amtl. LS) "Wiesenhof"
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Das Merkmal des satzungsgemäßen Aufgaben- und Interessenbereichs ist weit auszulegen: Nur dann, wenn ein Wettbewerbsverstoß in keinerlei Beziehung zu den satzungsgemäßen Aufgaben eines Verbandes steht, also völlig außerhalb seiner Verbandszwecke liegt, ist die Klageberechtigung mangels eines schutzwürdigen Interesses zu verneinen. Insoweit kommt es auch nicht drauf an, ob der gegen das UWG verstoßende Mitbewerber branchengleiche oder verwandte Waren oder Leistungen vertreibt; vielmehr ist ein Verband im Falle einer wettbewerbswidrigen Anzeigengestaltung auch dann klagebefugt, wenn sich die Werbung auf andere Warengebiete bezieht.
- 2.
Allein durch die Verwendung des Begriffs der "Herkunftsgarantie" wird nicht der Eindruck erweckt, dass die Produkte des Herstellers eine bessere Qualität als Produkte von Mitbewerbern aufweisen. "Herkunftsgarantie" bezieht sich darauf, dass das Tier von einem bestimmten Landwirt oder von einer bestimmten Erzeugergemneinschaft aufgezogen worden ist, ohne dass darin eine, auch nur mittelbare Herabsetzung von Konkurrenzprodukten liegt.
- 3.
Grundsätzlich ist es zulässig und nicht wettbewerbswidrig auf die deutsche Herkunft einer Ware hinzuweisen; vielmehr ist ein Informationsbedürfnis der Verbraucher auch hinsichtlich der nationalen Herkunft eines Produkts anzuerkennen. Anders verhält es sich dagegen, wenn eine Herkunftsbezeichnung dergestalt aufgemacht wird, dass durch unsachliche Informationen die Gefahr der Irreführung des Verbrauchers besteht oder wenn durch überzogene, ständige, plakative und aufreißerisch anmutende Hinweise auf die deutsche Herkunft des Produkts eine gefühlsbetonte Werbung in einer der Blickfang- und Schlagwortwerbung vergleichbaren Weise praktiziert wird.
In dem Verfügungsverfahren
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung
vom 28.07.1995
durch
den Präsidenten des Landgerichts ...,
den Richter am Landgericht ... und
den Richter am Landgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die einstweilige Verfügung vom 24.05.1995 bleibt mit der Maßgabe aufrechterhalten, daß die Ziff. 1 lit. c) "Herkunftsgarantie" und der Bestandteil der Ziff. 2 lit. l) "... - mit Herkunftsgarantie" entfallen, und daß Ziff. 2 lit. d) "landfrisch" insoweit entfällt, als der Begriff "landfrisch" ohne sonstige verstärkende Hinweise auf ländliche oder bäuerliche Herkunft, wie in den übrigen unter Nr. 2 des genannten Beschlusses aufgeführten Aussagen, verwendet wird.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Verfügungskläger zu 5 % und die Verfügungsbeklagte zu 95 %.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zulässigkeit einer Vielzahl von Werbeaussagen, die die Verfügungsbeklagte in einer im Januar 1995 angelaufenen neuen Werbekampagne verwendet.
Zahlreiche der beanstandeten Aussagen sind in einem als "Geflügelpaß" bezeichneten achtseitigen Kundenfaltblatt im DIN A-6-Format enthalten, das die Verfügungsbeklagte bis einschließlich 31.03.1995 in Werbekästen an den Kühl- und Gefriertruhen des Einzelhandels, in denen sich normalerweise Kochrezepte der Verfügungsbeklagten befinden, verteilt hat. Eine Fortsetzung dieser Werbeform ist nach dem Vortrag der Verfügungsbeklagten "zur Zeit" nicht beabsichtigt.
Beanstandete Werbeaussagen sind auch in Werbeblättern der Einzelhandelsunternehmen mit Aktionsnachweisen und Textbeilagen, die sich wie der "Geflügelpaß" an die Zielgruppe der Verbraucher wenden, sowie auf den auf der Verpackung der Ware befindlichen Etiketten und sonstigen Aufklebern vorhanden. Außerdem schaltet die Verfügungsbeklagte Anzeigen in den bundesweit erscheinenden Fachzeitungen "Lebensmittelzeitung" und "Lebensmittelpraxis". Wegen der Einzelheiten der Werbeaussagen werden die Inhalte der Fotokopien in der Antragsschrift vom 11.05.1995 und die der Antragsschrift als Anlagen beigefügten Originalwerbeträger in Bezug genommen.
Der Verfügungskläger ist der Fachverband der französischen Putenerzeuger und -vermarkter. Er verfolgt nach Artikel 2 seiner Satzung den Zweck, alle fachlichen und gewerblichen Interessen und Initiativen im Hinblick auf die Organisation und die Regelung eines Putenerzeugnismarktes zusammenzufassen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Satzung Bezug genommen. Dem Verfügungskläger gehören als Mitglieder sämtliche namhaften französischen Geflügelschlacht/abpack- und -exportbetriebe an, darunter die Gruppe ... Die von den Mitgliedern geführten Geflügelmarken werden auch nach Deutschland vertrieben und hier verkauft. Nach unwidersprochen gebliebener Schätzung des Verfügungsklägers beträgt der deutsche Marktanteil französischen Geflügels, Puten und Huhn (inkl. Hähnchen) etwa 20 %.
Das Gesamtbudget des Verfügungsklägers beläuft sich auf 10 Mio. FF, wovon 85 % für Promotion, Werbung, Marketingforschung und Interessenvertretung der Mitglieder eingesetzt werden. Ein namhafter Anteil des Jahresbudget entfällt auf wettbewerbliche Beratung, Vertretung und Gerichtsverfahren jeder Art. Die wettbewerbsrechtlichen Aktivitäten des Verfügungsklägers bestehen in der Regel darin, daß er intern beratend tätig wird, während das Mitglied im Prozeß selbst auftritt. In der Vergangenheit hat es aber auch Verfahren gegeben, an denen der Verfügungskläger unmittelbar beteiligt war. So hat er im Jahre 1992 vor dem Landgericht Frankfurt eine einstweilige Verfügung gegen die Centrale Marketing-Gesellschaft (CMA) erwirkt.
Die Verfügungsbeklagte ist ein Unternehmen, das sich in großem Umfang mit der Herstellung und dem Vertrieb von Hähnchenfleischprodukten befaßt. Der Name der Verfügungsbeklagten genießt einen hohen Bekanntheitsgrad: Nach einer Umfrage der Wickert Institute Tübingen von 1993 haben 72 % der Befragten den Namen W. bereits einmal gehört oder gesehen, wovon 83 % dieser Gruppe den Geschäftsbereich der Beklagten zutreffend anzugeben vermochten.
Der Verfügungskläger trägt vor, er sei über die angegriffene Werbekampagne der Verfügungsbeklagten nicht von einzelnen Mitgliedern, insbesondere nicht von der Doux Gruppe oder der Chaillotine Gruppe informiert worden. Die Werbung sei ihm vielmehr erst anläßlich einer Besprechung mit der SOPEXA, der Gesellschaft zur Förderung französischer Landwirtschaftsprodukte, in deren Düsseldorfer Büro am 07.04.1995 durch Mitteilung an seinen Geschäftsführer, ..., bekannt geworden. Anschließend habe man sich die Originalexemplare der Werbeträger der Verfügungsbeklagten verschafft und Rechtsrat eingeholt. Auf dieser Grundlage sei nach interner Rücksprache Anfang Mai 1995 die Entscheidung gefallen, die Verfügungsbeklagte außergerichtlich abzumahnen und evtl. ein einstweiliges Verfügungsverfahren einzuleiten.
Der Verfügungskläger ist der Auffassung, die Werbung der Verfügungsbeklagten stelle einen sittenwidrigen und damit nach § 1 UWG unzulässigen Warenvergleich in Form einer unangebrachten und unsachlichen Aufwertung der Erzeugnisse der Verfügungsbeklagten unter gleichzeitiger Herabsetzung ausländischer Erzeugnisse dar. Diese würden durch Aussagen wie "heimisches Getreidefutter" und durch die grundlose Propagierung deutscher (angeblicher) Qualität ("Deutsche Top-Qualität", "Nationalität: Deutsch") in unzulässiger Weise herabgewürdigt. Der Hinweis, wonach bei der Verfügungsbeklagten nur "unter den strengen deutschen Bestimmungen" geschlachtet werde, stelle eine weitere grundlose Herausstellung "Deutschlands" dar. Jede Geflügelschlachterei in der Europäischen Union sei nämlich, nach Umsetzung der europäischen Bestimmungen in nationales Recht, denselben "strengen europäischen Bestimmungen" unterworfen. Das deutsche Geflügel-Hygienerecht sei deshalb weder besser noch schlechter als beispielsweise das entsprechende französische Recht.
Bei den vorgenannten Werbeaussagen handele es sich um eine Werbung mit Selbstverständlichkeiten, die nach § 1 UWG unzulässig sei, weil die werbliche Hervorstellung dem Leser den unzutreffenden Eindruck vermittele, es seien Qualitätskriterien erfüllt, die über den durchschnittlichen gesetzlichen Anforderungen lägen.
Begriffe wie "Landfrisch", "Qualität vom Lande" und "heimisches Getreidefutter" stellten einen Verstoß gegen die "Verordnung (EWG) Nr. 1538/91 der Kommission mit ausführlichen Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EWG) Nr. 1906/90 des Rates über bestimmte Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch" dar, weil diese Begriffe in dem Positiv-Katalog der zugelassenen Angaben im Anhang III der Verordnung nicht aufgeführt seien. In der Verwendung nicht zugelassener Begriffe liege eine unlautere Werbung durch Rechtsbruch.
Einzelne Aussagen ("Warum Wiesenhof-Geflügel beste, sichere Qualität ist") seien unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Spitzen- bzw. Alleinstellungsbehauptung anstößig. Ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise werde diesen Anspruch einer Spitzenstellung nicht als Übertreibung erkennen, sondern im Kontext mit den übrigen Aussagen als eine ernst zu nehmende Selbsteinschätzung bewerten.
Eine Reihe weiterer Werbeaussagen stelle eine nach § 3 UWG irreführende, weil widersprüchliche Werbung dar. Dies gelte für die Aussagen "Qualität vom Lande", "Landfrisch" und "überwiegend aus 700 bäuerlichen Betrieben". Es sei nämlich nicht möglich, daß das auf der Verpackung der Ware befindliche Etikett dem Verbraucher ganz genau sage, welcher Landwirt das Hähnchen aufgezogen habe, wenn die Tiere nur "Überwiegend aus 700 bäuerlichen Betrieben" kämen und im übrigen auch von sog. "Tierwirten" aufgezogen würden.
Der Verfügungskläger forderte die Verfügungsbeklagte durch anwaltliches Schreiben vom 03.05.1995 vergeblich zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bis zum 05.05.1995 auf. Durch Teilbeschluß der 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 24.05.1995 wurde dem Antrag des Verfügungsklägers vom 11.05.1995 auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung im wesentlichen entsprochen. Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Verfügungsbeklagten vom 02.06.1995. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Verfügungskläger den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung vom 11.05.1995, soweit er durch den Teilbeschluß der Kammer vom 24.05.1995 nicht beschieden worden war, zurückgenommen.
Der Verfügungskläger beantragt,
unter Zurückweisung des Widerspruchs vom 02.06.1995 die durch den Teilbeschluß der Kammer vom 24.05.1995 erlassene einstweilige Verfügung zu bestätigen.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
den Teilbeschluß des Landgerichts Oldenburg vom 24.05.1995 aufzuheben und den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagte beantragt hilfsweise,
ihr nachzulassen,
- a)
für Verpackungsbeutel für Frostware eine angemessene Aufbrauchsfrist, mindestens jedoch 2 Monate einzuräumen;
- b)
die vorhandenen Lagerbestände von Frostware, die mit dem Herkunftszeugnis gekennzeichnet sind, weiter zu vertreiben;
- c)
für die Etikettierung ihrer Frisch-Produkte eine angemessene Aufbrauchsfrist, mindestens jedoch 2 Monate einzuräumen.
Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, der Verfügungskläger sei nicht gemäß § 13 Abs. 2 Ziff. 2 UWG aktivlegitimiert, da sich aus dessen Satzung nicht das Ziel ergebe, für die Einhaltung des deutschen Wettbewerbsrechts auf dem deutschen Markt zu sorgen. Eine Verfolgung von Wettbewerbsverstößen sei auch deshalb nicht möglich, weil alle Mitglieder des französischen Marktes mittelbare oder unmittelbare Verbandsmitglieder des Verfügungsklägers seien. Der Verfügungskläger müsse deshalb darlegen, worin die tägliche Praxis der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen liege. Die einmalige Geltendmachung eines Verstoßes reiche nicht aus, vielmehr sei die regelmäßige Wahrnehmung wettbewerbsrechtlicher Interessen der Mitglieder und deren Aufklärung und Beratung erforderlich. Die Aktivlegitimation entfalle in jedem Fall für die Werbung auf dem Hähnchenmarkt, da der Verfügungskläger insoweit keine Interessen verfolge. Ein Wettbewerbsverhältnis zwischen Mitgliedern des Verfügungsklägers und ihr bestehe nur in bezug auf Putenfleischerzeugnisse. Durch die einstweilige Verfügung seien aber zu 86 % andere Frischprodukte, insbesondere Hähnchen, und Frostgeflügel betroffen.
Für den Erlaß einer einstweiligen Verfügung fehle es an einem Verfügungsgrund, da keine Dringlichkeit gegeben sei. Die beanstandete Werbung sei, was unstreitig ist, bereits mit einer Anzeige in der Lebensmittelzeitung vom 25.11.1994 angekündigt worden; seit Januar 1995 sei eine massive Endverbraucherwerbung mit Anzeigen in großen Publikumszeitschriften mit einer Auflage von mehreren Millionen Exemplaren in Gang gesetzt worden. Auch sei, ebenfalls unstreitig, die Etikettierung der Produkte im Januar 1995 umgestellt worden. Schon daraus ergebe sich, daß der Verfügungskläger spätestens seit Anfang 1995 Kenntnis von der beanstandeten Werbung gehabt habe. Auf jeden Fall treffe dies für ihre zwei großen französischen Konkurrenten, nämlich die Firma BSA-Chaillotione und die Firma Boux S.A. zu, deren Produkte in Kühltruhen unmittelbar neben ihren Erzeugnissen zu liegen pflegten. Aufgrund der Marktbeobachtung sei mit Sicherheit davon auszugehen, daß diese Firmen Anfang Januar bereits Kenntnis von der beanstandeten Werbung gehabt hätten. Dies ergebe sich auch daraus, daß der Geschäftsführer der Firma Boux S.A., Herr Franz Hadeck, ihren Beiratsvorsitzenden am 20.01.1995 auf die "Herkunftswerbung" angesprochen habe. Der Verfügungskläger müsse sich die Kenntnis seiner Mitglieder mit der Folge zurechnen lassen, daß er - in Abweichung zu § 25 UWG - im einzelnen darzulegen und zu beweisen habe, wann er erstmals Kenntnis erlangt habe.
Der Teilbeschluß sei im übrigen aber auch aus materiellen Gründen aufzuheben. Das gesamte Verfahren stelle sich als ein Versuch ausländischer Geflügelproduzenten dar, den deutschen Erzeugern den zutreffenden Hinweis auf die deutsche Herkunft der Produkte zu untersagen, obwohl es dem deutschen Verbraucher überwiegend darauf ankomme, deutsche Produkte zu kaufen. Diese Absicht gehe mit der Tendenz einher, ausländische Produkte zu "germanisieren".
Mit Ausnahme des im Geflügelpaß vorhandenen Kennzeichen "D" sei an keiner Stelle der beanstandeten Werbung eine ausdrückliche Bezugnahme auf ausländische oder gar französische Produkte erfolgt. Die Angabe über die deutsche Herkunft sei EG-rechtlich geschützt. Es entspreche im übrigen gängiger Werbepraxis, eine Herkunftsbezeichnung zu verwenden. Art. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 1538/91 sei dahingehend auszulegen, daß bei Verwendung der im Anhang III der Verordnung genannten Begriffe zu den "Haltungsformen" die dort genannten Voraussetzungen einzuhalten seien. Hingegen könne aus der Verordnung nicht abgeleitet werden, daß die Verwendung anderer Begriffe unzulässig sei. Auch aus Art. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1538/91 ergebe sich im Umkehrschluß, daß andere als die im Anhang III genannten Bezeichnungen zulässig seien. Anders verhalte es sich etwa in der "Eiermarkt-Verordnung", die eindeutig einen Ausschließlichkeitskatalog enthalte.
Die Werbung mit "bäuerlichen Prinzipien" zur Haltungsform sei zutreffend. Eine Irreführung der Verbraucher liege nicht vor, da die Aufzucht der Tiere auf dem Lande extern von 700 selbständigen Betrieben unter Beachtung der klassischen Prinzipien bäuerlicher Betriebe durchgeführt werde. Zwar kämen moderne Methoden zur Anwendung, es liege jedoch keine Massentierhaltung industrieller Art vor. Die Tiere würden nämlich nicht in Käfigen gehalten, sondern in Bodenhaltung. Die "Wiesenhof-Landwirte" wendeten damit genau die Prinzipien an, die auch bei der Aufzucht durch andere Landwirte zur Anwendung kämen. Bezüglich der Herkunft "vom Lande" und ähnlicher Begriffe liege keine Werbung mit Selbstverständlichkeiten vor.
Von ihr, der Verfügungsbeklagten, werde keine Spitzenstellung in Anspruch genommen, vielmehr beanspruche man nur eine Zugehörigkeit zur Gruppe der Spitzenanbieter. Dies sei eine zutreffende Einschätzung, so daß die Werbung nicht unzulässig sei. Als einziges Unternehmen auf dem deutschen Markt kontrolliere sie den Produktionsablauf von der Zucht über die Elterntierhaltung bis hin zur Schlachtung und zum Vertrieb mit der Folge, daß kein Zukauf von Bruteiern, Küken oder Futter erforderlich sei. Dieser "Aufzuchtzirkel" stelle ein ganz wesentliches Kriterium für Qualität dar. Der Begriff "Qualität" werde nicht so sehr durch den Geschmack des Produkts bestimmt, sondern entscheidend und ganz maßgeblich durch die Produktsicherheit etwa in Form der Keimfreiheit der Ware und der Verpackung ausgefüllt. Aktuelle Verbraucherumfragen machten deutlich, daß es den Konsumenten neben dem Geschmack immer mehr auf den Kauf eines gesunden Produkts ankäme.
Schließlich sei es dem Verfügungskläger verwehrt, die angegriffene Werbung zu beanstanden, da seine Mitglieder in ganz ähnlicher Weise Werbeanzeigen schalteten.
Der Verfügungskläger hat seine tatsächlichen Behauptungen durch eidesstattliche Versicherungen des Geschäftsführers Pottier (vom 24.07./25.07.1995 und vom 09.05.1995) sowie durch die eidesstattliche Versicherung der Frau Wölwer-Herff glaubhaft gemacht. Die Verfügungsbeklagte hat ihre Behauptungen durch die eidesstattlichen Versicherungen der Herren Russegger, Paul Heinz Wesjohann (vom 12.07.1995 und vom 13.07.1995), Dr. Hart, Thomann, Kleveman, Ströer, Dr. Südbeck, Arberg, Koehl und Erich Wesjohann glaubhaft gemacht.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Inhalte der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die einstweilige Verfügung war in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu bestätigen. Soweit dieses Urteil Abänderungen der einstweiligen Verfügung enthält, halten sich diese in dem von § 938 ZPO gesetzten Rahmen.
I.
Der Verfügungskläger ist gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG als gewerblicher Interessenverband klagebefugt, da er die entsprechenden förmlichen und sachlichen Voraussetzungen erfüllt.
1.
Der Verfügungskläger ist ein rechtsfähiger Verband französischen Rechts, der nach Art. 2 seiner Satzung zum Ziel hat, die gewerblichen Interessen der ihm angehörenden Mitglieder durch eine Reihe von Aktivitäten zu fördern. Unmaßgeblich ist, daß die Satzung nicht ausdrücklich den Zweck der "Förderung gewerblicher Interessen" enthält. Es reicht nämlich aus, daß diese Absicht, wie hier, hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, wie es auch bei sonstigen Interessenverbänden (Fachverbänden) regelmäßig der Fall ist (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Aufl., § 13 RdNr. 21 a). Der Verfügungskläger erfüllt damit die förmlichen Voraussetzungen, die an die Verbandsklagebefugnis gestellt werden.
2.
Sachlich verlangt die Klagebefugnis, daß der Verband den Satzungszweck, die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder zu fördern, nach seiner Tätigkeit auch wirklich erfüllt (Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 13 RdNr. 24), was voraussetzt, daß der Verband die zur Erfüllung seiner satzungsgemäßen Aufgaben erforderlichen materiellen und personellen Voraussetzungen besitzen muß (Baumbach/Hefermehl, a.a.O. § 13 RdNr. 25). Im Gegensatz zu der von der Verfügungsbeklagten vertretenen Ansicht kommt es für einen Verband, der satzungsgemäß die Förderung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder in einem umfassenden Sinne wahrnimmt, - anders als bei den sogenannten "Wettbewerbsvereinen" ("Abmahnvereinen") - nicht darauf an, ob neben den sonstigen Verbandszwecken, (etwa Beratung, Organisation, Lobby, P.R.) in größerem Umfang und ständig Wettbewerbsverstöße tatsächlich verfolgt werden.
Diese von der Rechtsprechung entwickelte Voraussetzung verfolgt den Zweck, den "reinen Abmahnvereinen", denen es nicht um die Verfolgung wettbewerbsrechtlicher Interessen der Mitglieder, sondern allein oder doch vorrangig um die Erzielung von Einnahmen aus Abmahnungen und Vertragsstrafeversprechen geht, die Klagebefugnis zu versagen (vgl. etwa BGH GRUR 1990, 282, 284 [BGH 05.10.1989 - I ZR 56/89] - "Wettbewerbsverein IV"; BGH GRUR 1988, 918, f. - "Wettbewerbsverein III" mit Anmerkung Schreiner). Diese Einschränkung, die Mißbräuchen vorbeugen soll, ist in bezug auf Fachverbände, die alle branchenspezifischen Belange ihrer Mitglieder einschließlich der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen wahrnehmen, nicht zu machen (vgl. Erdmann, in Jacobs/Lindacher/Teplitzky (Hrsg.), UWG - Großkommentar, § 13 RdNr. 68). Mithin setzt die Klagebefugnis nur bezüglich der Verbände, deren Hauptzweck die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs ist ("Wettbewerbsvereine"), neben einer soliden Finanzplanung voraus, daß sie Unterlassungsansprüche ggf. auch gerichtlich durchsetzen und sich nicht auf Abmahnungen beschränken (Nordemann, Wettbewerbsrecht, 7. Aufl., RdNr. 550). Wollte man anders entscheiden, hätte dies zur Folge, daß einem anerkannten Verband zur Förderung gewerblicher Interessen allein deshalb die Klagebefugnis abzusprechen wäre, weil in einem bestimmten Zeitraum keine relevanten Wettbewerbsverstöße begangen worden sind, die ein Tätigwerden des Verbandes erforderlich gemacht hätten.
3.
Die weitere Voraussetzung für die Klagebefugnis nach § 13 Abs. 2 Ziff. 2 UWG ist ebenfalls gegeben, da durch einen Wettbewerbsverstoß der Verfügungsbeklagten in den satzungsgemäßen Aufgaben- und Interessenbereich des Verfügungsklägers eingegriffen wird (vgl. Großkommentar/Erdmann a.a.O., § 13 RdNr. 71). Dieses Merkmal ist weit auszulegen: Nur dann, wenn ein Wettbewerbsverstoß in keinerlei Beziehung zu den satzungsgemäßen Aufgaben des Verbandes steht, also völlig außerhalb seiner Verbandszwecke liegt, ist die Klageberechtigung mangels eines schutzwürdigen Interesses zu verneinen. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob der gegen das UWG verstoßende Mitbewerber branchengleiche oder -verwandte Waren oder Leistungen wie der zu schützende Wettbewerber vertreibt. Vielmehr ist ein Verband im Falle einer wettbewerbswidrigen Anzeigengestaltung auch dann klagebefugt, wenn sich die Werbung auf andere Warengebiete bezieht (Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 13 Rn 27). Mithin ist weder ein konkretes Wettbewerbsverhältnis erforderlich (Großkommentar/Erdmann, a.a.O. § 13 RdNr. 73) noch setzt die Klagebefugnis des Verbandes voraus, daß seine Mitglieder selbst verletzt und klagebefugt sind (Großkommentar/Erdmann, a.a.O., § 13 RdNr. 75).
Auch nach § 13 Abs. 2 Ziff. 2 UWG ist unerheblich, daß die Verfügungsbeklagte in erster Linie Hähnchen vertreibt, während der Verfügungskläger auf dem Gebiete der Putenaufzucht und des Putenvertriebes tätig ist. Unstreitig ist in Teilbereichen eine unmittelbare Marktüberschneidung gegeben, außerdem handelt es sich bei Puten im Verhältnis zu Hähnchen zumindest um Waren verwandter Art, wobei ein hoher Grad an Substituierbarkeit zwischen den Produkten besteht.
II.
Da eine wettbewerbsrechtliche Streitigkeit vorliegt, ist der Verfügungskläger gemäß § 25 UWG von den Erfordernissen der §§ 935, 940 ZPO und damit von der Darlegung und Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes befreit (Baumbach/Hefermehl a.a.O., § 25 RdNr. 6). Die "Dringlichkeit" oder "Eilbedürftigkeit" wird tatsächlich vermutet (Baumbach/Hefermehl, a.a.O. § 25 RdNr. 9 m. zahlreichen Nachw.).
Die Vermutung der Dringlichkeit ist nicht widerlegt worden.
1.
Eine Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung kommt dann in Betracht, wenn ein Verfügungskläger nach Kenntnis des Wettbewerbsverstoßes den Verfügungsbeklagten längere Zeit weder abgemahnt hat noch gegen ihn gerichtlich vorgegangen ist. Derjenige, der in Kenntnis der maßgeblichen Umstände und der ihm drohenden Nachteile längere Zeit untätig geblieben ist, gibt damit zu erkennen, daß er die Sache für nicht so eilig hält (Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 25 RdNr. 13). Dieser Grundsatz kommt nicht nur zur Anwendung, wenn ein einzelner Mitbewerber über die entsprechende Kenntnis verfügt, sondern ist auch dann heranzuziehen, wenn ein klagebefugter Verband diese Kenntnis hat.
Obwohl die beanstandete Werbung bereits im November 1994 in der Lebensmittelzeitung jedenfalls in groben Zügen angekündigt worden war und von der Verfügungsbeklagten seit dem 02.01.1995 praktiziert wird, ist eine eigene, im Sinne des § 25 UWG schädliche Kenntnis des Verfügungsklägers nicht anzunehmen. Der Verfügungskläger hat durch eidesstattliche Versicherung seines Geschäftsführers Pottier vom 24.07./25.07.1995 glaubhaft gemacht, er sei erstmals in einer Besprechung am 07.04.1995 in Düsseldorf auf die beanstandete Werbung aufmerksam gemacht worden. Nach Einholung von Rechtsrat und einer internen Meinungsbildung im Verband sei dann die Entscheidung gefallen, die Verfügungsbeklagte abzumahnen. Nachdem die Abmahnung fruchtlos verlaufen sei, habe man sich entschieden, den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zu stellen, was durch den Antrag vom 11.05.1995 erfolgte.
Dem tritt die Verfügungsbeklagte auch nur damit entgegen, maßgebliche Mitglieder des Verfügungsklägers hätten bereits wesentlich früher positive Kenntnis der beanstandeten Werbung gehabt; Mitgliederkenntnis ist aber im Rahmen von § 25 UWG dem Verfügungskläger nicht zuzurechen (dazu unten 2.).
Ob der Verfügungskläger die Kenntnis bei sorgfältiger Marktbeobachtung früher hätte erlangen können, ist unerheblich. Allein fahrlässige Unkenntnis räumt die Dringlichkeitsvermutung nicht aus, zumal wenn der Betroffene, wie hier der Verfügungskläger, nicht unmittelbar verletzt ist (Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 25 RdNr. 13)
2.
Frühere Kenntnis von Verbandsmitgliedern ist dem Verfügungskläger nicht zuzurechen, da ihm ein eigenes, nicht lediglich ein von seinen Mitgliedern abgeleitetes Klagerecht zusteht (Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 25 RdNr. 2 und 20). Im übrigen würde die Zurechnung der Kenntnis einzelner Mitglieder die Wahrnehmung der Belange der anderen Mitglieder des Verbandes ungerechtfertigt beeinträchtigen.
3.
Schließlich liegt auch kein Fall einer mißbräuchlichen Verbandsklage vor. Insoweit verweist die Verfügungsbeklagte im Ansatz zu Recht darauf hin, ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen könne sich nicht auf die durch § 25 UWG begründete Vermutung der Eilbedürfigkeit berufen, wenn er auf Veranlassung eines Wettbewerbers handele, der den beanstandeten Wettbewerbsverstoß derzeit hingenommen und die Möglichkeit, eine einstweilige Verfügung zu erwirken, seinerzeit verloren habe (vgl. OLG Hamburg, GRUR 1987, 721, 722). Entscheidende Voraussetzung ist jedoch, daß der geltend gemachte Unterlassungsanspruch im wesentlichen auf die Durchsetzung der Interessen gerade des Wettbewerbers, der die Vorkenntnis hatte, abzielt (OLG Hamburg, ebd.). Durch die Zurechnung der Kenntnis eines Mitglieds auf den Verband soll verhindert werden, daß ein bestimmter Wettbewerber, der sich beschwerdeführend an den Verband wendet, selbst aber nicht mehr im Wege der einstweiligen Verfügung vorgehen kann, den Verband vorschiebt, um eine eigentlich nicht mehr gegebene Dringlichkeit erneut zu begründen (OLG Frankfurt GRUR 1991, 471). Aus den zu 2) dargestellten Gründen muß jedoch die Zurechnung der Mitgliedskenntnis auf den Verband eine Ausnahme sein. Sie darf nicht dazu führen, daß dem Verband die Wahrnehmung der Allgemeininteressen und der Belange anderer Mitglieder verwehrt wird, nur weil ein Mitglied bei früherer Kenntnis untätig geblieben ist. Hier ist nichts dafür ersichtlich, daß der Verfügungskläger die Unterlassungsansprüche allein im Interesse jener Mitglieder verfolgt, die nach Darstellung der Verfügungsbeklagten schon früher Kenntnis von deren Werbung hatten.
4.
Es erscheint im übrigen auch zweifelhaft, ob die Zeitspanne zwischen der Kenntnis einiger Mitglieder des Verfügungsklägers von dem Wettbewerbsverstoß und der Einreichung des Verfügungsantrages bereits so groß ist, daß sie zu einer Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG führt. Maßgeblich für den Beginn der Zeitspanne ist nicht die Ankündigung der Werbung im November 1994, sondern die erste Januarwoche 1995. Denn in dieser Zeit hat die Verfügungsbeklagte erstmals Anzeigen mit den beanstandeten Werbeaussagen geschaltet und für ihre Produkte Verpackungen verwendet, die diese Werbeaussagen enthielten. Der Verfügungskläger ist durch die Abmahnung vom 03.05.1995 und durch den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung vom 11.05.1995, mithin vier Monate später tätig geworden. Nach Auffassung der Kammer bestehen erhebliche Zweifel daran, ob unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles die Dringlichkeitsvermutung als widerlegt anzusehen wäre, wenn nicht der Verfügungskläger, sondern eines seiner Mitglieder - bei unterstellter Kenntnis der Werbemaßnahmen im Januar 1995 - den Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung Anfang Mai 1995 gestellt hätte. Zwar werden in der Rechtsprechung zu § 25 UWG vereinzelt kürzere Fristen angenommen (vgl. die Nachweise bei Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 25 RdNr. 15), doch läßt sich eine feste zeitliche Grenze nicht ziehen. Maßgeblich sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Gründe, die für das Abwarten des Verfügungsklägers bestimmend waren.
Hier wäre zu berücksichtigen, daß es sich um einen komplexen Sachverhalt mit einer Vielzahl von Werbeaussagen handelt, der eine erhebliche ökonomische Bedeutung, aber auch, wegen der Auslandsberührung, eine hohe politische Brisanz aufweist. Die rechtliche Beurteilung erfordert neben der Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts die Einbeziehung europarechtlicher Regelungen. Das Erfordernis, alle Schriftstücke und die umfangreichen Anlagen zur Information des Verfügungsklägers in die französische Sprache zu übersetzen, hat ebenfalls zur Folge, daß gewisse zeitliche Verzögerungen unvermeidbar sind.
III.
1.
Die einstweilige Verfügung war insoweit abzuändern, als der Verfügungsbeklagten durch den Teilbeschluß vom 24.05.1995 die Verwendung des Wortes "Herkunftsgarantie" untersagt worden ist. Dies betrifft Ziff. 1 lit. c) und den zweiten Bestandteil von Ziff. 2 lit. l). Durch die Verwendung des Wortes "Herkunftsgarantie" erweckt die Verfügungsbeklagte im konkreten Zusammenhang, namentlich in Verbindung mit den anderen Werbeaussagen, nicht den Eindruck, ihre Erzeugnisse wiesen eine bessere Qualität auf als französische Erzeugnisse. Die "Herkunftsgarantie" bezieht sich nämlich darauf, daß das Tier von einem bestimmten Landwirt oder von einer bestimmten Erzeugergemeinschaft aufgezogen worden ist, ohne daß darin eine, auch nur mittelbare Herabsetzung von Konkurrenzprodukten liegt. Die "Herkunftsgarantie" mit diesem Inhalt hatte die Kammer mit dem Beschluß vom 24.05.1995 auch nicht verbieten wollen und daher nur einen "Teil"-Beschluß erlassen. Diese Änderung stellt daher nur klar, was die Kammer mit ihrem Beschluß vom 24.05.1995 hat ausdrücken wollen und beugt Fehldeutungen des Tenors vor.
2.
Dies gilt auch für die Verbindung der Begriffe, wie sie sich in Ziff. 2 lit. l) des Teilbeschlusses finden, "... Qualität vom Lande - mit Herkunftsgarantie". Auch in diesem Zusammenhang wird die "Herkunftsgarantie" nicht zur Bezeichnung der deutschen Herkunft des Produkts verwendet.
3.
Der Teilbeschluß war schließlich wegen des in der mündlichen Verhandlung vom 27.07.1995 erklärten Verzichts des Verfügungsklägers auf das Verbot der Aussage "Landfrisch" in Ziff. 2 lit. d) des Beschlusses insoweit aufzuheben, als der Begriff "Landfrisch", also die Verwendung der eingetragenen Marke der Verfügungsbeklagten, ohne sonstige verstärkende Hinweise auf ländliche oder bäuerlicher Herkunft, wie in der übrigen in Ziff. 2 des genannten Beschlusses aufgeführten Aussagen, verwendet wird. Auf die Kostenentscheidung wirkt sich diese Änderung gemäß § 97 Abs. 2, 1. Altern. ZPO nicht aus.
Im übrigen war die einstweilige Verfügung, wie sie durch den Teilbeschluß vom 24.05.1995 ergangen ist, zu bestätigen, da hinsichtlich der verbotenen Aussagen ein Unterlassungsanspruch aus den §§ 1, 3 UWG besteht.
IV.
Der Verfügungsbeklagten war zu untersagen, durch Verwendung der in Ziff. 1 der einstweiligen Verfügung genannten Aussagen den Eindruck zu erwecken, ihre Erzeugnisse wiesen eine bessere Qualität auf als französische Erzeugnisse.
1.
Die Verfügungsbeklagte ist nicht berechtigt, die Aussagen "heimisches Futter" und "heimisches Getreidefutter" zu verwenden.
a)
Die Verwendung dieser Begriffe verstößt gegen die Verordnung (EWG) Nr. 1538/91 der Kommission in der Fassung vom 02.05.1994. Diese Verordnung regelt die Durchführung der "Verordnung (EWG) Nr. 1906/90 des Rates über Vermarktungsformen für Geflügelfleisch" vom 26.06.1990, die wiederum ihre Grundlage in der "Richtlinie des Rates 79/112 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür" vom 18.12.1978 hat.
Nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1538/91/EWG dürfen bei der Etikettierung gem. Art. 1 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie 79/112/EWG zur Angabe der Haltungsform "... ausschließlich die nachstehenden und die in Anhang III aufgeführten Begriffe ... verwendet werden, und dies nur, sofern die in Anhang IV genannten Bedingungen erfüllt sind". Aus dieser Bezugnahme auf Art. 1 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie 79/112/EWG ergibt sich, daß der Begriff der "Etikettierung" nicht eng zu verstehen ist, sondern "alle Angaben, Kennzeichnungen, Hersteller- und Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen, die sich auf Lebensmittel beziehen und auf jeglicher Art von Verpackung, Schriftstück, Tafel, Etikett, Ring oder Verschluß angebracht sind und die dieses Lebensmittel begleiten oder sich auf dieses Lebensmittel beziehen", umfaßt. Aus der Bezeichnung der Richtlinie 79/112/EWG, die ausdrücklich die Werbung für Lebensmittel einschließt, und aus den der Richtlinie vorangestellten Erwägungen folgt eindeutig und unmißverständlich, daß unter den Begriff "Etikettierung" eines Lebensmittels auch die auf das Lebensmittel bezogene Werbung fällt. Dafür sprechen auch die vorangestellten Erwägungen der Richtlinie 79/112/EWG, in denen es heißt, die Regeln für die Etikettierung müßten auch das Verbot enthalten, den Käufer zu täuschen oder den Lebensmitteln medizinische Eigenschaften zuzuschreiben; um wirksam zu sein, müsse dieses Verbot auf die Aufmachung der Lebensmittel und auf die Lebensmittelwerbung (!) ausgedehnt werden.
Den Erwägungen der aufgrund der Richtlinie 79/112/EWG erlassenen Verordnung des Rates Nr. 1909/90/EWG ist ebenfalls zu entnehmen, daß der sachliche Regelungsbereich die Werbung für Lebensmittel einschließt. Es kann mithin keinem Zweifel unterliegen, daß die Verordnung 1538/91/EWG nicht von einem engen, sondern von einem weiten Begriff der "Etikettierung" ausgeht, der insbesondere auch die Werbung für ein Produkt und sonstige Produktinformationen umfaßt.
b)
Nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1538/91/EWG dürfen im Hinblick auf die Haltungsformen "ausschließlich die nachstehenden und die in Anhang III aufgeführten Begriffe" verwendet werden, sofern die in Anhang IV der Verordnung genannten Bedingungen erfüllt sind.
In Art. 10 lit. a) VO Nr. 1538/91/EWG in der Fassung vom 02.05.1994 heißt es "Gefüttert mit ... % ...". Bereits hieraus, aber auch im Zusammenhang mit den Regelungsinhalten von Anhang III und Anhang IV der Verordnung Nr. 1538/91/EWG wird deutlich, daß auch in bezug auf Tierfutter "ausschließlich die im Anhang genannten Bezeichnungen" gewählt werden dürfen. Anhang III. lit. a) nennt allein die Bezeichnungen "Mast mit ... %" und "Hafermastgans". Da nur diese Begriffe verwendet werden dürfen, ergibt sich im Umkehrschluß, daß in bezug auf das Tierfutter andere Bezeichnungen unzulässig sind. Dies gilt auch für die von der Verfügungsbeklagten verwendeten Aussagen "heimisches Futter" und "heimisches Getreidefutter", deren Verwendung somit einen Verstoß gegen die VO 1538/91/EWG darstellt.
c)
Damit liegt zugleich ein Verstoß gegen § 1 UWG vor. Zwar ist nach der ständigen Rechtsprechung nicht jede Wettbewerbshandlung, die gegen eine gesetzliche Vorschrift verstößt, sittenwidrig im Sinne von § 1 UWG. Es kommt vielmehr darauf an, ob die verletzte Norm ihrem Schutzzweck zufolge wettbewerbsneutral oder wettbewerbsrelevant ist (Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 RdNr. 611 m. w. Nachw.).
Die vorzitierte Richtlinie und die auf ihrer Grundlage ergangenen Verordnungen dienen, wie die zitierten "Erwägungen" hervorheben, vor allem der Unterrichtung und dem Schutz des Verbrauchers vor Irreführung. Ein Verstoß gegen solche Vorschriften des Lebensmittelrechts, die den Verbraucher vor einer Irreführung schützen sollen, ist als Mißachtung wertbezogener Schutzvorschriften nach § 1 UWG wettbewerbswidrig, ohne daß weitere Unlauterkeitskriterien hinzukommen müssen (Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 RdNr. 621 m. w. Nachw.).
d)
Selbst wenn die Verordnung Nr. 1538/91/EWG im Hinblick auf die Futterbezeichnungen keine Ausschließlichkeit begründen sollte, dürfte die Verfügungsbeklagte die Aussagen "heimisches Futter" und "heimisches Getreidefutter" gleichwohl nicht verwenden, weil die Gefahr einer nach § 3 UWG relevanten Irreführung der Verbraucher besteht. Der Hinweis auf das "heimische" Futter dient der unzulässigen Hervorhebung der Inlandsherkunft (dazu im folgenden unter 2.)
2.
Mit den Aussagen "Deutsche Top-Qualität", "Nationalität: Deutsch" und durch die Aussage "Übrigens achten Sie auf das Kennzeichen mit dem "D" auf den Packungen. Daran können sie erkennen, daß das Tier in Deutschland (unter den strengen deutschen Bestimmungen) geschlachtet wurde. Bei WIESENHOF wird nur in Deutschland geschlachtet, ausschließlich in eigenen Betrieben. Durch dieses Prinzip der Kundennähe kommt alles frisch zu ihrem Markt", verstößt die Verfügungsbeklagte gegen § 1 UWG und § 3 UWG.
a)
Zur Klarstellung ist einleitend ausdrücklich anzumerken, daß es ohne jede Frage zulässig ist, auf die deutsche Herkunft einer Ware hinzuweisen. Es kann auch keine Rede davon sein, daß ein Hinweis auf die deutsche Herkunft eines Produkts schlechthin unzulässig und damit wettbewerbswidrig ist. Vielmehr ist ein Informationsbedürfnis der Verbraucher nicht nur in bezug auf die Qualität und Sicherheit von Lebensmitteln, das Produktionsverfahren und weitere wichtige Aspekte, sondern auch hinsichtlich der nationalen Herkunft des Produkts anzuerkennen.
Dies geschieht zum Beispiel auch in der Verordnung 1906/90/EWG. Nach deren Art. 5 Abs. 3 lit. d) ist bei Geflügelfleisch in Fertigpackung auf der Verpackung oder auf einem daran befindlichen Etikett die Zulassungsnummer des Schlacht- bzw. des Zerlegungsbetriebes anzubringen. Jedenfalls für den Fachmann erschließt sich daraus, in welchem Land das Tier geschlachtet worden ist. Nach dem folgenden Buchstaben e) muß bei Geflügel, das aus Drittländern eingeführt wird, das Herkunftsland angeführt werden.
Aus dem Vorstehenden folgt, daß für Geflügel, das aus einem Land der Europäischen Union stammt, zwar ein allgemeines Gebot zur Angabe der Herkunftslands nicht besteht, andererseits aber auch kein Verbot ausgesprochen wird. Ob ein entsprechendes Gebot, das nach dem Vortrag der Verfügungsbeklagten in der politischen Diskussion steht, innerhalb der Europäischen Union mit dem Gemeinschaftsrecht, namentlich mit Art. 30 EG-Vertrag, in Einklang steht, bedarf hier keiner Entscheidung.
Die Kammer hat dadurch, daß sie dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung gem. Ziff. 1 des Hilfsantrages des Verfügungsklägers, wonach der Verfügungsbeklagten die Gegenüberstellung einer deutschen Schlachtbetriebsnummer mit einer französisch definierten Schlachtbetriebsnummer untersagt werden sollte, nicht entsprochen hat, deutlich zu erkennen gegeben, daß gegen eine sachlich gestaltete, auf Information des Verbrauchers angelegte Herkunftsbezeichnung keine Bedenken oder Vorbehalte bestehen.
b)
Anders verhält es sich hingegen, wenn eine Herkunftsbezeichnung dergestalt aufgemacht wird, daß durch unsachliche Informationen die Gefahr der Irreführung des Verbrauchers besteht, oder wenn durch überzogene, ständige, plakative und aufreißerisch anmutende Hinweise auf die deutsche Herkunft des Produktes eine gefühlsbetonte Werbung in einer der Blickfang- und Schlagwortwerbung vergleichbaren Weise praktiziert wird.
aa)
Die Aussagen "Nationalität: Deutsch" und "... daß das Tier in Deutschland (unter den strengen deutschen Bestimmungen) geschlachtet wurde" ... sind nach Auffassung der Kammer geeignet, eine Irreführung der Verbraucher im Sinne des § 3 UWG zu bewirken. Da sich diese Werbeaussagen in dem Geflügelpaß befinden, der den Letztverbraucher anspricht, sind die Grundsätze anzuwenden, die für die sog. "Publikumswerbung" gelten (vgl. Großkommentar/Lindacher, a.a.O., § 3 RdNr. 131 f). Maßgeblich für das Verständnis der Werbung ist der nach der Verkehrsauffassung zu beurteilende Gesamteindruck. Es kommt also auf die Gesamtwirkung an, die die werbliche Äußerung hervorruft. Weder dürfen einzelne Passagen eines in sich geschlossenen Werbetextes oder einzelne Elemente einer Gesamtaufmachung aus dem Zusammenhang gelöst und isoliert auf eine Täuschungseignung überprüft werden (Großkommentar/Lindacher a.a.O., § 3 RdNr. 139) noch darf darauf abgestellt werden, ob einzelne Aussagen bei isolierter Betrachtung für sich gesehen unbedenklich sind oder ob sie bereits ausreichen, um eine Irreführung des Verbrauchers zu bewirken. Es ist deshalb nicht darüber zu befinden, ob die (isolierte) Aussage "Nationalität: Deutsch" oder die Aussagen "heimisches Futter" oder "heimisches Getreidefutter" für sich allein gesehen bereits einen Verstoß gegen § 3 UWG darstellen. Die Aussagen müssen vielmehr im Zusammenhang mit dem Satz gesehen werden "... daß das Tier in Deutschland (unter den strengen deutschen Bestimmungen)" geschlachtet wurde.
Die Gesamtaussage ruft den Eindruck hervor, die Produkte der Verfügungsbeklagten seien sicherer als ausländische Produkte, weil die Produkte der ausländischen Konkurrenz nicht "unter den strengen deutschen Bestimmungen geschlachtet worden sind". Dies impliziert die Aussage, die ausländischen Schlachtbestimmungen seien weniger streng, woraus sich Nachteile für die Produktsicherheit ergäben.
Die Verfügungsbeklagte hat jedoch nicht glaubhaft gemacht, daß die in der Bundesrepublik für die Schlachtung des Geflügels geltenden Bestimmungen tatsächlich strenger sind als die entsprechenden ausländischen Bestimmungen. Sie hat vorgetragen, die nationalen Bestimmungen des Geflügelhygienegesetzes vom 15.07.1982, der Geflügelfleischmindestanforderungsverordnung vom 08.11.1986, der Geflügelfleischuntersuchungsverordnung sowie der Verordnung über die Geflügelfleischkontrolleure stellten gesetzliche Regelungen dar, die eine wesentlich höhere staatliche Kontrolldichte vorschrieben als zum Beispiel die portugiesischen, spanischen oder italienischen Hygienevorschriften.
Die Verfügungsbeklagte leitet daraus die Ansicht ab, ein Hinweis auf die entsprechend den deutschen Bestimmungen erfolgende Produktion sei deshalb keine irreführende, anschwärzende unlautere Werbung, weil sie nur Tatsachen verlautbare, die im Rahmen der Europäischen Union den zuständigen Behörden allgemein bekannt seien. Dieser Hinweis geht schon deshalb fehl, weil er nicht belegt, daß die Schlachtbestimmungen in Frankreich weniger streng als in Deutschland sind. Auch wenn die Werbung der Verfügungsbeklagten Frankreich nicht ausdrücklich nennt, setzt sie implizit die französischen Produkte herab, zumal diese in den Kühltruhen des Lebensmittelhandels vielfach unmittelbar neben den Produkten der Verfügungsbeklagten gelagert werden.
In der eidesstattlichen Versicherung des Dr. Hart vom 11.07.1995 heißt es, die lebensmittelrechtlichen Bestimmungen zur Aufzucht, Schlachtung und Vermarktung von Geflügelfleisch seien in der Europäischen Union weitgehend harmonisiert. Es könne jedoch gesagt werden, daß in den Mitgliedsstaaten unterschiedliche Maßstäbe bei der Durchführung und Kontrolle der lebensmittelrechtlichen Vorschriften bestünden.
Diese eidesstattliche Versicherung ist nicht geeignet, die Aussage "unter den strengen deutschen Bestimmungen" zu tragen. Vielmehr wird deutlich, daß die Bestimmungen in Deutschland nicht strenger sind, sondern daß es lediglich darum geht, daß engmaschigere Kontrollmechanismen bestehen. Die Mitglieder der Kammer, die sich zu den angesprochenen Verbraucherkreisen rechnen, verstehen die in der Werbung benutzte Aussage der Verfügungsbeklagten jedoch in dem Sinne, daß nicht (lediglich) die Kontrolle, also die Praxis der Behörden, in Deutschland intensiver ist, sondern bereits die Regelungen, also die bezüglich der Schlachtung zu beachtenden Normen, strenger sind als die entsprechenden ausländischen Regelungen. Diese die deutsche Herkunft rühmende Werbeaussage ist sachlich unrichtig. Sie bewirkt daher eine Irreführung im Sinne des § 3 UWG, was auch auf die anderen, die deutsche Herkunft herausstellenden Aussagen, ausstrahlt.
Dies gilt auch für die Wendung "Deutsche Top-Qualität", die sich in einer an den Fachhandel gerichteten Anzeige findet. In dieser Anzeige wird in einem größeren Schriftzug und plakativ die Überschrift "Sicherheit, die Umsatz macht." herausgestellt. Dadurch, daß bestimmte Vorkehrungen getroffen werden, mag das Produkt als "sicheres" Produkt beschrieben werden. Es erhält darüber aber keine "Deutsche Top-Qualität", also gleichsam eine national geprägte und veranlaßte Besserstellung gegenüber ausländischen Produkten.
bb)
Die Kammer sieht in der übertriebenen Herausstellung der "deutschen" Herkunft der Produkte in Zusammenhang mit anderen Aussagen und in Verbindung mit der Vokabel "Top-Qualität" eine übertriebene Herausstellung der deutschen Produktherkunft, die eine gefühlsbetonte und damit nach § 1 UWG unzulässige Werbung darstellt. Die Werbung zielt darauf ab, den Eindruck zu vermitteln, daß es sich allein wegen der (deutschen) Herkunft der Ware um ein Produkt handelt, das ausländischen - und damit auch französischen - Produkten überlegen ist.
Eine Werbung, durch die an Gefühle des Umworbenen appelliert wird, ist zwar nicht in jedem Fall wettbewerbswidrig. Es gehört zum Bild der modernen Werbung, auf unterschiedliche Weise auch auf die Gefühlsregungen des Umworbenen einzuwirken, um ihn so zu einem Erwerb der angebotenen Ware zu veranlassen. Es kommt also darauf an, ob der Kunde durch seine Entschließung unter Ausnutzung seiner Gefühle in einer dem Leitbild des Leistungswettbewerbs widersprechenden Weise unsachlich beeinflußt wird (BGH NJW 1995, 1964 [BGH 09.02.1995 - I ZR 44/93] - "Arbeitsplätze bei UNS"). Nach Auffassung der Kammer, die sich auch insoweit zu den angesprochenen Verkehrskreisen rechnet, enthält die mehrfache Betonung und Herausstellung des Wortes "Deutsch" einen jedenfalls mittelbaren Appell an den Verbraucher, keinen Preis- und Leistungsvergleich zwischen den Produkten der Verfügungsbeklagten und ausländischen Produkten vorzunehmen, sondern das deutsche Produkt allein um seiner deutschen Herkunft willen zu kaufen. Dieser Appell verträgt sich weder mit dem Gedanken des Leistungswettbewerbes noch mit dem Gedanken des "Gemeinsamen Marktes". Die Suggestion, daß ein deutsches Produkt per se ein besseres Produkt sei, steht der Entwicklung eines funktionierenden Binnenmarktes entgegen. Die in Art. 1 und Art. 30 EG-Vertrag enthaltenen Grundgedanken sind bei der Auslegung des 1 UWG zu berücksichtigen.
Soweit die Verfügungsbeklagte in diesem Zusammenhang geltend macht, eine bezugnehmende Werbung sei dann zulässig, wenn sie richtig, sachlich geboten und von Werbenden für erforderlich gehalten werde, ist entgegenzuhalten, daß das angestrebte Ziel durch einen "schlichten" Hinweis auf die deutsche Herkunft erreicht werden kann, ohne daß es einer an die nationalen Gefühle der Umworbenen oder an irrationale Vorstellungen besserer "heimischer" Qualität anknüpfenden Herausstellung der deutschen Herkunft des Produktes bedarf.
V.
Die einstweilige Verfügung war im geschehenen Umfang auch hinsichtlich der Ziff. 2 zu bestätigen. Die beanstandeten Werbeaussagen der Verfügungsbeklagten erwecken den Eindruck, alle ihre Erzeugnisse kämen aus ländlichen Betrieben, seien von einem Landwirt aufgezogen und kämen aus dem bäuerlichen Bereich.
1.
Die Werbeaussagen verstoßen gegen § 1 UWG i.V.m. Art. 10 der Verordnung 1538/91/EWG. Wie bereits unter IV., 1., lit. a) dargelegt wurde, dürfen im Hinblick auf die Haltungsform von Geflügel ausschließlich die in Art. 10 der Verordnung Nr. 1538/91/EWG und die in Anhang III zu dieser Verordnung aufgeführten Begriffe verwendet werden, sofern die in Anhang IV aufgeführten, genau definierten Voraussetzungen im einzelnen vorliegen. Dies bedeutet, daß lediglich die Begriffe "Extensive Bodenhaltung", "Auslaufhaltung", "Bäuerliche Auslaufhaltung" und "Bäuerliche Freilandhaltung" zulässig sind. Gegen diese Verordnung verstößt die Verfügungsbeklagte, indem sie andere Begriffe verwendet, die in einem zumindest mittelbaren Zusammenhang mit der Haltungsform der Tiere stehen und beim Verbraucher einen irreführenden Eindruck erwecken. Aussagen wie "Aufgezogen bei: Einem von 700 Wiesenhof-Landwirten", "Denn auf seinem Hof wachsen die Hähnchen tiergerecht auf", "... sagen wir Ihnen ganz genau, welcher Landwirt das Hähnchen aufgezogen hat" und insbesondere "Überwiegend aus 700 bäuerlichen Betrieben" vermitteln den Eindruck, als läge eine Haltungsform vor, die einer "Bäuerlichen Auslaufhaltung" oder "Bäuerlichen Freilandhaltung" entspricht. Insoweit kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Tiere tatsächlich unter den von der Verfügungsbeklagten genannten Bedingungen aufwachsen, ob also die Aussagen bei isolierter Betrachtung inhaltlich zutreffend sind. Entscheidend und ausreichend ist vielmehr allein, daß diese Begriffe irreführend im Sinne des § 3 UWG sind.
Wie den Erwägungen zu den Verordnungen 1906/90/EWG und 1938/91/EWG zu entnehmen ist, soll durch eine vollständige Verbraucherinformation gewährleistet und erreicht werden, daß eine Irreführung der Verbraucher ausgeschlossen ist. Der Verbraucher soll ausreichend, unmißverständlich und objektiv über die zum Verkauf angebotenen Erzeugnisse informiert werden. Durch Verwendung der ähnlich klingenden Begriffe in der beanstandeten Werbung der Verfügungsbeklagten wird dieses Ziel nicht erreicht; die von der Verordnung vorgenommene Klassifizierung wird unterlaufen.
Der vorliegende Verstoß gegen diese Vorschriften des Lebensmittelrechts, die dem Schutz des Verbrauchers vor Irreführung dienen, hat zur Folge, daß die Wettbewerbshandlung ohne den Zutritt insbesondere weiterer Umstände nach § 1 UWG wettbewerbswidrig ist (Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 RdNr. 621).
2.
Zugleich liegt ein Verstoß gegen § 3 UWG vor. Durch das intensive Insistieren auf den Begriffen "Ländlich" und "Bäuerlich" wird beim Verbraucher der unzutreffende Eindruck erweckt, daß die Tiere in einer Art und Weise aufwachsen, die einer bäuerlichen Freilaufhaltung oder einer bäuerlichen Auslaufhaltung entspricht. Namentlich ist auf eine Passage im "Geflügelpaß" zu verweisen, in der es wie folgt heißt: "Denn auf seinem Hof (gemeint ist auf dem Hof des Landwirtes) wachsen die Hähnchen tiergerecht auf. Mit viel Herumlauferei, Scharren auf dem Boden und allem, was zum gesunden Hähnchenleben dazugehört".
Der Verbraucher kann diese Passage im Zusammenhang mit Aussagen wie der Landwirt "bürgt für beste Qualität und tiergerechte Aufzucht", der Landwirt "ist stolz auf seine Arbeit und steht dafür mit seinem guten Namen ein" und dem auf dem Geflügelpaß enthaltenen stilisierten Bauernhaus nur in der Weise verstehen, daß keine Massentierhaltung vorliegt, sondern die Tiere nach althergebrachten bäuerlichen Methoden aufgezogen werden.
Dieser Eindruck entspricht nicht nur gemessen an der Verordnung Nr. 1538/91/EWG, sondern auch nach allgemeinem Sprachverständnis nicht der Wirklichkeit. Soweit die Verfügungsbeklagte geltend macht, die Aufzucht finde bei den 700 Wiesenhof-Landwirten genau wie bei anderen Landwirten nach bäuerlichen Prinzipien statt, eine Massentierhaltung "industrieller Art" liege nicht vor, hat sie im gleichen Zusammenhang eingeräumt, es kämen moderne Aufzuchtmethoden zur Anwendung. In der mündlichen Verhandlung ist vorgetragen worden, daß nur ein Teil, nämlich die neuen Ställe der Wiesenhof-Bauern, über Tageslicht verfügt.
Gerade weil es wegen eines veränderten Konsumentenverhaltens inzwischen wieder - zumeist kleinere - Betriebe gibt, die die Tiere nach althergebrachten bäuerlichen Prinzipien einschließlich einer Freilandhaltung mit Auslauf aufziehen, wird durch die von der Verfügungsbeklagten geschaltete Werbung eine ohnehin schon bestehende Irreführungsgefahr des Verbrauchers erhöht. Die beanstandeten Aussagen können, insbesondere auch im Zusammenwirken mit dem im Geflügelpaß abgebildeten Foto eines zwischen den Tieren knieenden, namentlich genannten Landwirts, beim Verbraucher die unzutreffende Vorstellung hervorrufen, die Aufzucht der Tiere erfolge mit einer gegenüber der Konkurrenz deutlich geringeren Besatzdichte. Die von den beauftragten Landwirten verwendeten Aufzuchtmethoden sind jedoch nicht als "bäuerliche Aufzucht" im Sinne des Verbraucherverständnisses zu bezeichnen. Es kann offen bleiben, ob eine Bezeichnung "Vom Lande" generell, also branchenübergreifend geeignet ist, beim Verbraucher einen Irrtum hervorzurufen, da diese Eignung im vorliegenden Zusammenhang nach Auffassung der Kammer außer Frage steht.
3.
Es bedarf keiner Entscheidung, ob die beanstandete Werbung auch unter dem Aspekt der Werbung mit Selbstverständlichkeiten gegen § 1 UWG verstößt. Nach Auffassung der Kammer könnte es sich allerdings bei denjenigen Aussagen, in denen sich die Passage "Vom Lande" findet, um einen Hinweis auf Umstände handeln, die bei anderen Wettbewerbern im gleichen Maße vorliegen (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O. § 3 RdNr. 54 a).
VI.
Soweit die Verfügungsbeklagte mit den Aussagen "Sichere/Beste Qualität" "Beste Qualität, worauf Sie sich verlassen können" und "Garantiert mit bester Qualität" gegenüber dem Endverbraucher wirbt, sind diese Aussagen ebenfalls nach § 3 UWG unzulässig.
1.
Es ist nicht entscheidungserheblich, ob die Verfügungsbeklagte damit eine Alleinstellungswerbung im Sinne einer alleinigen Spitzenstellung in Anspruch nimmt oder sich lediglich der Zugehörigkeit zu einer Spitzengruppe rühmt. Sie hat nämlich nicht glaubhaft gemacht, daß es sich bei ihren Produkten um solche handelt, denen eine "beste Qualität" zukommt. Im Gegensatz zu der von der Verfügungsbeklagten vertretenen Auffassung ist der Begriff der "besten Qualität" in dem hier interessierenden Zusammenhang der Qualität eines Lebensmittels nicht auf das Merkmal der "Produktsicherheit" zu begrenzen oder auch nur weitgehend diesem Merkmal gleichzusetzen. Es kann dahinstehen, ob die Wortbedeutung in einem anderen Kontext, etwa im Hinblick auf Maschinen, anders zu beurteilen ist.
Denn jedenfalls im Zusammenhang mit Lebensmitteln wird der Begriff der Qualität maßgeblich durch den Geschmack, die Bekömmlichkeit, die Zusammensetzung des Lebensmittels (etwa Fett- und Wasseranteile) und durch vergleichbare Kriterien bestimmt und ist damit nicht deckungsgleich mit "Produktsicherheit".
Die eidesstattliche Versicherung des Herrn Kleveman vom 13.07.1995 bezieht sich nicht auf die vorgenannten Kriterien. Vielmehr wird ausgeführt, die Verfügungsbeklagte verlange bestimmte Mindeststandards für die Geflügelaufzucht, die in einem Handbuch zusammengefaßt seien. Die Einhaltung dieser Maßstäbe werde von der Verfügungsbeklagten genau kontrolliert. Die Stellungnahme des Direktors der Bundesanstalt für Fleischforschung, Prof. Dr. W. Branscheid, vom 11.07.1995 beschränkt sich ebenfalls auf eine Beschreibung der von der Verfügungsbeklagten getroffenen Maßnahmen hinsichtlich der Produktsicherheit. Der hohe Integrationsgrad der Geflügelerzeugung bei der Verfügungsbeklagten mit den angeschlossenen bäuerlichen Betrieben wird als Grundlage des Qualitätssicherungssystems und damit der Sicherheit der Qualität des Endprodukts bezeichnet. Hier findet eine weitgehende Gleichsetzung der Begriffe "Sicherheit" und "Qualität" statt, doch liegt dieser Gleichsetzung eine professionelles Verständnis zugrunde, von dem auch die Verfügungsbeklagte selbst ausgeht. Wie schon dargelegt, reicht der Begriff der Qualität aber weiter, er ist nicht auf die Gesundheit des Tieres im weitesten Sinne, auf die Zustände bei der Aufzucht und bei der Schlachtung und auf die Verpackung zu begrenzen. Der Verbraucher, auf dessen Verständnis es im vorliegenden Zusammenhang allein ankommt, versteht unter dem Begriff der "Qualität" also etwas anderes als der professionell mit der Tieraufzucht und Vermarktung Befaßte. Zwar dürfte die Produktsicherheit auch im Verbraucherverständnis eine maßgebliche Voraussetzung für hohe Qualität sein, sie ist aber dennoch nicht zugleich schon der Inbegriff von "Qualität". Es ist nicht glaubhaft gemacht worden, daß die Produkte der Verfügungsbeklagten nach Geschmack, Bekömmlichkeit und Zusammensetzung "beste Qualität" aufweisen.
VII.
Soweit die Verfügungsbeklagte geltend macht, die Werbung der Mitglieder des Verfügungsklägers verstieße ebenfalls gegen das Wettbewerbsrecht, führt der damit erhobene Einwand der "unclean hands" nicht zu einem Ausschluß des Verfügungsklägers bezüglich der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs. Der Einwand, der dem römisch-rechtlichen Prinzip des "tu quoque" entspricht, beansprucht Geltung, wenn ein Verfügungskläger seinen Anspruch auf ein verletztes Individualrecht gründet, nicht dagegen, wenn er öffentliche Interessen wahrnimmt. Er vermag das Klägerecht eines Verbandes nach § 13 Abs. 2 Ziff. 2 UWG, mit dem allgemeine Interessen wahrgenommen werden, regelmäßig nicht zu beeinträchtigen.
Die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs bei einem nach § 13 Abs. 2 Ziff. 2 UWG klagebefugten Verbandes ist bei den hier vorliegenden Verstößen gegen die §§ 1, 3 UWG sowie gegen europäisches Recht - jedenfalls im Regelfall - selbst dann nicht mißbräuchlich, wenn ein, mehrere oder alle Mitglieder des Verfügungskläger selbst wettbewerbswidrig handeln sollten (vgl. BGH GRUR 1956, 270, 273 - "Rügenwalder Teewurst"). Schon aus dem Schutzzweck des § 13 Abs. 2 UWG folgt der Ausschluß des Einwandes der "unclean hands" wenn ein Fachverband auf Unterlassung klagt (Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Einl. UWG, RdNr. 449).
VIII.
Die Kammer sieht keinen Anlaß, den Rechtsstreit im Wege der Vorabentscheidung dem Gerichtshof gem. Art. 177 Abs. 2 EG-Vertrag vorzulegen. Sowohl die für die Entscheidung herangezogene Richtlinie 79/112/EWG als auch die Verordnung 1906/90/EWG und die Verordnung 1538/91/EWG sind eindeutig abgefaßt und damit einer Auslegung nicht zugänglich. Im übrigen hält es die Kammer in dem auf eine schnelle Erledigung angelegten Verfahren des vorliegenden Rechtsschutzes nicht für angezeigt, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes einzuholen. Es kann deshalb unerörtert bleiben, ob eine Vorlage im Eilverfahren überhaupt zulässig wäre. Eine Verpflichtung zur Vorlage nach Art. 177 Abs. 3 EG-Vertrag bestand schon deshalb nicht, weil die Entscheidung der Kammer mit dem Rechtsmittel der Berufung als innerstaatliches Recht angefochten werden kann.
IX.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, 92, 269 Abs. 3 ZPO.