Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.05.2016, Az.: 11 K 10286/15
Rückwirkende Entstehung von Säumniszuschlägen nach einer erfolgreichen Anfechtung durch einen Insolvenzverwalter und Rückzahlung des bereits gezahlten Steuerbetrages
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 26.05.2016
- Aktenzeichen
- 11 K 10286/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 30219
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2016:0526.11K10286.15.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 22.11.2017 - AZ: XI R 14/16
Rechtsgrundlagen
- § 143 InsO
- § 144 InsO
Fundstellen
- EFG 2017, 189-191
- KP 2017, 62-63
- MwStR 2016, 6
Amtlicher Leitsatz
Mit einer erfolgreichen Anfechtung durch einen Insolvenzverwalter und Rückzahlung geleisteter Steuerschulden leben diese rückwirkend mit ihrer ursprünglichen Fälligkeit wieder auf; Säumniszuschläge entstehen in diesem Moment mit rückwirkender Kraft ab Fälligkeit.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob nach einer erfolgreichen Anfechtung durch einen Insolvenzverwalter und Rückzahlung des bereits gezahlten Steuerbetrages rückwirkend Säumniszuschläge entstehen.
Über das Vermögen des am 15. August 2015 verstorbenen S, zuletzt wohnhaft in S eröffnete das Amtsgericht M - Insolvenzgericht - mit Beschluss vom 1. Mai 2013 x IN xx/13 das Insolvenzverfahren. Zum Insolvenzverwalter wurde der Kläger bestellt.
Am 27. September 2013 erklärte der Kläger gegenüber dem Beklagten die Anfechtung von Zahlungen des Herrn S in Höhe von 580.000 €, die in der Zeit vom xxx 2009 bis zum xxx 2013 geleistet worden waren. In dem Schreiben waren die einzelnen Beträge mit dem jeweiligen Datum der Zahlung aufgeführt, nicht jedoch ihr Rechtsgrund. Am 6. Januar 2014 erzielten die Beteiligten eine Einigung über die Zahlung eines Vergleichsbetrages in Höhe von 350.000 € zur Abgeltung des Anfechtungsanspruchs. Weitere Ansprüche wurden nach dieser Einigung nicht geltend gemacht. Der Vergleichsbetrag wurde an die Insolvenzmasse ausgekehrt und an den Kläger ausgezahlt. Dabei verbuchte der Beklagte die Rückzahlung auf die bereits erloschenen Steuerschulden und steuerlichen Nebenleistungen, die als letzte von Herrn S beglichen worden waren. Zahlungen, die Herr S auf Kraftfahrzeugsteuer geleistet hatte bzw. die auf fällige Kraftfahrzeugsteuer umgebucht worden waren, blieben dabei im Einvernehmen mit dem Kläger aus Vereinfachungsgründen unberücksichtigt.
Der Beklagte meldete am 21. Januar 2014 die nunmehr wieder offenen Steuerschulden in Höhe von 340.000 € und die wieder aufgelebten Säumnis- und Verspätungszuschläge in Höhe von 10.000 € zusammen mit den rückwirkend auf das Datum der ursprünglichen Fälligkeit bis zum Tag der Insolvenzeröffnung entstandenen Säumniszuschlägen auf die erstatteten Steuern in Höhe von 71.000 € zur Insolvenztabelle an. Von dem angemeldeten Gesamtbetrag von 421.000 € wurden 350.000 € zur Insolvenztabelle festgestellt, der Restbetrag von 71.000 € wurde vom Kläger bestritten. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2014 listete der Beklagte die seiner Meinung nach bestrittenen Säumniszuschläge auf und bat den Kläger, bis zum 15. Januar 2015 schriftlich mitzuteilen, ob diese anerkannt würden. In einem Schreiben an den Beklagten vom 23. Dezember 2014 erläuterte er hierzu, er habe die vom Beklagten angemeldeten Steuerschulden und die seinerzeit getilgten und nunmehr erstatteten steuerlichen Nebenleistungen in Höhe von insgesamt 350.000 € anerkannt. Nur die nunmehr zusätzlich geltend gemachten Säumniszuschläge in Höhe von 71.000 € seien bestritten worden. Diese werde er auch nicht anerkennen, weil die Steuerbeträge dem Beklagten bis zum Tag der Auszahlung tatsächlich zur Verfügung gestanden hätten und deshalb keine Säumniszuschläge bis zum Tag der Auszahlung entstanden sein könnten.
Mit Feststellungsbescheiden vom xx. Januar 2015 und xx. Februar 2015 stellte der Beklagte die streitigen Säumniszuschläge nach § 251 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) i. V. m. § 179 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) fest. Die die erfolgreiche Anfechtung einer Steuerzahlung führe zur nachträglichen Erfüllung des § 240 AO. Die ursprüngliche Steuerschuld lebe nach § 143 InsO wieder auf, da das Steuerschuldverhältnis bei Steuerfälligkeiten, die in die insolvenzreife Zeit fielen, selbst bei fristgerechter Zahlung wegen der gesetzlich vorgesehenen Anfechtungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters zunächst in der Schwebe blieben (Hinweis auf § 144 InsO und Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 12. November 2013 VII R 15/13).
Gegen die Feststellungsbescheide erhob der Kläger am xx. Februar 2015 Einspruch. Dieser richte sich gegen die Feststellung der Säumniszuschläge dem Grunde nach. Nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO sei für eine Steuer, die nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet werde, ein Säumniszuschlag zu entrichten. Im Streitfall seien die fraglichen Steuern unstreitig zunächst fristgerecht gezahlt worden. Durch die Rückgewähr der Steuer nach Anfechtung träte jedoch keine Säumnis ein, weil es sich bei dieser um ein rückwirkendes Ereignis handele (Hinweis auf BFH, Urteil vom 12. November 2013 VII R 15/13, Tz. 8). Durch den Anwendungserlass zur Abgabenordnung werde im Übrigen auch klargestellt, dass Säumniszuschläge in erster Linie ein Druckmittel zur Durchsetzung fälliger Steuerforderungen seien. Sofern diese Zielsetzung durch die verwirkten Säumniszuschläge nicht mehr erreicht werden könne, sei ihre Erhebung sachlich unbillig. Zumindest seien die Säumniszuschläge bei Eintritt einer Insolvenz zumindest teilweise zu erlassen.
Mit Schreiben vom xx. April 2015 führte der Beklagte zu dieser Einspruchsbegründung aus, nach § 144 Abs. 1 InsO lebe die Steuerforderung durch die Rückgewähr nach erfolgreicher Anfechtung rückwirkend wieder auf. Das Steuerschuldverhältnis bleibe bei Steuerfälligkeiten, die in die insolvenzreife Zeit fielen, selbst bei fristgerechter Zahlung in der Schwebe. Da die Steuerforderung durch die Rückgewähr in derselben Form wieder auflebe, in der sie sich vor Erfüllung befunden habe, entstünden rückwirkend auch Säumniszuschläge. Mit dem Argument, dass die Erhebung der Säumniszuschläge sachlich unbillig sei, könne der Kläger im Rahmen des Feststellungsverfahrens nicht durchdringen.
Mit Schreiben vom xx. April 2015 führte der Kläger zur Ergänzung seines bisherigen Vorbringens Folgendes aus: § 240 Abs. 1 AO sei schon deshalb nicht erfüllt, weil die ursprüngliche Zahlungsfrist nicht versäumt worden sei. § 240 AO stelle allein auf die fristgerechte Zahlung und nicht auf das fristgerechte Erlöschen des Steuerschuldverhältnisses ab. Aus diesem Grunde könne sich der Beklagte auch nicht auf die Textpassage im Urteil des BFH vom 1. November 2013 VII R 15/13, Tz. 8 berufen, weil sich diese mit dem endgültigen Erlöschen eines Steueranspruchs beschäftige.
Der vorliegende Fall sei eher mit dem Vorgehen nach einer gewährten Stundung nach § 222 AO oder einer Aussetzung der Vollziehung nach § 361 AO zu vergleichen. in beiden Fällen werde die Fälligkeit hinausgeschoben, ohne dass Säumniszuschläge erhoben werden dürften. Schließlich müsse auch berücksichtigt werden, dass der Beklagte bis zur Rückgewähr mit den gezahlten Steuern habe arbeiten können, somit ihm kein Zinsnachteil entstanden sei. Werde bis zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über einen Antrag auf Stundung nicht entschieden, so sei dieser Antrag unzulässig und die gewährten Stundungen erledigten sich durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Eine rückwirkende Ablehnung der Stundung dürfe nicht erfolgen. Unstreitig ändere sich die Höhe der bereits verwirkten Säumniszuschläge auch nicht, wenn die Steuerfestsetzung nachträglich geändert oder aufgehoben werde. Das Urteil des BFH vom 11. November 2009 VII R 19/08 sei nicht auf den Streitfall übertragbar, weil die dort nachgeforderten Säumniszuschläge wegen ursprünglich nicht fristgerechter Zahlung entstanden seien.
Der Rechtsbehelf blieb erfolglos. Im Einspruchsbescheid vom xx. September 2015 führte der Beklagte zur Begründung aus, der Beklage habe nach erfolgreicher Anfechtung der ursprünglichen Steuerzahlungen diese nach § 143 Abs. 1 InsO zurückgewähren müssen. Nach § 144 Abs. 1 InsO seien die Steuerforderungen durch diese Rückgewähr wieder aufgelebt. Zwar komme es für die Entstehung von Säumniszuschlägen auf die nicht fristgerechte Zahlung von Steuern an, jedoch bleibe das Steuerschuldverhältnis bei Steuerfälligkeiten, die in die insolvenzreife Zeit fielen, selbst bei fristgerechter Zahlung wegen der Anfechtungsmöglichkeiten in der Schwebe. Erst wenn rechtsverbindlich feststehe, dass die Anfechtungsgründe der §§ 129 ff. InsO nicht vorlägen, habe das Finanzamt einen gesicherten Anspruch auf die entrichtete Steuer. Erst in diesem Moment stehe fest, ob die Steuer tatsächlich gezahlt worden sei.
Den Argumenten hinsichtlich des Charakters der Säumniszuschläge als Druckmittel eigener Art und des Umstands, dass der Beklagte die gezahlten Beträge bis zur Rückgewähr habe behalten dürfen, brauche im Feststellungsverfahren nicht nachgegangen werden, weil diese Gesichtspunkte nur im Rahmen eines Erlassverfahrens berücksichtigt werden könnten. Eine Parallele zur Stundung oder Aussetzung der Vollziehung bestehe nicht, weil dort die Fälligkeit nach hinten verschoben werde.
Da Herr S am xx. August 2015 verstorben war, wurde das mit Beschluss vom xx. April 2013 eröffnete Insolvenzverfahren durch das Amtsgericht M in eine Nachlassinsolvenzverfahren übergeleitet und der Kläger erneut zum Insolvenzverwalter bestellt.
Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, wobei er zur Begründung auf seine Einspruchsbegründung und die Ergänzung im Schreiben vom xx. April 2015 verweist. Ergänzend trägt er vor, dass zwischen den Beteiligten bei Abschluss der Einigung eine Zuordnung der einzelnen angefochtenen Zahlungen, die vergleichsweise erstattet worden seien, zu einzelnen Steuerforderungen nicht vereinbart worden sei. Die Beteiligten hätten dabei auf weitergehende Ansprüche, z. B. auf Zinsen, verzichtet. In diesem Zusammenhang sei auf sein Schreiben vom xx. November 2013 an den Beklagten zu verweisen, in dem dieser bei Annahme eines von ihm unterbreiteten Vergleichsangebots in Höhe von 421.000 € auf die Geltendmachung seines Zinsanspruchs verzichte. Aufgrund des abschließenden Vergleichs zwischen den Beteiligten sei kein Raum für weitere Forderungen durch die Beklagte. Die spätere Geltendmachung der Säumniszuschläge widerspreche der getroffenen Vereinbarung und sei deshalb rechtswidrig.
Der Kläger beantragt,
den Feststellungsbescheid vom xx. Januar 2015 und den Feststellungsbescheid vom xx. Februar 2015, beide in der Fassung des Einspruchsbescheids vom xx. September 2015 hinsichtlich der getroffenen Feststellungen über Säumniszuschläge zur Einkommensteuer 2010 und 2011, zum Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 2010 und 2011, zur Umsatzsteuer 2008 bis 2011, zur Lohnsteuer 2010 bis 2012 und zum Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer 2010 und 2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner im Einspruchsbescheid geäußerten Rechtsansicht fest.
Die Verrechnung der erstatteten Gesamtsumme von 350.000 € auf die zuletzt fällig gewordenen Steuern und steuerlichen Nebenleistungen sei zu Recht erfolgt. Eine andere Vorgehensweise hätte den Kläger mehr belastet, als die Summe der dann entstehenden Säumniszuschläge höher ausgefallen sei. Zudem habe der Kläger diese Methode bei der Feststellung zur Insolvenztabelle nicht gerügt. Die getroffene Vereinbarung zwischen den Beteiligten sei korrekt umgesetzt worden. Sollte es in lediglich formeller Hinsicht bei der Feststellung der angemeldeten Beträge zu Mängeln gekommen sein, als die einzelnen Beträge nicht konkret bezeichnet worden seien, so wären diese durch den Kläger zu korrigieren. Auf den Bestand der Einigung zwischen den Beteiligten hätten diese Mängel aber keinen Einfluss, auch von der Nichtigkeit der Tabellenfeststellung sei nicht auszugehen.
Mit Schreiben vom xx. Oktober bzw. xx. November 2015 haben die Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet. Das Amtsgericht M - Insolvenzgericht - hat am xx. April 2016 den Auszug über die vom Beklagten angemeldeten Steuern und steuerlichen Nebenleistungen in Höhe von 350.000 € ergänzt und die angemeldeten Beträge im Einzelnen festgestellt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Feststellungsbescheide vom xx. Januar und xx. Februar 2015 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom xx. September 2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte konnte die streitigen Säumniszuschläge feststellen. Zwar waren die Steuerschulden ursprünglich durch Herrn S entrichtet worden, sodass zunächst keine Säumniszuschläge entstanden sind (1.). Mit der erfolgreichen Anfechtung und Rückgewähr der gezahlten Beträge lebten die Steuerschulden aber rückwirkend mit ihrer ursprünglichen Fälligkeit wieder auf, aus diesem Grunde sind Säumniszuschläge in diesem Moment mit rückwirkender Kraft ab Fälligkeit entstanden (2). Über die Höhe der verwirkten Säumniszuschläge besteht zwischen den Beteiligten kein Streit, auch nach Aktenlage ergeben sich keine Bedenken gegen die festgestellten Beträge. Die den Säumniszuschlägen zugrunde liegenden Steuerschulden sind vom Insolvenzgericht festgestellt worden; diese Feststellung wirkt für die Beteiligten nach § 178 Abs. 3 Insolvenzordnung wie ein rechtskräftiges Urteil.
1. Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 v. H. des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten (§ 240 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz AO). Das Tatbestandsmerkmal der Entrichtung ist ein Oberbegriff für die Zahlung nach § 224 AO, die Aufrechnung nach § 226 AO und die Befriedigung im Vollstreckungsverfahren, z. B. nach §§ 296 Abs. 2 oder 301 Abs. 2 AO. Eine Steuerschuld ist dann entrichtet, wenn die Voraussetzungen des § 224 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 AO erfüllt sind; diese Regelung gilt entsprechend für die Befriedigung im Vollstreckungsverfahren, soweit der Zahlungszeitpunkt nicht durch §§ 296, 301 Abs. 2 AO fingiert wird (vgl. zum Entrichtungszeitpunkt bei Scheckeinreichung nach § 224 Abs. 2 Nr. 1 AOBFH, Urteil vom 28. August 2012 VII R 71/11, BStBl. II 2013, 103; allgemein Loose, in: Tipke/Kruse, AO-FGO, Loseblattsammlung, Stand: Mai 2013, § 240 AO Tz. 30; Heuermann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO-FGO, Loseblattsammlung, Stand: Februar 2015, § 240 AO Rdnr. 62; Fritsch, in: Koenig [Hrsg.], AO, 3. Aufl. 2014, § 240 Rdnr. 8). Eine Sonderregelung für den Fall einer Aufrechnung enthält § 240 Abs. 1 Satz 5 AO (vgl. dazu BFH, Urteil vom 13. Januar 2000 VII R 91/98, BStBl. II 246). Nicht erforderlich ist dagegen für den Eintritt der Entrichtung, dass die Zahlung etc. tatsächlich zum Erlöschen der Steuerforderung führt (BFH, Beschluss vom 19. März 1999 VII B 158/98, BFH/NV 1999, 879 = Rdnr. 9; kritisch dazu Koenig, in: Koenig, AO, § 240 Rdnr. 18, der zusätzlich fordert, dass die Entrichtung wirksam sein und zum Erlöschen der Steuerschuld führen muss). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - im Moment der ursprünglichen Fälligkeit der Steuerschulden keine Säumniszuschläge verwirkt worden, weil Herr Stevens die Steuerschulden zunächst beglichen hatte.
2. Mit der erfolgreichen Anfechtung und teilweisen Rückgewähr der erhaltenen Beträge durch den Beklagten an den Kläger lebten die ursprünglich erloschenen Steuerschulden des Herrn mit dem gleichen Inhalt - also insbesondere mit der ursprünglichen Fälligkeit - wieder auf. Im Moment ihres Auflebens erfolgte aber keine Entrichtung mehr, sodass mit rückwirkender Kraft nunmehr auch Säumniszuschläge verwirkt wurden.
Die Zahlung einer Steuerschuld führt nach § 47 AO regelmäßig zu ihrem Erlöschen und damit zur Beendigung dieses Steuerschuldverhältnisses. Bei Steuerfälligkeiten, die - wie im Streitfall - in die insolvenzreife Zeit fallen, bleibt dieses Steuerschuldverhältnis aber selbst bei fristgerechter Zahlung wegen der gesetzlich vorgesehenen Anfechtungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters zunächst in der Schwebe. Ob der Steueranspruch der Finanzbehörde endgültig erloschen ist, hängt davon ab, ob der Insolvenzverwalter die Zahlung wirksam angefochten hat. Eine erfolgreiche Anfechtung und Rückgewähr nach § 143 InsO bewirkt gemäß § 144 InsO, dass die Steuerschuld rückwirkend wieder auflebt. Die Beendigung des Steuerschuldverhältnisses ist insoweit auflösend bedingt (BFH, Urteil vom 11. November 2008 VII R 19/08, BStBl. II 2009, 342, 343; vgl. auch Bundesgerichtshof Beschluss vom 15. März 2012 IX ZR 95/09, Rdnr. 5). Das bedeutet, erst wenn rechtsverbindlich feststeht, dass die Anfechtungsvoraussetzungen nach §§ 129 ff. InsO nicht vorliegen oder nicht wirksam angefochten worden ist, hat das Finanzamt einen gesicherten Anspruch auf die entrichtete Steuer und das Steuerschuldverhältnis ist endgültig erloschen (BFH, Urteil vom 12. November 2013 VII R 15/13, BStBl. II 2014, 359). Im Streitfall ist daher mit der Anfechtung der Zahlungen durch den Kläger und die anschließende Rückgewähr die unter einer auflösenden Bedingung stehende Erlöschenswirkung entfallen und die Steuerschuld rückwirkend wieder entstanden und fällig geworden.
In der Zivilrechtsprechung wird teilweise die Auffassung vertreten, nach § 144 Abs. 1 InsO lebe eine Forderung nach erfolgreicher Anfechtung und Rückgewähr der Zahlung zwar rückwirkend, aber nur mit Wirkung auf die Zeit unmittelbar vor der Insolvenzeröffnung wieder auf (OLG Brandenburg, Urteil vom 9. März 2004 11 U 95/03, ZInsO 2004, 504 = Rdnr. 47; OLG Hamm, Urteil vom 4. März 2009 31 U 36/08, Rdnr. 40). § 144 Abs. 1 InsO enthalte keine Aussage, zu welchem Zeitpunkt die Forderung wieder auflebe. Zweck der Vorschrift sei es lediglich, eine Bereicherung der Masse abzuschöpfen. Es gebe keinen Grund, die Durchsetzbarkeit der Forderung rückwirkend zu fingieren und damit gleichzeitig das ununterbrochene Bestehen vorübergehend erloschener akzessorischer Rechte (so Jacoby, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Loseblattsammlung, Stand: 11/11, § 144 Rdnr. 12). Nach anderer Ansicht lebt dagegen die Forderung in ihrer ursprünglichen Form wieder auf (so z. B. Kreft, in: Heidelberger Kommentar, InsO, 6. Aufl. 2011, § 144 Rdnr. 3; Dauernheim, in: Wimmer [Hrsg.], FK-InsO, 6. Aufl. 2011, 144 Rdnr. 2). Dieser Ansicht folgt der Senat.
Nach dem Sinn des § 144 Abs. 1 InsO soll die Forderung grundsätzlich in der Form wieder aufleben, wie sie vor der Entrichtung durch den Insolvenzschuldner bestand hat, also z. B. auch als bedingte, befristete oder nicht einklagbare. Nach dieser Vorschrift soll möglichst der Zustand wieder hergestellt werden, der ohne die anfechtbare Rechtshandlung bestand (OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Januar 2007 12 U 185/06, ZIP 2007, 286 = Rdnr. 39; allgemeine Meinung: vgl. nur Hirte/Ede, in Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl. 2015, § 144 Rdnr. 3a m. w. N.). Wenn aber die Forderung in dem Zustand wieder auflebt, in dem sie sich zum Zeitpunkt Ihrer Tilgung befand, ist nicht einzusehen, warum hinsichtlich ihrer Fälligkeit eine Ausnahme von diesem Grundsatz gemacht wird. Wenn die angefochtene Rechtshandlung vernachlässigt wird und ein Zustand hergestellt wird, der ohne die angefochtene Rechtshandlung bestanden hätte, so führt dies auch dazu, dass die Forderung wieder im ursprünglichen Zeitpunkt entsteht und auch ihre ursprüngliche Fälligkeit wieder auflebt (so ausdrücklich Kreft, a. a. O.). Die abweichende Meinung vermag auch nicht zu begründen, warum sie nach dem Wortlaut des § 144 Abs. 1 InsO statt einer ex-tunc-Wirkung nach erfolgreicher Anfechtung und Rückgewähr eine Rückwirkung gerade auf den Zeitpunkt unmittelbar vor Insolvenzeröffnung annehmen will, obwohl Anfechtung und Rückgewähr erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattfinden. Auch der BFH geht offenbar von einer ex-tunc-Wirkung des § 144 Abs. 1 InsO aus.
Wenn man entsprechend der Regelung des § 144 Abs. 1 InsO sich im Streitfall die angefochtenen Zahlungen durch Herrn Stevens wegdenkt, so fällt auch ihre Wirkung als Entrichtung fort. In diesem Moment entstehen daher mit Eintritt der Fälligkeit die Säumniszuschläge, die der Beklagte in den angefochtenen Feststellungsbescheiden festgestellt hat.
§ 240 Abs. 1 Satz 1 AO steht einer rückwirkenden Verwirkung von Säumniszuschlägen auch nicht entgegen. So hat der BFH z. B. entschieden, dass durch die Änderung einer Abrechnungsverfügung mit der Folge, dass z. B. erhöhte Vorauszahlungen zur Reduzierung des rückständigen Steuerbetrags führen, die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge sich rückwirkend an die reduzierte Steuer anpassen (Urteil vom 24. März 1992 VII R 39/91, BStBl. II 1992, 956). Im Falle der Aufrechnung trifft § 240 Abs. 1 Satz 5 AO eine über diesen Fall nicht erweiterungsfähige Sonderregelung, als die Säumniszuschläge unberührt bleiben, die bis zur Fälligkeit der Schuld des Aufrechnenden entstanden sind (vgl. dazu BFH, Urteil vom 13. Januar 2000 VII R 91/98, BStBl. II 2000, 246). Auch die Regelung in § 240 Abs. 1 Satz 4 AO hinsichtlich der Änderung von Steuerfestsetzungen ist als Ausnahmevorschrift zur Grundregel des § 240 Abs. 1 Satz 1 AO nicht über die dort geregelten Fälle erweiternd anwendbar.
Soweit der Kläger mit seiner Klage auf Konstellationen einer gewährten Stundung oder Aussetzung der Vollziehung verweist, hat der Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass in derartigen Fällen die Fälligkeit hinausgeschoben wird und deshalb der Anwendungsbereich des § 240 Abs. 1 AO, der eine fällige Steuerschuld voraussetzt, nicht berührt wird.
Die vom Kläger schließlich vorgebrachten Argumente, der Beklagte habe mit den entrichteten Beträgen vor ihrer Rückgewähr noch arbeiten können und auch das Ziel der Säumniszuschläge, als Druckmittel eigener Art die Zahlung zum Fälligkeitszeitpunkt zu bewirken, werde verfehlt, vermag u. U. einen Erlass der Säumniszuschläge wegen sachlicher Unbilligkeit nach § 227 AO zu rechtfertigen. Im Rahmen dieses Klageverfahrens kann der Kläger mit diesen Einwänden aber nicht durchdringen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.