Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 25.01.2002, Az.: 2 B 2018/02
angemessen; Hilfe zum Lebensunterhalt; Mietrückstände; Mietschulden; Wohnung
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 25.01.2002
- Aktenzeichen
- 2 B 2018/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 41643
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 4 BSHG
- § 5 Abs 1 BSHG
- § 15a BSHG
- § 8 WoGG
- § 123 Abs 1 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Keine Übernahme von Mietrückständen aus Sozialhilfemitteln bei einer unangemessen großen und/oder teuren Wohnung
Gründe
Der Antrag,
den Antragsgegner durch Erlass einer einstweiligen Anordnung zu
verpflichten, für den Antragsteller den Mietrückstand in Höhe von 1.076,27 ¤ zu übernehmen,
hat keinen Erfolg.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen werden, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Da nach Wesen und Zweck dieses Verfahrens eine vorläufige Regelung grundsätzlich nicht die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen darf, kann eine Verpflichtung zur Erbringung von Geldleistungen - wie sie im vorliegenden Fall begehrt wird - in diesem Verfahren nur ausgesprochen werden, wenn der Antragsteller die tatsächlichen Voraussetzungen für den entsprechenden Anspruch (sogenannter Anordnungsanspruch) sowie weiterhin glaubhaft macht, er befinde sich in einer existentiellen Notlage und sei deswegen - mit gerichtlicher Hilfe- auf die sofortige Befriedigung des Anspruchs dringend angewiesen (sogenannter Anordnungsgrund).
Zwar liegt ein Anordnungsgrund vor, weil dem Antragsteller ohne die sofortige Gewährung der umstrittenen Sozialhilfeleistungen alsbald die Zwangsräumung der von ihm derzeit bewohnten Wohnung im Haus A. in Göttingen droht, denn sein Vermieter
hat ihm wegen Zahlungsverzuges eine fristlose Kündigung unter dem 11.01.2002 ausgesprochen und ihn zur Räumung der Wohnung bis zum 19.01.2002 aufgefordert.
Jedoch hat der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Die Mietrückstände des Antragstellers sind zwischen Januar 2001 und August 2001, also vor der Beantragung von Hilfe zu Lebensunterhalt entstanden. Für solchen vergangenen Bedarf, d.h. auch für Schulden aus der Vergangenheit, deren Grund dem Sozialamt im Zeitpunkt ihres Entstehens nicht bekannt waren, greift die Sozialhilfe gemäß §§ 5 Abs. 1, 4 Abs. 1 BSHG grundsätzlich nicht ein.
Allerdings können (im Ermessenswege) ausnahmsweise Mietrückstände im Rahmen der Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 15 a Abs. 1 BSHG zur Sicherung der Unterkunft übernommen werden, wenn die Sicherung der Unterkunft gerechtfertigt ist. Nach Satz 2 dieser Vorschrift soll die Hilfe gewährt werden, wenn sie - zusätzlich - notwendig ist und ohne sie Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Gesetzliche Voraussetzung der Anwendung dieser Ausnahmeregelung ist somit zuvorderst die sozialhilferechtliche Angemessenheit des zu sichernden Wohnraumes, kein Anspruch besteht hingegen auf Übernahme der Mietschulden einer - sozialhilferechtlich - zu großen oder zu teuren Wohnung.
So liegt der Fall hier; die Wohnung des Antragstellers im Haus "A" in Göttingen übersteigt mit einer Größe von 70,48 qm und einem Kaltmietzins einschließlich Nebenkosten (ohne Heizung) in Höhe von 975,00 DM den sozialhilferechtlich angemessenen Wohnraumbedarf des Antragstellers. Für zwei Personen (der Antragsteller lebt mit seiner minderjährigen Tochter zusammen) gelten nach der Bestimmungen des Wohnungsbindungsgesetzes, dessen Richtwerte im Sozialhilferecht entsprechend angewendet werden, maximal 60 qm als angemessene Wohnungsgröße; die Wohnung des Antragsteller überschreitet diese Bezugsgröße um mehr als 10 qm. Hinzu kommt, dass auch die Wohnraumkosten zu hoch sind. Wie die Antragsgegnerin zutreffend errechnet hat, liegen sie 339,36 DM über den berücksichtigungsfähigen Höchstmieten nach § 8 des Wohngeldgesetzes, die nach allgemeiner Auffassung in der Rechtsprechung als Richtwerte anzuwenden sind. Hierauf wurde der Antragsteller bereits mit Bescheid vom 15.11.2001 ausführlich hingewiesen.
Es sind im Hinblick auf das Vorbringen des Antragstellers keine Gründe dafür ersichtlich, dass sein Fall abweichend von den oben dargestellten Regelungen entschieden werden müsste. Das Auflaufen der Mietschulden, die der Antragsteller im Laufe vieler Monate nicht nennenswert verringern konnte, zeigt eindringlich, dass die Wohnung so teuer ist, dass sie von einem Sozialhilfeempfänger mit den ihm zur Verfügung stehenden begrenzten Mitteln nicht gehalten werden kann und es zu erwarten steht, dass auch bei Begleichung der aktuellen Mietschulden binnen kurzer Zeit der Antragsteller erneut seine miete nicht vollständig wird bezahlen können. Daher würden Leistungen nach § 15 a BSHG nicht dem Sozialhilfeempfänger, sondern in erster Linie dem Vermieter zugute kommen, was der Gesetzgeber keinesfalls beabsichtigt hat. Deshalb ist die Entscheidung der Stadt Göttingen, die Mietschulden des Antragstellers nicht aus Sozialhilfemitteln zu begleichen, nicht zu beanstanden. Hinzu tritt, dass es angesichts der entspannten Lage auf dem Wohnungsmarkt in Göttingen dem Antragsteller möglich sein müsste, sich eine geeignete und angemessene neue Wohnung binnen kurzer Zeit zu beschaffen; entsprechende Bemühungen seit November 2001 hat der Antragsteller indessen nicht glaubhaft gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.