Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 17.01.2002, Az.: 2 A 2258/97
Rücknahme einer Baugenehmigung und deren Ersetzung durch eine um eine Stellplatz-Auflage ergänzte Baugenehmigung; Nebenbestimmung einer Baugenehmigung im Hinblick auf die Herrichtung und Ablösung notwendiger Einstellplätze; Schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der Baugenehmigung; Richtzahlen für Einstellplätze
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 17.01.2002
- Aktenzeichen
- 2 A 2258/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 25122
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2002:0117.2A2258.97.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 1 S.1 VwVfG
- § 36 Abs. 1 VwVfG
- § 28 VwVfG
- § 48 Abs. 1 VwVfG
- § 47 Abs. 2 BauO
- § 47a BauO
- § 89 BauO
Verfahrensgegenstand
Bauplanungs-, Bauordnungs- und Städtebauförderungsrecht (Rücknahme einer Baugenehmigung)
Prozessführer
Herr Dr. A., B.
Prozessgegner
D., E.
Redaktioneller Leitsatz
Entspricht eine bauliche Anlage ohne die für sie notwendigen Einstellplätze nicht dem öffentlichen Baurecht, so bestehen gegen eine nachträglich mit einer Nebenbestimmung in Gestalt einer rechtmäßigen Auflage über die notwendigen Einstellplätze versehene Baugenehmigung keine Bedenken, da insoweit eine uneingeschränkte und deshalb rechtswidrige Baugenehmigung teilweise zurückgenommen werden kann.
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Göttingen - 2. Kammer -
ohne mündliche Verhandlung am 17. Januar 2002
durch
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Möller als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen ihn festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die von dem Beklagten verfügte Rücknahme einer Baugenehmigung und deren Ersetzung durch eine entsprechende, um eine Stellplatz-Auflage ergänzte Baugenehmigung.
Der Kläger ist Eigentümer des bebauten Grundstücks F., auf dem er vor gut 10 Jahren im Rahmen einer städtebaulichen Sanierung umfangreiche Baumaßnahmen durchführte.
Unter dem 11. August 1987 beantragte der Kläger die Erteilung einer Baugenehmigung für Sanierungs-, Um- und Erweiterungsbauten auf dem Grundstück. Mit Schreiben vom 7. März 1989 teilte ihm der Beklagte mit, dass für das Bauvorhaben 15 Einstellplätze notwendig seien. Da diese bis auf 2 Garagen auf dem Grundstück nicht geschaffen werden könnten, müssten 13 Einstellplätze abgelöst werden. Unter dem 20. März 1989 erteilte der Beklagte dem Kläger die Genehmigung zum Abbruch von 3 Gebäuden auf dem Grundstück und wies gleichzeitig darauf hin, dass die beantragte Baugenehmigung im übrigen erst erteilt werden könne, wenn die geforderten 13 Einstellplätze gemäß § 47 Abs. 5 NBauO a. F. abgelöst worden seien. Unter demselben Datum wandte sich der Kläger an den Beklagten und trug vor, dass im Hinblick auf eine Änderung der geplanten Nutzung nur 14 Stellplätze erforderlich seien, von denen 5 auf dem Grundstück nachgewiesen werden könnten. Die bisherige Nutzung habe 9 Einstellplätze erforderlich gemacht, die mit der Folge anzurechnen seien, dass eine Ablösung nicht geboten sei. Mit Schreiben vom 28. März 1989 erklärte sich der Beklagte mit der Schaffung von nur 14 Stellplätzen einverstanden, lehnte jedoch die Anrechnung von 9 Stellplätzen auf Grund der bisherigen Nutzung ab. Im übrigen verwies er den Kläger auf die Möglichkeit der Ablösung der Einstellplätze durch Vertrag mit der Stadt G. Erst wenn eine solche Ablösungsvereinbarung zustande gekommen sei, könne die Baugenehmigung für den Neubau erteilt werden.
Am 4. April 1989 schlossen der Kläger und die Stadt G. einen Ablösungsvertrag für Kfz-Einstellplätze. Hierin wurde als Ablösung pro Einstellplatz ein Betrag von 2.500,00 DM, für derzeit geforderte 9 Einstellplätze die Summe von 22.500,- DM festgelegt. Der Kläger verpflichtete sich zur Zahlung der Ablösung "entsprechend der diesbezüglichen rechtskräftigen Baugenehmigung". Es wurde festgelegt, dass der Betrag vor Erteilung der Baugenehmigung zu zahlen sei, jedoch erst, nachdem dem Kläger eröffnet worden sei, dass die entsprechende Befreiung von der Vorschrift des § 47 NBauO a. F. gewährt werden könne. Der Kläger brachte über den Ablösungsbetrag eine selbstschuldnerische Bankbürgschaft bei.
Unter dem 10. April 1989 erteilte der Beklagte dem Kläger die beantragte Baugenehmigung, die er mit Nachtragsbescheid vom 15. August 1989 im Hinblick auf eine zwischenzeitlich geänderte Planung modifizierte. In dem zum Gegenstand der Baugenehmigung gewordenen Bauvorlagen sind 2 Garagen und 3 Stellplätze ausgewiesen. Ansonsten finden sich in den Bescheiden keine Regelungen über notwendige Einstellplätze.
Am 24. Oktober 1989 schlossen der Kläger und die Stadt G. Verträge über Modernisierungsmaßnahmen, die Durchführung von Ordnungsmaßnahmen und die Nutzung des Grundstücks H., in denen sich die Stadt zur Zahlung von Zuschüssen an den Kläger verpflichtete. Gegen eine Abschlagsforderung des Klägers erklärte sie die Aufrechnung mit dem Ablösungsbetrag von 22.500,- DM.
Der Kläger hielt die Aufrechnung für unzulässig und machte vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig eine Klage gegen die Stadt G. auf Zahlung von 22.500,- DM nebst Zinsen anhängig, der das Gericht mit Urteil vom 16. Juni 1992 (Az.: 2 A 2389/91) stattgab. In den Entscheidungsgründen heißt es u.a., die Forderung der Stadt G. aus dem Ablösevertrag sei nicht fällig. Nach den Regelungen des Ablösungsvertrages vom 4. April 1989 setze die Fälligkeit voraus, dass dem Kläger die Möglichkeit einer Befreiung bzw. Ausnahme im Sinne der Regelung des § 47 Abs. 5 NBauO a. F. eröffnet worden sei. Dies sei nicht geschehen, insbesondere sei die Frage der notwendigen Einstellplätze in der erteilten Baugenehmigung nicht geregelt worden. Die gesetzliche Forderung nach den notwendigen Einstellplätzen müsse in der Baugenehmigung konkretisiert werden.
Mit einem nach § 130 a VwGO ergangenen Beschluss vom 5. Juli 1995 (Az.: 1 L 4665/92) wies das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht die Berufung der Stadt I. gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig zurück. Das Oberverwaltungsgericht führte aus, eine Verpflichtung des Klägers zur Entrichtung des Ablösebetrages entstehe nach dem zu Grunde liegenden Vertrag nicht, solange die für das Bauvorhaben erforderliche Zahl von notwendigen Stellplätzen nicht in der Baugenehmigung festgelegt sei. Die durch den Ablösungsvertrag zum Ausdruck gebrachte Abhängigkeit der Verpflichtung, einen Ablösebetrag zu entrichten, von der Baugenehmigung entspreche der Interessenlage der Beteiligten. Denn der Kläger sei einerseits gegenüber der Baugenehmigungsbehörde auf einen Ablösungsvertrag mit der Stadt G. angewiesen gewesen, um die Baugenehmigung zu erhalten. Andererseits habe er die Zahl der notwendigen Stellplätze von einer gerichtlichen Klärung abhängig machen können. Da der D. als Baugenehmigungsbehörde und nicht die Stadt I. zur Bestimmung der Zahl der notwendigen Stellplätze berufen gewesen sei, sei es sachgerecht gewesen, die Verpflichtung zur Entrichtung des Ablösebetrages von der bestandskräftigen Baugenehmigung abhängig zu machen. Es spreche viel dafür, dass die 5 vorhandenen Einstellplätze nicht ausreichten, weil die für die abgebrochenen Gebäude notwendig gewesenen Stellplätze nicht gegengerechnet werden dürften. Jedoch decke auch eine rechtswidrige Baugenehmigung den Bestand und die Nutzung des genehmigten Vorhabens. Solange die erteilte Baugenehmigung nicht unanfechtbar aufgehoben oder eingeschränkt worden sei, könnten von dem Kläger nicht die Herstellung fehlender Stellplätze bzw. die Zahlung des Ablösebetrages verlangt werden.
Mit Schreiben vom 6. August 1992 übersandte die Stadt G. dem Beklagten eine Ablichtung des Urteils des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 16. Juli 1992 mit der Bitte, wenn möglich eine Ergänzung der erteilten Baugenehmigung im Hinblick auf die Frage der notwendigen Einstellplätze bzw. deren Ablösung vorzunehmen.
Mit Schreiben vom 6. Juli 1993 gab der Beklagte dem Kläger Gelegenheit, sich zu seiner Absicht zu äußern, die wegen der Nichtregelung der notwendigen Einstellplätze rechtswidrige Baugenehmigung vom 10. April 1989 zurückzunehmen. Der Kläger verwies mit Schreiben vom 9. Juli 1993 darauf, dass eine Stellungnahme nach der Rückkehr seines Rechtsanwaltes aus dem Urlaub erfolgen sollte.
Mit Bescheid vom 29. Juli 1993, zugestellt am 31. Juli 1993, nahm der Beklagte gegenüber dem Kläger die Baugenehmigung vom 10. April 1989 mitsamt dem Nachtrag vom 15. August 1989 zurück und ersetzte sie durch eine als Anlage beigefügte Baugenehmigung ebenfalls mit Datum vom 29. Juli 1993. Zur Begründung der Rücknahmeentscheidung führte der Beklagte aus, die Baugenehmigung aus dem Jahr 1989 sei nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 16. Juli 1992 rechtswidrig, weil sie die Frage der notwendigen Einstellplätze bzw. deren Ablösung nach § 47 Abs. 2 und 5 NBauO a. F. nicht regele. Die Rücknahme erfolge auf der Grundlage des § 48 VwVfG. Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG sei gewahrt. Da der Kläger bereits vor Erteilung der Baugenehmigung um das Fehlen von 9 Einstellplätzen und seine insoweit bestehende Ablöseverpflichtung gewusst habe, könne er sich nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der Baugenehmigung berufen. Im Rahmen des Rücknahmeermessens werde den Erfordernissen desöffentlichen Baurechts Rechnung getragen und berücksichtigt, dass die Stadt G. mit einem durchsetzbaren Zahlungsanspruch gegen den Kläger ihre Verpflichtung zur verkehrlichen Entwicklung der Stadt erfüllen könne.
Die Baugenehmigung vom 29. Juli 1993 enthält die Nebenbestimmung × 1, in der es u.a. heißt:
Der Bauherr hat für das Bauvorhaben insgesamt 14 Einstellplätze als notwendige Einstellplätze nach § 47 Abs. 2 NBauO zur Verfügung zu stellen. Der Landkreis gewährt dem Bauherrn ausnahmsweise das Recht, anstelle der Anlegung von 9 dieser Einstellplätze einen Geldbetrag an die Stadt G. zu zahlen (Ablösebetrag). Die Höhe des Ablösebetrages richtet sich nach den mit der Stadt zu diesem Zwecke am 04.04.1989 geschlossenen Ablösevertrag ...
Die von der Ablösung nicht erfassten verbleibenden notwendigen Einstellplätze sind von ihrer Lage, Größe und Beschaffenheit nach den Planunterlagen anzulegen ...
Im übrigen sind in der Baugenehmigungsurkunde wortgleich diejenigen Maßgaben enthalten, die bereits in den Genehmigungen vom 10. April und 15. August 1989 aufgeführt waren.
Am 10. August 1993 legte der Kläger gegen den Bescheid des Beklagten vom 29. Juli 1993 Widerspruch ein. Zur Begründung des Rechtsbehelfs machte er mit anwaltlichem Schriftsatz vom 28. September 1993 geltend, der Beklagte habe ihn zu einer beabsichtigten Rücknahme der Baugenehmigung nicht angehört. Außerdem habe die Stadt G. bei dem Erlass der neuen Baugenehmigung nicht mitgewirkt. Die Erteilung dieser neuen Baugenehmigung sei auch nicht erforderlich gewesen, vielmehr habe ein Leistungsbescheid über den zu zahlenden Ablösebetrag erlassen werden können.
Im Widerspruchsverfahren erteilte die Stadt G. ihr Einvernehmen zu der Erteilung der neuen Baugenehmigung bzw. der Ablösung der Einstellplätze.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 1997 wies die J. den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die Bezirksregierung aus, der Beklagte habe die alte Baugenehmigung in rechtmäßiger Weise zurückgenommen. Die Genehmigung sei, wie das Verwaltungsgericht Braunschweig festgestellt habe, mangels Regelung der notwendigen Einstellplätze in Gestalt einer Nebenbestimmung rechtswidrig gewesen. Die Übereinstimmung mit demöffentlichen Baurecht sei gemäß § 89 Abs. 1 NBauO hergestellt worden, indem die alte Baugenehmigung durch eine neue ersetzt worden sei. Der Erlass eines Leistungsbescheides habe keine Alternative dargestellt, da Voraussetzung hierfür eine Zahlungspflicht des Klägers gewesen sei, die erst habe begründet werden müssen.
Am 16. Mai 1997 hat der Kläger Klage erhoben.
Der Kläger trägt vor, die Rücknahme der Baugenehmigung vom 10. April/15. August 1989 sei ermessensfehlerhaft. Er habe auf den Bestand der erteilten Baugenehmigung vertrauen dürfen. Er habe seinerzeit den Ablösevertrag nur deshalb geschlossen, um die beantragte Baugenehmigung zu erhalten und die Sanierungsmaßnahmen ohne weiteren kostenverursachenden Zeitverlust voran treiben zu können. Dass die schließlich erteilte Baugenehmigung vom 10. April 1989 mangels einer erforderlichen Nebenbestimmung über die notwendigen Einstellplätze rechtswidrig gewesen sei, habe er nicht wissen können. Ihm habe sich die Baugenehmigung als vollständig dargestellt. Bestärkt worden sei er in dieser Einschätzung durch den Umstand, dass auch in der Nachtragsbaugenehmigung vom 15. August 1989 wiederum keine Nebenbestimmungen über Einstellplätze enthalten gewesen seien. Die Ursache für die Fehlerhaftigkeit der Baugenehmigung liege im Verantwortungsbereich des Beklagten. Er, der Kläger, habe im Vertrauen auf die Richtigkeit der behördlichen Entscheidungen erhebliche Vermögensverfügungen getätigt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 29. Juli 1993 sowie den Widerspruchsbescheid der J. vom 21. April 1997 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt.
die Klage abzuweisen.
Er sieht die Voraussetzungen für eine Rücknahme der erteilten Baugenehmigung nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nds. VwVfG i.V.m. § 48 VwVfG als gegeben an. Gleichzeitig mit der Rücknahme der alten Baugenehmigung habe er zur Herstellung rechtmäßiger Zustände auf der Rechtsgrundlage des § 89 Abs. 1 NBauO eine neue, modifizierte Baugenehmigung erlassen dürfen.
Mit Beschluss vom 27. Mai 1999 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Die Beteiligten haben sich mit der Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte zu diesem Verfahren und zu dem Verfahren zum Aktenzeichen 2 A 2360/93 des Verwaltungsgerichts Braunschweig sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der J. (Beiakten A und B) verwiesen. Die Unterlagen haben der Entscheidungsfindung des Gerichts zugrunde gelegen.
Gründe
Die Klage, über die das Gericht mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig aber unbegründet.
Der angefochtene Rücknahmebescheid des Beklagten vom 29. Juli 1993 i.V.m. der unter demselben Datum erteilten Baugenehmigungsurkunde in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. April 1997 (im Folgenden einheitlich: angefochtener Bescheid vom 29. Juli 1993) ist rechtmäßig.
Die Rechtsgrundlage für den Erlass dieser Regelungen besteht in §§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nds. VwVfG. 36 Abs. 1, 48 Abs. 1, 3 bis 5 VwVfG, 47 Abs. 2, 47 a NBauO.
Der Sache nach hat der Beklagte die Baugenehmigung vom 10. April/15. August 1989 nicht zur Gänze aufgehoben und danach in modifizierter Form vollständig neu erlassen, sondern lediglich nachträglich mit einer Nebenbestimmung in Gestalt einer rechtmäßigen Auflage (für diese Qualifikation einer vergleichbaren Nebenbestimmung: OVG Hamburg. Beschl. v. 19.05.1999 - 2 Bs 229/98 -, NVwZ-RR 2000, 106 f; Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 6. Auflage 1996, § 47, Rn. 16, § 47 a, Rn. 10) über die notwendigen Einstellplätze für das Vorhaben des Klägers bzw. deren Ablösung versehen und damit die vordem insoweit uneingeschränkte und deshalb rechtswidrige Baugenehmigung teilweise zurückgenommen (vgl. dazu allgemein: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Auflage 2000, § 36, Rn. 56 ff, Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, a.a.O., § 75, Rn. 76; dies., § 47, Rn. 13 zur Teilaufhebung einer Baugenehmigung wegen fehlender Einstellplätze).
Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass der Beklagte nach dem Tenor des Rücknahmebescheides vom 29. Juli 1993 die Baugenehmigung aus dem Jahr 1989 durch die als Anlage beigefügte Genehmigungsurkunde "ersetzt" hat. Entgegen dieser missverständlichen Formulierung kommt dem Text dieser Urkunde ein neuer und eigenständiger Regelungsgehalt nur insoweit zu, als in Form der Nebenbestimmung (Auflage) × 1 Anzahl, Herrichtung und Ablösung der notwendigen Einstellplätze geregelt wird. Derübrige Text der Urkunde stellt sich als wörtliche Wiederholung des textlichen Teils der Baugenehmigung vom 10. April/15. August 1989 dar und hat insoweit den Charakter einer bloßen wiederholenden Verfügung, die eine eigenständige Sachentscheidung nicht enthält (vgl. zum Nebeneinander von wiederholender Verfügung und ergänzender Neuregelung: Sachs, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Auflage 2001, § 51 Rn. 62). Ausdruck des Umstandes, dass der Beklagte der Sache nach keine vollständig neue Baugenehmigung erlassen hat, ist nicht zuletzt der Umstand, dass die mit dem bauaufsichtsbehördlichen Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen, die Gegenstand der Baugenehmigung aus dem Jahr 1989 waren, in der Genehmigungsurkunde vom 29. Juli 1993 keine Erwähnung finden.
Vor diesem Hintergrund ist es unschädlich, dass die J. in der Begründung des Widerspruchsbescheids vom 21. April 1997 und der Beklagte in seinem Vortrag im gerichtlichen Verfahren meinen, zwischen der auf §§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nds. VwVfG, 48 VwVfG gestützten Aufhebung der alten und dem Erlass einer neuen, modifizierten Baugenehmigung auf der Grundlage des § 89 NBauO unterscheiden zu müssen. Zwar ist die Annahme, der Erlass einer Baugenehmigung als eines mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakts (vgl. dazu: Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, a.a.O., § 71, Rn. 1 ff.; § 75 Rn. 13 f.) könne auf die bauordnungsbehördliche Generalklausel gestützt werden, handgreiflich falsch. Die insoweit vorliegende Fehlvorstellung von Ausgangs- und Widerspruchsbehörde hat jedoch nicht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids zu Folge, weil es für dessen Erlass neben den eingangs zitierten Vorschriften keiner weiteren Rechtsgrundlage bedurfte und die überflüssige Heranziehung des § 89 NBauO nach Maßgabe der folgenden Darlegungen auch keinen Ermessensfehler begründet.
Der angefochtene Bescheid leidet nicht an formell rechtlichen Fehlern. Insbesondere hat der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 6. Juli 1993 gemäß §§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nds. VwVfG, 28 VwVfG zu der beabsichtigten Rücknahmeentscheidung angehört.
Die von dem Beklagten mit Bescheid vom 29. Juli 1993 nachträglich erlassene Stellplatz-Auflage und die damit verbundene teilweise Rücknahme der Baugenehmigung vom 10. April/15. August 1989 ist auch aus Gründen des materiellen Rechts nicht zu beanstanden.
Die Baugenehmigung vom 10. April/15. August 1989 war insoweit i.S.d. §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 VwVfG rechtswidrig, als sie die Frage der über die in den Bauvorlagen dargestellten zwei Garagen und drei Stellplätze hinaus erforderlichen notwendigen Einstellplätze bzw. deren Ablösung i.S.d. § 47 NBauO (a.F.) ungeregelt ließ. Diesen Fehler hat der Beklagte nachträglich durch die Beifügung einer entsprechenden Auflage - während des Verwaltungsverfahrens war § 47 NBauO geändert und § 47 a NBauO neu eingeführt worden - beseitigt.
Nach den in ihrem Regelungsgehalt übereinstimmenden Vorschriften des §§ 47 Abs. 2 Satz 1 NBauO a.F. und n. F. müssen für bauliche Anlagen, die einen Zu- und Abgangsverkehr mit Kraftfahrzeugen erwarten lassen, Einstellplätze in solcher Anzahl und Größe zur Verfügung stehen, dass sie die vorhandenen oder zu erwartenden Kraftfahrzeuge der ständigen Benutzer und Besucher der baulichen Anlagen aufnehmen können. Hieraus folgt, dass eine bauliche Anlage ohne die für sie notwendigen Einstellplätze nicht dem öffentlichen Baurecht entspricht (Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, a.a.O.,§ 47, Rn. 14, 47; vgl. auch: OVG Lüneburg, Urt. v. 23.09.1991 - 6 L 131/89 - BRS 52, Nr. 115, Beschl. v. 29.11.1995 - 1 M 7198/95 -, BRS 57, Nr. 240). In diesem Zusammenhang stellt die in § 47 Abs. 5 und 6 NBauO a.F. bzw. § 47 a NBauO n.F. vorgesehene Ablösung von notwendigen Einstellplätzen nur eine besondere Art der Erfüllung der Einstellplatzpflicht dar (OVG Lüneburg. Urt. v. 23.02.1987 - 6 A 47/86 -, BRS 47, Nr. 116). In jedem Fall darf die Bauaufsichtsbehörde eine Baugenehmigung nicht ohne Nachweis bzw. Regelung der notwendigen Einstellplätze erteilen.
Die Beteiligten sind stets übereinstimmend davon ausgegangen, dass für das Vorhaben des Klägers insgesamt 14 Einstellplätze erforderlich sind. Diese Annahme erweist sich unter Berücksichtigung der genehmigten Nutzungen des Wohn- und Geschäftshauses des Klägers und der zu Grunde zu legenden Richtzahlen für Einstellplätze (RdErl. des MS vom 25.02.1988, Nds. MBl. S. 282) als für den Kläger sehr günstig. Durchgreifende Bedenken sind hiergegen gleichwohl nicht zu erheben. Da der Kläger in den Bauvorlagen nur 5 Einstellplätze nachgewiesen hatte, war ein Fehlbestand von 9 Einstellplätzen gegeben. Entgegen der von dem Kläger mit Schreiben vom 20. März 1989 vertretenen Ansicht kam eine Verrechnung mit den Einstellplätzen, die für die vordem auf dem Grundstück ausgeübten Nutzungen erforderlich gewesenen waren, nicht in Betracht. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht ist in seinem Beschluss vom 5. Juli 1995 davon ausgegangen, dass die stellplatzpflichtigen früheren Nutzungen in den abgebrochenen Gebäudeteilen ausgeübt wurden. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten. Mit dem Abbruch eines Gebäudes genießt dieses auch im Hinblick auf erforderliche Einstellplätze keinerlei Bestandsschutz mehr. Ebenso wenig kommt Entscheidungen, die die Bauaufsichtsbehörde ggf. seinerzeit für ein abgebrochenes Gebäude getroffen hat, für das neue Gebäude irgendeine Bedeutung zu (OVG Lüneburg. Urt. v. 16.03.1987 - 1 A 173/86 -, BRS 47, Nr. 113; Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, a.a.O., § 47 Rn. 13). Der Beklagte durfte nach alledem die Baugenehmigung vom 10. April/15. August 1989 nicht ohne eine Regelung über die fehlenden 9 notwendigen Einstellplätze i.S.d. § 47 NBauO a.F. erlassen.
Der Beklagte hat die insoweit rechtswidrige Baugenehmigung aus dem Jahr 1989 durch die mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. Juli 1993 nachträglich beigefügte Auflage zur Regelung der Stellplatzpflicht innerhalb der Frist der §§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nds. VwVfG, 48 Abs. 4 VwVfG teilweise zurückgenommen. Nach den Maßstäben der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der das Gericht folgt, beginnt die Jahresfrist zu laufen, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die weiteren für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen einschließlich der für eine sachgerechte Ermessensausübung erforderlichen Gesichtspunkte vollständig positiv bekannt sind (grundlegend: BVerwG, Beschluss des Grossen Senats vom 19.12.1984 - Gr. Sen. 1. und 2.84 -, BVerwGE 70, 356, 362 ff.; weiterhin: Urteil vom 24.01.2001 - 8 C 8/00 -, NJW 2001, 1440 f.). Die entsprechende Kenntnis hat der Beklagte frühestens erlangt, als ihn die Stadt G. mit Schreiben vom 6. August 1992 über den Inhalt des erstinstanzlichen Urteils des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 16. Juli 1992 in ihrem mit dem Kläger geführten Rechtsstreit über dessen Zahlungsverpflichtung aus dem Ablösungsvertrag vom 4. April 1989 unterrichtete. Da der angefochtene Bescheid vom 29. Juli 1993 vor Ablauf der Jahresfrist Anfang August 1993 Wirksamkeit erlangte, kann dahinstehen, ob der Beklagte mit seiner Rücknahmeentscheidung ggf. sogar bis zur Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils hätten zuwarten können (vgl. grundsätzlich zur Maßgeblichkeit von Entscheidungsgründen für die Kenntnis der Rechtswidrigkeit: BVerwG. Beschl, v. 20.05.1988 - 7 B 79/88 -, NVwZ 1988, 822; Urt. v. 19.12.1995 - 5 C 10.94 -, BVerwGE 100, 199.201 ff.).
Der Beklagte hat sein Rücknahmeermessen nach §§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nds. VwVfG. 48 Abs. 1 VwVfG in einer nach § 114 VwGO nicht zu beanstandenden Weise ausgeübt. Er hat sich in zutreffender Weise insbesondere mit dem Gesichtspunkt eines etwaigen Vertrauensschutzes des Klägers aus der erteilten Baugenehmigung, der ungeachtet des in§§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nds. VwVfG. 48 Abs. 3 VwVfG vorgesehenen Vertrauensschadensausgleichs bei der Ermessensausübung Berücksichtigung finden muss (Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, a.a.O., § 75, Rn. 77 f.; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 48 Rn. 119 ff.) auseinandergesetzt. Es ist bereits kein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers in den Bestand der Baugenehmigung vom 10. April/15. August 1989 ohne eine Regelung hinsichtlich der fehlenden 9 Einstellplätze entstanden. Zwar weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass die insoweit gegebene Fehlerhaftigkeit der Baugenehmigung, die Anlass für deren Teilrücknahme war, im Verantwortungsbereich des Beklagten lag. Nach der mit dem Beklagten geführten Korrespondenz vom März 1989 und insbesondere nach Abschluss des Ablösungsvertrages mit der Stadt G. vom 4. April 1989, der die Verpflichtung zur Zahlung eines Ablösebetrages von der bestandskräftigen Baugenehmigung abhängig machte, konnte der Kläger jedoch nicht davon ausgehen, dass ihm die erteilte Baugenehmigung ohne Regelung der Stellplatzproblematik uneingeschränkt belassen werden würde. Jedenfalls hätte der Kläger ein entsprechendes Vertrauen nicht im Sinne der hier entsprechend anwendbaren Grundsätze des § 48 Abs. 2 VwVfG betätigt. Die von dem Kläger angeführten Vermögensdispositionen betrafen Ausgaben, die für sein Bauvorhaben ohnehin erforderlich waren, und hatten mit der Problematik der abzulösenden notwendigen Einstellplätze nichts zu tun.
Bei seiner Ermessensausübung hat der Beklagte weiterhin in angemessener Weise berücksichtigt, dass er durch seinen angefochtenen Bescheid vom 29. Juli 1993 die Grundlage dafür schaffen konnte, dass der Stadt G. die Durchsetzung des ihr zustehenden Anspruchs auf Zahlung des mit dem Kläger vereinbarten, von Gesetzes wegen für Verkehrsinvestitionen zweckgebundenen Ablösungsbetrages ermöglicht wird.
Schließlich wird eine Ermessensfehlerhaftigkeit des angefochtenen Bescheides des Beklagten nicht dadurch begründet, dass dieser neben den Regelungen über die (Teil-)Rücknahme und Ergänzung der Baugenehmigung aus dem Jahr 1989, die die Entscheidung vollständig tragen, zusätzlich die Vorschrift des § 89 NBauO herangezogen hat. Zwar muss sich die Ausübung des behördlichen Ermessens in erster Linie an dem Zweck der zugrunde liegenden Ermächtigungsnorm orientieren (vgl. nur: Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 40 Rn. 22, 48, 61), jedoch ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, dass der Beklagte bzw. die J. als Widerspruchsbehörde im Rahmen der - fälschlicherweise - zusätzlich berücksichtigten bauordnungsbehördlichen Generalklausel eigenständige bzw. im Rahmen der zutreffenden Ermächtigungsgrundlage nicht tragfähige Erwägungen angestellt hätten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 11.504,07 Euro festgesetzt.